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Steuerrecht
27.09.2013
Steuerrecht
FG Köln: Vorsteuervergütung - Nachreichen der Originalrechnung

FG Köln, Urteil vom 7.6.2013 - 2 K 4248/08


Sachverhalt


Zwischen den Beteiligten ist zum einen streitig, ob die Vorsteuervergütung die Vorlage der Originalrechnung erfordert und zum anderen, ob die zeitliche Zuordnung einer Rechnung zum Folge-Vergütungszeitraum desselben Kalenderjahres einer Vergütung entgegen steht.


Die Klägerin ist ein Unternehmen mit Sitz in der Schweiz. Gegenstand des Unternehmens ist die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich Sport Marketing.


Die Klägerin beantragte am 23. November 2006 (Posteingangsdatum) die Vergütung von Vorsteuern i.H.v. 2.818.573,51 € im Rahmen des besonderen Vorsteuervergütungsverfahrens nach § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 bis 61 UStDV für den Vergütungszeitraum Juli bis September 2006. Am 29. Juni 2007 (Eingangsdatum) reichte die Klägerin für diesen Zeitraum einen weiteren Antrag auf Vorsteuervergütung i.H.v. 271.641,60 € ein. Mit den Anträgen wurden u.a. eine Rechnungsfotokopie des B vom 13. September 2006 (Vorsteuern i.H.v. 254.096,00 €) und eine Rechnung der A Produktion GmbH vom 10. April 2006 (Vorsteuern i.H.v. 73.382,46 €) vorgelegt. Der Beklagte fasste die beiden Anträge zu einem Antrag zusammen.


Mit Bescheid vom 23. November 2007 setzte der Beklagte die Vorsteuervergütung auf 2.744.126,65 € fest. Im Übrigen wurde die begehrte Vorsteuervergütung abgelehnt. Dabei versagte der Beklagte unter anderem die Vorsteuervergütung aus der Rechnung des B vom 13. September 2006 mangels Vorlage der Originalrechnung und die Vorsteuervergütung aus der Rechnung der A Produktion GmbH vom 10. April 2006 wegen des unzutreffenden Vergütungszeitraums.


Der hiergegen fristgerecht eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 13. November 2008 als unbegründet zurückgewiesen.


Zur Begründung ihrer hiergegen fristgerecht erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, dass die Vorsteuer sowohl aus der Rechnung des B als auch aus der Rechnung der A Produktion GmbH vom 10. April 2006 zu vergüten sei.


Die Rechnung der A Produktion GmbH habe dem Beklagten seit der Antragseinreichung am 23. November 2006 vorgelegen, also mehr als sieben Monate vor dem Ablauf der Frist für die Vorsteuervergütung 2006. Der Beklagte habe dem Antrag entnehmen können, dass es sich um eine Rechnung aus April 2006 gehandelt habe und sich der Antrag damit offensichtlich auch auf den Zeitraum April bis September 2006 bezogen habe. Insoweit sei die Vorsteuer aus dieser Rechnung rechtzeitig und korrekt angemeldet worden, denn das Wahlrecht für den Vergütungszeitraum liege gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 UStDV beim Unternehmer.


Der Unternehmer sei daher nicht gehindert, die Vergütung in einem späteren Vergütungszeitraum desselben Jahres geltend zu machen. Denn die Umsatzsteuer sei eine Jahressteuer. Daher sei lediglich entscheidend, dass der Vorsteuerbetrag in dem betreffenden Jahr, hier also im Jahr 2006, geltend gemacht worden sei.


Dies werde durch § 60 Satz 3 UStDV verdeutlicht. Hiernach müsse für die vorangegangenen Vergütungszeiträume nicht einmal ein Antrag auf Vergütung gestellt worden sein, um die Vergütung für Vorsteuerbeträge aus anderen Vergütungszeiträumen im selben Kalenderjahr geltend zu machen. Im Streitfall seien aber für alle Vergütungszeiträume des Jahres 2006 Vergütungsanträge für jeweils drei volle Monate gestellt worden. Soweit der Beklagte einwende, dass die Vorsteuer im vierten Quartal 2006 hätte geltend gemacht werden müssen, sei dem entgegenzuhalten, dass nach dem Wortlaut in diesem Fall § 60 Sätze 2 und 3 UStDV nicht einschlägig sei.


