FG Rheinland-Pfalz: Zum Betriebsstättenbegriff nach Inkrafttreten des neuen Reisekostenrechts
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.6.2024 – 1 K 1219/21; ECLI:DE:FGRLP:2024:0619.1K1219.21.00
Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2024-1953-1
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Amtlicher Leitsatz
Die Auslegung des Begriffs der „Betriebsstätte“ nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG erfolgt nicht unter Rückgriff auf den Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte“ in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1, Abs. 4 EStG (gegen BMF-Schreiben vom 23.12.2014, BGBl I 2015, 26).
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 4, Abs. 5 S. 1 Nr. 6, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, Abs. 4, Abs. 4a
Sachverhalt
Der seit dem … geschiedene Kläger erzielte in den Streitjahren 2016 bis 2018 Einkünfte aus selbständiger Arbeit durch die Erbringung von Beratungsleistungen auf dem Gebiet der Informationstechnologie. Den Gewinn ermittelte er als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 3 EStG). Im gesamten Streitzeitraum war der Kläger in K wohnhaft. Ab dem 29.03.2016 mietete er zudem in H eine möblierte Wohnung an.
Im Zeitraum vom 30.08.2019 bis zum 05.09.2019 führte das Finanzamt X eine Außenprüfung für die Streitjahre durch. Nach Feststellungen der Prüferin war der Kläger im Prüfungszeitraum einzig für die Firma T AG (nachfolgend: T) in H an deren Sitz als Berater tätig. Dort übte er seine Tätigkeit an vier Tagen pro Woche aus. Ausweislich des zwischen dem Kläger und der A GmbH (nachfolgend: A) am ... 2016 geschlossenen projektbezogenen Interim Manager und Berater-Vertrages betreffend den Einsatz im Projekt „Infrastruktur Basis“ begann seine Tätigkeit bei dem Kunden/ Klienten der A (T) am 14.03.2016 und endete am 30.06.2016. In Ziff. 1.6 des Vertrages heißt es, dass A und T sowie deren Mitarbeiter kein Weisungs- oder Direktionsrecht gegenüber dem Berater – weder fachlich noch disziplinarisch – ausüben. Lt. Ziff. 2.3 ist der Berater in der Einteilung der Arbeitszeit und der Art der Durchführung des Vertrages im Rahmen des Vertrages frei. Ziff. 2.7 des Vertrages vom … 2016 lautet wie folgt: „Soweit dies zur Erfüllung des Projektauftrags zwingend erforderlich ist, kann der Berater auch in den Geschäftsräumen des Kunden tätig werden“. Durch in der Folgezeit im Voraus getroffene Verlängerungsvereinbarungen wurde das Vertragsverhältnis im Streitjahr 2016 jeweils um zwei weitere Monate verlängert. Im Streitjahr 2017 wurden zwei weitere Verlängerungsvereinbarungen für vier bzw. acht Monate getroffen. Im Streitjahr 2018 wurde das Vertragsverhältnis mit Vereinbarung vom ... 2017 für die Dauer eines Jahres bis zum 31.12.2018 verlängert. Alle weiteren Regelungen und Vereinbarungen des Vertrages vom … 2016 und der nachfolgenden Verlängerungen blieben unverändert.
Die Prüferin vertrat die Auffassung, dass die vom Kläger geltend gemachten Mehraufwendungen für Verpflegung und Familienheimfahrten zu kürzen seien. Mehraufwendungen für Verpflegung im Streitjahr 2016 könnten wegen der Begründung einer doppelten Haushaltsführung in H nur für die ersten drei Monate (März – Mai) gewährt werden. Mehraufwendungen für Aufenthalte außerhalb von K und H erkannte die Prüferin weiterhin an. Aufwendungen für die Wege vom Ort der ersten Tätigkeitsstätte zum Ort des eigenen Hausstandes und zurück (Familienheimfahrten) könnten jeweils nur für eine Familienheimfahrt wöchentlich abgezogen werden. Zur Abgeltung der Aufwendungen für eine Familienheimfahrt sei eine Entfernungspauschale von 0,30 € für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort des eigenen Haustandes und dem Ort der ersten Tätigkeitsstätte anzusetzen. Anzusetzen sei die kürzeste Verbindung (308 km). Damit seien die Aufwendungen wie folgt steuerlich zu berücksichtigen:
Mehraufwendungen für Verpflegung
Zeitraum |
Aufwand lt. Reisekostenabrechnung |
anzuerkennen |
BA-Minderung |
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Summe 2016 |
2.676,00 |
456,00 |
2.220,00 |
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Summe 2017 |
3.771,00 |
505,00 |
3.266,00 |
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Summe 2018 |
3.796,00 |
621,00 |
3.175,00 |
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Familienheimfahrten |
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2016 |
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Bisher angesetzte BA |
10.233,60 € (39 x 2 x 320km x 0,41€) |
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Anzuerkennen |
3.418,80 € (37 x 308km x 0,30 €) |
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Differenz brutto |
6.814,80 € |
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2017 |
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Bisher angesetzte BA |
22.016,00 € (43 x 2 x 320km x 0,80 €) |
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Anzuerkennen |
3.418,80 € (43 x 308km x 0,30 €) |
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Differenz brutto |
18.597,20 € |
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2018 |
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Bisher angesetzte BA |
12.646,40 € (38 x 2 x 320km x 0,52 €) |
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Anzuerkennen |
3.511,20 € (38 x 308km x 0,30 €) |
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Differenz brutto |
9.135,20 € |
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Den Feststellungen der Prüferin folgend erließ das Finanzamt X am 18.11.2019 (2017, 2018) bzw. 16.12.2019 (2016) geänderte Einkommensteuerbescheide.
