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Steuerrecht
18.06.2015
Steuerrecht
FG Köln: Vorsteuervergütung - Antragsfrist gilt auch für Einreichung der Rechnungen

FG Düsseldorf, Urteil vom 15.4.2015 – 2 K 2705/12

Leitsatz

Gemäß § 18 Abs. 9 Satz 2 Nr. 2 UStG i.V.m. § 61 Abs. 2 Satz 1 UStDV in der im Streitjahr gültigen Fassung ist der Vergütungsantrag eines im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers – wie im Streitfall der Klägerin – binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist. Der Unternehmer hat die Vergütung selbst zu berechnen (§ 18 Abs. 9 Satz 2 Nr. 2 UStG i.V.m. § 61 Abs. 2 Satz 2 UStDV). Dem Vergütungsantrag sind auf elektronischem Weg die Rechnungen und Einfuhrbelege in Kopie beizufügen, wenn das Entgelt für den Umsatz oder die Einfuhr mindestens 1.000 €, bei Rechnungen über den Bezug von Kraftstoff mindestens 250 € beträgt (§ 18 Abs. 9 Satz 2 Nr. 2 UStG i.V.m. § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV).

Dieser Wortlaut kann – entgegen der Auffassung der Klägerin - nur dahingehend verstanden werden, dass die Rechnungen mit dem Antrag einzureichen sind. Denn sie sind ihm ausdrücklich „beizufügen“. Die Frist für die Antragseinreichung gilt damit folglich auch für die Einreichung der Rechnungen.

g§§

Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten ist im Hinblick auf die von der Klägerin begehrte Vorsteuervergütung streitig, ob die eingescannten Originalrechnungen innerhalb der Antragsfrist einzureichen waren.

Die Klägerin ist ein in Italien ansässiges Unternehmen.

Am 29. September 2010 (Eingangsdatum) stellte sie über das bei der italienischen Finanzbehörde eingerichtete elektronische Portal einen Antrag auf Vorsteuervergütung gemäß § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59-61a UStDV für den Zeitraum Januar bis Dezember 2009 i.H.v. 249.592,18 €. Als Adresse für die elektronische Kommunikation war angegeben: a....._.......@.......com.

Dem geltend gemachten Anspruch liegen 553 Rechnungen zu Grunde. Diese waren dem Antrag nur zum Teil in eingescannter Form als Datei beigefügt. Vor Einreichung des Antrags hatte die Klägerin beim Infocenter des Beklagten per E-Mail angekündigt, einen Vorsteuervergütung mit einer Vielzahl von Rechnungen einreichen zu wollen, die in eingescannter Form jedoch eine Größe von mehr als 5 MB aufweisen und damit die Höchstgrenze für die Anlage überschreiten werde. Vor diesem Hintergrund fragte sie an, wie zu verfahren sei.

Der Beklagte antwortete hierauf mit E-Mail vom 13. Juli 2010, dass die Klägerin, soweit die Mindestgrenzen überschritten seien, Rechnungen bis zu einem Volumen von 5 MB mit dem Antrag übersenden solle. Sofern erforderlich, würden die fehlenden Belege per E-Mail angefordert.

Im Laufe des Antragsverfahrens stellte die Klägerin über ihre Bevollmächtigte, die Kanzlei ......, zwei Sachstandsanfragen. Eine Vollmacht wurde in diesem Zusammenhang nicht vorgelegt. Der Beklagte antwortete, indem er die Bevollmächtigte anschrieb.

Mit E-Mail vom 5. Juli 2011 forderte der Beklagte den im Antrag angegebenen Zustellvertreter auf, die Originalbelege, die den Grenzwert nach § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV (netto 1.000 € bzw. 250 € bei Bezug von Kraftstoffen) überschritten und bisher nicht übermittelt wurden, elektronisch bis zum 5. August 2011 zu übermitteln.

Die Klägerin reagierte hierauf nicht. Sodann wurde die Vorsteuervergütung mit Bescheid vom 2. September 2011 i.H.v. 92.572,91 € festgesetzt. Der Antrag wurde im übrigen mangels Vorlage der Rechnungen abgelehnt. In der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides wird unter Angabe der postalischen Anschrift und der E-Mail-Adresse darauf aufmerksam gemacht, dass der Einspruch beim Beklagten, schriftlich oder per E-Mail einzureichen bzw. zur Niederschrift zu erklären sei.

Mit E-Mail vom 16. September 2011 legte die Klägerin durch ihre Bevollmächtigte, die Kanzlei ...., Einspruch ein. Mit der Einspruchs-E-Mail wurden die fehlenden eingescannten Originalrechnungen, soweit sie die Mindestgrenzen überschritten, in mehreren elektronischen Dateien übersandt.