Dies ergebe sich auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Gemäß der Gesetzesbegründung zu § 60 UStDV solle die Vorschrift lediglich den Vergütungszeitraum in Anlehnung an die voraussichtliche Regelung der Achten Richtlinie festlegen (vgl. BR-Drucksache 576/79). Die Achte Richtlinie regele in Art. 7 Abs. 1 Satz 3, dass die Anträge auch Rechnungen oder Einfuhrdokumente betreffen könnten, für die zuvor noch keine Anträge gestellt worden seien und die sich auf Vorumsätze beziehen würden, die während des betreffenden Kalenderjahres getätigt worden seien.


Sie, die Klägerin, könne daher die Vergütung aus der Rechnung, die sie im April 2006 erhalten habe, für die sie aber im zweiten Quartal des Jahres 2006 keinen Antrag gestellt habe, auch im dritten Quartal des Jahres 2006 geltend machen. Denn anders als in § 60 Satz 3 UStDV spreche der Wortlaut der Achten Richtlinie von „Anträgen" und nicht nur von einem „Antrag". Zudem beziehe sich die Rechnung der A Produktion GmbH auf einen Umsatz, der während des Kalenderjahres (hier 2006) getätigt worden sei. Abweichende Sonderregelungen in der 13. Richtlinie seien nicht ersichtlich.


Die Auffassung des Beklagten sei auch in europarechtlicher Hinsicht nicht haltbar. So habe sich die Europäische Kommission im Verfahren vor dem EuGH in der Rechtssache C-433/08 (Yaesu Europe) gegen einen Formalismus ausgesprochen. Die Kommission führe zum Thema Diskriminierung aus, dass zunächst zu prüfen sei, ob für vergleichbare innerstaatliche Vorgänge (etwa Erklärung für die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs) dasselbe Erfordernis gelte. Dies sei im Streitfall zu verneinen, da die Umsatzsteuer eine Jahressteuer sei. Zudem verdeutliche die Kommission, dass der Grundsatz der Effektivität Hindernissen für die Rückerstattung entgegenstehe, soweit keine zwingenden Gründe des Gemeinwohls vorliegen würden, da diese Hindernisse den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr behindern würden. Dies gelte auch für Vorsteuervergütungen nach der 13. Richtlinie. Im Streitfall habe der Beklagte keine derartigen zwingenden Gründe vorgetragen. Diese seien auch nicht ersichtlich.


Die Auffassung des Beklagten würde im Ergebnis auch zu widerstreitenden Steuerfestsetzungen führen. Der negative Widerstreit (§ 174 Abs. 3 AO) liege dann vor, wenn die Finanzbehörde den Sachverhalt dahingehend würdige, dass er aufgrund des Zeitraumes in einen anderen Bescheid zu erfassen sei.


Auch wenn es sich bei dem Vergütungsverfahren um ein Massenverfahren handele, habe der Beklagte für die Bearbeitung eines Teils des Vergütungsantrages ein Jahr benötigt, obwohl Art. 7 Abs. 4 der Achten Richtlinie vorschreibe, dass der Bescheid binnen sechs Monaten zugestellt werden müsse. Zwar enthalte die 13. Richtlinie insoweit keine Regelung, aber dies bedeute nicht, dass sie, die Klägerin, ohne eine entsprechende abweichende gesetzliche Regelung „schlechter" behandelt werden dürfe (vgl. Art. 8 der Achten EG-Richtlinie und Art. 3 Abs. 2 der 13. EG-Richtlinie).


Der Beklagte könne daher sein eigenes Verschulden nicht ihr, der Klägerin, anlasten. Der Beklagte habe die Bearbeitung vielmehr so zu organisieren, dass sie fristgerecht erfolgte. Hätte der Beklagte fristgerecht entschieden, hätte er den Bescheid im Bezug auf die Vorsteuer aus der Rechnung der A Produktion GmbH bereits am 23. Mai 2007 dem Prozessbevollmächtigten zustellen müssen, da der Beklagte ausweislich des Vergütungsantrages vom 23. November 2006 im Besitz aller zur Stützung des Antrages vorgeschriebenen Dokumente gewesen sei. In diesem Fall wäre sie, die Klägerin, in der Lage gewesen, den entsprechenden Antrag noch vor Ablauf der Vergütungsfrist zu stellen.