Zur Begründung seiner hiergegen gerichteten Einsprüche trug der Kläger im Wesentlichen vor, der BFH habe mit Urteil vom 09.07.2009 (VI R 21/08) entschieden, dass die betriebliche Einrichtung eines Kunden keine regelmäßige Arbeitsstätte darstelle, und zwar auch nicht, wenn ein Arbeitnehmer bei einem Kunden längerfristig eingesetzt sei. Seine Tätigkeit sei vorübergehend gewesen, weil er an seine regelmäßige Arbeitsstätte (eigenes Büro in K) zurückgekehrt und dort seine berufliche Tätigkeit fortgesetzt habe. Laut BFH-Urteil vom 10.04.2008 (VI R 66/05) gelte die Dreimonatsfrist nicht, wenn die Auswärtstätigkeit vorübergehend sei, also zeitlich befristet oder projektbezogen. Ab 2008 sei die früher geltende Dreimonatsfrist, nach deren Ablauf der auswärtige Einsatzort ab dem vierten Monat automatisch zur regelmäßigen Arbeitsstätte geworden sei, entfallen. Seine Betriebsstätte sei an seinem Wohnsitz. Hinzu käme, dass seine jeweiligen Beauftragungen nur für einen Zeitraum von drei Monaten erfolgt und somit zeitlich befristet als auch projektbezogen gewesen seien. Es handele sich nicht um eine erste Tätigkeitstätte, so dass alle Aufwendungen nach Reisekostengrundsätzen zu behandeln seien. Das gelte auch bei doppelter Haushaltsführung, so dass auch die Fahrten von der Zweitwohnung zum Kunden und zurück sowie sämtliche Zwischenfahrten als Reisekosten steuerlich anzuerkennen seien.
Mit Einspruchsentscheidung vom 12.02.2021 wies der im Verlauf des Verfahrens zuständig gewordene Beklagte Y die Einsprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Abziehbarkeit von Reisekosten habe sich mit dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.02.2013 (BStBl I 2013, 188) geändert. Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG seien keine Reisekosten. Ihr Abzug richte sich nach den Regelungen in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 bis 6 EStG zur Entfernungspauschale. Im Hinblick auf den besonderen Zweck des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG, den Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG und wegen der gebotenen Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften im Regelungsbereich beider Vorschriften weiche der Begriff der Betriebsstätte vom Betriebstättenbegriff des § 12 AO ab (z.B. BFH-Urteil vom 22.10.2014 X R 13/13, BStBl II 2015, 273 [BB 2015, 1062 m. BB-Komm. Van Ghemen]). Unter Betriebsstätte sei die von der Wohnung getrennte dauerhafte Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen zu verstehen, d.h. eine ortsfeste betriebliche Einrichtung im Sinne der Randnummer 3 des BMF-Schreibens vom 24.10.2014 (BStBl I 2014, 1412) des Steuerpflichtigen, des Auftraggebers oder eines vom Auftraggeber bestimmten Dritten, an der oder von der aus die steuerlich relevante Tätigkeit dauerhaft ausgeübt werde. Eine hierauf bezogene eigene Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen sei – im Unterschied zur Geschäftseinrichtung i.S.d. § 12 Satz 1 AO – nicht erforderlich.
Gemessen daran habe sich in H eine Betriebsstätte des Klägers befunden. Das vom Kläger betonte Merkmal der „Dauerhaftigkeit“ finde sich in diesem Zusammenhang und mit dem Ziel einer Gleichstellung mit der diesbezüglichen Besteuerung von Arbeitnehmern in der Frage der Regelmäßigkeit des Aufsuchens der Tätigkeitsstätte wieder. Das häusliche Arbeitszimmer sei – wie bisher – keine Betriebsstätte i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG und könne daher auch im Rahmen der ab 2014 anzuwendenden Reisekostenvorschriften keine erste Betriebsstätte sein. Erste Betriebsstätte sei daher im konkreten Fall die Tätigkeitsstätte, an der der Kläger dauerhaft typischerweise arbeitstäglich oder je Woche an zwei vollen Arbeitstagen oder mindestens zu einem Drittel seiner regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden wolle. Über Büro und Geschäftsräume, die komplett von der Privatwohnung abgetrennt und separat zugänglich seien, verfüge der Kläger nach Aktenlage nicht. Er sei nach Aktenlage seit März 2016 bis Ende 2018 dauerhaft an vier Tagen die Woche für die T in H tätig gewesen. Unterbrechungen von vier Wochen, die zu Neubeginn der Dreimonatsfrist führten, lägen laut Aktenlage nicht vor. Da der Kläger für die gesamte Dauer der betrieblichen Tätigkeit täglich bzw. wöchentlich in H tätig gewesen sei, habe er seine erste Betriebsstätte in H gehabt. Bei der gesamten Dauer der betrieblichen Tätigkeit sei dabei auf den jeweiligen Auftrag bzw. das jeweilige Projekt abzustellen. Die Fahrten zwischen Wohnung und erster Betriebsstätte könnten daher lediglich mit der Entfernungspauschale von 30 Cent pro Entfernungskilometer berücksichtigt werden. Da der Kläger ab dem 20.03.2016 eine Zweitwohnung in H angemietet habe, könnten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung Mehraufwendungen für Verpflegung für einen Zeitraum von drei Monaten anerkannt werden. Das Finanzamt habe daher zutreffend für die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte die Entfernungspauschale und nicht die tatsächlichen Kosten in Ansatz gebracht und die Mehraufwendungen für Verpflegung lediglich für einen Zeitraum von drei Monaten anerkannt.
