FG Köln: Vorsteuervergütung bei elektronischer Übermittlung einer Rechnungskopie
FG Köln, Urteil vom 20.1.2016 – 2 K 2807/12
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Vorsteuern im Zeitraum Januar bis Dezember 2010 i.H.v. 9.300,33 €.
Am 27.09.2011 stellte die Klägerin einen Antrag auf Vergütung von Vorsteuern für den Streitzeitraum i.H.v. 16.694,56 €. Dem Antrag waren auf elektronischem Wege unter anderem Rechnungen der Firma A beigefügt, welche den Aufdruck „COPY 1“ trugen. Im Einzelnen handelte es sich dabei um die Rechnungen der Positionen 34-40 und 42‑49 der Anlage zum Vergütungsantrag. Wegen der Einzelaufstellung wird auf den Schriftsatz der Klägerin Bl. 5 der Gerichtsakte Bezug genommen. Insgesamt betrug das Volumen der Rechnungen der vorgenannten Positionen 9.300,33 €.
Am 29.06.2012 vergütete der Beklagte Vorsteuern i.H.v. 6.699,74 € und lehnte den Antrag im Übrigen ab, da zum Teil keine eingescannten Originalrechnungen vorgelegt worden seien.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Einspruch vom 29.06.2012. Dem Einspruch fügte sie eingescannte Originalrechnungen bei.
Am 17.08.2012 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid und vergütete 409,44 €.
Im Übrigen wies er den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 17.08.2012 als unbegründet zurück.
Die Rechnungen zu den Positionen 34-40 und 42-49 seien dem Beklagten erst am 29.06.2012 und damit nach Ablauf der für das Kalenderjahr 2010 geltenden Ausschlussfrist (30.09.2011) übermittelt worden. Daher seien die Rechnungen nicht mehr zu berücksichtigen. Anhaltspunkte, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen würden, lägen nicht vor.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 13.09.2012.
Zur Begründung trägt sie vor, dass nach Art. 10 der EG-Richtlinie 2008/9/EG sowie gemäß § 61 Abs. 2 S. 1-3 UStDV auf elektronischem Weg „Kopien“ aller Rechnungen zu übermitteln seien. Die dem Beklagten vorgelegten Kopien stammten sämtlich von der Rechnungsausstellerin und seien somit als Zweitschriften zu betrachten.
Sämtliche Rechnungen seien innerhalb der Ausschlussfrist übermittelt worden.
Sowohl aus der Richtlinie als auch aus dem Umsatzsteuergesetz ergebe sich nicht, dass das Original der Rechnung elektronisch übermittelt werden müsse und die Übermittlung einer Kopie des Originals nicht ausreichend sei. Würden elektronisch übermittelte Ablichtungen einer Kopie der Rechnung nicht akzeptiert, verstieße dies gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Die Klägerin sei nicht nur im Besitz der Rechnungskopien, sondern auch der Originale. Sie habe vorgeschlagen, die Rechnungen in Papierform gemäß § 61 Abs. 2 S. 4 UStDV vorzulegen, was der Beklagte nicht in Betracht gezogen habe. Es bestehe auch keine Gefahr eines Betruges, da die auf den Rechnungskopien enthaltenen Daten mit den Daten auf den Originalen übereinstimmten. Daher könne auch keine Doppelerstattung erfolgen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Änderung des Ablehnungsbescheides vom 29.06.2012 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 17.08.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.08.2012 zu verpflichten, für den Vergütungszeitraum Januar bis Dezember 2010 weitere 9.300,33 € zu vergüten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Eine Vergütung von Vorsteuern setze voraus, dass eine ordnungsgemäße Originalrechnung vorgelegt werden könne. Die Rechtslage bis zum 31.12.2009 habe vorgesehen, dass die jeweiligen Originalbelege dem Beklagten vorzulegen seien. Mit der Einführung des elektronischen Vorsteuervergütungsverfahrens habe sich hieran nichts geändert. Lediglich seien die Originalrechnungen nicht mehr in Papierform vorzulegen, sondern auf elektronischem Wege. Die Vorlage einer Kopie reiche nicht aus, da nicht auszuschließen sei, dass die Originalrechnung nicht mehr beim Antragsteller vorliege und in anderem Zusammenhang zum Zwecke des Erhalts einer Steuervergütung verwendet werde.