Die Rechnung des B sei im Zeitpunkt der Antragstellung am 29. Juni 2007 nicht auffindbar gewesen. Gleichwohl sei sie aber nie abhanden gekommen, sondern sie, die Klägerin, sei immer im Besitz der Rechnung gewesen.


Nachdem sie, die Klägerin, ihren Geschäftszweck, nämlich die Vermarktung von Leistungen für ... in Deutschland, erreicht habe, sei nahezu das gesamte Büro in C (Schweiz) geschlossen worden. Alle Buchhaltungsunterlagen seien im April 2007 an ihr Treuhandbüro versandt worden. Dort habe man im Juni 2007 festgestellt, dass ein Teil der Vorsteuererstattung für das Jahr 2006 noch nicht beantragt worden sei. Sie habe in der kurzen Zeit bis zum Ablauf der Vorsteuervergütungsfrist am 30. Juni 2007 die Originalrechnung des B nicht mehr auffinden und dem Antrag beifügen können, da die Buchhaltungsunterlagen in mehreren Kartons abgelegt gewesen seien. Aus diesem Grund habe dem Beklagten nur eine Kopie der Rechnung vorgelegt werden können.


Allerdings habe eine Mitarbeiterin (Frau D) des schweizerischen Treuhandbüros, welches nunmehr für sie - die Klägerin - die Buchhaltung erledige, die Originalrechnung im Dezember 2008 in einem Ordner aufgefunden.


Die Klägerin hat die Originalrechnung des B mit ihrer Klageschrift vom 15. Dezember 2008 eingereicht.


Die Klägerin trägt hierzu des Weiteren vor, dass die bisherige Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 18. Januar 2007, V R 23/05) inwieweit nicht einschlägig sei, da sie, die Klägerin, regelmäßig, so auch im Streitfall, die Rechnungen im Original vorgelegt habe. Anders als in dem BFH-Urteil habe sie, die Klägerin, die Rechnung aus tatsächlichen Gründen nicht vorlegen können. Es gehe im Streitfall daher nicht um eine rechtliche Fehlinterpretation in Bezug auf die Vorlage der Originalrechnung. Zudem habe sie, die Klägerin, die Rechnung nach dem Auffinden unverzüglich (noch in demselben Monat) vorgelegt. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei daher im Ergebnis die Erstattung des Vorsteuerbetrages aus der Rechnung des B zu gewähren.


Entscheidend für den Vorsteuerabzug sei grundsätzlich nur, dass sie im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs im Besitz der Originalrechnung gewesen sei (BFH-Urteil vom 16. April 1997 - XI R 63/93). Dieser Nachweis sei nunmehr durch die Vorlage der Originalrechnung geführt worden. Da dem Beklagten auch eine Kopie der Rechnung vorgelegt worden sei, sei klar, dass es sich exakt um dieselbe Rechnung handele.


Eine Gefahr, dass die Vorsteuer bereits vergütet worden sei, bestehe nicht, da die Rechnung weder vom Beklagten noch vom eventuell zuständigen Finanzamt E entwertet worden sei. Zudem sei leicht nachprüfbar, dass sie, die Klägerin, zu keinem Zeitpunkt beim Finanzamt E umsatzsteuerrechtlich gemeldet gewesen sei.


Die Klägerin beantragt,


den Beklagten unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 13. November 2008 und unter Änderung des Vergütungsbescheides vom 23. November 2007 zu verpflichten, die Vorsteuervergütung für den Zeitraum 07-09/2006 um 327.478,46 € zu erhöhen.


Der Beklagte beantragt,


die Klage abzuweisen;


hilfsweise die Zulassung der Revision.


Der Beklagte trägt vor, dass die begehrte Vergütung weiterer Vorsteuern zu versagen sei.


Die Rechnung der A Produktion GmbH vom 10. April 2006 gehöre nicht in den Vergütungszeitraum Juli bis September 2006. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG sei der Unternehmer dann zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn er eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitze. Für Rechnungen, die nach der Ausführung der Leistung erteilt würden, sei das Datum des Erhalts der Rechnung maßgeblich. Auf der Rechnung befinde sich ein Vermerk „gebucht 11. April 2006", so dass die Klägerin im April 2006 im Besitz der Rechnung gewesen sei.


