FG Köln: Vorsteuervergütung bei Rechnungsberichtigung nach § 31 Abs. 5 UStDV
FG Köln, Urteil vom 16.3.2018 – 2 K 1050/17
ECLI:DE:FGK:2018:0316.2K1050.17.00
Volltext: BB-ONLINE BBL2018-1558-1
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Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Vorsteuern für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2014 in einer Höhe von 303.155,45 €.
Dem Vergütungsantrag liegen fünf Rechnungen zu Grunde, die ursprünglich in den Jahren 2010 und 2011 gestellt wurden.
Hintergrund war der Kauf von Werkzeugen der Klägerin. Diese Werkzeuge wurden von den deutschen Rechnungsausstellern hergestellt und verblieben auf Weisung der Klägerin innerhalb Deutschlands. Sie sollten auch in Deutschland bis zu ihrer Vernichtung im Jahr 2027 verbleiben.
Die Rechnung 1 vom 12.11.2010 enthielt in ihrer Ursprungsfassung den Hinweis, dass die Zollabgaben bis zum Übergabeort in A, Frankreich, vom Leistungserbringer übernommen werden.
Die vier weiteren Rechnungen enthielten den Hinweis, dass es sich um Ausfuhrlieferungen handele.
Diese Hinweise waren unstreitig unzutreffend, da die Leistungserbringer steuerpflichtige Lieferungen von Werkzeugen an die Klägerin im Inland erbracht hatten.
Die Klägerin beantragte für die Rechnungen aus dem Jahr 2010 (Rechnungsnummern 1 und 2) am 23.03.2011 die Vergütung der in den Rechnungen enthaltenen Vorsteuern. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 10.04.2012 mit der Begründung ab, dass der Aufforderung zur Klärung des Sachverhalts nicht nachgekommen worden sei.
Für den Zeitraum Februar bis April 2011 beantragte die Klägerin am 18.05.2011 die Vergütung von Vorsteuern aus der Rechnung 3. Der Antrag wurde durch den Beklagten mit Bescheid vom 16.03.2012 mit gleichlautender Begründung abgelehnt.
Für die weiteren Rechnungen aus dem Jahr 2011 (Rechnungsnummern 4 und 5) beantragte die Klägerin für den Zeitraum Januar bis Dezember 2011 die Vergütung von Vorsteuern, die der Beklagte mit der Begründung ablehnte, dass die Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vorgelegen hätten und daher keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt hätte werden dürfen.
In der Folge bat die Klägerin ihre deutschen Vertragspartner, korrigierte Rechnungen auszustellen, wobei sämtliche Textpassagen, die fälschlicherweise auf eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung hätten hindeuten können, weggelassen werden sollten.
Die Klägerin erhielt die korrigierte Rechnung der Firma H GmbH & Co. KG mit Datum vom 30.10.2014 und die vier Rechnungen der Firma P AG am 18.12.2014. Die Rechnungen enthielten den Hinweis „Ware verbleibt in Deutschland“ (Bl. 86 ff. GA).
Sie beantragte am 09.07.2015 die Vergütung der in den Rechnungen enthaltenen Vorsteuern i.H.v. 303.155,55 € für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2014.
Mit Bescheid vom 04.12.2015 lehnte der Beklagte die Vergütung ab, da die Klägerin trotz Aufforderung den Sachverhalt nicht aufgeklärt habe.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 10.12.2015, mit welchem sie darauf hinwies, dass sie kein Schreiben mit einer Aufforderung zur Sachverhaltsaufklärung erhalten habe. Des Weiteren teilte die Klägerin im Laufe des Einspruchsverfahrens mit, dass erworbene Werkzeuge nach Produktionsende voraussichtlich im Jahr 2027 verschrottet werden sollten. Schließlich legte sie einen Handelsregisterauszug zu ihrem Firmensitz vor.
Mit Einspruchsentscheidung vom 20.03.2017 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Die Rechnungskorrekturen hätten sich nicht auf notwendige Rechnungsangaben im Sinne von § 14 Abs. 4 UStG bezogen. Die gesetzlich notwendigen Angaben seien bereits in den ursprünglichen Rechnungen zutreffend und vollständig enthalten gewesen. Daher liege für die streitgegenständlichen Rechnungen bereits eine bestandskräftige Ablehnung vor.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer vorliegenden Klage vom 20.04.2017.
Die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs im Rahmen des besonderen Vergütungsverfahrens setze den Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung im Sinne der §§ 14, 14a UStG voraus. Die ursprünglichen Rechnungen hätten diesen Anforderungen nicht genügt. Dies zeige die vom Beklagten geäußerte Rechtsansicht in den Ablehnungsbescheiden.
