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Steuerrecht
29.05.2019
Steuerrecht
FG Köln: Wertminderung wegen behebbarer Baumängel

FG Köln, Urteil vom 13.2.2019 – 4 K 108/17

ECLI:DE:FGK:2019:0213.4K108.17.00

Volltext: BB-ONLINE BBL2019-1302-1

Sachverhalt

Der Kläger und seine Brüder B und B1 sind zu gleichen Teilen Eigentümer eines neu erbauten Mietwohngrundstücks mit 3 Wohnungen in ... A, F‑Straße ....

Nach Fertigstellung der Wohnungen im 1. und 2. Obergeschoss im Mai 2013 stellte der Beklagte mit Art- und Wertfortschreibungsbescheid auf den 01.01.2014 vom 05.11.2013 (erneute Bekanntgabe des Bescheids vom 29.10.2013 unter diesem Datum) unter Ansatz einer Wohnfläche von 205 m² und einer Monatsmiete/m² i.H.v. 3,60 DM sowie einer Garage (Jahresmiete: 300 DM) sowie dreier Stellplätze (Jahresmiete: 360 DM) den Einheitswert mit 87.500 DM (44.738 €) fest. Dabei legte er eine Jahresrohmiete von 9.516 DM und einen Vervielfältiger von 9,2 zugrunde. Dieser bestandskräftig gewordene Bescheid wurde an Herrn B als Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten bekannt gegeben.

Nach Fertigstellung der Wohnung im Dachgeschoss des Hauses stellte der Beklagte mit Wertfortschreibungsbescheid zum 01.01.2015 vom 29.05.2015 den Einheitswert für das Objekt unter Ansatz einer zusätzlichen Wohnfläche von 74 m² und einer hierfür angesetzten Monatsmiete/m² i.H.v. 3,60 DM – also insgesamt unter Berücksichtigung einer Wohnfläche von 279 m², der Garage und der 3 Stellplätze sowie unverändertem Mietansatz für den zum 01.01.2014 bereits fertig gestellten Teil – mit 116.900 DM (59.770 €) fest. Dabei legte er eine Jahresrohmiete von 12.713 DM und einen Vervielfältiger von 9,2 zugrunde. Auch dieser Bescheid wurde an Herrn B als Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten bekannt gegeben.

Der hiergegen im Namen des Beigeladenen B eingelegte Einspruch wurde mit Schreiben vom 06.07.2015 und 01.09.2015 damit begründet, dass es sich bei dem Objekt nicht um ein Mietwohngrundstück, sondern um selbstgenutztes Eigentum handele. Die Stellplätze bestünden lediglich aus Sickersteinen. Die Bauausführung des Hauses sei eine Basisausführung. Weiterhin werde ein Mietwertansatz von 0,50 DM unter Reduzierung der Wohnfläche auf 266,70 m² gemäß beigefügter Flächenberechnung ihres Architekten vom 02.06.2012 beantragt.

Im Rahmen einer am 15.11.2016 erfolgten Besichtigung des Objekts, an der neben der Sachbearbeiterin C auch der Kläger und ein steuerlicher Vertreter der Einspruchsführer (Herr D von der E Steuerberatungs GmbH) teilnahmen, stellte der Beklagte Folgendes fest:

Das Objekt F-Straße ... sei ein Mietwohngrundstück mit drei abgeschlossenen Wohnungen im 1. Obergeschoss, 2. Obergeschoss und Dachgeschoss. Ein Keller sei nicht vorhanden. Dafür befänden sich im Erdgeschoss neben einer überbreiten Hofeinfahrt und einer separaten Garage zwei Abstellräume (Heizen, Waschen, Abstellen). Das Haus sei ein beidseitig angebauter Massivbau mit guter Ausstattung:

-         Straßenfassade mit Klinker und mit Schallschutzfenstern

-         bodentiefe Fenster im 1. und 2. OG mit Sicherheitsgittern aus Edelstahl

-         hofseitige Rückfront mit Putz

-         gute Isolierfenster im gesamten Haus

-         Gas-Fußbodenheizung in den Wohnungen mit geeignetem, guten Bodenbelag

-         hochwertige Verfliesung der Hausflurtreppe

-         Treppengeländer aus Edelstahl

-         gute Badausstattung

-         gute Rolltore zur Garage bzw. Hofeinfahrt

-         gute Haustür

-         extra hohes Rolltor zur Hofeinfahrt im Zusammenhang mit Brandschutz.

Im Ergebnis vertrat der Beklagte die Auffassung, dass der Ansatz eines Mietwerts von 3,60 DM/m² in dem angegriffenen Einheitswertbescheid (Mittelwert „gute Ausstattung“, Baujahr nach 1990) nicht zu beanstanden sei. Weiterhin ergebe sich nach den letztgültig im Baugenehmigungsverfahren anerkannten Bauunterlagen (Stand 18.6.2012) eine Wohnfläche von 284,90 m², die im Fall einer erforderlichen Einspruchsentscheidung im Wege der Verböserung gemäß § 367 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung – AO – berücksichtigt werden müsse (1. OG: 103,96 m²; 2. OG: 104,13 m²; DG: 76,81 m²). Die sich danach ergebende Jahresrohmiete betrage 12.928 DM.

Mit der an den Kläger bekannt gegebenen Einspruchsentscheidung vom 14.12.2016 stellte der Beklagte den Einheitswert zum 1.1.2015 auf 118.900 DM (60.792 €) fest und wies den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies er nochmals auf die nunmehr mit 284 m² zu berücksichtigende Wohnfläche und den nach seiner Auffassung zutreffenden Mietwertansatz mit dem Mittelwert der guten Ausstattungsstufe i.H.v. 3,60 DM.

Mit der vorliegenden, am 16.01.2017 eingegangenen Klage macht der Kläger geltend, dass der Mietansatz zum 01.01.1964 auf 3,00 DM/m² zu ermäßigen sei und bei der Berechnung des Einheitswerts ein Vervielfältiger von 9,0 angewendet werden müsse.