Bei ihm, dem Beklagten, habe am 26. Juli 2006 ein Antrag auf Vergütung für den Vergütungszeitraum April bis Juni 2006 vorgelegen. Dieser Antrag sei am 1. September 2006 beschieden worden.


Gemäß § 60 Sätze 2 und 3 UStDV sei ein Abzug der Vorsteuer aus der Rechnung vom 10. April 2006 nur noch im Zeitraum Oktober bis Dezember 2006 möglich gewesen. Bei der Vergütung der Vorsteuern für den Zeitraum Juli bis September könne diese Rechnung keine Berücksichtigung finden.


Im Streitfall habe die Klägerin für ihren Antrag vom 23. November 2006 den Vergütungszeitraum selbst für die Monate Juli bis September 2006 gewählt. Die Rechnung der A Produktion GmbH könne nicht bezogen auf diesen Zeitraum vergütet werden. Denn in einem Vergütungsantrag könnten schon denklogisch nur die in den jeweiligen Vergütungszeitraum fallenden Vorsteuerbeträge geltend gemacht werden. Bezogen auf den Streitfall bedeute dies, dass die Rechnung der A Produktion GmbH vom 10. April 2006 nur in einem Antrag hätte berücksichtigt werden können, dessen Vergütungszeitraum entweder den Monat April (z.B. April bis Juni 2006) oder den restlichen Zeitraum eines Kalenderjahres (z.B. Oktober bis Dezember 2006) umfasse. Eine Berücksichtigung der Rechnung im streitigen Vergütungszeitraum sei jedoch unzulässig und zu Recht abgelehnt worden.


Entgegen der Auffassung der Klägerin würden auch keine widerstreitenden Steuerfestsetzungen im Sinne des § 174 Abs. 1 AO vorliegen. Ein bestimmter Sachverhalt (hier die Ablehnung der Vergütung) sei nicht in mehreren Steuerbescheiden zu Ungunsten der Klägerin berücksichtigt worden, sondern lediglich in dem Bescheid über den Antrag für den Zeitraum Juli bis September 2006.


Die Aussage der Klägerin, die Rechnung hätte bereits sieben Monate vor Fristablauf bei ihm, dem Beklagten, vorgelegen und das Wahlrecht für den Vergütungszeitraum liege ohnehin beim Unternehmer, sei nicht nachvollziehbar. Wenn der Unternehmer den Vergütungszeitraum entsprechend wähle, so müsse er mit der gebotenen Sorgfalt auch dafür Sorge tragen, dass die entsprechenden Rechnungen den richtigen Anträgen zugeordnet würden. Im Rahmen des Massenverfahrens bei der Vorsteuervergütung sei ihm, dem Beklagten, nicht zuzumuten, Rechnungen auf die entsprechend richtigen Anträge zu verteilen bzw. sofort nach Eingang die Anträge auf etwaige Mängel zu prüfen (BFH-Urteil vom 23. Februar 2006 - III R 42/04, n.v.).


Die Vergütung der Vorsteuer aus der Rechnung des B sei abzulehnen, da diese dem Antrag nur in Kopie beigefügt worden sei.


Originalrechnungen müssten innerhalb der in § 18 Abs. 9 S. 3 UStG geregelten Antragsausschlussfrist bei ihm, dem Beklagten, eingehen (BFH-Urteil vom 18. Januar 2007 - V R 23/05).


Die Vergütung von Vorsteuern auf der Basis von Kopien sei ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn u.a. ein außergewöhnlicher Geschehensablauf beim Verlust der Originalrechnung vorliege und der Verlust der Originalrechnung vom Steuerpflichtigen nicht zu vertreten sei.


Die Originalrechnung sei erstmals im Klageverfahren eingereicht worden, so dass offensichtlich kein Verlust vorgelegen habe und sich die Rechnung auch zum Zeitpunkt der Abgabe des Antrags schon im Besitz der Klägerin befunden habe. Die Klägerin selbst trage vor, dass die Rechnung niemals abhanden gekommen sei. Daher erübrige sich eine Prüfung, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Vergütung der im damaligen Antragsverfahren vorgelegten Rechnungskopien möglich wäre. Denn es mangele bereits am Tatbestandsmerkmal des Rechnungsverlustes.


