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Steuerrecht
03.08.2018
Steuerrecht
FG Münster: Zur Aufteilung des Vorsteuerabzugs und zur Bemessung einer unentgeltlichen Wertabgabe hinsichtlich eines Grundstücks, das teilweise zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird

FG Münster, Urteil vom 3.7.20185 K 2587/16 U

ECLI:DE:FGMS:2018:0703.5K2587.16U.00

Volltext BB-Online BBL2018-1814-6

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Vorsteuerabzugs bei gemischt genutzen Grundstücken sowie die Bemessungsgrundlage einer unentgeltlichen Wertabgabe bei Selbstnutzung einer Wohnung.

Die Klägerin ist Unternehmerin. Sie hat in den Jahren 2008 und 2009 in I ein Wohn- und Geschäftshaus planen und errichten lassen. Seit Beginn des Jahres 2010 wird das Gebäude zum Teil umsatzsteuerpflichtig an den Ehemann (Pizzeria) und eine Firma für Rohr- und Kanaltechnik verpachtet, zum Teil umsatzsteuerfrei (an den Schwager) vermietet und im Übrigen zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Die Klägerin hat beantragt, das gesamte Objekt nach dem sog. „Seeling-Modell“ dem Unternehmen zuzuordnen.

Für das (nicht streitbefangene) Jahr 2009 begehrte die Klägerin in ihrer am 22.02.2010 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuererklärung 2009 abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 67.380,45 € (Bl. 33 ff. der Umsatzsteuerakte). Dabei ging sie davon aus, dass ein Anteil von 13,65% (74,504 qm von insgesamt 545,741 qm) auf die (ohne Umsatzsteueroption) vermietete Wohnung entfalle, so dass 86,35% der Vorsteuerbeträge von 78.031,78 € = 67.380,43 € abzugsfähig seien.

Der Beklagte führte daraufhin eine Umsatzsteuersonderprüfung hinsichtlich des Vorsteuerabzugs durch (Prüfungsbericht vom 28.04.2010, Bl. 114 ff. der USt-Akte). Im Rahmen dieser Prüfung ermittelte er folgende Wohn- und Nutzflächen (Bl. 119 der USt-Akte):

Nutzung

Größe

Anteil

Pizzeria

251,96 qm

34,02 %

Ladenlokal 2

102,27 qm

13,81 %

Selbstgenutzte Wohnung

211,09 qm

28,50 %

Steuerfrei vermietete Wohnung

175,31 qm

23,67 %

Summe

740,63 qm

 

Der Beklagte ging von Nettoherstellungskosten von 414.166,51 € in 2009 aus und berechnete für das Jahr 2009 den Vorsteuerabzug wie folgt:

USt (19%) auf 414.166,51 € = 78.411,79 €, davon abziehbar (76,33%, Gesamtfläche abzüglich steuerfrei vermietete Wohnung): 59.851,72 € (Bericht vom 28.04.2010, Bl. 117 der USt-Akte).

Diese Feststellungen legte der Beklagte auch dem gem. § 164 Abs. 1 AO unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 10.05.2010 zugrunde und setzte die Umsatzsteuer in Höhe von -59.851,72 € fest. Die Klägerin hat diesen Bescheid nicht angefochten.

Für die selbstgenutzte Wohnung erklärte die Klägerin in ihren Umsatzsteuererklärungen 2010 bis 2012 eine unentgeltliche Wertabgabe in Höhe der jährlichen Miete von 8.160 € (Bemessungsgrundlage ohne USt: 6.587 €, Steuer: 1.302,86 €) für die an den Schwager vermietete Wohnung, wobei die Erklärung für das Jahr 2010 nur anteilig (9/12) ab dem Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit 04/2010 erfolgte (Bemessungsgrundlage 5.369 €, Steuer 1.020,11 €). Zudem erklärte sie im Jahr 2010 abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 13.356,90 €.