Das Gebäude sei im Jahr 2013 errichtet worden. Die Bauausführung entspreche den Regeln der Handwerkskunst und der Technik und sei insbesondere hinsichtlich der Fassadenausführung, der verwendeten Bodenbeläge, der Heizung, der Treppe, der Badausstattung, der Isolierverglasung, der Fliesen im Hausflur, des Rolltors zur Garage und der Haustür als durchschnittlich zu bezeichnen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das Haus nicht unterkellert sei und über keinerlei sonstige Abstellräume außerhalb der jeweiligen Wohneinheiten verfüge. Demgegenüber sei nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage der Beklagte die gute Qualität dieser Ausstattungsmerkmale festgestellt haben wolle. Hier handele es sich ersichtlich um subjektive Bewertungen des Beklagten. Maßgebend seien indessen objektive Kriterien. Infolge der durchschnittlichen, allenfalls leicht überdurchschnittlichen Ausstattung des Gebäudes sei somit nach den Vorgaben des Mietspiegels für die Stadt A zum 01.01.1964 ein Quadratmeterpreis von 3,00 DM anzusetzen, der im Übrigen auch die untere Grenze der Spanne zur guten Ausstattung bilde. Insgesamt errechne sich damit eine Jahresrohmiete i.H.v. 10.884,00 DM.

Die veränderte Immobiliensituation, die rasante städtebauliche Entwicklung und die Fortentwicklung der Standards der Bauausführung seit dem 01.01.1964 bis zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes im Jahr 2013 könnten nicht dazu führen, dass eine nach heutigen Maßstäben lediglich durchschnittliche Lage und Ausstattung des Gebäudes nach den Wertverhältnissen am 1.1.1964 als gut einzustufen sei. Vielmehr sei bei der Beurteilung der Ausstattung des Gebäudes vom heutigen Standard auszugehen.

Bei der Bemessung des Grundstückswerts sei auch zu berücksichtigen, dass die Wohnlage des Grundstücks allenfalls einfach bis mittel sei. Das Grundstück liege am Ortsrand, unmittelbar angrenzend an eine viel befahrene Ausfallstraße, so dass eine starke Lärmbelästigung und Umweltbelastung durch den Straßenverkehr gegeben sei. Denn es grenze an die F-Straße, G-Straße ..., welche als überörtliche Verbindungsstraße zwischen den Gemeinden A und H fungiere. Bereits aufgrund der ungewöhnlich starken Beeinträchtigung durch Lärm und Abgase sei der Grundstückswert nach § 82 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes – BewG – zu ermäßigen.

Weiterhin sei der Grundstückswert nach § 82 Abs. 1 Nr. 2 BewG wegen behebbarer Baumängel an dem Gebäude zu ermäßigen. Die im Hinblick auf die Sanitär- und Heizungsanlage vorliegenden Mängel der Bauausführung seien Gegenstand der Klageverfahren vor dem Landgericht F (Az. 1/14) und des nachfolgenden Berufungsverfahrens vor dem OLG M (Az. 2/16) gewesen, in deren Rahmen zwei Gutachten des Sachverständigen Herr Q vom ....06.2015 und ....03.2016 eingeholt worden seien. Aus diesen Gutachten ergebe sich hinsichtlich der aufzuwendenden und von dem Landgericht F anerkannten Mängelbeseitigungskosten Folgendes:

Brandschutzmaßnahmen (Rohrleitungen in F90-Qualität): 3.439,00 € netto

Wärmedämmung der Heizungsrohre: 287,70 € netto

Isolierung der Frischwasserleitungen: 181,10 € netto

Isolierung der Lüftungsrohre unter dem Dachaufbau: 305,50 € netto

Mindergröße des Unterputz-Schrankes 1. Etage: 50,00 € netto

Fehlender Unterputz-Schrank im DG: 85,00 € netto

Kabelverlegung für Stellantrieb (Fußbodenheizung): 40,00 € netto

Siphonmontage: 10,00 €

Fliesenarbeiten: 697,37 €

Summe netto: 5.095,67 € + USt 968,17 € = 6.063,84 € brutto.

Weiterer Gegenstand dieses Verfahrens seien diverse Abrechnungsmängel gewesen. Die Höhe der sachverständig ausgewiesenen Mängelbeseitigungskosten sei von dem Landgericht F anerkannt worden. Das nachfolgende Berufungsverfahren vor dem OLG M sei am 19.01.2017 durch eine Vergleichszahlung von 1.000,00 € des Klägers an den Prozessgegner erledigt worden.

Aus einem weiteren im Klageverfahren vor dem Amtsgericht A (Az. 3/14) eingeholten Gutachten des Sachverständigen K vom ....04.2016 ergäben sich noch Kosten für die Beseitigung von Mängeln der Elektroinstallation i.H.v. 948,37 € brutto. Dieses Verfahren sei mit Urteil vom 7.11.2017 dadurch abgeschlossen worden, dass der Kläger zur Zahlung von 142,25 € verurteilt worden sei. Die Berufung gegen dieses Urteil sei zwischenzeitlich zurückgewiesen worden (Landgericht F – Az. 4/17).

Es stehe außer Zweifel, dass es sich bei Baumängeln in dieser Größenordnung um erhebliche Mängel handele. Insbesondere die unterlassenen Brandschutzmaßnahmen stellten einen ganz erheblichen Baumangel dar, weil das Bauwerk im derzeitigen Zustand brandpolizeilich nicht den Regeln der Kunst entspreche und nicht ordnungsgemäß sei. Ein Verkaufserlös würde ohne die entsprechende Nachrüstung der Brandschutzmaßnahmen erheblich reduziert werden. Da die festgestellten Mängel zum Bewertungsstichtag noch nicht beseitigt worden seien, würde dies im Falle einer Vermietung auch zu erheblichen Auswirkungen auf die Jahresmiete führen. Dass die Baumängel in den Einzelpositionen teilweise geringfügig seien, ändere daran nichts.