Eine Vergütung könne daher allenfalls aufgrund der erstmals mit der Klageschrift vom 15. Dezember 2008 vorgelegten Rechnung erfolgen. Insoweit könne jedoch eine Vergütung nicht erfolgen, da die Rechnung erst nach Ablauf der Antragsfrist vorgelegt worden sei.


Der Klägerin könne diesbezüglich auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Sinne des §§ 110 AO gewährt werden, da zum Zeitpunkt der Einreichung der Originalrechnung am 15. Dezember 2008 sämtliche Fristen dieser Rechtsnorm (insbesondere § 110 Abs. 3 AO) bereits abgelaufen gewesen seien. Davon abgesehen müsse aufgrund der offensichtlichen Mängel in der Buchhaltung der Klägerin auch von einem Verschulden ihrerseits ausgegangen werden.


Aus den Gründen


Die Klage ist nur zum Teil begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.


Der Vergütungsbescheid vom 23. November 2007 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 13. November 2008 sind im Hinblick auf die mangelnde Vergütung der Vorsteuer aus der Rechnung der A Produktion GmbH rechtswidrig und verletzen die Klägerin insoweit in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO). Denn die Vorsteuer aus der Rechnung der A Produktion GmbH vom 10. April 2006 wurde nicht im unzutreffenden Vergütungszeitraum geltend gemacht. Darüber hinaus ist der Vergütungsbescheid nebst Einspruchsentscheidung indes nicht zu beanstanden. Bezüglich der Rechnung des B vom 13. September 2006 mangelt es an der Vorlage der Originalrechnung innerhalb der Antragsfrist.


A.              Rechnung der A Produktion GmbH vom 10. April 2006


Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Vergütung der Vorsteuer aus der Rechnung der A Produktion GmbH vom 10. April 2006. Die entsprechenden Voraussetzungen sind erfüllt. Insbesondere scheitert die Vorsteuervergütung - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht daran, dass die Rechnung vom 10. April 2006 für den Vergütungszeitraum Juli bis September 2006 geltend gemacht wurde.


I.              Nach § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG kann zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Vergütung der Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) an im Ausland ansässige Unternehmer, abweichend von § 16 UStG und von § 18 Abs. 1 bis 4 UStG, in einem besonderen Verfahren regeln. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber in §§ 59 ff. UStDV Gebrauch gemacht.


II.              Gemäß § 60 Satz 1 UStDV ist der Vergütungszeitraum nach Wahl des Unternehmers ein Zeitraum von mindestens drei Monaten bis zu höchstens einem Kalenderjahr. Der Vergütungszeitraum kann weniger als drei Monate umfassen, wenn es sich um den restlichen Zeitraum des Kalenderjahres handelt (§ 60 Satz 2 UStDV). In den Antrag für diesen Zeitraum können auch abziehbare Vorsteuerbeträge aufgenommen werden, die in vorangegangene Vergütungszeiträume des betreffenden Kalenderjahres fallen (§ 60 Satz 3 UStDV).


§ 60 UStDV ist dahingehend zu verstehen, dass er es nicht untersagt, Vorsteuerbeträge aus vorangegangenen Vergütungszeiträumen des betreffenden Kalenderjahres auch in anderen Vergütungszeiträumen als dem letzten des Kalenderjahres geltend zu machen. Denn § 60 Satz 3 UStDV regelt lediglich, welche Möglichkeiten im restlichen Vergütungszeitraum des Kalenderjahres bestehen. Die Regelung beschäftigt sich nicht auch mit den anderen Vergütungszeiträumen. Sie ist insoweit nicht abschließender Natur. Sie sieht auch nicht vor, dass „nur" in dem Antrag für den restlichen Zeitraum des Kalenderjahres Vorsteuerbeträge aus vorangegangenen Vergütungszeiträumen des betreffenden Kalenderjahres aufgenommen werden können. Folglich steht es dem Vergütungsanspruch der Klägerin nicht entgegen, dass sie in ihren Vergütungsantrag für den Zeitraum Juli bis September 2006 eine Rechnung vom 10. April 2006 aufgenommen hat.


