FG Köln: Vorsteuervergütung – Elektronische Rechnungsvorlage nur innerhalb der Antragsfrist
FG Köln, Urteil vom 13.9.2017 – 2 K 395/16
ECLI:DE:FGK:2017:0913.2K395.16.00
Volltext: BB-Online BBL2017-2582-2 unter www.betriebs-berater.de
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Vorsteuern für den Zeitraum Januar bis Dezember 2010 in einer Gesamthöhe von 217.349,12 €.
Am 22.9.2011 beantragte die Klägerin, eine in den Niederlanden ansässige Unternehmerin, die Vergütung von Vorsteuern i.H.v. 219.542,72 €.
Mit Bescheid vom 28.9.2012 vergütete der Beklagte Vorsteuern i.H.v. 2193,60 € und lehnte im Übrigen die Vergütung ab, da dem Antrag keine Rechnungen in elektronischer Form beigefügt worden seien.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 18.10.2012. Am 21.10.2012 reichte die Klägerin einen Antrag auf Vergütung von Vorsteuern in Papierform über einen Betrag von 217.349,12 € nebst den dazugehörigen Rechnungen (in Papierform) ein. Am 30.9.2013 und 12.11.2013 übermittelte die Klägerin dem Beklagten Rechnungen per E-Mail.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 14.1.2016 als unbegründet zurück. Die Rechnungen hinsichtlich der begehrten Vorsteuern seien zum Teil gar nicht und zum Teil erst nach Ablauf der Antragsfrist elektronisch übersandt worden. Daher hätten zum Zeitpunkt des Ablaufs der Ausschlussfrist die Voraussetzungen für eine Vergütung von Vorsteuern nicht vorgelegen, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand käme nicht in Betracht.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 16.2.2016.
Die Klägerin trägt vor, dass die maßgebliche EU Richtlinie 2008/9/EG für die Wirksamkeit eines Antrags auf Vorsteuervergütung nicht verlange, dass die dem Vergütungsantrag zu Grunde liegenden Rechnungen in elektronischer Form dem Beklagten innerhalb der Antragsfrist vorliegen müssten. Dies entspreche der einhelligen Auffassung in der Literatur. Es fehle in Art. 15 der Richtlinie eine Verweisung auf Art. 10.
Im Übrigen weist die Klägerin auf ein am 22.7.2016 gegen Deutschland eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren (Nr. 2016/2018) hin, welches die Auslegung des Art. 10 der Richtlinie 2008/9/EG betreffe.
Schließlich weist die Klägerin darauf hin, dass sie alle materiellen Anforderungen für die Rückerstattung von Vorsteuern erfüllt habe, insbesondere seit Übersendung von Rechnungen in elektronischer Form im Jahr 2013. Vor dem Hintergrund des Prinzips der Neutralität der Mehrwertsteuer dürfe der formale Aspekt der Fristversäumnis keine Nachteile für sie, die Klägerin, haben. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des EuGH in der Sache C-516/14 (vom 15.9.2016, ECLI:EU:C:2016:690, Barlis 06).
Die Klägerin beantragt,
den angefochtenen Bescheid vom 28.9.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend abzuändern, dass für den Zeitraum Januar bis Dezember 2010 weitere Vorsteuern in Höhe von 217.349,12 € zu vergüten sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er wiederholt die Ausführungen aus der Einspruchsentscheidung.
Hinsichtlich des Vertragsverletzungsverfahrens teilt er mit, dass sich das Verfahren auf Art. 9 der Richtlinie 2008/9/EG beziehe und Deutschland vorgeworfen werde, dass es durch seine Weigerung, erforderliche Angaben zu Kennziffer 10 des Antrages anzufordern, gegen Unionsrecht verstoße. Das Verfahren beziehe sich nicht auf Art. 10 und somit auch nicht auf die Frage, ob vorlagepflichtige Belege innerhalb der Ausschlussfrist eingereicht werden müssten. Diesbezüglich sei kein Vertragsverletzungsverfahren anhängig.
Hinsichtlich des von der Klägerin genannten Urteils des EuGH in der Sache C-516/14 sei anzumerken, dass der EuGH in diesem Verfahren lediglich entschieden habe, dass die formelle Fehlerhaftigkeit einer konkreten Rechnung unter bestimmten Voraussetzungen nicht zur Folge haben dürfe, dass die Finanzverwaltung die Erstattung von Vorsteuern verweigere. In dem Verfahren sei es nicht um die Frage gegangen, welche Folgen eine nicht fristgerecht vorgelegte Rechnung habe.
