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Steuerrecht
03.01.2024
Steuerrecht
FG Düsseldorf: Zu den Anforderungen an ein ordnungsgemäß geführtes, elektronisches Fahrtenbuch, hier insbesondere zu den Erfordernissen der „äußeren geschlossenen Form“ und zum Begriff der „zeitnahen“ Führung

FG Düsseldorf, Urteil vom 24.11.2023 – 3 K 1887/22 H(L)

ECLI:DE:FGD:2023:1124.3K1887.22H.L.00

Volltext:BB-ONLINE BBL2024-22-5

Nicht Amtliche Leitsätze

1. Die dem Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung dienenden Aufzeichnungen, müssen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein, um die unzutreffende Zuordnung einzelner Privatfahrten zum beruflichen Nutzungsanteil wie auch deren gänzliche Nichtberücksichtigung im Fahrtenbuch möglichst auszuschließen.

2. Ein steuerlich anzuerkennendes Fahrtenbuch erfordert eine zeitnahe Führung und eine geschlossene Form.

3. Ein mit Hilfe eines Computerprogramms erzeugtes Fahrtenbuch weist nur dann eine geschlossene Form auf, wenn nachträgliche Veränderungen an den zu einem früheren Zeitpunkt eingegebenen Daten nach der Funktionsweise des verwendeten Programms technisch ausgeschlossen sind oder in ihrer Reichweite in der Datei selbst dokumentiert oder offengelegt werden und bereits bei gewöhnlicher Einsichtnahme in das elektronische Fahrtenbucherkennbar sind.

4. Eine zeitnahe Führung erfordert die Vornahme der Eintragungen im Fahrtenbuch im Anschluss an die betreffenden Fahrten. Diese Anforderungen werden durch die zunächst zwischenzeitliche Erfassung auf Notizzetteln und in zeitlichen Abständen, üblicherweise nach Tankvorgängen vorgenommene anschließende gebündelte Erfassung in dem Fahrtenbuch, nicht gerecht.

 

Sachverhalt

Streitig ist, ob Fahrtenbücher als ordnungsgemäß anzuerkennen sind.

Die Klägerin - eine im Jahr 1977 gegründete GmbH – handelt mit Kraftstoffen. Gesellschafter der Klägerin sind B. V. und ihr Sohn L. V. zu jeweils 50%. Letzterer wurde ebenso wie sein Vater M. V. zum Geschäftsführer bestellt.

Zum Betriebsvermögen der Klägerin gehörten u.a. die PKW mit den amtlichen Kennzeichen N01 (Mercedes E 350 CDI; bis Februar 2013, Bruttolistenpreis 86.900 €) und N02 (Audi Q5; ab Mai 2013, Bruttolistenpreis 72.800 €), welche von Herrn L. V. auch zu privaten Zwecken genutzt werden durften. Die Klägerin erfasste für die private Nutzung lediglich folgende geldwerte Vorteile als Arbeitslohn: 2.344,96 € (2012), 2.000 € (2013), 2.200 € (2014) und 600 € (Januar bis März 2015). Erfasst wurde der Anteil an den Gesamtkosten, der rechnerisch auf den Anteil der privat gefahrenen Kilometer laut Fahrtenbuch entfällt.

Herr V. führte für die vorgenannten Fahrzeuge elektronische Fahrtenbücher mit der Software „Fahrtenbuch Express“. In einer Prüfungsbescheinigung ... vom 23.11.2010 und in der Konformitätserklärung des Herstellers heißt es, dass diese Software bei ordnungsgemäßer Anwendung die an ein elektronisches Fahrtenbuch zu stellenden gesetzlichen Anforderungen erfülle. In der Konformitätsbescheinigung wird u.a. Folgendes ausgeführt (Unterstreichung durch das Gericht): „Nachträgliche Stornierungen und Buchungen, wie in einer Finanzbuchhaltung möglich, können aufgrund der laufend geführten km-Stände nicht unterstützt werden. Mit dem Ausdruck und folgendem monatlichen Abschluss des Fahrtenbuchs werden alle Fahrten unwiderruflich gelöscht und unveränderlich in eine andere Datenbank übertragen. … Ab der Erstellung des monatlichen Fahrtenbuchs bis zum Abschluss können Fahrten geändert oder gelöscht werden. Diese Änderungen werden in einer internen Protokolldatei (nicht änder- oder löschbar) protokolliert. Das Änderungsprotokoll kann jederzeit, auch für bereits abgeschlossene Fahrtenbücher für einen wählbaren Zeitraum auf Wunsch ausgedruckt werden. Das nachträgliche Ändern oder Löschen von Fahrten nach dem Abschluss ist nicht möglich.“