Schließlich setze der Beklagte fehlerhaft einen Vervielfältiger nach Anl. 3 zu § 80 BewG von 9,2 an. Denn die Gemeinde A verfüge über ca. 55.000 Einwohner, so dass die Gemeindeklasse 5 und somit ein Vervielfältiger von 9,0 maßgeblich sei. Insgesamt errechne sich damit ein gerundeter Grundstückswert i.H.v. 97.900 DM (50.054 €).

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, den Einheitswert für das Objekt F-Straße ... in ... A auf 50.054,00 € festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach seiner Auffassung ist bei dem Ansatz des Mietwerts mit dem Mittelwert der guten Ausstattungsstufe zu beachten, dass bei der Eingruppierung zwar die jeweils am Stichtag tatsächlich vorhandene bauliche Ausstattung zugrunde zu legen sei, diese aber nach ihrer Wertigkeit am 01.01.1964 beurteilt werden müsse. Dies bedeute, dass eine nach heutigen Maßstäben als durchschnittlich angesehene Ausstattung durchaus nach den am 01.01.1964 geltenden Maßstäben als gut oder sogar sehr gut einzustufen sei. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass bereits die Ausstattung von Wohnungen mit Sammelheizung, Warmwasserversorgung, Bad und WC grundsätzlich nicht zu der Standardausstattung von vor dem 01.01.1964 fertig gestellten Wohnungen gehört habe, die Eingang in die Mietspiegel gefunden hätte. Vielmehr reichten die genannten Ausstattungsmerkmale bereits aus, um derartige Wohnungen in die Kategorie der guten Ausstattung laut Mietspiegel einzugruppieren. Insoweit verweise er hinsichtlich der Einstufung nach Ausstattungsmerkmalen im Ertragswertverfahren auf die Anl. 6 der Bewertungskartei NW zu § 79 BewG 1965 (S 3202 NfD C 4) und auf die für das Sachwertverfahren geltenden Merkmale der Tabelle in Anl. 13 zu Abschnitt 38 BewRGr. Ausweislich der Tabelle in Anl. 6, a.a.O., handele es sich aufgrund der Außenverkleidung mit Klinker, der Fliesen in Küche und Bad, mehrerer Bäder mit besonderer Ausstattung, einer Treppe aus Naturstein mit künstlerisch gestaltetem Geländer und der Fußbodenheizung um eine sehr gute Ausstattung. Dabei seien die Wärmedämmung des Hauses und die Brandschutzmaßnahmen noch gar nicht berücksichtigt. Die Ausstattung des Gebäudes mit Fußbodenheizung und entsprechendem guten Bodenbelag, Straßenfassade mit Klinkern, Schallschutzfenstern, einer hochwertig verfliesten Hausflurtreppe, einem Treppengeländer aus Edelstahl, einem Rolltor und einer guten Haustür liege auch über den heute üblichen Standards. Der gewählte Mietansatz von 3,60 DM/m² falle daher eher zu niedrig aus.

Einwirkungen durch Lärm, Rauch und Gerüche könnten nur dann zu einem Wertabschlag führen, wenn es sich um ungewöhnlich starke Beeinträchtigungen, z.B. durch die Lage eines Wohngrundstücks in unmittelbarer Nähe einer Müllkippe oder in der Einflugschneise eines in unmittelbarer Nähe belegenen Flugplatzes, handele. Der heute übliche Verkehrslärm könne dagegen nach der ständigen Rechtsprechung nicht als eine Beeinträchtigung von außergewöhnlicher Stärke aufgefasst werden.

Auch bei den in § 82 Abs. 1 Nr. 2 BewG genannten behebbaren Baumängeln und Bauschäden müsse es sich um erhebliche Baumängel handeln. Denn nach Abschnitt 31 Abs. 1 BewRGr kämen als wertmindernde Umstände nur solche in Betracht, die ihrer Art nach im Einzelfall bedeutsam seien. Nicht ausreichend seien demgegenüber üblicherweise an Neubauten vorkommende Mängel, die ohne größeren Aufwand behoben werden könnten, oder laufende Kosten der Instandsetzung, die bereits durch die Anwendung eines Vervielfältigers bei der Ermittlung des Einheitswerts berücksichtigt würden. Nach den vorgelegten Unterlagen des Klägers handele es sich bei den auf zahlreiche Einzelpositionen aufgespaltenen Kosten für die Beseitigung von Mängeln der Sanitär- und Elektroinstallation i.H.v. 1.100 € und den Kosten für die Beseitigung von Brandschutzmängeln i.H.v. 3.439 € nicht um erhebliche Kosten, so dass eine Wertminderung wegen Baumängeln ausscheide. Diese Mängel würden sich nicht auf die Jahresrohmiete oder auf einen zu erzielenden Verkaufserlös auswirken. Gemäß der Verfügung der OFD Düsseldorf vom 12.6.1968 (S 3204 – S 3209 A St 211) komme es für die Höhe eines Abschlags wegen Baumängel darauf an, mit welchem Wertanteil die jeweiligen Bauteile im Wert des Gebäudes erfasst seien. Maßgebend sei dabei der Schadensgrad an dem betroffenen Bauteil. Laut Anl. 1 dieser Verfügung betrage der Wertanteil der Installation bei einem Gebäude mit 2 Vollgeschossen und ausgebautem Dachgeschoss 5 %. Der Schadensgrad der Installation betrage seinerseits nur 5 %, da die Heizung, die Wasserleitungen und die sanitären Anlagen voll funktionsfähig seien. Somit ergebe sich insgesamt nur eine prozentuale Minderung des Gebäudewerts von 0,25 % (5 % von 5 %). Der Umstand, dass ein im Ertragswertverfahren bewertetes Einfamilienhaus nicht unterkellert sei, rechtfertige nach der Rechtsprechung des BFH keine Ermäßigung des Grundstückswerts nach § 82 Abs. 1 BewG (Urteile vom 28.6.1974, BStBl. II 1974, 670, und vom 13.2.2008, BFH/NV 2008, 1123).