Für die Streitjahre 2010 bis 2012 führte der Beklagte eine weitere Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Klägerin durch (Prüfungsbericht vom 06.06.2014, Bl. 106 ff. der USt-Akte).

Der Beklagte rechnete der Klägerin eine unentgeltliche Wertabgabe in Höhe von 10% der auf die selbstgenutzte Wohnung anteilig entfallenden Herstellungskosten in Höhe von 28,5 % der Gesamtherstellungskosten in Höhe von 483.889,24 € netto (414.166,51 € netto in 2009 + 69.722,73 € netto in 2010) zu:

28,5% von 483.889,24 € (netto) = 137.908,43 €, davon 10 % = 13.790,84 €

Wegen der Ermittlung der Gesamtherstellungskosten (netto) wird im Einzelnen auf Bl. 56 der Umsatzsteuerakte verwiesen.

Der Beklagte erließ mit Datum vom 04.07.2014 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide 2010-2012, in denen er die unentgeltlichen Wertabgaben für sonstige Leistungen zu 19% in Höhe von 13.791 € (Bemessungsgrundlage) und die hierauf entfallende USt in Höhe von 2.620,29 € festsetzte. Für das Jahr 2010 erfolgte die Festsetzung wiederum nur anteilig für neun Monate, so dass als Bemessungsgrundlage 10.343 € und als Steuer 1.965,17 € festgesetzt wurden. Die für das Jahr 2010 erklärten abziehbaren Vorsteuerbeträge in Höhe von 13.356,90 € übernahm der Beklagte in dem Umsatzsteuerbescheid 2010.

Die Klägerin legte hiergegen am 15.07.2014 Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 07.05.2014 (V R 1/10) sowohl die abzugsfähigen Vorsteuerbeträge als auch die unentgeltlichen Wertabgaben nicht nach der genutzten Fläche des Gebäudes, sondern nach dem Umsatzschlüssel zu berechnen seien.

Mit Einspruchsentscheidung vom 26.07.2016 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die unentgeltliche Wertabgabe sei zutreffend berechnet worden. Die Klägerin habe sich für eine Zuordnung der eigengenutzten Wohnung zum Unternehmensvermögen nach dem sog. „Seeling-Modell“ entschieden. Dementsprechend seien antragsgemäß nur die auf die vermietete Wohnung entfallenden Vorsteuerbeträge vom Abzug ausgeschlossen worden, so dass im Hinblick auf die selbstgenutzte Wohnung eine unentgeltliche Wertabgabe vorliege. Die Bemessungsgrundlage der unentgeltlichen Wertabgabe richte sich gem. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG nach den entstandenen Ausgaben, wozu auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes gehörten. Der Berichtigungszeitraum betrage nach § 15a Abs. 1 Satz 2 UStG 10 Jahre. Die unentgeltliche Wertabgabe sei anteilig nach der Wohn- bzw. Nutzfläche zu bestimmen. Eine Aufteilung nach Umsätzen komme nicht in Betracht, weil mit der selbstgenutzten Wohnung kein Umsatz ausgeführt werde. Die Heranziehung eines Vergleichsumsatzes führe zu einer weiteren Schätzung. Hierfür bestehe keine Veranlassung, weil mit den Wohn- und Nutzflächen ein geeigneterer Maßstab vorhanden sei. Das Urteil des BFH vom 07.05.2014 sei im Streitfall nicht einschlägig, da dieses die Aufteilung von Vorsteuerbeträgen und nicht die Bemessungsgrundlage der unentgeltlichen Wertabgabe zum Gegenstand gehabt habe.