Dieses wird auch durch die Entstehungsgeschichte des § 60 UStDV bestätigt. Aus den Gesetzesmaterialien zu § 60 UStDV ergibt sich, dass diese Vorschrift den Vergütungszeitraum in Anlehnung an die voraussichtliche Regelung der Achten Richtlinie festlegen soll (BR-Drucks. 576/79, Seite 91). Art. 7 Abs. 1 Satz 3 der Achten Richtline des Rates vom 6. Dezember 1979 (79/1072/EWG, ABl.EG Nr. L 331/1979, 11) sieht vor, dass die Anträge auch Rechnungen betreffen können, für die zuvor noch keine Anträge gestellt worden sind und die sich auf Umsätze beziehen, die während des betreffenden Kalenderjahres getätigt wurden. Hiernach - also nach der „Vorlage" des deutschen Gesetzgebers - ist es folglich ausdrücklich möglich, in jeden Vergütungszeitraum des betreffenden Kalenderjahres Rechnungen aus vorangegangenen Zeiträumen des Kalenderjahres aufzunehmen.


Zwar gilt die Achte Richtlinie nur für die Erstattung von Vorsteuern an im Gemeinschaftsbiet ansässige Steuerpflichtige. Auf die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Steuerpflichtigen findet hingegen die Dreizehnte Richtlinie des Rates vom 17. November 1986 (86/560/EWG, ABl. L 326/1986, 40) Anwendung, die für die Vergütungszeiträume keine eigenständige Regelung enthält. Allerdings ist insbesondere vor dem Hintergrund der Gesetzesmaterialien nicht ersichtlich, dass der deutsche Gesetzgeber für Unternehmer aus Drittstaaten eine hiervon abweichende Regelung aufstellen wollte. Aber auch unabhängig von der Achten Richtlinie Raum lässt § 60 UStDV für die vorgenommene Auslegung Raum.


B.              Rechnung des B


Die Klägerin hat indes keinen Anspruch auf die Vergütung der Vorsteuer aus der Rechnung des B vom 13. September 2006. Denn insoweit hat die Klägerin innerhalb der Vergütungsfrist weder eine Originalrechnung noch eine Zweitschrift vorgelegt.


I.              Gemäß § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG ist der Vergütungsantrag binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist. Bei dieser Sechs-Monats-Frist des § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG handelt es sich um eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist (vgl. BFH-Urteil vom 21. Oktober 1999, V R 76/98, BStBl II 2000, 214; so jüngst auch durch den EuGH bestätigt, Urteil vom 21. Juni 2012, C-294/11 - Elsacom, abrufbar über Juris). Der Unternehmer hat die Vergütung selbst zu berechnen und die Vorsteuerbeträge durch Vorlage von Rechnungen und Einfuhrbelegen im Original nachzuweisen (§ 18 Abs. 9 Satz 4 UStG). Aus dem Zusammenhang von § 18 Abs. 9 Satz 3 und Satz 4 UStG ergibt sich, dass die Originalrechnungen mit dem Antrag innerhalb der Antragsfrist einzureichen sind (BFH-Urteile vom 18. Januar 2007 - V R 23/05, BFHE 217, 32, BStBl II 2007, 430; vom 14. Mai 2008 - XI R 58/06, BFHE 221, 505, BStBl II 2008, 831).


II.              Der von der Klägerin geltend gemachte Vergütungsanspruch aus der Rechnung des B vom 13. September 2006 ist nach ihrem Vortrag im Jahre 2006 entstanden. Der Vergütungsantrag hierfür war daher unter Beifügung der Originalrechnung bis zum 30. Juni 2007 zu stellen.


Innerhalb dieser Frist hat die Klägerin die Rechnung des B nicht als Originalrechnung vorgelegt, sondern insoweit lediglich eine Fotokopie beim Beklagten eingereicht.


III.              Einem Steuerpflichtigen, dem die Vorlage der Originalrechnungen unmöglich geworden ist, ist zwar unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zu gewähren, auf andere Weise die Vorsteuervergütung zu erlangen. Allerdings erfüllt die Klägerin diese Voraussetzungen nicht.