Zur Begründung seiner Klage vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, er habe am Sitz der T in H keine Betriebsstätte gehabt. Es fehle an einer dauerhaften Tätigkeit. Das Vertragsverhältnis mit der A sei jeweils befristet gewesen. Weder die einzelnen befristeten Vereinbarungen, noch die gesamte Tätigkeit überstiegen die Dauer von 48 Monaten. Aus diesem Grund seien die von ihm bei der T genutzten Räumlichkeiten nicht als Betriebsstätte anzusehen. Deshalb spiele es letztendlich keine Rolle, ob er in K eine weitere Betriebsstätte gehabt habe, wie das Finanzamt X in dem BP-Bericht unter Nr. 1.3.2 selbst festgestellt habe. Es sei unmaßgeblich, ob er in H mehr als 1/3 seiner regelmäßigen Gesamtarbeitsleistung verbracht habe. Gemäß Ziffer 1b des BMF-Schreibens vom 24.10.2014 (BStBl I 2014, 1412) sei diese Drittelgrenze alleine maßgeblich für die Abgrenzung einer ersten Betriebsstätte von anderen Betriebsstätten. Hierum gehe es hier jedoch nicht. Er, der Kläger, sei vor und nach seiner Tätigkeit in H für andere Kunden an anderen Orten tätig gewesen. Die Tätigkeit in H sei somit keineswegs für die gesamte Dauer der betrieblichen Tätigkeit erfolgt. Für die Prognose der voraussichtlichen Dauer könne nach dem o.g. BMF-Schreiben auf die Dauer des Auftragsverhältnisses abgestellt werden. Werde dieses zu einem späteren Zeitpunkt verlängert, sei die Prognoseentscheidung für zukünftige Zeiträume neu zu treffen. Daraus folge, dass jede Verlängerungsvereinbarung gesondert zu bewerten sei. Auch darauf komme es aber letzten Endes nicht an, da seine gesamte Tätigkeit in H den Zeitraum von 48 Monaten nicht überschritten habe.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 12.02.2021 die unter dem 18.11.2019 bzw. 16.12.2019 geänderten Einkommensteuerbescheide für 2016 bis 2018 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit weitere Betriebsausgaben in 2016 i.H.v. 9.034,80 €, in 2017 i.H.v. 21.863,20 € und in 2018 i.H.v. 12.310 € berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er nimmt Bezug auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, der offensichtliche Widerspruch zum BP-Bericht unter „Allgemeine Angaben 1.3.2“, dass die Betriebsstätte des Klägers an dessen Wohnsitz belegen sei, müsse nicht zwangsläufig ein inhaltlicher Widerspruch sein. Denn aus der Betriebsprüfungsakte und dem Schriftverkehr mit dem Kläger ergebe sich, dass er ein Arbeitszimmer in K gehabt habe, das nicht von der Privatwohnung abgetrennt und separat zugänglich gewesen sei. Ein Arbeitszimmer innerhalb der Privatwohnung gelte nicht als Betriebsstätte und damit auch nicht als erste Betriebsstätte. Sowohl nach alter als auch neuer Rechtslage habe eine Betriebsstätte in H vorgelegen, da der Kläger in einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Kunden in H mehr als ein Drittel seiner regelmäßigen Gesamtarbeitsleistung verbracht habe. Da der Kläger für die gesamte Dauer der betrieblichen Tätigkeit bzw. wöchentlich in H tätig gewesen sei, erübrige sich die Prüfung der 48-Monate-Grenze. Der Kläger sei für die gesamte Dauer der betrieblichen Tätigkeit in H tätig gewesen. Erfolge eine Zuordnung nur für die Dauer des jeweiligen Dienstverhältnisses, so sei diese Zuordnung immer dauerhaft, also auch dann, wenn sie weniger als 48 Monate umfasse. Dabei komme es nicht darauf an, ob das Dienstverhältnis befristet oder unbefristet sei (Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 300. Lfg. 10.2020, Rz. 547). Mangels dienst- und arbeitsrechtlicher Festlegungen bei einem Selbständigen/Gewerbetreibenden könnten nur quantitative Kriterien für die Prüfung der ersten Betriebsstätte von Bedeutung sein. Erste Betriebsstätte sei somit die Einrichtung, die der Betriebsinhaber typischerweise arbeitstäglich aufsuche oder je Arbeitswoche an zwei vollen Arbeitstagen. Von einer ersten Betriebsstätte sei auch auszugehen, wenn der Betriebsinhaber zu mindestens einem Drittel seiner Arbeitszeit in der Betriebsstätte tätig sei (Grote in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht Lfg. 10.2018, Rz. 418).
Der Kläger erwidert hierzu, der Beklagte übersehe, dass er nicht als Arbeitnehmer tätig gewesen sei, er also nicht wie ein Arbeitnehmer von einem Arbeitgeber einer Betriebsstätte zugeordnet werde. Würde man der Argumentation des Beklagten folgen, wäre das Ergebnis folgendes: Auch wenn er, der Kläger, beispielsweise wöchentlich für einen neuen Kunden tätig werde und somit auch wöchentlich eine jeweils andere Betriebsstätte eines anderen Kunden aufsuchen würde, wäre diese jeweils für eine Woche aufgesuchte Betriebsstätte des Auftraggebers als Betriebsstätte des Klägers zu definieren. Dass dies nicht gewollt sei, liege auf der Hand. Weiterhin übersehe der Beklagte, dass die zitierten Literaturmeinungen sich auf die Abgrenzung einer ersten Betriebsstätte von einer anderen bezögen. Dieses Problem stelle sich hier jedoch überhaupt nicht, da sein Tätigkeitsort in H keine Betriebsstätte im steuerlichen Sinne gewesen sei und somit erst recht keine erste Betriebsstätte.
Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze und Unterlagen verwiesen (§ 105 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide für 2016 bis 2018 vom 18.11.2019 bzw. 16.12.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.02.2021 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat im Ergebnis sowohl zu Recht dem Betriebsausgabenabzug für die im Rahmen der doppelten Haushaltsführung erfolgten Familienheimfahrten des Klägers zwischen seiner Wohnung in K und dem Betriebssitz der T in H die Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG zu Grunde gelegt als auch wegen der Begründung einer doppelten Haushaltsführung die Mehraufwendungen für Verpflegung nach Ablauf von drei Monaten gekürzt (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 4a EStG).
Fahrten eines Gewinnermittlers zwischen Wohnung und Betriebsstätte zählen zu dessen betrieblichen Fahrten
1.a) Fahrten eines Gewinnermittlers zwischen Wohnung und Betriebsstätte zählen zu dessen betrieblichen Fahrten (BFH-Beschluss vom 20.08.2015 III B 108/14, BFH/NV 2015, 1575). Die mit diesen Fahrten zusammenhängenden Aufwendungen sind gemäß § 4 Abs. 4 EStG grundsätzlich als Betriebsausgaben abzugsfähig. Hiervon abweichend dürfen gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG die Aufwendungen für die Wege des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte den Gewinn nicht mindern, soweit in den folgenden Sätzen der Vorschrift nichts anderes bestimmt ist. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG ist der Abzug von Betriebsausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte auf die Höchstbeträge der gesetzlichen Entfernungspauschale begrenzt.
Betriebsstätte ist der Ort, an dem oder von dem aus die beruflichen oder gewerblichen Leistungen erbracht werden
b) Nach der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.02.2013 (BGBl I 2013, 285) geltenden Rechtslage ergangenen Rechtsprechung der für die Gewinneinkünfte zuständigen Senate des BFH ist für Zwecke der Ermittlung der nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben im Zusammenhang mit den Fahrtkosten unter Betriebsstätte der Ort zu verstehen, an dem oder von dem aus die beruflichen oder gewerblichen Leistungen erbracht werden, die den steuerbaren Einkünften zugrunde liegen. Eine abgrenzbare Fläche oder Räumlichkeit und eine hierauf bezogene eigene Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen über die erforderliche ortsfeste betriebliche Einrichtung ist – im Unterschied zur Geschäftseinrichtung oder Anlage im Sinne des § 12 Satz 1 AO – nicht erforderlich (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18.09.1991 XI R 34/90, BStBl II 1992, 90 [BB 1992, 256]; vom 29.04.2014 VIII R 33/10, BStBl II 2014, 777), so dass bei einem im Wege eines Dienstvertrags tätigen Unternehmer, der nicht über eine eigene Betriebsstätte verfügt, als Betriebsstätte der Ort anzusehen ist, an dem er die geschuldete Leistung zu erbringen hat, in der Regel also der Betrieb des Auftraggebers (BFH-Urteil vom 13.07.1989 IV R 55/88, BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23; ferner BFH-Urteile vom 27.10.1993 I R 99/92, BFH/NV 1994, 701; vom 19.08.1998 XI R 90/96, BFH/NV 1999, 41; Grote in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht 123 Lfg. 12.2020, § 4 Abs. 5 - 9 EStG Rz. 418). Eine normspezifische Gesetzesauslegung ist im Hinblick auf den mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG a.F. verfolgten Zweck, die Bezieher von Gewinneinkünften in Bezug auf regelmäßige Fahrten mit Arbeitnehmern gleichzustellen, verfassungsrechtlich geboten (vgl. BFH-Urteil vom 22.10.2014 X R 13/13, BStBl II 2015, 273, Rz 12 ff. [BB 2015, 1062 m. BB-Komm. Van Ghemen]).
An dieser Auslegung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG a.F. hat der X. Senat seinerzeit ungeachtet der damaligen Rechtsprechung des VI. Senats des BFH zu dem in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. verwendeten Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte, nach welcher regelmäßige Arbeitsstätte nur eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, nicht aber die betriebliche Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers sein könne (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10.07.2008 VI R 21/07, BStBl II 2009, 818, unter II.1.b), festgehalten (vgl. BFH-Urteil vom 22.10.2014 X R 13/13, BStBl II 2015, 273, Rz 13 [BB 2015, 1062 m. BB-Komm. Van Ghemen]; ebenso BFH-Urteil vom 23.10.2014 III R 19/13, BStBl II 2015, 323, Rz 12).
Der Begriff der Betriebsstätte ist schon wegen der Verweisung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. auf die Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. gleichermaßen wie der dort für Arbeitnehmer verwendete Begriff der „Arbeitsstätte“ dadurch gekennzeichnet, dass er eine ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung voraussetzt, die der Steuerpflichtige nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder zur Ausübung seiner betrieblichen Tätigkeit aufsucht (vgl. BFH-Urteile vom 23.10.2014 III R 19/13, BStBl II 2015, 323, Rz 12; vom 29.04.2014 VIII R 33/10, BStBl II 2014, 777, Rz 27, und vom 12.06.2018 VIII R 14/15, BStBl II 2018, 755, Rz 21 [BB 2018, 2546 m. BB-Komm. Abele]).