Für den Zeitraum 01.01.2012 bis 31.03.2015 wurde eine Lohnsteueraußenprüfung bei der Klägerin durchgeführt. Nach der Führung des Fahrtenbuchs befragt teilte Herr L. V. dem Prüfer schriftlich Folgendes mit: „Die durchgeführten Fahrten werden zunächst auf einem Zettel notiert. Meistens nach (Voll-)Tankungen werden diese dann neben des Kostenbelegs in das elektronische Fahrtenbuch eingegeben und auf Richtigkeit kontrolliert. Am Monatsende wird das Fahrtenbuch abgeschlossen, ausgedruckt und archiviert. Die Werte (Gesamt-/Privatkilometer, Kosten etc.) werden dann in eine Excel-Tabelle eingegeben, um den Kilometer-Wert zu ermitteln.“ Die erwähnten Notizzettel wurden – was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist - nicht aufbewahrt.

Mit der Software „Fahrtenbuch Express“ wurden neben dem eigentlichen Fahrtenbuch auch Aufstellungen über die angefallenen Kosten erstellt. Aus der Auflistung der Tankbelege ergibt sich, dass der Audi Q5 im Zeitraum 02.05.2013 bis 31.12.2013 18 Mal betankt wurde, im Zeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2014 26 Mal und in den Monaten Januar bis Mai 2015 12 Mal. Die Abstände zwischen den Tankvorgängen beliefen sich häufig auf etwa zwei Wochen und waren in Einzelfällen sogar noch länger (z.B. 17 Tage vom 12.07.-29.07.2014 und 29.07.-15.08.2014, 19 Tage vom 17.03.-05.04.2014 und 05.11.-24.11.2014, 20 Tage vom 05.02.-25.02.2014, 11.07.-31.07.2013, 13.09.-03.10.2014 und 06.-26.04.2015, 21 Tage vom 14.05.-04.06.2013, 20.09-10.10.2013 und 16.10.-05.11.2014, 23 Tage vom 26.04.-19.05.2015, 25 Tage vom 05.04.-30.04.2014). Der Mercedes wurde im Jahr 2012  30 Mal betankt und in den Monaten Januar und Februar 2013 6 Mal.

Der Prüfer kam zu dem Schluss, dass das Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß sei. Die Einsichtnahme der Ursprungsdaten habe ergeben, dass die Eintragungen nicht zeitnah erfolgt seien, sondern eine Aktualisierung im 3 bis 6-Wochenrhythmus erfolgt sei. Das Fahrtenbuch sei deshalb zu verwerfen und der geldwerte Vorteil sei unter Anwendung der sog. 1 % - Regelung zu ermitteln. Es würden sich geldwerte Vorteile i.H.v. 10.428 € (2012), 7.562 € (2013), 8.736 € (2014) und 2.184 € (Januar bis März 2015) ergeben. Dies führe zu Steuernachforderungen i.H.v. 10.043,93 € (Lohnsteuer 8.772 €, Solidaritätszuschlag 482,46 €, Kirchensteuer 789,47 €). Bezüglich der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Prüfungsbericht vom 12.04.2016 Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 20.04.2016 nahm der Beklagte die Klägerin unter Verweis auf § 42d EStG für Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer i.H.v. 10.043,93 € in Haftung. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 02.08.2022 als unbegründet zurückgewiesen.

Die Klägerin hat sodann Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass die elektronischen Fahrtenbücher steuerlich anzuerkennen seien.