1.              § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG ist für den Fall des Verlustes der Originalrechnungen einschränkend auszulegen. Wenn der dem Erstattungsantrag zugrunde liegende Vorgang stattgefunden hat und keine Gefahr besteht, dass weitere identische Erstattungsanträge gestellt werden, kommt es nach Auffassung des erkennenden Senats nicht auf das Nicht-Vertretenmüssen durch den Antragsteller an (vgl. BFH-Urteil vom 19. November 1998 - V R 102/96, BFHE 187, 344, BStBl II 1999, 255). Allerdings ist für den Fall des Abhandenkommens der Originalrechnung - vor Einreichung des Antrags - jedenfalls eine Zweitschrift der Rechnung oder eine Bestätigung des Rechnungsausstellers zu der Rechnungskopie innerhalb der Antragsfrist einzureichen. Nur diese stellen im Rahmen der einschränkenden Auslegung des § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG einen „adäquaten Ersatz" für die Originalrechnung dar. Einfache Fotokopien reichen insoweit nicht aus.


2.              Im Streitfall hat die Klägerin innerhalb der Antragsfrist lediglich eine schlichte Fotokopie der Rechnung des B vorgelegt. Angesichts dessen ist die Vorsteuervergütung zu versagen.


3.              Dem steht nicht entgegen, dass der (inländische) Steuerpflichtige im allgemeinen Besteuerungsverfahren (§§ 16 bis 18 UStG) den Nachweis des Besitzes einer Originalrechnung nicht nur durch Vorlage derselben, sondern mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Beweismitteln - also auch durch Fotokopien - führen kann. Insoweit besteht für den im Drittland ansässigen Antragsteller kein Gleichbehandlungsgebot.


a.              Im Gegensatz zu Antragstellern, die im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind, gilt für den im Drittland ansässigen Unternehmer nicht das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EUV (offen gelassen in BFH-Urteil vom 18. Januar 2007 - V R 23/05, BFHE 217, 32, BStBl II 2007, 430). Aus diesem Diskriminierungsverbot folgt, dass die Möglichkeit des Nachweises der Vorsteuerberechtigung u.a. durch Vorlage einer Zweitschrift auch einem nicht in dem Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen einzuräumen ist, wenn ein in dem Mitgliedstaat ansässiger Steuerpflichtiger in der gleichen Situation diese Möglichkeit gewährt wird (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 2010 - V R 17/08, BFH/NV 2011, 658; EuGH-Urteil vom 11. Juni 1998 - C-361/96 - Grandes sources d´eaux minérales françaises, Slg. 1998-I, 3495). Die Klägerin, die außerhalb des Gemeinschaftsgebiets ansässig ist, kann sich indes nicht hierauf berufen.


b.              Auch aus Art. 3 GG kann eine Gleichbehandlung der Klägerin mit inländischen Steuerpflichtigen nicht begründet werden. Denn insoweit ist bereits der Sachverhalt von im Inland und im Drittland ansässigen Unternehmern nicht vergleichbar. So reicht es für die Vorsteuervergütung im besonderen Verfahren nach § 18 Abs. 9 UStG grundsätzlich aus, wenn der im Ausland ansässige Unternehmer einen Vergütungsantrag nebst Unternehmerbescheinigung und Originalrechnungen einreicht. Der inländische Unternehmer ist hingegen nach inländischem Recht zur umfassenden Buchführung verpflichtet und seine Angaben in der Umsatzsteuererklärung können jederzeit im Wege einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung überprüft werden.


Aber selbst wenn man von vergleichbaren Sachverhalten ausgehen wollte, wäre eine vermeintliche Ungleichbehandlung jedenfalls gerechtfertigt. Denn die unterschiedliche Überprüfbarkeit der Angaben des im Inland einerseits und des im Drittland andererseits ansässigen Unternehmers stellt einen sachlichen Grund hierfür dar. Denn der inländische Unternehmer kann im Wege einer Betriebsprüfung oder Umsatzsteuersonderprüfung durch die deutschen Finanzbehörden geprüft werden. Für den im Drittland ansässigen Unternehmer gibt es solche Überprüfungsmöglichkeiten nicht. Es gilt insoweit noch nicht einmal das EG-Amtshilfegesetz. Auskunftsklauseln in Doppelbesteuerungsabkommen sind regelmäßig auf Ertragsteuern beschränkt.