Daher sei es nicht ausreichend, wenn nur eine Kopie einer Rechnung elektronisch übersandt werde. Dem stehe auch nicht § 61 Abs. 2 S. 4 UStDV entgegen. Danach könne der Beklagte im Einzelfall die Originalrechnungen anfordern. Er sei hierzu aber nicht verpflichtet. Es handele sich um eine Ausnahmevorschrift. Würde der Beklagte verpflichtet sein, in sämtlichen Zweifelsfällen die Originalrechnungen anzufordern, würde die Ausnahme zur Regel und sein Ermessen zu einer Anforderungspflicht. Im Übrigen würde dies zu einer deutlichen Verzögerung des Verfahrens führen, was in einem Widerspruch zu den Zielen der Richtlinie 2008/9/EG stehe.
Aus den Gründen
Das Gericht entscheidet nach Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
Die Klage ist begründet.
1. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Sie hat einen Anspruch auf Vergütung der begehrten Vorsteuern.
Das elektronisch übersandte Dokument stellt eine „Kopie der Rechnung“ im Sinne der im Streitjahr maßgeblichen Vorschriften dar, welche einen Anspruch auf Vorsteuervergütung begründet.
a. Gemäß Art. 10 der Richtlinie 2008/9/EG vom 12.2.2008 kann ein Mitgliedstaat vor Erstattung verlangen, dass der Antragsteller zusammen mit dem Erstattungsantrag auf elektronischem Wege eine „Kopie der Rechnung“ oder des Einfuhrdokuments einreicht.
Die Gesetzesbegründung zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht enthält folgende Erläuterungen:
„Die Vorlage von Originalrechnungen bzw. Einfuhrdokumenten ist nicht mehr zwingend materiell-rechtliche Voraussetzung für die Vorsteuer-Vergütung. Der Vergütungsmitgliedstaat kann (in allen Fällen) verlangen, dass der Antragsteller zusammen mit dem Vergütungsantrag auf elektronischem Wege eine Kopie der Rechnung oder des Einfuhrdokuments einreicht, falls die Steuerbemessungsgrundlage sich auf mindestens 1.000 Euro (für Kraftstoffe auf 250 Euro) beläuft.“ (BT Drucksache 16/11108, Seite 40).
Das Verfahren zur Vergütung von Vorsteuern an im Ausland ansässige Unternehmen ist gemäß § 18 Abs. 9 UStG in den §§ 59-62 UStDV geregelt.
Gemäß § 61 Abs. 2 S. 3 UStDV in der im Streitzeitraum maßgeblichen Fassung sind dem Vergütungsantrag auf elektronischem Weg die Rechnungen und Einfuhrbelege in Kopie beizufügen.
Gemäß § 61 Abs. 2 S. 3 UStDV in der ab 30.12.2014 maßgeblichen Fassung sind dem Vergütungsantrag auf elektronischem Wege die Rechnungen und Einzelbelege als eingescannte Originale beizufügen.
Zur Begründung der Änderung führte der Gesetzgeber folgendes aus:
„§ 61 Abs. 2 S. 3 UStDV regelt, dass unter bestimmten Voraussetzungen dem Vorsteuer-Vergütungsantrag Rechnungen und Einfuhrbelege in Kopie beizufügen sind. Da diese Belege zusammen mit dem Antrag auf Vorsteuervergütung auf elektronischem Weg zu übermitteln sind, ist eine Übermittlung als Kopie nicht möglich. Durch die Änderung wird klargestellt, dass mit dem Antrag die eingescannten Originalrechnungen und ‑einfuhrbelege zu übermitteln sind.“ (BR-Drucksache 535/14).
b. Die Klägerin hat unstreitig eine vom Rechnungsaussteller selbst erstellte Kopie der Rechnung elektronisch übersandt.
Somit hat sie die vom Wortlaut der einschlägigen Richtlinie sowie der nationalen Umsetzungsvorschrift vorgegebenen Voraussetzungen für eine Antragstellung erfüllt. Danach sind dem Vergütungsantrag auf elektronischem Weg die Rechnungen in Kopie beizufügen.