Aus den Gründen
Die Klage ist unbegründet.
1. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Sie hat keinen Anspruch auf Vergütung der begehrten Vorsteuern, da sie die mit dem Antrag vorzulegenden Rechnungen nicht innerhalb der Antragsfrist vorgelegt hat.
Gemäß § 61 Abs. 2 UStDV in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung muss ein Antrag auf Vergütung von Vorsteuern im besonderen Verfahren gemäß § 18 Abs. 9 UStG binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist, gestellt werden. Nach S. 3 sind dem Vergütungsantrag auf elektronischem Weg die Rechnungen und Einfuhrbelege in Kopie beizufügen, wenn das Entgelt für den Umsatz oder die Einfuhr mindestens 1000 €, bei Rechnungen über den Bezug von Kraftstoffen mindestens 250 € beträgt.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass Vorsteuern nur dann vergütet werden können, wenn innerhalb der Antragsfrist die Rechnungen bzw. Einzelbelege in elektronischer Form vorgelegt werden (vgl. z. B. FG Köln, Urteil vom 16. September 2015, 2 K 3594/11, EFG 2015, 2247). Durch die Rechtsprechung von EuGH und BFH war für die Vorgängervorschrift des § 62 UStDV geklärt, dass es sich bei der Antragsfrist um eine Ausschlussfrist handelt und die dem Antrag beizufügenden Rechnungen nur ausnahmsweise unter den Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgereicht werden können. Hieran hat sich auch nach Auffassung des BFH nach Änderung des Antragsverfahrens, wonach Rechnungen nicht mehr in Papierform, sondern elektronisch übermittelt werden müssen, nichts geändert (vgl. BFH, Beschluss vom 18. Juli 2016, V B 5/16, BFH/NV 2016, 1594). Im Gegensatz zu einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist somit die Frage, ob auch im elektronischen Antragsverfahren Rechnungen innerhalb der Antragsfrist vorzulegen sind (vgl. insoweit Monfort, Anmerkung zu BFH, Urteil vom 17.5.2017, V R 54/16, UR 2017, 640), höchstrichterlich geklärt.
Da die Klägerin unstreitig die streitgegenständlichen Rechnungen nicht innerhalb der Antragsfrist elektronisch an den Beklagten übersandt hat, hat dieser den Antrag zu Recht insoweit abgelehnt. Wiedereinsetzungsgründe sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
Hieran ändert sich auch nichts durch die von der Klägerin angeführte Entscheidung des EuGH vom 18.9.2016 in der Sache C-516/14 (Barlis 06, HFR 2016, 1031). Im dortigen Verfahren ging es um die Frage, inwieweit formal fehlerhafte Rechnungen zum Vorsteuerabzug berechtigen, nicht jedoch um die Frage, welche Folge eine nicht fristgemäße Vorlage formal ordnungsgemäßer Rechnungen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH, die auch in der zitierten Entscheidung bestätigt wird, verlangt das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Voraussetzungen nicht genügt hat. In solchen Fällen darf die Steuerverwaltung hinsichtlich des Rechts eines Steuerpflichtigen auf Ausübung des Vorsteuerabzugs keine zusätzlichen Voraussetzungen aufstellen, die die Ausübung des Rechts vereiteln könnte.
Im Zusammenhang mit dem besonderen Vorsteuervergütungsverfahren hat allerdings nicht die Steuerverwaltung die besondere „Hürde“ der Antragsfrist aufgestellt, sondern die Notwendigkeit, den Vorsteuervergütungsantrag innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen, ergibt sich unmittelbar aus Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG (vgl. FG Köln, Urteil vom 16. September 2015, 2 K 3594/11, EFG 2015, 2247).
Dass bezüglich der Praxis des Beklagten, Vorsteuervergütungsanträge, bei denen Rechnungsunterlagen nicht innerhalb der Antragsfrist vorgelegt werden, abzulehnen, ein Vertragsverletzungsverfahren anhängig wäre, ist unter Berücksichtigung der von der Klägerin nicht widersprochenen Ausführungen des Beklagten nicht ersichtlich.
Somit hat der Beklagte den Antrag zu Recht abgelehnt.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.
3. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf den §§ 52, 63 GKG.