FG Köln: Vorsteuervergütung – Begründete Zweifel am Recht auf Vorsteuerabzug im elektronischen Verfahren
FG Köln, Urteil vom 5.10.2017 – 2 K 2259/14
ECLI:DE:FGK:2017:1005.2K2259.14.00
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Vorsteuer für den Zeitraum Januar bis Dezember 2011 i.H.v. 17.680,05 €.
Die Klägerin ist ein italienisches Unternehmen.
Am 26.09.2012 stellte sie einen Antrag auf Vergütung von Vorsteuern i.H.v. 42.124,82 €.
Mit Bescheid vom 08.03.2013 vergütete der Beklagte Vorsteuern i.H.v. 22.686,67 € und lehnte die Vergütung i.H.v. 19.639,15 € ab.
Hiergegen legte die Klägerin am 11.04.2013 Einspruch ein, mit welchem sie weitere Belege einreichte.
Daraufhin vergütete der Beklagte am 04.12.2013 einen weiteren Betrag i.H.v. 1.959,10 € und erläuterte darüber hinaus, weshalb weitere Vorsteuerbeträge nicht vergütet werden könnten. Beanstandet wurde, dass ein Teil der Rechnungen (Rechnungen 161, 163, 171 der Anlage zum Antrag) nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG enthielten, teilweise Rechnungen nur in Kopie vorgelegt worden seien (Rechnungen 11, 34, 36, 38, 44, 45, 46, 48, 98, 103, 163, 171, 103, 206 und 212) und teilweise abgerechnete Leistungen in Deutschland nicht steuerbar gewesen seien (Rechnungen 63, 124 und 258). Schließlich seien die Rechnungen 91, 92, 198 und 265 nicht innerhalb der Antragsausschlussfrist als eingescannte Originale übermittelt worden.
Dem folgend erließ der Beklagte am 11.07.2014 eine Einspruchsentscheidung.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer vorliegenden Klage vom 06.08.2014.
Zur Begründung trägt sie vor, dass sie sämtliche Rechnungen im Original vorgelegt habe. Sie habe niemals andere Rechnungen erhalten, als solche, die den Aufdruck „Kopie“ enthalten hätten. Sie wisse nicht, ob Originalrechnungen durch die deutschen Lieferanten versendet worden seien. Gleichwohl reichten die Kopien zur Vergütung von Vorsteuern aus, da die Gefahr einer Mehrfachvergütung ausgeschlossen sei. Nach der Rechtsprechung des EuGH werde das Recht auf Vorsteuerabzug bzw. Vorsteuervergütung nicht vom Besitz einer Originalrechnung oder von einer Rechnungskopie abhängig gemacht, sondern von der Durchführung des tatsächlichen Leistungsaustausches. Dieser könne auf jede Art bewiesen werden. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass ein Teil der Originalrechnungen auf dem Postweg verloren gegangen sei. Dies stelle einen außergewöhnlichen Geschehensablauf dar.
Die Klägerin beantragt,
den Ablehnungsbescheid vom 08.03.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.07.2014 dahingehend abzuändern, dass Vorsteuern für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2011 in einer weiteren Höhe von 17.680,05 € zur Vergütung festgesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin habe vereinzelt Originalrechnungen vorgelegt, im Widerspruch dazu aber vorgetragen, ausschließlich Kopien erhalten zu haben. Dass ein erheblicher Teil von Originalrechnungen auf dem Postweg verloren gegangen sein solle, sei nicht glaubhaft, da üblicherweise Postsendungen zuverlässig zugestellt würden. Dass bei der Klägerin hingegen Sendungen verschiedener Absender in großer Zahl verloren gegangen sein sollen, widerspreche der Lebenserfahrung. Diesbezüglich trage die Klägerin zur Aufklärung die Darlegungslast. Darüber hinaus habe die Klägerin bei der Sachverhaltsaufklärung nicht mitgewirkt. Soweit der BFH mit seiner Entscheidung vom 17.05.2017 in der Sache V R 54/16 die Vorlage von Rechnungskopien für die Vorsteuervergütung als ausreichend angesehen habe, so habe er zugleich in Rn. 14 der Entscheidung darauf hingewiesen, dass der Beklagte bei begründeten Zweifeln gemäß § 61 Abs. 2 S. 4 UStDV die Möglichkeit habe, die Vorlage von Rechnungen im Original zu verlangen. Da entsprechende Zweifel bestünden, verlange er, der Beklagte, die Vorlage der Originalrechnungen (Schriftsatz vom 04.08.2017).
