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Steuerrecht
08.11.2018
Steuerrecht
FG München: Wirtschaftliche Eingliederung im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft

FG München, Urteil vom 13.9.20183 K 949/16

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2018-2710-2

unter www.betriebs-berater.de

Aus den Gründen

I.

Streitig ist, ob die Klägerin in das Unternehmen der M GmbH (nachfolgend: M GmbH) wirtschaftlich eingegliedert ist.

Satzungsmäßiger Gegenstand des Unternehmens der mit Gesellschaftsvertrag vom gegründeten Klägerin sind die Produktion von Funkwerbespots, die Synchronisation bzw. Vertonung von Film- und Videomaterial sowie die Musikproduktion von Tonträgern; zu ihren einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern waren in den Streitjahren Herr G und Herr A bestellt.

Satzungsmäßiger Gegenstand des Unternehmens der mit Gesellschaftsvertrag vom gegründeten M GmbH waren gemäß Beschluss der Gesellschafterversammlung vom der Handel mit sowie die Vermietung von elektronischen und elektrotechnischen Geräten aller Art und Beteiligung an anderen Unternehmen aller Art sowie Halten und Verwalten solcher Beteiligungen. Die M GmbH, zu deren einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern in den Streitjahren Herr G und Herr W bestellt waren, hielt zunächst 80% und ab dem 2. August 2007 dann 100% der Gesellschaftsanteile an der Klägerin.

Am 18. Juni 2003 schlossen die Klägerin und die M GmbH einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag.

Die Klägerin ging für die Streitjahre davon aus, dass sie als Organgesellschaft in das Unternehmen der M GmbH eingegliedert sei.

Mit Vereinbarung zwischen der Klägerin, der M GmbH, der P GmbH sowie der PM GmbH vom 1. Juli 2007 verpflichteten sich diese Vertragspartner, untereinander im Wege von Buchungen auf Verrechnungskonten Darlehen zu gewähren zu einem Zinssatz von 2% p. a. über dem jeweils gültigen Basiszinssatz. Die Höhe der von der M GmbH gewährten Darlehen belief sich auf die Beträge von 66.370,54 € (2006), 128.263,14 € (2007), 169.731,16 € (2008) sowie 252.936,61 € (2009). Die von der Klägerin hierfür geschuldeten Zinsen beliefen sich auf die Beträge von 2.146,82 € (2007), 9.325,87 € (2008) sowie 4.871,26 € (2009).

Zudem übernahmen die M GmbH sowie ihre Geschäftsführer Bürgschaften für Bankdarlehen und Dispokredite der Klägerin. Hierbei handelte es sich im Einzelnen um eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft der M GmbH in Höhe von 200.000 € für das Annuitätendarlehen der Bank an die Klägerin vom 21. November 2006 (über den Betrag von 200.000 €), eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft der M GmbH sowie ihrer Geschäftsführer jeweils in Höhe von 205.700 € für einen Dispositionskredit der Bank an die Klägerin vom 29. Juli 2008 (über den Betrag von 205.700 €), eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft der M GmbH in Höhe von 200.000 € sowie ihrer Geschäftsführer (jeweils in Höhe von 100.000 €) für den Dispositionskredit der vom 2. Mai 2008 (über den Betrag von 200.000 €) sowie eine selbstschuldnerische Bürgschaft der M GmbH sowie ihrer Geschäftsführer für die Forderungen der L GmbH & Co. KG aufgrund eines Leasingvertrags vom 12. Januar 2007. Hierbei wurde kein Entgelt für die Bürgschaftsgewährung vereinbart.

Die Klägerin veräußerte Gegenstände ihres Anlagevermögens mit Rechnung vom 4. Dezember 2006 für den Betrag von 242.200,00 € an die MD GmbH. Ferner veräußerte sie weitere Gegenstände ihres Anlagevermögens mit Rechnung vom 6. Dezember 2006 für den Betrag 27.500,00 € an GG GmbH. Die beiden Unternehmen veräußerten diese Gegenstände an die M GmbH, die sie mit Rechnung vom 21. Dezember 2006 an die Firma L GmbH & Co. KG weiterveräußerte. Die Firma L GmbH & Co. KG verleaste diese Gegenstände wiederum an die Klägerin zurück.