Für den Vervielfältiger nach § 80 BewG sei schließlich auf die Verhältnisse zum Hauptfeststellungszeitpunkt abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt habe die Stadt A lediglich ca. 40.000 Einwohner gehabt. Daher sei der Vervielfältiger zutreffend mit 9,2 der Gemeindeklasse 4 zu entnehmen gewesen.

Im Übrigen sei auf die Einspruchsentscheidung zu verweisen.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Aus den Gründen

Die Klage ist ganz überwiegend unbegründet.

Die mit der angegriffenen Einspruchsentscheidung vom 14.12.2016 ergangene Einheitswertfeststellung ist dahingehend zu ändern, dass der mit der Wertfortschreibung zum 1.1.2015 festgestellte Unterschiedsbetrag des Einheitswerts i.H.v. 31.400 DM gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BewG wegen behebbarer Baumängel um 1,35 %, also vor der Abrundung auf volle 100 DM i.H.v. 466 DM, gemindert wird. Im Übrigen ist die angegriffene Feststellung rechtmäßig und verletzt den Kläger und die Beigeladenen nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

1. Eine Änderung des mit der Einspruchsentscheidung vom 14.12.2016 auf 118.900 DM festgestellten Einheitswertes auf den 1.1.2015 kommt nur hinsichtlich der klagebefangenen Wertfortschreibung aufgrund der Fertigstellung der Wohnung im DG mit einer Größe von (gerundet) 76 m² und der aufgrund einer korrigierten Berechnung vorgenommenen Erhöhung der Wohnfläche im 1. und 2. OG um 3 m² in Betracht. Denn die Voraussetzungen für eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 BewG liegen hinsichtlich der bereits mit dem Bescheid vom 5.11.2013 vorgenommenen bestandskräftigen Einheitswertfeststellung auf den 01.01.2014 für das 1. und 2. OG (Wohnfläche: 205 m²; Jahresrohmiete: 9.516 DM; Garagen/Stellplätze: 660 DM p.a.; Vervielfältiger: 9,2) nicht vor.

Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens ist die Wertfortschreibung des Einheitswertes auf den 01.01.2015 wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (Fertigstellung der Wohnung im DG) gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 S. 3 Nr. 1 BewG. Anlässlich einer solchen Wertfortschreibung wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse können Fehler einer vorangegangenen Feststellung, deren Beseitigung zu einer Verminderung des Einheitswerts führen würde (fehlerbeseitigende Wertfortschreibung gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 BewG), nur dann gleichzeitig beseitigt werden, wenn für beide Fortschreibungen derselbe Fortschreibungszeitpunkt in Betracht kommt (BFH-Urteil vom 11. März 1998, BFH/NV 1998, 1070-1072; Halaczinsky in Rössler/Troll, § 22 BewG Rn. 82 f.). § 22 Abs. 4 S. 3 Nr. 2 BewG enthält insoweit eine gegenüber § 177 AO vorrangige Sonderregelung.

Hinsichtlich des von dem Kläger als unrichtig gerügten Mietwertansatzes i.H.v. 3,60 DM/m²/Monat für das 1. und 2. OG (Jahresrohmiete: 9.516 DM), der Anwendung eines Vervielfältigers gemäß § 80 BewG von 9,2 auf diese Jahresrohmiete sowie der Ermäßigung des Grundstückswerts nach § 82 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BewG sind die Voraussetzungen für eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung der mit dem Bescheid vom 5.11.2013 vorgenommenen Einheitswertfeststellung auf den 01.01.2014 auf den hier streitbefangenen Stichtag 01.01.2015 nicht gegeben.

Dies würde vielmehr voraussetzen, dass die Fehlerhaftigkeit der bestandskräftigen Einheitswertfeststellung auf den 01.01.2014 dem Beklagten noch im Jahr 2015 im Sinne des § 22 Abs. 4 S. 3 Nr. 2 BewG bekannt geworden ist, d.h. der Beklagte bei zutreffender Rechtsauslegung ohne weiteres die Unrichtigkeit der dieser Feststellung zu Grunde liegenden Wertansätze hätte erkennen können (Halaczinsky in Rössler/Troll, § 22 BewG Rn. 78). Denn eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung ist nach § 22 Abs. 4 S. 3 Nr. 2 BewG nur auf den Beginn des Kalenderjahres möglich, in dem dem Finanzamt der zu einer Wertminderung führende Fehler bekannt geworden ist.

Im Streitfall sind indessen bis zum Ende des maßgebenden Jahres 2015 keine substantiierten Einwendungen vorgetragen worden, auf deren Grundlage der Beklagte die Fehlerhaftigkeit der bestandskräftigen Einheitswertfeststellung auf den 1.1.2014 hätte erkennen können. Als Grundlage einer solchen Fehlererkenntnis kommen hier allein die Beanstandungen im Einspruchsschreiben vom 06.07.2015 und dem weiteren Schreiben im Einspruchsverfahren vom 01.09.2015 in Betracht, dass das selbstgenutzte Gebäude in Basisqualität ausgeführt sei, direkt am Straßenrand liege, die Stellplätze lediglich mit Sickersteinen befestigt seien, die Wohnfläche tatsächlich nur 266,70 m² betrage und als Monatsmiete nach dem Mietspiegel 1964 0,50 DM/m² anzusetzen seien. Denn weitere Einwendungen gegen die Richtigkeit der Einheitswertfeststellung sind seitens des Beigeladenen zu 1) als Einspruchsführer im Jahr 2015 nicht erhoben worden. Diese in keiner Weise substantiierten Einwendungen sind indessen nicht geeignet, den Beklagten zu der Erkenntnis zu führen, dass der Mietwertansatz und der angewandte Vervielfältiger unrichtig sein könnten oder eine Ermäßigung des Grundstückswertes wegen Lärmbeeinträchtigung oder behebbarer Baumängel geboten sei. Unabhängig davon ist eine lediglich anderweitige Schätzung (hier: des Mietwertes) ohnehin kein ausreichender Grund, um eine bei einer früheren Einheitswertfeststellung vorgenommene Schätzung als fehlerhaft zu behandeln (BFH- Urteil v. 31. Juli 1981 III R 127/79, BStBl. II 1982, 6). Ein Fehler darf in diesem Fall nur dann angenommen werden, wenn die ursprüngliche Schätzung außerhalb jeder vernünftigen Überlegung gelegen hat (BFH-Urteile vom 22. April 1966 III 145/65, BStBl. III S. 532, und vom 31. Juli 1981, a.a.O.). Die Einwendungen gegen die Bewertung des Objekts als Mietwohngrundstück (§ 75 Abs. 2 BewG), den Ansatz eines Mietwerts von 10 DM/Monat für die befestigten Stellplätze und die nach nochmaliger Überprüfung der Baupläne tatsächlich 284 m² betragende Wohnfläche sind im Übrigen unbegründet und werden auch im anhängigen Klageverfahren nicht weiter verfolgt.