Der BFH konnte die Auslegung des Begriffs „erste Tätigkeitsstätte“ offen lassen
c) Der BFH konnte in seiner Entscheidung vom 16.02.2022 (X R 14/19, BStBl II 2022, 805) offenlassen, ob und welche Bedeutung dem durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.02.2013 (BGBl I 2013, 285) eingeführten Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte“ in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EStG n.F. - und den damit in Zusammenhang stehenden Regelungen (vgl. § 9 Abs. 4 Sätze 2 ff. EStG n.F.) - für die Auslegung des Begriffs der Betriebsstätte in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG n.F. zukommt.
In der Literatur wird zum Teil vertreten, dass die bisherige normspezifische Auslegung dieses Begriffs durch die BFH-Rechtsprechung auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes weiterhin maßgeblich ist, d.h. dass die Änderung durch das Gesetz vom 20.02.2013 bei der Auslegung des Begriffs der Betriebsstätte in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG vollständig unberücksichtigt bleiben muss (so FG Düsseldorf, Urteil vom 11.03.2019 9 K 1960/17 E, G, EFG 2019, 873, Rz 21; Schober in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 314. Lfg Okt 2022, § 4 Rz 1366, „Mehrere Betriebsstätten“; Loschelder in Schmidt, EStG, 43. Aufl., § 4 Rn. 580). Nach einer anderen Ansicht ist der Begriff der Betriebsstätte entsprechend der Definition der ersten Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 EStG auszulegen (so Drüen in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, 171. EL 03.2024, § 4 Rn. 805; Bode in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl. 2024, § 4 Rz 213; Grote in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, 128. Lieferung 10.2021, § 4 Abs. 5 - 10 EStG Rz 413; Korn u.a. in Korn, EStG, § 4 Rz 1036.2; wohl auch BMF im Schreiben vom 23.12.2014 IV C 6-S 2145/10/10005:001, BStBl I 2015, 26, Rn 5; kritisch Nöcker in jurisPR-SteuerR 3/2023 Anm. 3).
Die bisherige normspezifische Auslegung des Begriffs „Betriebsstätte“ gilt fort
2.a) Der erkennende Senat ist der Ansicht, dass die bisherige normspezifische Auslegung des Begriffs „Betriebsstätte“ durch die BFH-Rechtsprechung auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes weiterhin maßgeblich ist.
Hierfür spricht insbesondere, dass § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG gerade nicht auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1, Abs. 4 EStG nF als zentrale Regelungen zum neuen Begriff der ersten Tätigkeitsstätte verweist. Soweit in den von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG in Bezug genommenen Normen der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte Erwähnung findet (vgl. z.B. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG nF), ist nach Ansicht des Senats die in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG nF angeordnete „entsprechende Anwendung“ nicht als Rechtsgrundverweisung zu verstehen, sondern es wird nur die entsprechende Anwendung der Berechnungsmodalitäten (Sätze 2 bis 6 der Vorschrift) angeordnet (so auch FG Düsseldorf, Urteil vom 11.03.2019 9 K 1960/17 E, G, EFG 2019, 873, Rz 21; wohl auch Wick, DStR 2022, 1474, 1480 f.).
Eine analoge Anwendung setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus, an der es aber vorliegend fehlt. Es kann nicht als gesetzgeberisches Versehen angesehen werden, dass der Gesetzgeber § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG unverändert belassen hat, denn mit dem gleichen Änderungsgesetz hat er § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG umfassend neu geordnet. Auch in der ausführlichen Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/10774, 12 ff) wird nur auf Arbeitnehmer-Fälle Bezug genommen (Schober in Hermann/Heuer/Raupach, EStG 10.2022, § 4 Anm. 1366 „mehrere Betriebsstätten“). Dieser kann nicht entnommen werden, dass dem Begriff der ersten Tätigkeitsstätte Bedeutung für die Auslegung des Begriffs der Betriebsstätte in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG zukommen sollte (Wick, DStR 2022, 1474, 1481). Da der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem VZ 2014 lediglich das sog. steuerliche Reisekostenrecht in Bezug auf die Arbeitnehmer ändern wollte und den Begriff der „regelmäßigen Arbeitsstätte“ durch den neuen Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte“ in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1, Abs. 4 EStG ersetzt hat, kann für die folgenden Jahre eigentlich nichts anderes gelten (Nöcker in jurisPR-SteuerR 3/2023 Anm. 3). Aus den Verweisen auf § 9 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2 ff. bzw. Abs. 2 ergibt sich nichts Abweichendes, denn insoweit wird nur auf die Rechtsfolgen und Berechnungsmethoden verwiesen (Schober in Hermann/Heuer/Raupach, EStG 10.2022, § 4 Anm. 1366 „mehrere Betriebsstätten“).
Bedenken gegen eine Übertragung der Regelungen in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG nF auf den Bereich der Gewinneinkunftsarten bestehen auch, weil diese nur mit einer Vielzahl von Unterstellungen möglich wäre und eine Zuordnung nicht immer eindeutig ist (so auch Nöcker in jurisPR-SteuerR 3/2023 Anm. 3; Zweifel äußernd auch Wick, DStR 2022, 1474, 1480, 1481). Der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte ist durch das arbeitsrechtliche Direktionsrecht des Arbeitgebers geprägt. Einen solchen Einfluss haben Auftraggeber eines Steuerpflichtigen mit gewerblichen Einkünften in der Regel nicht (Schober in Hermann/Heuer/Raupach, EStG 10.2022, § 4 Anm. 1366 „mehrere Betriebsstätten“; Wick, DStR 2022, 1474, 1481; zum Fehlen eines Direktionsrechts im Verhältnis zwischen dem Gewerbetreibenden und seinem Kunden: BFH-Urteil vom 22.10.2014 X R 13/13, BStBl II 2015, 273 [BB 2015, 1062 m. BB-Komm. Van Ghemen]).