Mit Beschluss des Amtsgerichts München - Insolvenzgericht - vom 23. April 2014 (Az.) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der M GmbH eröffnet.

Im Anschluss an eine vom Finanzamt F für die Streitjahre durchgeführte Außenprüfung (Bericht vom 21. Januar 2014) setzte der Beklagte (das Finanzamt -FA-) die Umsatzsteuer für die Streitjahre erstmalig mit Bescheiden vom 1. September 2014 auf die Beträge von € (2006), € (2007), € (2008) sowie € (2009) fest und verwies zur Begründung auf den Prüfungsbericht. Dort wurde ausgeführt, dass zwischen der Klägerin und der M GmbH mangels wirtschaftlicher Eingliederung keine Organschaft bestehe.

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein.

Mit Beschluss vom 28. April 2015 (Az.: 3 V) setzte das erkennende Gericht die Vollziehung der streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide für 2007, 2008 und 2009 aus und lehnte den Antrag im Übrigen ab.

Mit Beschluss vom 3. Juni 2015 (Az.) ordnete das Amtsgericht München die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Klägerin an. Mit Beschluss vom 18. Juni 2015 hob das Amtsgericht München die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Klägerin wieder auf.

Den eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 22. März 2016 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben.

Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass sie in das Unternehmen der M GmbH eingebunden sei. Bei Gesamtbetrachtung aller wirtschaftlichen Beziehungen, nämlich der Verschaffung von Liquidität durch Darlehensüberlassungen, Bürgschaften sowie ein Sale-and-lease-back-Geschäft, liege auch eine wirtschaftliche Eingliederung vor.

So habe die M GmbH der Klägerin verzinsliche Darlehen überlassen. Dem stehe nicht entgegen, dass erst ab dem Streitjahr 2007 Zinsen abgerechnet worden seien, denn diese Zinsen hätten auch die im Streitjahr 2006 gewährten Darlehen erfasst und stellten im Übrigen gemeinsam mit dem Sale-and-lease-back-Geschäft ein nachhaltiges Finanzierungskonzept der Jahre ab 2006 dar. Zudem ergebe sich die wechselseitige Verflechtung daraus, dass die Darlehensvereinbarung nicht nur zwischen der M GmbH und der Klägerin abgeschlossen worden sei, sondern auch die P GmbH und die PM GmbH Vertragsparteien seien.

Weiterhin habe die M GmbH zusammen mit ihren Geschäftsführern Bürgschaften für Bankdarlehen und Dispokredite der Klägerin übernommen. Dem stehe nicht entgegen, dass die M GmbH von der Vereinbarung eines Entgelts für die Bürgschaftsgewährung abgesehen habe, um die durch die Darlehensbeschaffung gerade neu geschaffene Liquidität der Klägerin nicht sogleich wieder zu belasten. Denn unentgeltliche Leistungsbeziehungen könnten entgeltliche Leistungsbeziehungen, die zu einer wirtschaftlichen Eingliederung führten, nicht etwa in Form einer Art Saldierung „neutralisieren“.

Zudem habe die M GmbH ein Sale-and-lease-back-Geschäft entwickelt. Da die L GmbH & Co. KG als Leasinggeber es abgelehnt habe, die Gegenstände des Anlagevermögens unmittelbar von der Klägerin zu erwerben, seien die MD GmbH und die GG GmbH, mit denen die Klägerin regelmäßig zusammengearbeitet habe, zwischengeschaltet worden. Dabei sei es unerheblich, dass das Entgelt nicht unmittelbar von der Klägerin an die M GmbH geflossen sei, denn über die Leasingraten sei ihr dieses Entgelt wieder belastet worden. Auch die Zwischenschaltung der MD GmbH und GG GmbH stehe einer wirtschaftlichen Eingliederung nicht entgegen, da diese Variante auf der Ablehnung einer unmittelbaren Geschäftsbeziehung mit der Klägerin durch den Leasinggeber beruhe.

Die wirtschaftliche Verflechtung ergebe sich insbesondere aus der vorgenommenen Aufgabenteilung, wonach die M GmbH für die Klägerin wesentliche unternehmerische Aufgaben, wie finanzielle Organisation, Finanzierung, Entwicklung von Leasing- und Finanzierungsmodellen und Steuerorganisation übernommen habe. Im Gegenzug habe die Klägerin der M GmbH spätestens nach Darlehensrückzahlung in wesentlichem Umfang ihre Gewinne zugutekommen lassen.