Wie Herr V. schon während der Prüfung mitgeteilt habe, seien alle durchgeführten Fahrten zunächst auf Notizzetteln dokumentiert worden, aufgrund derer dann später die Aufzeichnungen in das elektronische Fahrtenbuch vorgenommen worden seien. Die Eintragungen seien in unregelmäßigen Abständen - grundsätzlich innerhalb von 7 Tagen, aber auch mal darüber hinaus - erfolgt. Aufgrund der geführten Notizen sei jederzeit sichergestellt, dass die Fahrten chronologisch und vollständig erfasst würden. Nach der Übertragung seien die Notizzettel vernichtet worden. Die Vernichtung der Ursprungsaufzeichnungen sei unschädlich und könne nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs führen, wie ein Vergleich mit der Führung einer Kasse (Verweis auf BFH, Urteil vom 07.07.1977 – IV R 205/72, BStBl II 1978, 307) oder von Ursprungsaufzeichnungen im Taxigewerbe (Verweis auf BFH, Urteil vom 26.02.2004 – XI R 25/02, BStBl II 2004, 858) zeige.

Außerdem bestehe Vertrauensschutz. Herr V. führe das Fahrtenbuch schon seit vielen Jahren auf diese Art und Weise. Das Fahrtenbuch sei während der letzten Lohnsteueraußenprüfung (Zeitraum 01.01.2004 – 30.09.2006) geprüft worden und ohne Beanstandungen geblieben. Zudem sei zu beachten, dass der Beklagte keinen einzigen materiellen Mangel benannt habe.

Die Klägerin beantragt,

den Haftungsbescheid vom 20.04.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.08.2022 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält daran fest, dass das Fahrtenbuch nicht zeitnah geführt worden sei und schon deshalb zu verwerfen sei. Selbst bei einem elektronischen Fahrtenbuch, in dem alle Fahrten automatisch bei Beendigung jeder Fahrt mit Datum, Kilometerstand und Fahrtziel erfasst würden, seien fehlende Angaben – insbesondere der Fahrtanlass – spätestens innerhalb von sieben Kalendertagen nachzutragen, um das Merkmal „zeitnah“ zu erfüllen (Verweis auf Tz 3.2 des BMF-Schreibens vom 04.04.2018, BStBl I 2018, 592). Für das streitgegenständliche Fahrtenbuch, bei dem alle Angaben händisch erfasst worden seien und das infolgedessen deutlich fehleranfälliger sei, müsse dies erst recht gelten. Die Eintragungen seien nach den Feststellungen des Lohnsteueraußenprüfers jedoch nur 1 bis 2 Mal pro Monat erfolgt. Die Klägerin habe selbst eingeräumt, dass zwischen den Eintragungen auch mal mehr als 7 Tage gelegen hätten. Stelle man - wie von Herrn V. angegeben - auf die Daten der (Voll)Tankungen ab, könnten durchaus auch 19 Kalendertage vergangen sein, bevor die Daten in das elektronische Fahrtenbuch eingegeben worden seien. Damit sei das Fahrtenbuch nicht zeitnah erstellt worden.

Erschwerend komme hinzu, dass die Uraufzeichnungen aufbewahrungspflichtig seien, aber nicht aufbewahrt worden seien. Es handele sich bei den Notizzetteln nicht um „private Zettel“, sondern um Aufzeichnungen, mit denen dokumentiert werde, dass die Fahrten so durchgeführt worden seien, wie sie später im elektronischen Fahrtenbuch eingetragen worden seien. Schon auf den Zetteln müssten sämtliche Daten wie das Datum der Fahrt, die Fahrtkilometer, der Gesamtkilometerstand, das Fahrtziel und der Fahrtzweck händisch erfasst worden sein. Ob dies hier der Fall gewesen sei, lasse sich nicht überprüfen.

Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil die letzte Lohnsteueraußenprüfung bereits lange Zeit zurückliege und jeglicher Nachweis dafür fehle, dass die konkreten Modalitäten der Fahrtenbuchführung dem Prüfer überhaupt mitgeteilt worden seien.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 07.07.2023 wurde der Prozessbevollmächtigte der Klägerin u.a. aufgefordert, die Fahrtenbücher für den Streitzeitraum, die Änderungsprotokolle und alle sonstigen Protokolldateien (insbesondere die Dateien, aus denen sich ergibt, wann die einzelnen Monate „festgeschrieben“ wurden) einzureichen, und zwar wahlweise als Ausdruck oder als Datei. Als Antwort wurde mitgeteilt, dass ein Ausdruck der Änderungsprotokolle und Protokolldateien nicht mehr möglich sei, weil das Fahrtenbuchprogramm ab Juli 2015 „gekündigt“ worden sei. Die Fahrtenbücher wurden als Ausdruck vorgelegt. Aus den Ausdrucken ist weder ersichtlich, wann die Eintragungen gemacht wurden noch inwiefern sie (wie z.B. nach Tippfehlern) geändert wurden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

Aus den Gründen

I. Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der angefochtene Lohnsteuerhaftungsbescheid ist rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht einen höheren geldwerten Vorteil des Arbeitnehmers L. V. wegen Nutzung von Firmen-PKW zu Privatzwecken angesetzt. Die vorgelegten Fahrtenbücher sind nicht ordnungsgemäß.

1) Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner). Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.

Die Überlassung eines betrieblichen Kfz durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit in aller Regel zum Zufluss von Arbeitslohn i.S. von § 19 EStG. Denn der Arbeitnehmer ist um den Betrag bereichert, den er für eine vergleichbare Nutzung aufwenden müsste und den er sich durch die Überlassung des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber erspart (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteil vom 15.12.2022 – VI R 44/20, BStBl II 2023, 442).

Der als Lohnzufluss zu erfassende geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung eines Kfz zu privaten Zwecken ist grundsätzlich nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nach der sog. 1 % - Regelung zu berechnen. Der tatsächliche Umfang der Privatnutzung wird nur berücksichtigt, wenn der Steuerpflichtige diesen durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachweist. Ist dies der Fall, ist der für die Überlassung eines dienstlichen Kfz zur privaten Nutzung anzusetzende geldwerte Vorteil entsprechend dem Anteil der Privatnutzung an den insgesamt für das Kfz angefallenen Aufwendungen zu berechnen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG).

Der gesetzlich nicht weiter bestimmte Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG ist durch die Rechtsprechung (z.B. BFH, Urteil vom 15.02.2017 – VI R 50/15, BFH/NV 2017, 1155 m.w.N.) dahingehend präzisiert, dass nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung die dem Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung dienenden Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen. Ziel ordnungsgemäßer Aufzeichnungen muss es sein, die unzutreffende Zuordnung einzelner Privatfahrten zum beruflichen Nutzungsanteil wie auch deren gänzliche Nichtberücksichtigung im Fahrtenbuch möglichst auszuschließen. Dieser Anforderung wird nur die fortlaufende und zeitnahe Erfassung der Fahrten in einem geschlossenen Verzeichnis gerecht, das aufgrund seiner äußeren Gestaltung geeignet ist, jedenfalls im Regelfall nachträgliche Abänderungen, Streichungen und Ergänzungen als solche kenntlich werden zu lassen (BFH, Urteil vom 16.11.2005 – VI R 64/04, BStBl II 2006, 410).

2) Die dem Gericht vorgelegten Fahrtenbücher erfüllen die o.g. Voraussetzungen nicht. Zum einen fehlt die von der Rechtsprechung geforderte äußere geschlossene Form (hierzu unter a) und zum anderen wurden die Fahrtenbücher nicht zeitnah geführt (hierzu unter b).

a) Eine äußere geschlossene Form weist ein mit Hilfe eines Computerprogramms erzeugtes Fahrtenbuch nur dann auf, wenn nachträgliche Veränderungen an den zu einem früheren Zeitpunkt eingegebenen Daten nach der Funktionsweise des verwendeten Programms technisch ausgeschlossen sind oder in ihrer Reichweite in der Datei selbst dokumentiert oder offen gelegt werden und bereits bei gewöhnlicher Einsichtnahme in das elektronische Fahrtenbuch erkennbar sind (z.B. BFH, Urteile vom 16.11.2005 – VI R 64/04, BStBl II 2006, 410; vom 09.11.2005 - VI R 27/05, BStBl II 2006, 408). Alle erforderlichen Angaben müssen sich dem Fahrtenbuch selbst entnehmen lassen; ein Verweis auf ergänzende Unterlagen ist nur zulässig, wenn der geschlossene Charakter der Fahrtenbuchaufzeichnungen dadurch nicht beeinträchtigt wird (BFH, Urteil vom 16.03.2006 - VI R 87/04, BStBl II 2006, 625).