c.              Die mangelnde Ausdehnung der erweiterten Nachweismöglichkeiten des im Inland ansässigen Unternehmers auf im Ausland ansässige Unternehmer wird dadurch bestätigt, dass der deutsche Gesetzgeber in § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG ausdrücklich die Vorlage der Originalrechnung fordert. Für den im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer gilt insoweit auf der Grundlage des Diskriminierungsverbotes des EG-Rechts eine Ausnahme. Allerdings ist diese Ausnahme angesichts des eindeutigen deutschen Gesetzestextes restriktiv zu behandeln und nicht ohne weiteres in gleichem Maße auf in Drittstaaten ansässige Unternehmer zu erweitern.


4.              Der Forderung der Vorlage von Zweitschriften der Rechnungen oder Bestätigungen des Rechnungsausstellers zu den Rechnungskopien steht die EuGH- und BFH-Rechtsprechung nicht entgegen. Es gibt zwar Entscheidungen des EuGH und des BFH, wonach der Nachweis des Vergütungsanspruchs für den Fall des Abhandenkommens des Originals unter bestimmten Voraussetzungen nicht nur durch Vorlage einer Zweitschrift, sondern auch durch Vorlage einer Ablichtung der Rechnung geführt werden kann (EuGH-Urteil vom 11. Juni 1998 - C-361/96 - Grandes sources d´eaux minérales françaises, Slg. 1998-I, 3495; BFH-Urteile vom 20. August 1998 - V R 55/96, BFHE 186, 460, BStBl II 1999, 324; vom 18. Januar 2007 - V R 23/05, BFHE 217, 32, BStBl II 2007, 430). Jedoch haben der EuGH und der BFH in diesen Entscheidungen auch gefordert, dass der Antragsteller den Verlust der Originalrechnungen nicht zu vertreten haben muss.


Aus dem BFH-Urteil vom 19. November 1998 (V R 102/96, BFHE 187, 344, BStBl II 1999, 255), wonach es nicht auf die Umstände des Verlustes der Originalrechnung ankommt, ergibt sich indes nicht, dass die Vorlage einer Rechnungsfotokopie ausreicht.


5.              Schließlich rechtfertigt auch der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer keine andere Entscheidung. Dieser Grundsatz ist nicht der einzige Grundsatz des gemeinschaftsrechtlichen Umsatzsteuerrechts. Ein weiterer tragender Grundsatz besteht in der Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf die Waagschale sich in jedem Fall nicht zu stark auf der Seite des einen Ziels senken und damit die Erreichung des anderen gefährden (vgl. Schlussanträge vom 12. Februar 1998, C-361/96 - Grandes sources d´eaux minérales françaises, Slg. 1998-I, 3495). Nach Auffassung des Senats ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen den beiden Zielen gewahrt, wenn bei Verlust der Originalrechnung eine Zweitschrift als Ersatz vorgelegt werden kann.


6.              Diese Grundsätze gelten auch, obwohl die Klägerin die Rechnung später - nach Ablauf der Antragsfrist - wieder aufgefunden hat. Denn im Zeitpunkt der Antragstellung war die Rechnung der Klägerin subjektiv gesehen abhanden gekommen, da sie für sie nicht auffindbar war.


7.              Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung eingewendet hat, dass die Beschaffung einer Zweitschrift faktisch die Antragsfrist kürzen würde, ist dem entgegenzuhalten, dass die Klägerin hinreichend Zeit gehabt hätte, eine Zweitschrift zu beschaffen. Erfolgt die Zusammenstellung des Vorsteuervergütungsantrages erst kurz vor Fristablauf, trägt der Antragsteller das Risiko unvollständiger Unterlagen.


8.              Da es nicht auf das mangelnde Vertretenmüssen des Verlustes einer Rechnung ankommt, kann der klägerische Vortrag, dass Frau D die Originalrechnung im Dezember 2008 in einem Ordner aufgefunden habe, dahingestellt bleiben. Es bedarf insoweit keiner Beweisaufnahme, weil es hierauf für die Entscheidung nicht ankommt.


C.              Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.


D.              Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches der Klägerin abwenden, soweit die Klägerin nicht zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.


E.              Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.


F.              Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 63 GKG.




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