Davon abgesehen verstießen die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide gegen den zu gewährenden Vertrauensschutz. Denn für den Prüfungszeitraum der Vorjahre 2003 bis 2005 seien die Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft bejaht worden; die Verhältnisse der Klägerin hätten sich hinsichtlich ihrer Eingliederung in das Unternehmen der M GmbH in den Folgejahren jedoch nicht verändert.

Im Übrigen sei schon der Begriff der Verflechtung vage und unbestimmt; unklar sei, warum eine entgeltliche Leistung Voraussetzung für eine wirtschaftliche Eingliederung sein solle. Auch lasse der Begriff der wirtschaftlichen Eingliederung nicht zwingend erkennen, dass eine gegenseitige Förderung und Ergänzung der Tätigkeiten hierfür erforderlich seien. Davon abgesehen sei auch der Begriff „wechselseitige Beziehungen“ vage und unbestimmt und es sei nicht erkennbar, warum wechselseitige Beziehungen Voraussetzung für eine wirtschaftliche Eingliederung sein sollten, zumal der Gesetzgeber in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG genügen lasse, dass eine Weisungsgebundenheit vorliege, was aber keine wechselseitige Beziehung, sondern eine einseitige, übergeordnete Beziehung darstelle. Die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der wirtschaftlichen Eingliederung durch eine Vielzahl weiterer unbestimmter Begriffe, wie Verflechtung, wechselseitige Beziehungen, entgeltliche Leistung, Nachhaltigkeit o. ä., verbiete sich aufgrund der rechtsstaatlichen Verfassung der Bundesrepublik Deutschland wegen der damit verbundenen unkalkulierbaren Folgen. Es sei erst recht unzulässig, den ohnedies bereits nicht unionskonformen Begriff der Eingliederung auszuweiten und als Voraussetzung einer Eingliederung dann den, im Gesetz überhaupt keinen Niederschlag findenden Begriff der Verflechtung zu verwenden. Aus dem EuGH-Urteil vom 16. Juli 2015 (C-108/14 und C-109/14) ergebe sich, dass bei unionsrechtskonformer Auslegung der Begriff der „Eingliederung“ deshalb in den Begriff „Beziehungen“ umzudeuten sei.

Die vom FA vorgenommene Verrechnung der sich aus der an die M GmbH gerichteten Bescheiden vom 9. April 2014 ergebenden Steuererstattungsansprüche der M GmbH mit „anderen Forderungen“ stelle eine gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO unzulässige Aufrechnung dar. Bis zum Ergehen der an die M GmbH gerichteten Bescheide vom 9. April 2014 sei das FA zur Vornahme einer Aufrechnung rechtlich nicht in der Lage gewesen; der Erlass der streitgegenständlichen Bescheide und die Verrechnung stellten deshalb eine Befriedigung des Finanzamts im Sinne des § 131 Abs. 1 InsO dar, die es nicht in dieser Art (Verrechnung) und nicht zu dieser Zeit (vor Erlass der Bescheide) zu beanspruchen gehabt habe.

Im Übrigen wird auf die von der Klägerin eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2006 bis 2009, jeweils vom 1. September 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. März 2016 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA bezieht sich zur Klageerwiderung im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend dazu vor, dass das Vorliegen einer organisatorischen und finanziellen Eingliederung nicht angezweifelt werde. Dagegen fehle es an einer wirtschaftlichen Verflechtung zwischen der Klägerin und der M GmbH. Denn die Klägerin habe in den Streitjahren keine entgeltlichen Leistungen an die M GmbH erbracht, der Begriff der Verflechtung erfordere jedoch wechselseitige Beziehungen.

Hinsichtlich der von der M GmbH und deren Gesellschaftern übernommenen Bürgschaften liege keine wirtschaftliche Verflechtung vor, weil es auch insoweit an einer Entgeltsvereinbarung fehle.