2. Die mit dem angegriffenen Bescheid vorgenommene Wertfortschreibung für die Wohnung im DG und die Erhöhung der Wohnfläche im 1. und 2. OG um 3 m² mit einem Betrag von 31.400 DM ist – abgesehen von der gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BewG gebotenen Ermäßigung des Grundstückswerts wegen der von dem Kläger vorgetragenen Baumängel i.H.v. 466 DM – rechtmäßig.

a. Zunächst ist der Ansatz des Mietwerts mit dem Mittelwert für Mietwohnhäuser guter Ausstattung des Mietspiegels für die Stadt A zum 1.1.1964 i.H.v. 3,60 DM (Spanne: 3,00 DM-4,20 DM) nicht zu beanstanden.

Das Ertragswertverfahren gilt nach § 76 Abs. 1 Nr. 1 BewG für Mietwohngrundstücke. Mietwohngrundstücke sind nach § 75 Abs. 2 BewG Grundstücke, die zu mehr als achtzig Prozent, berechnet nach der Jahresrohmiete, Wohnzwecken dienen mit Ausnahme der Einfamilienhäuser und Zweifamilienhäuser. Die Höhe des Einheitswerts basiert gemäß § 78 Satz 1 BewG auf dem Grundstückswert. Der Grundstückswert ergibt sich nach § 78 Satz 2 BewG durch Anwendung eines im Anhang zum BewG enthaltenen Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete unter Berücksichtigung gewisser pauschaler Ermäßigungen und Erhöhungen (§§ 81 und 82 BewG). Durch diese Bewertungsmethode soll in einem vereinfachten, typisierten Verfahren der Bodenwert, wie auch der Gebäudewert in einem Rechenschritt ermittelt und so der gemeine Wert, also der Verkehrswert, des jeweiligen Grundstücks annähernd abgebildet werden (BFH-Urteil vom 19. September 2018 – II R 20/15 –, juris, m.w.N.).

Die maßgebliche Jahresrohmiete richtet sich gemäß § 79 Abs. 1 BewG nach der für das Grundstück aufgrund vertraglicher Vereinbarungen im Hauptfeststellungszeitpunkt gezahlten tatsächlichen Miete. Unmittelbar anwendbar ist diese Vorgabe nur für Grundstücke, die im Hauptfeststellungszeitpunkt am 1. Januar 1964 bereits vermietet waren. Andernfalls bestimmt sich die Jahresrohmiete gemäß § 79 Abs. 2 BewG nach der üblichen Miete. Die übliche Miete ist nach § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Maßgeblich bleiben für die Höhe der Miete auch bei Fortschreibungen und Nachfeststellungen immer die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt zum 1. Januar 1964 (§§ 27, 79 Abs. 5 BewG).

Die übliche Miete im Hauptfeststellungszeitpunkt lässt sich nur durch Schätzung ermitteln; dabei können die am 1. Januar 1964 tatsächlich gezahlten Mieten vergleichbarer Grundstücke oder die zum 1. Januar 1964 von der Finanzverwaltung aufgestellten Mietspiegelmieten als Anhaltspunkte dienen. Die Mietspiegel werden deshalb auch von der Rechtsprechung als geeignete Grundlage für die Schätzung der üblichen Miete anerkannt. Die Schätzung kann sich nur dann als rechtswidrig erweisen, wenn sie den durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzungsrahmen verlässt (BFH-Urteil vom 19. September 2018 – II R 20/15 –, juris, m.w.N.; Halaczinsky in: Rössler/Troll, § 79 BewG Anm. 58, m.w.N.;).

Bei der Beurteilung der Ausstattungsgüte (einfach, mittel, gut, sehr gut) nach den in den Mietspiegeln der Finanzämter aufgestellten Kriterien ist zu beachten, dass zwar die jeweils am Stichtag tatsächlich vorhandene bauliche Ausstattung zugrunde zu legen ist, diese aber nach ihrer Wertigkeit am 1.1.1964 (Wertverhältnisse) beurteilt werden muss. Das bedeutet, dass eine nach heutigen Maßstäben als durchschnittlich angesehene Ausstattung eines Neubaus durchaus am 1.1.1964 als gut oder sogar sehr gut einzustufen sein kann (Halaczinsky, a.a.O., Anm. 59a; Mannek in: Gürsching/Stenger, § 79 BewG Rn. 85; Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 8.7.2015 3 K 3253/13, EFG 2015, 1785 m.w.N.).