Der Rechnung Nr. 124 der Anlage zum Antrag habe eine innergemeinschaftliche Lieferung zugrunde gelegen, für welche Umsatzsteuer nicht hätte in Rechnung gestellt werden dürfen.
Die Rechnungen 161, 163 und 171 enthielten nicht sämtliche in § 14 Abs. 4 UStG geforderten Angaben. Diese Rechnungen seien bis heute nicht korrigiert worden.
Aus den Gründen
1. Die im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene Klägerin ist ordnungsgemäß geladen worden, so dass der Senat in der Sache entscheiden konnte (vgl. insoweit BFH v. 8.10.2012, I B 22/12, BFH/NV 2013, 389).
2. Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Sie hat keinen Anspruch auf Vergütung der begehrten Vorsteuern, da sie nicht die gemäß § 61 Abs. 2 S. 4 UStDV angeforderten Rechnungen in Papierform vorgelegt hat.
Gemäß § 18 Abs. 9 UStG in Verbindung mit §§ 59 ff. UStDV erfolgt die Vergütung von Vorsteuern an in einem anderen Mitgliedstaat der EU ansässige Unternehmer in einem besonderen Verfahren. Hierzu muss der Unternehmer gemäß § 61 Abs. 2 S. 1-3 UStDV die Vergütung binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist, beantragen. Der Vergütungsantrag ist auf elektronischem Wege zu stellen und die Rechnungen auf elektronischem Wege beizufügen.
Bei begründeten Zweifeln an dem Recht auf Vorsteuerabzug in der beantragten Höhe kann das Bundeszentralamt für Steuern verlangen, dass die Vorsteuerbeträge durch Vorlage von Rechnungen und Einfuhrbelegen im Original nachgewiesen werden (§ 61 Abs. 2 S. 4 UStDV). Nach der Rechtsprechung des BFH müssen sich die Zweifel nicht auf bestimmte Umstände (z.B. die Frage, ob das eingescannte Dokument nachträglich verändert worden ist) beziehen, vielmehr reichen „Zweifel jeglicher Art“ (vgl. BFH Urteil vom 17. Mai 2017, V R 54/16, BFHE 258, 186, BStBl II 2017, 925)
Im Streitfall hat der Beklagte im Klageverfahren die Vorlage der Rechnungen im Original angefordert, da aufgrund des Vortrags der Klägerin begründete Zweifel an dem Recht auf Vorsteuerabzug bestanden hätten.
Diese Einschätzung begegnet keinen Bedenken.
Die Klägerin hat einen Teil der die Vorsteuern betreffenden Rechnungen lediglich in Kopie elektronisch vorgelegt. Diesbezüglich hat sie vorgetragen, dass sie Rechnungen ohne den Aufdruck „Kopie“ niemals erhalten habe. Die Rechnungen seien wahrscheinlich in vielen Fällen von den deutschen Lieferanten versendet worden, aber aufgrund von Postproblemen niemals bei ihr angekommen. Sie habe mehrfach die erneute Übersendung von Originalrechnungen angemahnt, ihr sei jedoch stets mitgeteilt worden, dass ein Ausdruck eines Rechnungsoriginals nur einmal möglich sei.
Der Vortrag, dass mindestens 23 Rechnungen – und damit fast 10 % der gesamten im Antragsverfahren vorgelegten Rechnungen – auf dem Postweg verloren gegangen sein sollen widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung. Es ist bekannt, dass in einzelnen Fällen Briefe ihren Empfänger nicht erreichen. Dass jedoch Briefe verschiedener Absender in einer wie von der Klägerin erklärten Häufung bei einem Empfänger nicht angekommen sein sollen, erscheint zweifelhaft.
Insofern folgt das Gericht der Einschätzung des Beklagten, dass begründete Zweifel an dem Recht auf Vorsteuerabzug bestanden.
Aus diesem Grunde durfte der Beklagte gemäß § 61 Abs. 2 S. 4 UStDV die dem Vorsteuervergütungsantrag zu Grunde liegenden Rechnungsunterlagen im Original anfordern.
Da die Klägerin hierauf nicht reagiert hat, hatte sie keinen Anspruch auf Vergütung der begehrten Vorsteuern, so dass die Klage abzuweisen war.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 185 Abs. 1 FGO.