Auch die Darlehensgewährungen der M GmbH begründeten keine wirtschaftliche Verflechtung. Da im Streitjahr 2006 keine Verzinsung der Darlehen vereinbart war, fehle es insoweit an einer entgeltlichen Leistung. Aber auch soweit ein Entgelt vereinbart sei, habe die Darlehensgewährung an die Klägerin keine wesentliche Bedeutung für deren Tätigkeit. Zudem stelle die Darlehensgewährung keine steuerbare Tätigkeit der M GmbH an die Klägerin dar, da in der Überlassung von Kapital keine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung ihrer steuerbaren Tätigkeit der M GmbH liege.

Das Sale-and-Lease-back-Geschäft begründe ebenfalls keine wirtschaftliche Verflechtung, da zwischen der Klägerin und der M GmbH keine direkten vertraglichen Beziehungen bestünden.

Die Klägerin könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, da sich nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung aus der früheren, auch aufgrund von Außenprüfungen vorgenommenen Beurteilung durch das FA keine Bindung für die Zukunft ergebe.

Inwieweit die Verrechnung der Steuererstattungsansprüche der M GmbH mit anderen Forderungen eine unzulässige Aufrechnung darstelle, sei beim für die M GmbH zuständigen Finanzamt F vorzutragen.

Im Übrigen wird auf die vom FA eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.

II.

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist nicht in das Unternehmen der M GmbH eingegliedert.

1. Unternehmer ist gem. § 2 Umsatzsteuergesetz in der in den Streitjahren geltenden Fassung (UStG), wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der im Streitjahr 2006 anwendbaren Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) bzw. Art. 11 Abs. 1 der in den übrigen Streitjahren anwendbaren Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

Die Ausübung der Ermächtigung, „Personen … als einen Steuerpflichtigen zu behandeln“, führt zu einer „Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen[, die] es ausschließt, dass die untergeordneten Personen weiterhin getrennt Mehrwertsteuererklärungen abgeben und innerhalb und außerhalb ihres Konzerns weiter als Steuerpflichtige angesehen werden, da nur der einzige Steuerpflichtige befugt ist, diese Erklärungen abzugeben“ (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union -EuGHvom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, UR 2008, 534). Dementsprechend setzt die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen ein Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen einer Organgesellschaft als „untergeordneter Person“ und dem sog. Organträger voraus (BFH-Urteile vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BStBl II 1997, 441; vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BStBl II 2005, 671; vom 3. April 2008 V R 76/05, BStBl II 2008, 905 und vom 22. April 2010 V R 9/09, BFH/NV 2010, 1581). Die Eingliederungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dienen der Feststellung, ob das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis vorliegt, das zur Verschmelzung zu nur einem einzigen Steuerpflichtigen führt.

2. Im Streitfall war die Klägerin nach Überzeugung des Gerichts in den Streitjahren wirtschaftlich nicht in das Unternehmen der M GmbH eingegliedert.

a) Zwar war die Klägerin organisatorisch und finanziell in das Unternehmen der M GmbH eingegliedert, wovon auch die Beteiligten ausgehen.

aa) In den Streitjahren lag eine organisatorische Eingliederung vor.

aaa) Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BStBl II 2008, 451; vom 14. Februar 2008 V R 12, 13/06, BFH/NV 2008, 1365 und vom 3. April 2008 V R 76/05, BStBl II 2008, 905). Die organisatorische Eingliederung besteht zwischen zwei GmbHs insbesondere bei einer Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen der beiden Gesellschaften. Darüber hinaus kann sich die organisatorische Eingliederung auch aus einer (teilweisen) personellen Verflechtung über diese Geschäftsführungsorgane ergeben, wenn dem Organträger eine Willensdurchsetzung in der Geschäftsführung der Organgesellschaft möglich ist. Sind für die Organ GmbH z.B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen auch Geschäftsführer der Organträger GmbH ist, der Organträger über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ GmbH verfügt (vgl. § 37 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -GmbHG-) und -anders als in der dem BFH-Urteil vom 5. Dezember 2007 V R 26/06 zugrunde liegenden Fallgestaltungzur Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer der Organ GmbH (vgl. § 46 Nr. 5 GmbHG) berechtigt ist (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BStBl II 2013, 218).