Mit ihrer am 15.08.2016 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Aufteilung der Herstellungskosten könne nicht nur anhand der Wohn- und Nutzflächen, sondern auch anhand der Umsätze erfolgen. Zudem habe die selbstgenutzte Wohnung nicht eine Größe von 211,09qm, sondern lediglich von 150qm und die steuerfrei vermietete Wohnung sei nicht 175,31qm, sondern 120qm groß, so dass die Gesamtnutzfläche nur 624,23qm betrage. Insoweit sei auch die Berechnung der Nutzfläche fehlerhaft. Ferner sei die Einspruchsentscheidung nicht unterschrieben worden, so dass diese nichtig sei. Des Weiteren verweist sie zur Begründung auf das Urteil des BFH vom 10.08.2016 (DStR 2016, 2280).

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteueränderungsbescheide 2010-2012 jeweils vom 04.07.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.07.2016 aufzuheben,

hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt im Klageverfahren vor, die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach den Wohn- und Nutzflächen sei bereits im Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 10.05.2010 durchgeführt worden. Die Zahlen seien seinerzeit durch den Beklagten anhand der Bauunterlagen ermittelt worden, die Klägerin habe diese selbst auch in ihrer Steuererklärung verwendet. Bei den von der Klägerin im Klageverfahren angegebenen Wohnflächenangaben handele es sich vermutlich um die reine Wohnfläche ohne die Nutzfläche. Aus diesem Grund stelle sich die Frage nach einem abweichenden Aufteilungsschlüssel nicht. Ebenso wenig seien die beim Bundesfinanzhof zu dieser Frage noch anhängigen Verfahren relevant. Sofern die Einspruchsentscheidung tatsächlich nicht unterschrieben worden sei, so führe dies nicht zu deren Nichtigkeit, da nach § 366 AO die Unterschrift keine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung sei.

In der Sache hat am 03.07.2018 eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden, auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheide vom 04.07.2014 sowie die Einspruchsentscheidung vom 26.07.2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. Die Einspruchsentscheidung ist insbesondere nicht deshalb rechtswidrig, weil diese nicht eigenhändig unterschrieben worden ist.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist ein Verwaltungsakt, dem die Unterschrift fehlt nicht nichtig, sondern dieser kann lediglich rechtswidrig sein (BFH, Urt. vom 26.07.1989 – X R 42/86, BStBl. II 1986, 169; BFH, Beschluss vom 25.03.2013 – I B 26/12, BFH/NV 2013, 1061, 1062; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 119 Rdn. 21).

Im Streitfall ist die Einspruchsentscheidung jedoch auch nicht rechtswidrig, da diese zwar keine Unterschrift, aber eine Namenswiedergabe enthält.

Gem. § 119 Abs. 3 Satz 2 AO muss ein schriftlicher Verwaltungsakt die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder eines Beauftragten enthalten. Die einer Unterschrift gleichgestellte Namenswiedergabe (alternatives Erfordernis) ist die lesbare, maschinengeschriebene, faksimilierte, gedruckte oder sonst mechanisch reproduzierte Wiedergabe des Namens (Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 119 AO Rdn. 324). Die Namenswiedergabe ersetzt die Unterschrift jedoch nur, solange nicht spezielle gesetzliche Vorschriften zwingend eine Unterschrift vorschreiben (Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 119 AO Rdn. 312). Die Namenswiedergabe muss grundsätzlich unter dem Text stehen und den Verwaltungsakt abschließen (Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 119 AO Rdn. 325). Gem. § 366 AO ist die Einspruchsentscheidung zu begründen, mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen und den Beteiligten schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

Nach diesen Grundsätzen erfüllt die Einspruchsentscheidung im Streitfall die geltenden Formvorschriften. Die Einspruchsentscheidung schließt mit der gedruckten Namenswiedergabe der Beauftragten (Frau C), die hinsichtlich der Form der Einspruchsentscheidung maßgebliche Vorschrift des § 366 AO verlangt auch nicht – abweichend von der allgemeinen Regelung in § 119 Abs. 3 Satz 2 AO – eine eigenhändige Unterschrift.

2. Der Beklagte hat die Höhe des Vorsteuerabzugs sowie der unentgeltlichen Wertabgabe in den geänderten Umsatzsteuerbescheiden und in der Einspruchsentscheidung zutreffend ermittelt.