Nach der für die Einstufung von Wohnraum nach Ausstattungsmerkmalen einschlägigen Anl. 6 der landeseinheitlichen Richtlinien zur Aufstellung von Mietspiegeln für die Schätzung der üblichen Miete von Wohnungen in der Bewertungskartei NW zu § 79 BewG 1965 (S 3202) – NfD C 4 erfüllt das streitbefangene Gebäude nur hinsichtlich eines der einschlägigen Ausstattungskriterien, nämlich der Klinkerverblendung der Fassade, die Voraussetzungen einer lediglich mittleren Ausstattungsstufe. Hinsichtlich der weiteren einzuordnenden Bauteile Fenster, Fußboden, sanitäre Installation, Treppe und Heizung liegt demgegenüber eine gute bzw. sehr gute Ausstattung vor. So sind die Fenster des Hauses nicht nur als Isolierglasfenster mit Schallschutz, sondern überdies in Bodentiefe mit Sicherheitsgittern aus Edelstahl ausgeführt. Die Fußböden in den Wohnräumen sind entsprechend den Anforderungen der verlegten Fußbodenheizung mit einem hochwertigen Bodenbelag ausgestattet. Die Ausstattung der Bäder mit Warmwasserversorgung, Wanne, Waschbecken und WC und Gäste-WC im 1. und 2. OG, die nach dem Vortrag des Klägers den im Jahr 2013 geltenden Regeln der Handwerkskunst und der Technik entspricht, ist ebenfalls nach ihrer Wertigkeit am 1.1.1964 als gut einzustufen. Denn entgegen der Auffassung des Klägers kann eine nach heutigen Maßstäben als durchschnittlich angesehene Ausstattung nach den am 1.1.1964 geltenden und für den Hauptfeststellungszeitpunkt maßgeblichen Kriterien als gut eingestuft werden, wenn sie die Voraussetzungen einer guten Ausstattung zum Hauptfeststellungszeitpunkt erfüllt. Dies ist nach der Tabelle in Anl. 6 der einschlägigen Richtlinien bereits bei einem Bad mit fest eingebauter Wanne, Waschbecken und WC zu bejahen, wie sie ausweislich des Gutachtens des Fliesenlegermeisters U vom ....2.2016 (Bild 1) in dem 7,65 m² großen Bad im DG eingebaut ist. Die Annahme einer mittleren Ausstattung käme demgegenüber nur bei einem Bad mit freistehender Wanne oder Dusche in Betracht. Die Ausstattung der Treppe mit Fliesen in zumindest durchschnittlicher Qualität und einem Treppengeländer aus Edelstahl muss ebenfalls zumindest als gut bis sehr gut eingestuft werden, da es sich nicht um eine Konstruktion aus Beton mit Kunststein, Stahl oder Holz ohne besonderen Geländeraufbau im Sinne der Anl. 6 der Richtlinien handelt. Sie entspricht vielmehr einer Treppe aus Naturstein mit einem aufwendig gestalteten Geländer. Die Heizungsausstattung mit einer Fußbodenheizung ist nach der einschlägigen Anl. 6 als sehr gut einzustufen. Schließlich ist auch das extra hohe Rolltor zur Hofeinfahrt als besonderes, in die Richtung einer sehr guten Ausstattung weisendes Merkmal zu berücksichtigen.

b. Weiterhin hat der Beklagte auch den maßgebenden Vervielfältiger der Jahresrohmiete nach § 80 BewG in Höhe von 9,2 zutreffend angesetzt. Insoweit verkennt der Kläger, dass sich der Vervielfältiger nach § 80 Abs. 1 Satz 2 BewG nach der Einwohnerzahl der Belegenheitsgemeinde im Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 bestimmt. Auf die aktuelle Einwohnerzahl der Gemeinde A kann es daher nicht ankommen. Vielmehr ist der Vervielfältiger zutreffend nach der Anl. 3 zu § 80 BewG, Abschnitt A, Nachkriegsbauten nach dem 20.6.1948 und der Gemeindegrößenklasse 10.000-50.000 Einwohner mit 9,2 bestimmt worden. Denn zum 1.1.1964 hat die Einwohnerzahl der Stadt A die Obergrenze von 50.000 nicht überschritten.

c. Eine Ermäßigung des Grundstückswerts wegen ungewöhnlich starker Beeinträchtigung durch Lärm, Rauch oder Gerüche gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BewG kommt nicht in Betracht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.1991 II R 6/89, BStBl II 1992, 279 m.w.N.; Halaczinsky, a.a.O. § 80 BewG, Anm. 15, m.w.N. der Rspr.) kann im Falle von Verkehrslärm-Immissionen eine “ungewöhnlich starke Beeinträchtigung” i. S. des § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BewG nur in seltenen - extrem gelagerten - Ausnahmefällen vorliegen. Ein Abschlag vom Grundstückswert ist nur dann gerechtfertigt, wenn die bestimmungsgemäße ortsübliche Nutzung in erheblichem Maße beeinträchtigt wird. Bei einem Wohngrundstück bedeutet dies, dass die Bewohner gezwungen sind, ihre Lebensgewohnheiten bezüglich der Nutzung des Grundstücks in einer Weise einzuschränken, die bei einer üblichen Benutzung des Grundstücks in seiner konkreten Beschaffenheit nicht mehr hingenommen würde. Der gewöhnliche - übliche -, wenn auch mitunter starke Verkehrslärm kann dagegen einen Abschlag vom Grundstückswert nicht rechtfertigen. Diese Beeinträchtigung durch den üblichen Verkehrslärm wird bereits durch den Ansatz der üblichen Spiegelmiete wertmindernd erfasst.

Soweit der Kläger zu der Lärm- und Umweltbelastung des Mietwohnhauses vorträgt, dass das Grundstück unmittelbar angrenzend an der viel befahrenen Ausfallstraße G‑Straße ... belegen sei, die als überörtliche Verbindungsstraße zwischen den Gemeinden A und H fungiere, lässt dies noch nicht erkennen, dass sich der Straßenverkehrslärm außerhalb der üblichen Schwankungsbreiten in städtischen Ortslagen bewegt und deshalb die bereits zum 1.1.1964 als üblich empfundene und hingenommene Lärmbelästigung durch den Straßenverkehr in ungewöhnlich starkem Maße überschreitet. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Bewohner des Mietwohnhauses gezwungen gewesen wären, ihre Lebensgewohnheiten bezüglich der Nutzung des Grundstücks in einer Weise einzuschränken, die bei einer üblichen Benutzung des Grundstücks in seiner konkreten Beschaffenheit nicht mehr hingenommen würde. Vielmehr entspricht es der üblichen Handhabung, die einer verkehrsreichen Straße zugewandte Seite des Gebäudes mit Schallschutzfenstern auszustatten, ohne dass dies in städtischen Lagen als unzumutbare Einschränkung der Nutzung des Gebäudes zu Wohnzwecken empfunden würde.