Soweit der Beklagte hingegen die Auffassung vertritt, dass nicht eine Rechnungskopie, sondern nur das Original der Rechnung unmittelbarer Ausgangspunkt der elektronischen Übersendung sein dürfe, da durch die Neugestaltung des Antragsverfahrens im Hinblick auf die elektronische Abwicklung keine Änderung hinsichtlich der vorzulegenden Dokumente erfolgen sollte und diese Auffassung auch in der – für den Streitzeitraum nicht maßgeblichen – Neufassung von § 61 Abs. 2 S. 3 UStDV deutlich werde, ist dem nicht zu folgen.
In der Vergangenheit waren mit dem (in Papierform) zu stellenden Vergütungsantrag die maßgeblichen Rechnungen als Originale in Papierform vorzulegen. Hierdurch konnte der Beklagte auf den Originalrechnungen Markierungen anbringen, die eine wiederholte missbräuchliche Nutzung einer Rechnung zu Vergütungszwecken verhinderte und zugleich sicherstellte, dass der Antragsteller im Besitz der Originaldokumente war. Weiterhin konnte er prüfen, ob an dem Original Manipulationen vorgenommen wurden.
Mit Umstellung des Verfahrens sollen Originalrechnungen jedoch nur noch bei begründeten Zweifeln in Papierform angefordert werden (§ 61 Abs. 2 S. 4 UStDV). In den übrigen Fällen verzichtet die Verwaltung aus verfahrensökonomischen Gründen darauf, die Originalrechnungen hinsichtlich ihrer Authentizität zu überprüfen und im Hinblick auf eine künftige Verwendung zu markieren.
Vor diesem Hintergrund folgt der Senat nicht der Auffassung des Beklagten, dass die Richtlinie sowie die nationale Umsetzungsvorschrift einschränkend entgegen ihrem ausdrücklichen Wortlaut dahingehend auszulegen wäre, dass es für eine Antragstellung nicht ausreicht, wenn nur eine Kopie einer Rechnung elektronisch übersandt wird. Eine Kopie stellt danach ein Abbild eines Originaldokumentes dar. In diesem Fall bedeutet es aber keinen Unterschied, ob das Originaldokument verwendet wird, um es elektronisch an den Beklagten zu übertragen oder ob das Originaldokument zuvor kopiert wird und nur die Kopie Ausgangspunkt der elektronischen Übertragung ist. In beiden Fällen kann der Beklagte weder das Originaldokument im Hinblick auf seine Authentizität prüfen noch hieran Markierungen anbringen. Damit kann er aber auch eine missbräuchliche Verwendung einer Originalrechnung in einem anderen Verfahren zu Vorsteuererstattungszwecken nicht wirksam verhindern. Ebenfalls ist durch das vom Beklagten geforderte Verfahren nicht sichergestellt, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der elektronischen Übersendung noch im Besitz der Originalrechnung ist, da er die Rechnung auch zeitlich vor dem Versenden bereits elektronisch erfassen und die Rechnung anschließend weitergeben kann. Vor diesem Hintergrund reicht es aus, wenn eine Kopie des Originaldokuments Ausgangspunkt der elektronischen Übersendung ist (so ebenfalls Sölch/Ringleb/Treiber UStG § 18 Rn. 205).
Dann kann es aber auch keinen Unterschied bedeuten, ob die Kopie durch den Antragsteller vom Originaldokument selbst erstellt wird oder ob der Rechnungsaussteller bereits zwei inhaltlich identische Dokumente erstellt und eines davon als Kopie ausweist. Auch in diesem Fall gelangt im regulären Antragsverfahren das Originalrechnungsdokument physisch nicht in den Bereich des Beklagten. Soweit der Beklagte Zweifel hat, ob das übersandte Dokument zur Vorsteuervergütung berechtigt, ist es ihm unbenommen, die Originalrechnung in Papierform anzufordern.
Vor diesem Hintergrund begründen die von der Klägerin vorgelegten Dokumente einen Anspruch auf Vergütung der ausgewiesenen Vorsteuer.
Die vorgelegten Rechnungskopien haben auch denselben Erklärungsinhalt, wie die Originalrechnungen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Klägerin im weiteren Verfahren die Originalrechnungen elektronisch erfasst und übersandt hat.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
4. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 52, 63 GKG.