Nach im Streitzeitraum geltender Rechtslage hatte die Klägerin aufgrund der EuGH-Rechtsprechung ein Wahlrecht, ein bebautes Grundstück, das teilweise unternehmerisch und teilweise zur privaten Zwecken genutzt wird, in vollem Umfang dem Unternehmensvermögen zuzuordnen und dementsprechend in vollem Umfang den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs- und Herstellungskosten in Anspruch zu nehmen (EuGH, Urt. vom 11.07.1991 C-97/00, HFR 191, 730 „Lennartz“; EuGH, Urt. vom 08.05.2003 C- 269/00, BStBl. II 2004, 378 „Seeling“). In der Folge musste die Klägerin aber die unentgeltliche Wertabgabe mit den sich aus § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG ergebenden Kosten versteuern (Heidner, in: Bunjes, UStG, 16. Aufl. 2017, § 15 Rdn. 110). Unter Berücksichtigung des 10-jährigen Berichtigungszeitraums für die private Nutzung ergab sich für den Unternehmer ein Zinsvorteil, die spätere Entnahme ist steuerfrei (Leonard, in: Bunjes, UStG, 16. Aufl. 2017, § 3 Rdn. 283). Diese Gestaltungsmöglichkeit hat der Rat mit der Einführung von Art. 168a MwStSystRL und der Gesetzgeber durch die Einführung des § 15 Abs. 1b UStG mit dem JStG 2010 abgeschafft (Heidner, in: Bunjes, UStG, 16. Aufl. 2017, § 15 Rdn. 110; Leonard, in: Bunjes, UStG, 16. Aufl. 2017, § 3 Rdn. 283). Die Neuregelung ist jedoch gem. § 27 Abs. 16 UStG nicht anwendbar auf Wirtschaftsgüter, die vor dem 01.01.2011 fertig gestellt oder angeschafft worden sind.

a) Der vom Beklagten anerkannte Vorsteuerabzug in Höhe von 13.356,90 € aus den nachträglichen Herstellungskosten im Jahr 2010 ist nicht rechtwidrig.

Die Aufteilung des Vorsteuerabzugs bei gemischt genutzten Gebäuden kann nach dem Umsatz- oder nach dem Flächenschlüssel erfolgen. Der Flächenschlüssel als andere wirtschaftliche Zurechnung nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG beruht auf Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG und ist objektbezogen. Als solcher ermöglicht dieser Aufteilungsschlüssel in der Regel eine "präzisere" Bestimmung des Pro-rata-Satzes als die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach den Gesamtumsätzen des Unternehmens (Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 174 MwStSystRL). Der Flächenschlüssel schließt deshalb gemäß § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG als im Regelfall präzisere mögliche Zurechnung die Umsatzschlüssel aus, und zwar sowohl den gesamtunternehmensbezogenen wie auch den objektbezogenen (BFH, Urt. vom 07.05.2014 V R 1/10, BFHE 245, 416, Rdn. 31). Die Vorsteuerbeträge sind aber nicht nach dem Verhältnis der Flächen aufteilbar, wenn die Ausstattung der Räumlichkeiten, die verschiedenen Zwecken dienen (z.B. wegen der Höhe der Räume, der Dicke der Wände und Decken oder in Bezug auf die Innenausstattung) erhebliche Unterschiede aufweist (BFH, Urt. vom 07.05.2014 V R 1/10, BFHE 245, 416, Rdn. 32).

Nach diesen Grundsätzen geht der Senat davon aus, dass auch im Streitfall der Flächenschlüssel eine präzisere Zurechnung ermöglicht. Die Klägerin hat jedenfalls nicht im Einzelnen dargelegt, warum im Streitfall die Anwendung eines Umsatzschlüssels zu einer präziseren Aufteilung führt. Auch hat die Klägerin nicht dargelegt, inwiefern eine Besteuerung nach dem Umsatzschlüssel zu einer zu ihren Gunsten abweichenden Höhe der Besteuerung des Vorsteuerabzugs im Jahr 2010 führt.

Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen. Denn nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, ist dann, wenn die Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr der Anschaffung oder Herstellung eines gemischt genutzten Gegenstands formell bestandskräftig ist und der Unternehmen oder – bei Fehlen oder Abweichung von der Umsatzsteuererklärung – das FA ein sachgerechtes Aufteilungsverfahren angewandt hat, dieser Maßstab auch für die nachfolgenden Kalenderjahre bindend (BFH, Urt. vom 02.03.2006 V R 49/05, BStBl. II 2006, 729).

Im Streitfall hatte der Beklagte im Jahr der Anschaffung/Herstellung (2009) hinsichtlich des Vorsteuerabzugs aufgrund der Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung den Flächenschlüssel als Aufteilungsmaßstab angewendet, der USt-Bescheid 2009 ist formell und materiell bestandskräftig. Der Aufteilungsmaßstab von 76,33% (steuerpflichtig) und 23,67% (steuerfrei) ist damit – sofern keine Nutzungsänderung erfolgt – auch für das Jahr 2010 und die Folgejahre bindend.

Auf die nachträglichen Herstellungskosten in Höhe von netto 69.722,73 € entfällt eine USt in Höhe von 13.247,31 €, der anzuerkennende Teil in Höhe von 76,33% beträgt 10.111,67 €. Die Klägerin hat darüber hinausgehend im Jahr 2010 einen Vorsteuerabzug in Höhe von 13.356,90 € in Anspruch genommen. Obwohl der Beklagte diesen Betrag nicht hat nachvollziehen können (vgl. Bl. 50 der USt-Akte), hat er ihn in vollem Umfang anerkannt.

Da der Beklagte jedenfalls einen höheren Vorsteuerbetrag zum Abzug zugelassen hat, ist der Umsatzsteuerbescheid insoweit nicht rechtswidrig. Eine Minderung des Vorsteuerabzugs im Rahmen des Klageverfahrens kommt nicht in Betracht, da der Senat aufgrund des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbotes an einer Entscheidung zu Lasten der Klägerin gehindert ist.

b) Auch die Festsetzung der unentgeltlichen Wertabgaben ist nicht rechtsfehlerhaft.

aa) Im Streitfall liegt eine unentgeltliche Wertabgabe im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG vor.

Gem. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG wird die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke die außerhalb seines Unternehmens liegen, einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt.

Im Streitfall haben die auf die selbstbewohnte Wohnung entfallenden Ausgaben zum Vorsteuerabzug berechtigt, da die Klägerin die selbstgenutzte Wohnung nach dem sog. Seeling-Modell dem Unternehmensvermögen zugeordnet hatte (EuGH, Urt. vom 08.05.2003 C- 269/00, BStBl. II 2004, 378 „Seeling“). Die Selbstbewohnung stellt auch eine Verwendung durch den Unternehmer für Zwecke außerhalb des Unternehmens dar. Insoweit besteht auch kein Streit zwischen den Beteiligten.

bb) Der Beklagte hat die unentgeltliche Wertabgabe auch der Höhe nach zutreffend ermittelt.

Gem. § 10 Abs. 4 Nr. 2 Satz 1 UStG wird der Umsatz bei sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben, bemessen. Zu diesen Ausgaben gehören gem. § 10 Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 UStG auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 €, so sind diese gem. § 10 Abs. 4 Nr. 2 Satz 3 UStG gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG entspricht.

Aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden sind solche Ausgaben, die nicht zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben, zum Beispiel beim Bezug von Privatpersonen oder wenn die Umsatzsteuer für die empfangene Leistung beim Unternehmer nach § 15 Abs. 1a oder Abs. 2 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist (Abschn. 10.6. Abs. 3 Sätze 5,6 UStAE; Matthes, in: UStG – eKommentar, Stand 01.01.2015, § 10 Rdn. 100).