Die im Streitfall geführten elektronischen Fahrtenbücher erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Denn es wurde zur Erstellung der Fahrtenbücher ein Programm verwendet, das nachträgliche Änderungen zulässt, ohne diese Änderungen im Fahrtenbuch selbst offenzulegen. Wie sich aus der Konformitätsbescheinigung des Herstellers ergibt, können eingetragene Fahrten bis zur Festschreibung des jeweiligen Monats beliebig geändert oder gelöscht werden. Vorgenommene Veränderungen sind dabei nicht unmittelbar aus dem Fahrtenbuch selbst ersichtlich, sondern werden lediglich in Protokolldateien festgehalten. Folglich kann die Ordnungsgemäßheit des Fahrtenbuchs nur unter Heranziehung der Änderungsprotokolle überprüft werden. Zwar sind diese Protokolldateien - die Richtigkeit des Inhalts der Konformitätsbescheinigung unterstellt - ihrerseits nicht änderbar oder löschbar. Solche externen Dateien sind jedoch schon dem Grunde nach nicht geeignet, die von der Rechtsprechung geforderte geschlossene Form des Fahrtenbuchs herzustellen. Selbst wenn der Steuerpflichtige das Fahrtenbuch und sämtliche Protokolldateien ausdruckt oder dem Finanzamt anderweitig (z.B. elektronisch) zur Verfügung stellt, handelt es sich bei den einzelnen Dateien bzw. deren Ausdrucken letztlich nur um eine lose Ansammlung einzelner nicht untereinander verbundener Daten ohne äußeren Zusammenhang, d.h. ohne die erforderliche „buch“förmige äußere Gestalt (so auch Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 11.10.2007 – 5 K 302/04, juris). Erschwerend kommt hinzu, dass vorgenommene Änderungen gerade nicht - wie vom BFH verlangt - bereits „bei gewöhnlicher Einsichtnahme“ in das elektronische Fahrtenbuch erkennbar sind, sondern es vielmehr eines erheblichen Aufwands bedürfte, den Inhalt des Fahrtenbuchs mit dem Inhalt diverser Protokolldateien abzugleichen. Die benutzte Software ist damit schon ihrer Art nach untauglich, die an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG zu stellenden Anforderungen zu erfüllen.

Im Streitfall ist zudem zu beachten, dass die Änderungsprotokolle bzw. „sonstige interne Protokolldateien“ trotz Aufforderung nicht vorgelegt worden sind. Damit lässt sich in keiner Weise feststellen, wann die Eintragungen der einzelnen Monate „festgeschrieben“ wurden und welche Änderungen zuvor vorgenommen wurden. In letzterem Punkt unterscheidet sich das hier zu beurteilende Fahrtenbuch deutlich von einem handschriftlich geführten Fahrtenbuch, in dem nachträgliche Änderungen durch Durchstreichungen, Überklebungen oder herausgerissene Seiten sichtbar bleiben.

b) Die Fahrtenbücher wurden auch nicht zeitnah geführt.

Eine zeitnahe Führung liegt vor, wenn der Nutzer des Fahrzeugs die Eintragungen im Anschluss an die betreffenden Fahrten vornimmt (Urteil des BFH vom 09.11.2005 - VI R 27/05, BStBl II 2006, 408). Wann die Eintragungen im Streitfall konkret erfolgt sind, lässt sich mangels Vorlage der Protokolldateien nicht feststellen. Ob bereits dieser Umstand ausreichen würde, um dem Fahrtenbuch die Ordnungsgemäßheit abzuerkennen (so Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14.10.2014 – 11 K 736/11, EFG 2015, 458), bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Denn die Klägerin hat selbst eingeräumt, dass die Eintragungen in das elektronische Fahrtenbuch gebündelt - üblicherweise nach jedem Tankvorgang - vorgenommen worden seien und die Fahrten in der Zwischenzeit lediglich auf Notizzetteln festgehalten worden seien. Abgesehen davon, dass diese Ursprungsaufzeichnungen vernichtet worden sind und sich infolgedessen nicht feststellen lässt, ob die Notizzettel alle für eine ordnungsgemäße Fahrtenbuchführung benötigten Angaben (einschließlich km-Stand am Anfang und Ende der Fahrt, Fahrtziel und Fahrtzweck) enthielten, wird die gebündelte Eintragung der Fahrten mehrerer Tage bzw. sogar Wochen nicht den an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellenden Anforderungen gerecht. Selbst nach eigenem Vortrag der Klägerin erfolgten die Eintragungen nur unregelmäßig, wobei - wenn man auf die Daten der Tankvorgänge abstellt - zwischen einzelnen Eintragungen auch zwei oder mehr Wochen liegen konnten. Bei derartigen Abständen ist nicht mehr gewährleistet, dass alle Fahrten zutreffend erfasst sind. Dies gilt im Streitfall umso mehr, weil zwischendurch nur „Notizzettel“ geführt worden sein sollen und bei losen Zetteln stets die Gefahr besteht, dass diese verloren gehen.