bbb) Danach war die Klägerin organisatorisch in das Unternehmen der M GmbH eingegliedert. Denn einer der beiden einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der M GmbH, G, war in den Streitjahren zugleich einer der beiden einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin und aufgrund dieser personellen Verflechtung konnte die M GmbH ihren Willen bei der Klägerin durchsetzen. Dem steht die Einzelvertretungsbefugnis des weiteren Geschäftsführers der Klägerin A nicht entgegen, da die M GmbH aufgrund § 1 Nr. 1 Satz 2 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags vom 18. Juni 2003 berechtigt war, der Geschäftsführung der Klägerin Weisungen zu erteilen und damit eine abweichende Willensbildung bei der Klägerin ausgeschlossen war (vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rz. 893 m.w.N.).

bb) In den Streitjahren lag auch eine finanzielle Eingliederung vor.

aaa) Finanziell muss der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann (BFH-Urteil vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFH/NV 2011, 2195 m.w.N.).

bbb) Im Streitfall hielt die M GmbH zunächst 80% der Gesellschaftsanteile an der Klägerin und aufgrund des Erwerbs des Geschäftsanteils von Herrn M mit notariellem Vertrag vom 2. August 2007 alle Gesellschaftsanteile an der Klägerin und konnte deshalb ihren Willen in der Gesellschafterversammlung der Klägerin unmittelbar durchsetzen.

b) Es fehlt jedoch an einer wirtschaftlichen Eingliederung.

aa) Für die wirtschaftliche Eingliederung i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist charakteristisch, dass die Organgesellschaft im Gefüge des übergeordneten Organträgers als dessen Bestandteil erscheint (BFH-Urteil vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BStBl II 2002, 373). Die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft müssen hierbei aufeinander abgestimmt sein und sich fördern und ergänzen (BFH-Urteil vom 3. April 2003 V R 63/01, BStBl. II 2004, 434); dafür genügt ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang (BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BStBl. II 2009, 256). Entscheidend für die wirtschaftliche Eingliederung sind die Art und der Umfang der zwischen den Unternehmensbereichen von Organträger und Organgesellschaft bestehenden Verflechtungen (vgl. BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BStBl II 2010, 863, m.w.N.). Für die umsatzsteuerrechtliche Organschaft kann somit eine den Betrieb der Untergesellschaft fördernde Tätigkeit der Obergesellschaft ausreichen (BFH-Urteil vom 17. April 1969 V 44/65, BStBl II 1969, 413, m.w.N.). Z.B. genügt die Vermietung eines Betriebsgrundstückes, wenn dieses für die Organgesellschaft von nicht nur geringer Bedeutung ist, weil es die räumliche und funktionale Grundlage der Geschäftstätigkeit der Organgesellschaft bildet (BFH-Urteil vom 3. April 2003 V R 63/01, BStBl II 2004, 434).

Nach Auffassung der EG-Kommission ist die wirtschaftliche Eingliederung dadurch gekennzeichnet, dass die Gruppenmitglieder die gleiche Haupttätigkeit ausüben oder sich die Tätigkeiten der Gruppenmitglieder einander ergänzen oder voneinander abhängen oder ein Mitglied der Gruppe Tätigkeiten ausübt, die den übrigen Mitgliedern in vollem oder in wesentlichem Umfang zugute kommen (EG-Kommission, KOM(2009) 325 vom 2. Juli 2009, UR 2009, 632).

Beruht die wirtschaftliche Eingliederung auf Leistungen des Organträgers gegenüber seiner Organgesellschaft, müssen entgeltliche Leistungen vorliegen, denen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche Bedeutung zukommt (vgl. BFH-Urteile vom 18. Juni 2009 V R 4/08, BStBl. II 2010, 310; vom 6. Mai 2010 V R 26/09, BStBl. II 2010, 1114). Es ist dann im Regelfall davon auszugehen, dass der Organträger aufgrund derartiger Leistungen auf die Organgesellschaft Einfluss nehmen kann, für ihn auch aufgrund der Möglichkeit zur Beendigung dieser Leistungsbeziehung eine „beherrschende Stellung“ besteht (BFH-Urteil vom 9. September 1993 V R 124/89, BStBl II 1994, 129) und somit für ihn „besondere Einwirkungsmöglichkeiten“ vorliegen (BFH-Urteil vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze war die Klägerin im Streitfall nicht wirtschaftlich mit der M GmbH verflochten. Weder die Gewährung von Darlehen noch die Übernahme von Bürgschaften oder das Sale-and-Lease-back-Geschäft begründen im Streitfall eine wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin in das Unternehmen der M GmbH.