Im Streitfall haben die vom Beklagten zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage angesetzten Aufwendungen teilweise (in Höhe des umsatzsteuerpflichtigen Teils der Vermietung) zum Vorsteuerabzug berechtigt, so dass der Beklagte diese zu Recht in die Bemessungsgrundlage einbezogen hat.

Nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 UStG erfolgt die Zurechnung „soweit“ das Wirtschaftsgut für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Auch insoweit ist eine Aufteilung nach dem Flächenschlüssel zulässig (BFH, Urt. vom 19.04.2007 V R 56/04, BStBl. II 2007, 676). Der Senat ist der Auffassung, dass die Wahl des Flächenschlüssels beim Vorsteuerabzug auch Bindungswirkung für die Berechnung der unentgeltlichen Wertabgabe im Rahmen des § 10 Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 UStG entfaltet, da anderenfalls der Zweck des § 3 Abs. 9a UStG, Korrektur des Vorsteuerabzugs im Hinblick auf den Anteil der Selbstnutzung nach 10 Jahren, nicht (vollständig) erreicht würde. Es würde vielmehr teilweise zu Über- und teilweise zu Unterkorrekturen kommen. Ungeachtet dessen hat die Klägerin auch nicht dargelegt, warum der Umsatzschlüssel eine präzisere Zurechnung ermöglicht. Insbesondere liegen bei unentgeltlichen Wertabgaben gerade keine Umsätze vor, nach denen eine Aufteilung vorgenommen werden könnte, so dass die Umsätze einer mit Ungenauigkeiten verbundenen Schätzung bedürften.

Hinsichtlich des konkreten Umfangs der privat genutzten Flächen im Verhältnis zu den steuerpflichtig vermieteten Flächen entfaltet die Vorsteueraufteilung im USt-Bescheid 2009 hingegen keine Bindungswirkung, da diese nur Feststellungen zum (nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden) steuerfrei vermieteten Anteil trifft. Daraus ergibt sich jedoch nicht die Aufteilung des verbleibenden Anteils in einen steuerpflichtig vermieteten und einen selbstgenutzten Teil.

Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass die vom Beklagten zugrunde gelegten Flächenangaben unzutreffend seien und abweichend hiervon andere Flächen zugrunde zu legen seien, so folgt der Senat dem jedoch nicht. Die Flächen wurden seinerzeit vom Beklagten im Jahr 2009 anhand der Baupläne ermittelt, die Klägerin hatte den auf dieser Basis erlassenen USt-Bescheid 2009 vom 10.05.2010 auch nicht angefochten. Sie hat die abweichenden Flächenangaben auch nicht durch Nachweise im Klageverfahren (z.B. in Form der Vorlage der Baupläne) substantiiert dargelegt. Vielmehr geht der Senat nach den Wohnflächenberechnungen (Bl. 25 ff. der USt-Akte) davon aus, dass die Klägerin bei ihren Angaben im Klageverfahren unzutreffenderweise nur die reine Wohnfläche zugrunde gelegt hat.

Soweit sich die Klägerin auf die Urteile des BFH vom 07.05.2014 (V R 1/10) und vom 10.08.2016 (XI R 31/09) beruft, so geht es in diesen Urteilen um die Frage, ob der Flächenschlüssel oder der Umsatzschlüssel bei gemischt genutzten Gebäuden eine sachgerechtere und präzisere Berechnung des Rechts auf Vorsteuerabzug ermöglicht. Die Entscheidungen behandeln jedoch nicht die im Streitfall entscheidungserhebliche Frage, nach welchen Grundsätzen im Falle der bindenden Wahl des Flächenschlüssels beim Vorsteuerabzug in der Folge die unentgeltlichen Wertabgaben zu besteuern sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

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