Die weiteren in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Einwendungen des Klägers, dass sich in der Nähe des Grundstücks eine für die Ablagerung von Schlacken genutzte Deponie sowie ein für Segel- und Motorsport genutztes Flugfeld befänden, und deshalb eine Ermäßigung des Grundstückswertes nach § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BewG geboten sei, sind gänzlich unsubstantiiert geblieben und gestatten daher nicht die Feststellung einer ungewöhnlich starken Beeinträchtigung durch Lärm, Rauch oder Gerüche zur Überzeugung des Senats.

d. Indessen ist der Grundstückswert gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BewG wegen der von dem Kläger vorgetragenen Baumängel mit einem auf die Wertfortschreibung zum 1.1.2015 i.H.v. 31.400 DM für die Wohnung im DG und die Erhöhung der Wohnfläche im 1. und 2. OG um 3 m² entfallenden Anteil von 466 DM zu ermäßigen.

aa. Nach § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BewG ist der sich nach den §§ 78-81 BewG ergebende Grundstückswert u.a. wegen behebbarer Baumängel zu ermäßigen, die weder in der Höhe der Jahresrohmiete noch in der Höhe des Vervielfältigers berücksichtigt sind. Ein Baumangel ist die Abweichung des Ist-Zustandes eines Bauwerks von dessen geschuldetem bzw. gewöhnlichem Sollzustand. Behebbare Baumängel können zum Beispiel auf eine ungenügende Isolierung (Schall-, Wärme- oder Feuchtigkeitsisolierung), die Verwendung von schlechten, aber auswechselbaren Baustoffen oder eine unzureichende Verarbeitung zurückzuführen sein. In allen Fällen muss für die Einschlägigkeit des Tatbestandes eine nachträgliche vollständige Verbesserung möglich sein. Behebbare Baumängel sind abzugrenzen von den im Rahmen der laufenden Instandsetzung zu beseitigenden Schäden, deren Kosten bereits durch die Anwendung eines Vervielfältigers bei der Ermittlung des Einheitswerts berücksichtigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 1972 III R 145/71, BFHE 108, 244, BStBl II 1973, 258; Knittel in: Gürsching/Stenger, § 82 BewG Rn. 136). Dabei richtet sich das Ausmaß der Ermäßigung nach der Bedeutung, die dem Ermäßigungsgrund bei einem Verkauf des Grundstücks nach Lage des Grundstücksmarkts beigemessen wird, da bei der Bewertung im Ertragswertverfahren der gemeine Wert ermittelt werden soll. Die zulässige Höhe des prozentualen Abschlags von dem im Ertragswertverfahren ermittelten Grundstückswert kann anhand des Verhältnisses der zur Behebung der Mängel erforderlichen Kosten und des Verkehrswerts des Grundstücks ohne diesen Mangel ermittelt werden (Kostenmethode; vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 1972, a.a.O.; Gürsching/Stenger, a.a.O., Rn. 342).

Soweit der Beklagte dagegen einwendet, dass nach dem Urteil des BFH vom 20. Oktober 1972, a.a.O, nur „erhebliche“ Baumängel eine Ermäßigung des Grundstückswertes nach § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BewG rechtfertigen könnten, verkennt er, dass Gegenstand dieser BFH-Entscheidung lediglich die Abgrenzung von Baumängeln zu den laufenden Kosten der Instandhaltung war. Eine Aussage dazu, dass Baumängel auch außerhalb des Bereichs der Instandsetzungskosten nur vorliegen könnten, wenn sie einen erheblichen Umfang erreichen, ist hingegen weder diesem Urteil noch den einschlägigen Kommentierungen zu § 82 BewG zu entnehmen. Auch soweit in Abschnitt 31 Abs. 1 Satz 3 BewRGr ausgeführt wird, dass als wertmindernde Umstände nur solche in Betracht kämen, die ihrer Art nach in Einzelfällen bedeutsam seien, handelt es sich lediglich um eine Abgrenzung zu solchen Baumängeln, die sich bereits in der Jahresrohmiete oder in der Höhe des Vervielfältigers ausgewirkt haben, und nicht um eine zusätzliche ungeschriebene gesetzliche Voraussetzung für die Ermäßigung des Grundstückswertes wegen behebbarer Baumängel. Im Streitfall kann es sich bei den im Rahmen der Errichtung des Neubaus entstandenen Baumängeln bereits dem Grunde nach nicht um Instandhaltungskosten handeln, so dass eine Abgrenzung danach, ob lediglich kleinere Schäden an zahlreichen Stellen vorliegen, die keine völlige Erneuerung des betroffenen Bauteils erfordern und deshalb den laufenden Instandsetzungskosten zuzurechnen sind, nicht erforderlich ist. Auch eine Auswirkung der Baumängel auf die der Bewertung zu Grunde liegende übliche Miete ist nicht erkennbar.

Ob im Übrigen in Bezug auf die Ermäßigung des Grundstückswerts wegen Baumängeln gemäß § 82 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BewG ein bei der typisierten Bewertung nicht mehr zu berücksichtigender Bagatellbereich definiert werden kann, bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung, da Kosten zur Beseitigung von Baumängeln in einem Umfang von mehr als einem Prozent des Grundstückswerts eine solche Geringfügigkeitsgrenze jedenfalls übersteigen würden. Dabei geht der Senat davon aus, dass die prozentuale Bemessung der Ermäßigung in der Höchstbetragsregelung des § 82 Abs. 3 BewG zumindest insoweit als ein der gesetzgeberischen Intention entsprechender Maßstab für die Abgrenzung zwischen geringfügigen wertmindernden oder werterhöhenden Umständen und solchen, die eine Ermäßigung rechtfertigen, herangezogen werden kann, als dass ein voller Prozentpunkt des Grundstückswerts außerhalb eines möglichen Bagatellbereichs liegt.

bb. Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 BewG ist die Ermäßigung wegen behebbarer Baumängel im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BewG vom Grundstückswert vorzunehmen. Demgemäß ist auch der Ermäßigungsprozentsatz aus dem Verhältnis zwischen dem Verkehrswert des Grundstücks und den Kosten für die Beseitigung der Baumängel zu ermitteln. Dieser Ermäßigungsprozentsatz beträgt im Streitfall 1,35 (5.870 € : 433.000 € x 100).