Rechnungen dürften jedoch durch die Leistungserbringer korrigiert werden, § 14 Abs. 6 Nr. 5 UStG i.V.m. § 31 Abs. 5 UStDV. Das Recht zur Rechnungskorrektur sei auch vom EuGH anerkannt.
Die Rechtsauffassung des Beklagten, dass nur Pflichtangaben nach § 14 Abs. 4 UStG berichtigt werden könnten und daher die streitgegenständlichen ursprünglichen Rechnungen nicht berichtigungsfähig gewesen seien, stehe im Widerspruch zu dem ausdrücklichen Hinweis auf eine Berichtigungsmöglichkeit im Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 16.11.2012 (der Wortlaut des Hinweises lautet: Nach § 14 Abs. 6 Nr. 5 UStG, § 31 Abs. 5 UStDV kann eine Rechnung berichtigt werden, wenn sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 oder § 14a UStG enthält oder wenn Angaben in der Rechnung unzutreffend sind, Bl. 79 GA Rückseite.)
§ 31 Abs. 5 UStDV sehe eine Rechnungsberichtigung vor, wenn (a) die Rechnung nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 oder § 14a UStG enthalte oder (b) Angaben in der Rechnung unzutreffend seien. Die Vorschrift enthalte somit zwei Alternativen, so dass Rechnungen auch dann korrigiert werden könnten, wenn sie unzutreffende Angaben enthielten, ohne dass es sich um Pflichtangaben gemäß § 14 Abs. 4 handele.
Diese Rechtsauffassung decke sich mit der einschlägigen Rechtsprechung und Kommentarliteratur. Auch aus der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 15/1562, Seite 54) ergebe sich nichts anderes. Dort heiße es: „Um jedoch den Vorsteuerabzug für den Leistungsempfänger zu ermöglichen, kann eine Rechnung berichtigt oder ergänzt werden.“ Dies spreche für eine Korrekturmöglichkeit.
Die Angabe des Lieferortes sei zwar nicht ausdrücklich in § 14 Abs. 4 UStG genannt, dennoch habe diese Angabe einen direkten Einfluss auf die umsatzsteuerliche Beurteilung und damit die Richtigkeit des Steuerausweises in einer Rechnung, der wiederum gemäß § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 8 UStG in der Rechnung korrekt angegeben sein müsse. Nach den ursprünglichen Angaben in den Rechnungen hätte keine Umsatzsteuer ausgewiesen werden dürfen, da die Rechnungen einen zutreffenden Hinweis auf eine steuerbefreite Ausfuhrlieferung enthalten hätten. Dieser Hinweis sei ausdrücklich als Rechnungsangabe in § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 8 UStG genannt, so dass eine Rechnungsänderung notwendig gewesen sei.
Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen Treu und Glauben wegen widersprüchlichen Verhaltens des Beklagten vor. Der Beklagte habe in seinem Schreiben vom 16.11.2012 ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Vorsteuervergütung nach Rechnungskorrektur hingewiesen. Hierauf habe die Klägerin vertraut und seinerzeit auf einen Einspruch gegen die damalige Ablehnungsentscheidung verzichtet.
Soweit der Beklagte vortrage, die ursprünglichen Rechnungen hätten zur Vorsteuervergütung berechtigt, stelle sich die Frage, weshalb der Beklagte gleichwohl die Vorsteuer nicht vergütet habe. Seinerzeit habe der Beklagte vorgetragen, dass die Voraussetzungen für eine Vorsteuervergütung nicht vorgelegen hätten.
Im Streitfall gehe es bei der Korrektur auch nicht darum, dass Angaben gefehlt hätten, sondern darum, dass unzutreffende Angaben korrigiert worden seien.
Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, dass der Hinweis BV 482 im Ablehnungsbescheid vom 16.11.2011 sich allein auf den falsch ausgewiesenen Steuerbetrag bezogen hätte.