3) Soweit die Klägerin vorträgt, dass die Fahrtenbücher aus Vertrauensschutzgesichtspunkten als ordnungsgemäß zu behandeln seien, ist ihr nicht zu folgen.

Zu einer Verdrängung gesetzten Rechts durch den Grundsatz von Treu und Glauben kann es nur in besonders gelagerten Fällen kommen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen. Dies kommt nach ständiger Rechtsprechung dann in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. BFH, Urteil vom 05.09.2000 – IX R 33/97, BStBl II 2000, 676 m.w.N.). Der bloße Umstand, dass das Finanzamt einen Sachverhalt früher anders behandelt oder bewertet hat, reicht hierfür nicht aus. Vielmehr gebietet es das Prinzip der Abschnittsbesteuerung, dass das Finanzamt eine als falsch erkannte Rechtsauffassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgibt, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte (vgl. BFH, Urteil vom 05.09.1990 - X R 100/89, BFH/NV 1991, 217 m.w.N.). Dies gilt sogar dann, wenn die - fehlerhafte - Auffassung in einem Prüfungsbericht niedergelegt worden ist (BFH, Urteil vom 16.07.1964 - V 92/61 S, BStBl III 1964, 634), die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hat (BFH, Urteil vom 22.06.1971 - VIII 23/65, BStBl II 1971, 749) oder der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert hat (BFH, Urteil vom 23.05.1989 - X R 17/85, BStBl II 1989, 879).

Im Streitfall ist kein besonderes, einen Vertrauenstatbestand begründendes Verhalten des Beklagten erkennbar. Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin beschränkt sich letztlich auf die Behauptung, dass unter Verwendung des gleichen Programms geführte Fahrtenbücher während einer den Zeitraum 01.01.2004 bis 30.09.2006 betreffenden Lohnsteueraußenprüfung nicht beanstandet worden seien. Eine bloße Nichtbeanstandung löst jedoch keinen Vertrauensschutz aus. Abgesehen davon, dass bereits völlig unklar ist, welche Angaben und Unterlagen dem Prüfer überhaupt zur Prüfung vorlagen, fehlt es an einer spezifischen Zusage der Finanzbehörde dergestalt, dass das benutzte Fahrtenbuchprogramm bzw. die konkrete Art der Fahrtenbuchführung auch in künftigen Veranlagungszeiträumen als ordnungsgemäß angesehen werden.

Soweit die Klägerin ergänzend darauf hinweist, dass nach der Rechtsprechung des BFH ein Fahrtenbuch trotz kleinerer Mängel ordnungsgemäß sein könne, übersieht sie, dass im Streitfall keine „kleineren Mängel“ wie z.B. einzelne Eintragungsfehler vorliegen. Bei den vorliegenden Fehlern (fehlende geschlossene Form, keine zeitnahe Führung) handelt es sich vielmehr um grundlegende organisatorische Fehler, die die Fahrtenbücher insgesamt betreffen und letztlich dazu führen, dass keine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Eintragungen besteht.

4) Mangels Vorlage ordnungsgemäßer Fahrtenbücher ist der geldwerte Vorteil aus der Dienstwagennutzung -- wie in dem angegriffenen Haftungsbescheid geschehen -- auf Grundlage der 1 %-Regelung anzusetzen. Berechnungsfehler sind nicht ersichtlich. Die Klägerin hat auch keine Einwände bezüglich einzelner Berechnungsparameter erhoben.

5) Der Haftungsbescheid hält auch im Übrigen der gerichtlichen Überprüfung stand. Insbesondere sind keine Ermessensfehler bei der Inanspruchnahme der Klägerin als Haftungsschuldnerin ersichtlich. Der Beklagte hat seine inhaltlich nicht zu beanstandenden Ermessenserwägungen auf Seite 5 bis 7 der Einspruchsentscheidung ausführlich dargelegt.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

 

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