aaa) Die Gewährung von Darlehen an die Klägerin begründet keine wirtschaftliche Eingliederung. Da im Streitjahr 2006 nach den unwidersprochenen Feststellungen des FA keine Verzinsung der Darlehen vereinbart war, fehlt es insoweit bereits an einer entgeltlichen Leistung. In den Streitjahren 2007 bis 2009 erbrachte die M GmbH zwar entgeltliche Leistungen an die Klägerin, indem sie ihr verzinsliche Darlehen und damit Leistungen gegen Entgelt gewährte. Diese Darlehen setzten sich nach dem unwidersprochenen Vorbringen des FA u.a. aus nicht geleisteten Umsatzsteuerzahlungen sowie nicht abgeführten Gewinnen zusammen. Zwar machten die von der M GmbH gewährten Darlehen einen nicht unerheblichen Anteil der in den Streitjahren bestehenden Verbindlichkeiten der Klägerin aus (2007: 27%, 2008: 30%, 2009: 64%). Im Hinblick auf das Verhältnis der für die Darlehensgewährung gezahlten Entgelte (2007: 2.146,82; 2008: 9.325,87 €; 2009: 4.871,26 €) zu den erklärten Umsätzen der Klägerin (2007: 1.965.272,00 €; 2008: 1.871.792,00 €; 2009: 2.148.411,00 €) kommt der Darlehensgewährung mit einem Anteil 0,1% (2007), 0,5% (2008) sowie 0,2% (2009) jedoch lediglich eine unwesentliche (geringfügige) Bedeutung zu, so dass hierdurch keine wirtschaftliche Eingliederung begründet wird (vgl. BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 30/06, BStBl II 2010, 863).

bbb) Die Übernahme von Bürgschaften durch die M GmbH sowie deren Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Klägerin begründet ebenfalls keine wirtschaftliche Eingliederung, da sie nach den unwidersprochenen Feststellungen des FA ebenfalls ohne Entgeltsvereinbarung erfolgte (s.o.).

ccc) Auch das Sale-and-Lease-back-Geschäft begründet keine wirtschaftliche Verflechtung, da zwischen der Klägerin und der M GmbH insoweit keine direkten vertraglichen Beziehungen bestanden haben. Denn die Klägerin veräußerte Gegenstände ihres Anlagevermögens mit Rechnung vom 4. bzw. 6. Dezember 2006 an die MD GmbH bzw. die GG GmbH. Diese beiden Unternehmen veräußerten diese Gegenstände an die M GmbH, welche sie dann mit Rechnung vom 21. Dezember 2006 an die L GmbH & Co. KG weiterveräußerte, bevor selbige diese Gegenstände wiederum an die Klägerin verleaste. Auch soweit man eine mittelbare wirtschaftliche Verflechtung über mögliche Organgesellschaften der M GmbH als ausreichend ansehen mag, so wird die Verflechtung jedenfalls durch die Zwischenschaltung der nicht konzernangehörigen L GmbH & Co. KG unterbrochen.

ddd) Auch sofern man mit der Klägerin unterstellt, dass die M GmbH wesentliche unternehmerische Aufgaben, wie finanzielle Organisation, Finanzierung, Entwicklung von Leasing- und Finanzierungsmodellen und Steuerorganisation übernommen habe, so begründet auch dies keine wirtschaftliche Verflechtung. Denn Eingriffe einer Holdinggesellschaft in die Verwaltung von Gesellschaften, an denen sie Beteiligungen erworben hat, stellen lediglich dann eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG dar, wenn sie die Durchführung von Transaktionen einschließen, die gemäß Art. 2 der Richtlinie 77/388/EWG der Mehrwertsteuer unterliegen, wie etwa das Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen der Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaften (EuGH-Urteil vom 16. Juli 2015 C-108/14 und C-109/14, Larentia + Minerva und Marenave Schifffahrt, BStBl II 2017, 604). Im Streitfall erfolgten diese Verwaltungsleistungen jedoch nicht entgeltlich und stellen damit keine der Mehrwertsteuer unterliegende Transaktionen im og. Sinne dar.