Die zur Behebung der Baumängel aufzuwendenden Kosten betragen im Streitfall 5.870 €. Dies ergibt sich aus folgender Berechnung:

Brandschutzmaßnahmen (Rohrleitungen in F90-Qualität): 3.439,00 € netto

Wärmedämmung der Heizungsrohre: 287,70 € netto

Isolierung der Frischwasserleitungen: 181,10 € netto

Isolierung der Lüftungsrohre unter dem Dachaufbau: 305,50 € netto

Mindergröße des Unterputz-Schrankes 1. Etage: 50,00 € netto

Fehlender Unterputz-Schrank im DG: 85,00 € netto

Kabelverlegung für Stellantrieb (Fußbodenheizung): 40,00 € netto

Siphonmontage: 10,00 €

Fliesenarbeiten: 697,37 €

Summe netto: 5.095,67 € + USt 968,17 € = 6.063,84 € brutto

abzgl. 1.000 € Vergleichszahlung = 5.063,84 € brutto

Mängel der Elektroinstallation i.H.v. 948,37 € brutto

abzüglich Werklohnzahlung laut Urteil AG A: 142,25 € = 806,12 €

Summe: 5.869,96 €

Den Verkehrswert des Grundstücks schätzt der Senat mit 433.000 €. Da es sich um einen Neubau handelt, können zur Bemessung des Gebäudeverkehrswerts die Herstellungskosten herangezogen werden. Diese betragen ausweislich der Einheitswerterklärung des Klägers 340.000 €. Diese Angabe erscheint plausibel, da die voraussichtlichen Herstellungskosten ausweislich einer im Jahr 2010 vorgenommenen Schätzung des beauftragten Architekten auf 331.520 € beziffert worden sind. Zusätzlich ist ein Bodenwert i.H.v. 93.000 € anzusetzen. Das Grundstück Gemarkung A, Flur ... Flurstück ... hat eine Gesamtfläche von 764 m², wovon 128 m² bebaut sind. Der einschlägige Bodenrichtwert für die F-Straße ... in A beträgt 140 €/m². Dies würde bei 764 m² einem Wert von 106.960 € entsprechen. Der einschlägige Grundstücksmarktbericht 2015 für die Region F (Seite ...) weist für die Stadt A Umrechnungskoeffizienten für Grundstücke mit abweichender Breite und Tiefe in Relation zu einem Richtwertgrundstück mit einer Fläche von 525 m² aus. Bei einem Grundstück mit einer Größe von 775 m² beträgt dieser 0,87, so dass sich im Streitfall ein gerundeter Bodenwert von 93.000 € ergibt.

cc. Zur Ermittlung des Ermäßigungsbetrages ist der Ermäßigungsprozentsatz von 1,35 auf den hinzugeschriebenen Gebäudewertanteil von 31.400 DM zuzüglich eines – entsprechend dem Multiplikator aus der Anl. 4 BewRGr bemessenen – Bodenwertanteils von 3.106 DM anzuwenden. Da der vorgenannte Multiplikator sich auf die Jahresrohmiete bezieht, bedarf es zunächst der Rückrechnung auf den einem Gebäudewertanteil von 31.400 DM entsprechenden Teil der Jahresrohmiete, indem dieser Gebäudewertanteil durch den Vervielfältiger dividiert wird (31.400 DM: 9,2 = 3.413 DM). Aus der Multiplikation dieses Anteils an der Jahresrohmiete mit dem Faktor 0,91 ergibt sich ein Bodenwertanteil i.H.v. 3.106 DM. Der anteilige der Ermäßigung zu unterwerfende Grundstückswert beträgt somit 34.506 DM, was einer Ermäßigung i.H.v. 466 DM entspricht (34.506 DM x 1,35 %).

dd. Der durch den Beklagten vorgetragenen Berechnung des Ermäßigungsprozentsatzes mit 0,25 % (Wertanteil der Installation: 5 %; dividiert durch ein Schadensgrad von 5 %) folgt der Senat nicht. Denn unabhängig davon, ob eine solche Typisierung grundsätzlich sachgerecht sein kann, führt sie jedenfalls im Streitfall zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis, wie das prozentuale Verhältnis von 5 % der Herstellungskosten (17.000 €) und der in Rede stehenden Mängelbeseitigungskosten (5.870 €) zeigt, nach dem der Schadensgrad 34,5 % betragen würde. Die Berücksichtigung des – nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls geschätzten – Grundstücksverkehrswerts und der bezifferten Mängelbeseitigungskosten erscheint daher im vorliegenden Rechtsstreit besser geeignet, die anteilige Minderung des im Ertragswertverfahren ermittelten Grundstückswerts zutreffend zu erfassen.

3. Der festzustellende Einheitswert berechnet sich daher wie folgt:

Grundstückswert laut Einspruchsentscheidung:

118.937 DM

abzüglich Ermäßigung gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BewG:

466 DM

Grundstückswert laut Urteil:

118.471 DM

Einheitswert (gerundet auf volle 100 DM):

118.400 DM

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 136 Abs. 1 Satz 3, 139 Abs. 4 FGO. Danach waren im Streitfall dem nur zu einem geringfügigen Teil (2,4 %) obsiegenden Kläger die Kosten des Verfahrens in voller Höhe aufzuerlegen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie keine Sachanträge gestellt haben.

 

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