Zur Rechtslage vor Einführung des neuen Reisekostenrechts ist höchstrichterlich entschieden, dass durch § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 1 und 2 EStG die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte bei der Ermittlung von Gewinneinkünften mit den Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei der Ermittlung von Überschusseinkünften gleich behandelt werden sollten. Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, auch für das neue Reisekostenrecht davon auszugehen, dass durch die in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG nF vorgenommene Verweisung u.a. auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 S. 2 bis 6 EStG nF die Gleichstellung der steuerlichen Berücksichtigung der Aufwendungen von Gewerbetreibenden für Wege zwischen Wohnung und Betriebstätte und der Aufwendungen von Arbeitnehmern für Wege zwischen Wohnung und erster Arbeitsstätte erreicht werden soll. Eine unterschiedslose Auslegung der Begriffe der „ersten Tätigkeitsstätte“ in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, Abs. 4 EStG nF und der „Betriebsstätte“ in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG würde den bestehenden Unterschieden zwischen Arbeitnehmern und Gewinnermittlern aber nicht gerecht. Da bei Gewerbetreibenden - wie bereits ausgeführt - keine „dauerhafte Zuordnung“ durch den Arbeitgeber erfolgt, ist nicht ersichtlich, inwieweit die weiteren in § 9 Abs. 4 EStG nF enthaltenen gesetzlichen Regelungen zur „dauerhaften Zuordnung“ von Arbeitnehmern für die Bestimmung einer „ersten“ Betriebsstätte iSd § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 1 EStG nF maßgeblich sein könnten, zumal sie auf die Verhältnisse bei Arbeitnehmern zugeschnitten sind (Wick, DStR 2022, 1474, 1481).
Auf die Regelmäßigkeit des Aufsuchens kommt es nicht an
b) Nach Maßgabe der o.g. Rechtsgrundsätze und den Gesamtumständen des Einzelfalles handelte es sich bei dem Betrieb der T in H um die einzige Betriebsstätte des Klägers i.S.v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG i.d.F. der Streitjahre. Der Regelmäßigkeit des Aufsuchens der Tätigkeitsstätte steht hierbei nicht entgegen, dass der Kläger den Betrieb seines Hauptauftraggebers zivilrechtlich auf Grund einer Vielzahl von Einzelaufträgen aufgesucht hat. Die Verträge wurden zwar zunächst nur für wenige Monate (Streitjahr 2016) geschlossen. Spätestens in den Streitjahren 2017 und 2018 konnte der Kläger aber von einer sicheren und dauerhaften Geschäftsbeziehung ausgehen, auf die er sich einstellen konnte. Denn bereits am 02.02.2017 erfolgte eine Verlängerung um weitere acht Monate (bis zum 31.12.2017) und anschließend eine Verlängerung um ein weiteres Jahr (bis zum 31.12.2018). Vor diesem Hintergrund misst der Senat dem Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe sich „parallel“ zu seiner Tätigkeit für die T um andere Auftraggeber bemüht, wenig Bedeutung zu.
Aber auch hinsichtlich des Streitjahres 2016 hat der Senat keine Zweifel daran, dass es sich um eine Betriebsstätte des Klägers am Sitz der T handelte. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zu den Anfängen der Geschäftsbeziehung mit A ausgeführt, dass er als „Interim Manager“ nie dauerhaft tätig werde. Er habe bei der T nur für einen Zwischenzeitraum tätig werden sollen, bis ein „fester“ Manager gefunden werde. Da dies nicht gelungen sei, seien seine Verträge immer wieder verlängert worden. Auch wenn die Dauer der ersten Beauftragung (3,5 Monate) und die Dauer der anschließenden Verlängerungen in 2016 (jeweils 2 Monate) dieses Vorbringen bestätigen, so spricht dies gleichwohl nicht gegen die Annahme einer Betriebsstätte. Denn bei dem Sitz der T handelte es sich für die jeweilige Dauer um eine ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung, die der Kläger nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder zur Ausübung seiner betrieblichen Tätigkeit aufgesucht hat (an vier Tagen pro Woche). Auch nach Ansicht des X. Senats des BFH lässt sich der bisherigen BFH-Rechtsprechung zur Rechtslage bis 2013 nicht entnehmen, dass das Erfordernis eines nachhaltigen und fortdauernden Aufsuchens der Betriebsstätte zur Ausübung der betrieblichen Tätigkeit durch den Unternehmer („Dauerhaftigkeit“) eine bestimmte vertragliche Mindestlaufzeit voraussetzt und dass dieses Erfordernis bei einer wiederholten Vergabe von Jahresverträgen durch den einzigen Auftraggeber nicht erfüllt sein könnte (BFH-Urteil vom 16.02.2022 X R 14/19, BStBl II 2022,805 m.w.N. aus der Rspr.; vgl zu einem Honorararzt, der für lediglich höchstens 90 Tage an einem Krankenhaus tätig wurde: FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.01.2021 3 K 2195, 18, juris). Ausweislich der Ziff. 1.2 des Vertrages vom … 2016 sollte der Kläger als Berater im Rahmen des Projektes „Infrastruktur Basis“ folgende Aufgaben wahrnehmen: |
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sorgfältiges „Hand over“ des Projektes vom aktuellen Rolleninhaber, der Ende März das Haus verlässt |