cc) Zwar kann eine Eingliederung trotzdem anzunehmen sein, wenn das Vorliegen eines der drei Merkmale nur zweifelhaft oder weniger stark ist, die beiden anderen Voraussetzungen jedoch erfüllt sind (BFH-Urteile vom 27. August 1964 V 101/62 U, BStBl III 64, 539 und vom 22. April 2010 V R 9/09, BStBl II 2011, 597). Es reicht jedoch nicht aus, wenn nur zwei der drei Merkmale vorliegen (BFH-Urteile vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BStBl II 08, 451; vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BStBl II 09, 256; vom 8. August 2013 V R 18/13, BStBl II 2017, 543). Im Streitfall liegt das Merkmal der wirtschaftlichen Eingliederung jedoch allenfalls in sehr schwach ausgeprägter Form vor. Allein die finanzielle Unterstützung der Klägerin durch die M GmbH bewirkt noch keine wirtschaftliche Verflechtung der Unternehmensbereiche dieser beiden Unternehmen.

dd) Es ist höchstrichterlich festgestellt, dass sich die in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vorgenommene Auslegung der wirtschaftlichen Eingliederung im Rahmen des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG hält (BFH-Urteile vom 3. April 2003 V R 63/01, BStBl. II 2004, 434; vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BStBl II 2002, 373). Durch den Übergang von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu dem ab 2007 geltenden Art. 11 MwStSystRL ist es nicht zu inhaltlichen Änderungen des Unionsrechts gekommen (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, BStBl II 2017, 553 m.w.N.).

ee) Die Klägerin kann sich gegenüber den in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG aufgeführten nationalen Tatbestandsvoraussetzungen einer Organschaft auch nicht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr: Art. 11 MwStSystRL) berufen. Denn die in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG aufgestellte Voraussetzung, nach der die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe davon abhängt, dass zwischen den betreffenden Personen enge Verbindungen in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht bestehen, bedarf einer Präzisierung auf nationaler Ebene. Dieser Artikel hat daher insoweit einen bedingten Charakter, als er die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten Umfang solcher Verbindungen bestimmen. Demnach erfüllt Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu entfalten (EuGH-Urteil vom 16. Juli 2015 C-108/14 und C-109/14, Larentia + Minerva und Marenave Schifffahrt, BStBl II 2017, 604; BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015 V R 15/14, BStBl II 2017, 553).

ff) Entgegen der Auffassung der Klägerin bestimmen sich die Voraussetzungen einer Eingliederung im Streitfall auch nicht nach der Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Demzufolge wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind. Im Streitfall ist die Klägerin jedoch kein Zusammenschluss natürlicher Personen, sondern eine juristische Person (vgl. § 13 Abs. 1 GmbHG), für die das Gesetz in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine spezielle Regelung trifft (s.o.).

gg) Die Klägerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Auch sofern das FA im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Vorjahre die Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft bejaht haben mag, so hat dies nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung keine Auswirkung auf die Streitjahre (vgl. BFH-Urteil vom 18. März 2015 XI R 8/13, BFH/NV 2015, 1219 m.w.N.).

hh) Die Klägerin kann ferner auch nicht einwenden, dass eine vom FA vorgenommene Verrechnung von Steuererstattungsansprüchen der M GmbH mit weiteren Steuerforderungen gegen die M GmbH eine gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO unzulässige Aufrechnung darstelle. Denn diese Frage betrifft ausschließlich die steuerlichen Verhältnisse der am vorliegenden Verfahren nicht beteiligten M GmbH; der Klägerin fehlt insoweit bereits die gem. § 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderliche Klagebefugnis.

4. Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen war nicht nachzukommen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung auf die schriftsätzlich gestellten Beweisanträge lediglich Bezug genommen und sie ausdrücklich aufrechterhalten. Den mit Schriftsatz vom 27. Juni 2016 gestellten (insgesamt 38) Beweisanträgen, den mit Schriftsatz vom 4. November 2016 gestellten (weiteren 5) Beweisanträgen sowie dem mit Schriftsatz vom 11. September 2018 gestellten Beweisantrag war jedoch nicht nachzukommen, da der dort dargestellte und unter Beweis gestellte Sachverhalt, der im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitig ist, als wahr unterstellt werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Februar 2013 XI B 117/11, BFH/NV 2013, 981 m.w.N.).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

6. Die Revision wird zugelassen, da die Fortbildung des Rechts, nämlich die Konkretisierung des Begriffs der wirtschaftlichen Verflechtung, eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

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