Die Klägerin beantragt,
den Ablehnungsbescheid vom 04.12.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2017 dahingehend abzuändern, dass für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2014 weitere Vorsteuern i.H.v. 303.155,45 € vergütet werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Einer Berücksichtigung der geltend gemachten Vorsteuern stehe die formelle und materielle Bestandskraft der vorangegangenen Ablehnungsbescheide entgegen. Die Klägerin berufe sich zur Durchbrechung der Bestandskraft auf die Änderungsvorschrift des§ 31 Abs. 5 UStDV. Diese Vorschrift greife jedoch nicht, da die ursprünglichen Rechnungen bereits vor ihrer Korrektur ordnungsgemäß gewesen seien. Sie hätten sämtliche Voraussetzungen der §§ 14, 14a UStG erfüllt und seien daher schon zum damaligen Zeitpunkt geeignet gewesen, eine Vorsteuervergütung auszulösen. Es liege nicht im Gutdünken eines Antragstellers, die Notwendigkeit einer Rechnungskorrektur zu bestimmen, um auf diese Weise die Bestandskraft von Bescheiden zu durchbrechen. Die Möglichkeit der Korrektur im Sinne von § 31 Abs. 5 UStDV beschränke sich auf notwendige Rechnungskorrekturen.
Dementsprechend seien seinerzeit Ablehnungsbescheide auch nicht mit der Begründung ergangen, dass Pflichtangaben gefehlt hätten. Vielmehr hätte die Klägerin die Möglichkeit gehabt die widersprüchlichen Angaben in der Rechnung im Verwaltungsverfahren zu klären. Es komme häufig vor, dass Rechnungen eingereicht würden, aus denen sich eigentlich der Tatbestand des § 6a UStG ergebe. Werde daraufhin erklärt, dass die Ware in Deutschland verblieben sei, werde die Vorsteuer regelmäßig vergütet, ohne dass eine Rechnung zu berichtigen sei.
Es liege auch kein widersprüchliches Verhalten der Verwaltung vor. Der Hinweis BV 482 beziehe sich allein auf den falsch ausgewiesenen Steuerbetrag.
Aus den Gründen
Die Klage ist begründet.
1. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Sie hat einen Anspruch auf Vergütung der begehrten Vorsteuern.
a. Gemäß § 31 Abs. 5 UStDV kann eine Rechnung berichtigt werden, wenn (a) sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 oder § 14a UStG enthält oder (b) Angaben in der Rechnung unzutreffend sind. Es müssen nur die fehlenden oder unzutreffenden Angaben durch ein Dokument, das spezifisch und eindeutig auf die Rechnung bezogen ist, übermittelt werden. Es gelten die gleichen Anforderungen an Form und Inhalt wie in § 14 UStG.
b. Gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG muss eine Rechnung den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf enthalten, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt. Dieser entsprechende Hinweis ist auch in umgangssprachlicher Form ausreichend. Die Benennung einer Vorschrift ist nicht erforderlich (vgl. Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, § 14 UStG, Rn. 226).
c. Die ursprünglichen Rechnungen enthielten den fehlerhaften Hinweis, dass die Waren ins Ausland geliefert worden seien. Diese Hinweise deuteten somit auf eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung hin. Entsprechend hat der Beklagte einen Teil der Rechnungen in früheren Verfahren auch gewürdigt und die Auffassung vertreten, dass in den Rechnungen zu Unrecht Umsatzsteuer ausgewiesen worden sei.
Durch die Korrektur des fehlerhaften Hinweises haben die Rechnungsaussteller klargestellt, dass die Waren in Deutschland verblieben sind und keine innergemeinschaftliche Lieferung vorlag und somit zu Recht Umsatzsteuer ausgewiesen wurde.
Mit den Korrekturen wurden also fehlerhafte Angaben in den Rechnungen korrigiert, die zu den Pflichtangaben i.S. des § 14 Abs. 4 UStG zählen. Die Korrektur betraf fehlerhafte Hinweise im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG. Somit lagen die Voraussetzungen für eine steuerlich anzuerkennende Rechnungsberichtigung im Sinne von § 31 Abs. 5 UStDV vor.
d. Gemäß § 18 Abs. 9 UStG in Verbindung mit §§ 59 ff. UStDV erfolgt die Vergütung von Vorsteuern an in einem anderen Mitgliedstaat der EU ansässige Unternehmer in einem besonderen Verfahren. Hierzu muss der Unternehmer gemäß § 61 Abs. 2 S. 1-3 UStDV die Vergütung binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist, beantragen. Der Vergütungsantrag ist auf elektronischem Wege zu stellen und die Rechnungen auf elektronischem Wege beizufügen.
Vorliegend ist der Vergütungsanspruch durch Erteilen der korrigierten Rechnungen im Jahr 2014 entstanden.
Der diesbezügliche Vergütungsantrag wurde – unstreitig – form- und fristgerecht gestellt, so dass die Vorsteuern in der beantragten Höhe zu vergüten sind.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
4. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf den §§ 52, 63 GKG.