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Neuordnung der Organisation, der Aufgaben und Dienste |
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Verlagerung der Tätigkeiten auf Standort H |
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Überarbeitung des Budgets 2016 nach Outsourcing der Rechenzentren |
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Sicherstellung des Betriebes |
Nach einer Bestandsaufnahme innerhalb der ersten Wochen sollte eine inhaltliche und zeitliche Strukturierung erfolgen. Die Aufgabenfülle lässt darauf schließen, dass der Kläger bereits zum Zeitpunkt der ersten Beauftragung im März 2016 (und auch zu den jeweiligen Zeitpunkten der Verlängerungen) regelmäßig und nicht nur gelegentlich am Sitz der T tätig werden sollte und auch wurde. Dass die von ihm in H angemietete möblierte Wohnung monatlich kündbar war, steht dem Ergebnis nicht entgegen. Hinzu kommt, dass der Kläger im Streitzeitraum keine anderweitigen nennenswerten Aufträge angenommen hat und somit fast ausschließlich für A tätig war (Zahlungseingänge eines weiteren Kunden (…) i.H.v. „nur“ 202,30 € (12.2016) und 232,05 € (12.2017)). In Abweichung zum Begriffsverständnis des § 12 Satz 1 AO ist zudem der in der mündlichen Verhandlung vom Kläger geäußerte Einwand, dass er am Sitz der T keine internen Ressourcen habe nutzen dürfen, unerheblich (vgl. hierzu FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.01.2021 3 K 2195/18, juris). |
Das häusliche Arbeitszimmer in K war keine (weitere) Betriebsstätte des Klägers (vgl. hierzu u.a. BFH-Urteil vom 13.05.2015 III R 59/13, BFH/NV 2015, 1365; Drüen in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, 171. EL 03.2024, § 4 Rn. 805; Deck, Reisekosten 2024, 71. Aufl., A. Selbständige/Gewerbetreibende, Rz. 34 mit Verweis auf BMF-Schreiben vom 23.12.2014, BStBl I 2015, 26). Der Arbeitsplatz eines Gewerbetreibenden oder sonstigen Selbständigen ist keine Betriebsstätte im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG, wenn er einen Teil der Wohnung oder des Wohnhauses bildet. Dies trifft nicht nur dann zu, wenn der Arbeitsplatz von der übrigen Wohnung nicht baulich getrennt und keine in sich geschlossene Einheit ist (BFH-Urteil vom 15.07.1986 VIII R 134/83, BStBl II 1986, 744 [BB 1986, 2038]), sondern auch dann, wenn sich die zu Wohnzwecken und die betrieblich genutzten Räume (wie hier) in einem ausschließlich vom Steuerpflichtigen genutzten Haus/ Wohnung befinden und zwischen ihnen keine der Allgemeinheit zugängliche oder von fremden Dritten benutzte Verkehrsfläche liegt (BFH-Urteil vom 15.01.2013 VIII R 7/10, BStBl II 2013, 374; BFH-Beschluss vom 26.06.2007 V B 197/05, BFH/NV 2007, 1897).
Der Senat ist von der Auslegung des Begriffs i. S. der ersten Tätigkeitsstätte nicht überzeugt
3. Sollte demgegenüber der Betriebsstättenbegriff nunmehr entsprechend der Begriffsbestimmung der ersten Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 EStG n.F. auszulegen sein – wovon der Senat aus den o.g. Gründen nicht ausgeht –, wären im Streitfall die Anforderungen dieser Vorschrift nicht erfüllt.
Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG n.F. die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers
a) Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG n.F. die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.
Ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden. Die Zuordnung zu einer solchen Einrichtung wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG n.F. durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, kommt es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für das Auffinden der ersten Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage nicht mehr an. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören.
Von einer dauerhaften Zuordnung ist ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG n.F. aufgeführten Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll. Eine Zuordnung ist unbefristet i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 Alternative 1 EStG n.F., wenn die Dauer der Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte aus der maßgeblichen Sicht ex ante nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt. Die Zuordnung erfolgt gemäß § 9 Abs. 4 Satz 3 Alternative 2 EStG n.F. für die Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses, wenn sie aus der maßgeblichen Sicht ex ante für die gesamte Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses Bestand haben soll. Dies kann insbesondere angenommen werden, wenn die Zuordnung im Rahmen des Arbeits- oder Dienstverhältnisses unbefristet oder (ausdrücklich) für dessen gesamte Dauer erfolgt (vgl. zum neuen Reisekostenrecht z.B. BFH-Urteil vom 04.04.2019 VI R 27/17, BStBl II 2019, 536, Rz 12 ff.).
Es kann dahinstehen, ob von einer „auf Dauer angelegten“ Tätigkeit auszugehen ist
b) Bei dem Betrieb der T handelt es sich zwar um eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Kunden des Auftraggebers (A), in der der Kläger in zeitlich erheblichem Umfang seine vertraglich geschuldeten Beratungsleistungen erbracht hat.
Es kann dahinstehen, ob von einer „auf Dauer angelegten“ Tätigkeit auszugehen ist. Denn jedenfalls fehlt es an einer „Zuordnung“ i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 2, 3 EStG n.F. Der Kläger war in den Streitjahren 2016 bis 2018 nicht unter Zugrundelegung der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG n.F. aufgeführten Regelbeispiele dem Betrieb der T im Streitzeitraum 2016 bis 2018 dauerhaft „zugeordnet“. Weder kommt es im Streitfall auf das in § 9 Abs. 4 S. 3 Alternative 3 EStG genannte Regelbeispiel (Zeitraum von 48 Monaten) an noch auf § 9 Abs. 4 Satz 3 Alternative 2 EStG. Wie oben ausgeführt, erfolgt die Zuordnung gemäß § 9 Abs. 4 Satz 3 2. Alternative EStG für die Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses, wenn sie aus der maßgeblichen Sicht ex ante für die gesamte Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses Bestand haben soll (vgl. BFH-Urteil vom 10.04.2019 VI R 6/17, BStBl II 2019, 539, Rz 27). Dies ist hier nicht der Fall. Denn dem Kläger war es vertraglich freigestellt, wo bzw. wie er seine Beratungsleistungen erbringt (vgl. Ziff. 1.6, 2.4 und 2.7 des Vertrages vom ... 2016, Bl. 90 PA).
Zwar regelt § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG, dass, wenn eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte fehlt oder sie nicht eindeutig ist, die erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung ist, an der der Arbeitnehmer dauerhaft typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll (Nr. 1) oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll (Nr. 2). Grote (in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, 123. Lfg. 12.2020, § 4 Abs. 5 - 9 EStG Rz. 418) führt zu der gesetzlichen Neuregelung in § 9 Abs. 4 und Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG aus, dass es danach - bei Unterhalten mehrerer Betriebsstätten - nur noch eine „erste Betriebsstätte“ geben könne. Mangels dienst- und arbeitsrechtlicher Festlegungen bei einem Selbständigen/Gewerbetreibenden könnten nur quantitative Kriterien für die Prüfung „erste Betriebsstätte“ von Bedeutung sein.
Da es dem Kläger in sein Belieben gestellt ist, wo er seine Beratungsleistungen erbringt, sind die Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG nF nicht erfüllt; von einem „Sollen“ i.S. der Vorschrift kann gerade keine Rede sein. Der Kläger hätte nach den vertraglichen Regelungen seine gesamte Tätigkeit auch von zu Hause aus erledigen können. Auch fehlt das Merkmal „typischerweise“, da Beratungsleistungen im IT-Bereich auch telefonisch oder durch Zuschalten auf PC etc. von einem anderen Ort erledigt werden können. Ebenso wenig war eine regelmäßige Arbeitszeit vertraglich „vereinbart“. Da die ex ante Sicht entscheidend ist, d.h. die Prognoseentscheidung zu Beginn des Dienstverhältnisses zu treffen ist, ist es unbeachtlich, dass der Kläger tatsächlich an vier Tagen pro Woche am Sitz der T tätig geworden war. In den Verlängerungen des Vertragsverhältnisses wurde ausdrücklich geregelt, dass die bisherigen Regeln weiterhin Geltung haben sollen, d.h. auch die Freiheit des Klägers hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort weiterhin galt.
Im Streitfall ist von einer Betriebsstätte auszugehen
4. Da der erkennende Senat der Auffassung ist, dass es mangels eines Verweises in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG auf § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1, Abs. 4 EStG nF nicht auf den Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte“ ankommt, sondern die bisherige normspezifische Auslegung des Begriffs „Betriebsstätte“ durch die BFH-Rechtsprechung auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes weiterhin maßgeblich ist, ist im Streitfall von einer Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG auszugehen.
Familienheimfahrten sind als Betriebsausgaben nur als Entfernungspauschale, eine Fahrt wöchentlich, abzugsfähig
a) Dies hat zur Folge, dass die Betriebsausgaben für die Familienheimfahrten des Klägers zwischen seiner Wohnung in K und dem Betrieb der T in H im Rahmen der unstreitig seit dem 29.03.2016 begründeten doppelten Haushaltsführung nur beschränkt gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 S. 2 EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 5 und 6 EStG (Entfernungspauschale, eine Fahrt wöchentlich) abgezogen werden können.
Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG dürfen Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen den Gewinn nicht mindern. Wird der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig, sind die Mehraufwendungen für Verpflegung nach Maßgabe des § 9 Abs. 4a EStG abziehbar (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 S. 2 EStG). Nach § 9 Abs. 4a S. 6 EStG ist bei einer doppelten Haushaltsführung der Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen auf die ersten drei Monate beschränkt. Somit hat der Beklagte die Mehraufwendungen für Verpflegung zu Recht gekürzt.
Die Berechnungen der nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben sind nicht zu beanstanden.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
III. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da – soweit ersichtlich – noch keine Entscheidung des BFH zu der hier streitigen Frage vorliegt, ob und welche Bedeutung dem durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.02.2013 (BGBl I 2013, 285) eingeführten Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte“ in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EStG n.F. – und den damit in Zusammenhang stehenden Regelungen (vgl. § 9 Abs. 4 Sätze 2 ff. EStG n.F.) – für die Auslegung des Begriffs der Betriebsstätte in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG n.F. zukommt (im BFH-Urteil vom 16.02.2022 X R 14/19, BStBl II 2022, 805 wurde diese Frage ausdrücklich offen gelassen). Außerdem weicht die Entscheidung von der Auffassung des BMF im Schreiben vom 23.12.2014 (BGBl I 2015, 26) ab, wonach die Bestimmung des Begriffs „Betriebsstätte“ unter Rückgriff auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nummer 4 EStG erfolgt.