Mit Einspruchsentscheidung vom 30. Juli 2012 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung ihrer hiergegen fristgemäß erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, dass sie innerhalb der bis zum 31. März 2011 laufenden Frist einen wirksamen Vergütungsantrag gestellt habe.

Die Vorsteuervergütung hätte auch ohne die spätere Beifügung der Rechnungen auf elektronischem Weg gewährt werden müssen. Die spätere Anforderung der fehlenden Rechnungen am 5. Juli 2011 sei rechtswidrig gewesen, da sie nicht mehr hätte vorgenommen werden dürfen. Nach Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG könne der Mitgliedstaat der Erstattung (Deutschland) innerhalb der in Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9/EG genannten Viermonatsfrist elektronisch zusätzliche Informationen anfordern. Diese Frist sei am 29. September 2010 abgelaufen.

Der Antrag sei auch nicht deshalb unwirksam, weil die Kopien der Rechnungen auf elektronischem Weg erst nach Ablauf der Antragsfrist eingereicht worden seien.

Der Wortlaut des § 61 UStDV, des Art. 10 und des Art. 15 der Richtlinie 2008/9/EG ergebe nicht das Erfordernis einer Vorlagefrist für Kopien der Rechnungen auf elektronischem Weg. Eine Frist zur Einreichung von Rechnungskopien auf elektronischem Weg sehe das Gesetz ausdrücklich nicht vor.

Soweit dem Vergütungsantrag nach § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV auf elektronischem Weg die Rechnungen in Kopie beizufügen seien, sei gemeint, dass die Rechnungen auf elektronischem Weg im Zusammenhang mit dem Vorsteuervergütungsantrag einzureichen seien. Die Rechnungen müssten demnach nicht unmittelbar zusammen mit dem Antrag eingereicht werden, sondern könnten auch während des laufenden Festsetzungsverfahrens nachgereicht werden.

Der Erstattungsantrag gelte gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/9/EG nur dann als vorgelegt, wenn der Antragsteller alle in den Artikeln 8, 9 und 11 geforderten Angaben gemacht habe. Nicht aufgeführt sei in dieser Vorschrift Art. 10, der bestimme, dass der Mitgliedstaat der Erstattung verlangen könne, dass der Antragsteller zusammen mit dem Erstattungsantrag auf elektronischem Wege eine Kopie der Rechnung einreiche.

Aus der Nichtnennung des Art. 10 in Art. 15 folge, dass die Nicht-Beifügung der elektronischen Rechnungskopien für die Wahrung der Antragsfrist unschädlich sei.

Daraus folge, dass die nationalen Vorschriften gemeinschaftskonform dahingehend auszulegen seien, dass aus dem Begriff „sind beizufügen“ in § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV nicht folge, dass die Rechnungskopien innerhalb der Antragsfrist des § 61 Abs. 1 Satz 1 UStDV elektronisch einzureichen seien.

Auch sehe Art. 20 der Richtlinie 2008/9/EG selbst die Möglichkeit vor, nach Ablauf der Antragsfrist Rechnungen einzureichen. Nach dieser Vorschrift könne der Mitgliedstaat der Erstattung, wenn er der Auffassung sei, nicht über alle relevanten Informationen für die Entscheidung zu verfügen, ein Informationsersuchen an den Antragsteller richten.

Wenn man indes unterstellen würde, dass die Frist gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 UStDV auch für die Einreichung der Rechnungskopien gelten würde, hätte der Beklagte mit der elektronischen Einreichung der Rechnungskopien am 16. September 2011 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren müssen, da die Wiedereinsetzungsfrist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen gewesen sei.

Das Hindernis bestehe in der Beschränkung der Dateigröße für Anlagen bei Beantragung der Vergütung über das elektronische Portal. Da die größenmäßige Dateibeschränkung für Anlagen bis heute fortbestehe, habe die Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung noch gar nicht begonnen.

Dem Beklagten sei schließlich Art. 7 der Richtlinie 2008/9/EG entgegenzuhalten. Danach müsse der Steuerpflichtige „einen“ elektronischen Erstattungsantrag über das von dem Mitgliedstaat der Ansässigkeit eingerichtete elektronische Portal einreichen. Sie müsse sich daher nicht darauf verweisen lassen, dass sie ihren Vergütungsantrag auch auf mehrere Anträge hätte aufteilen können. Vielmehr liege auf Seiten der italienischen Finanzverwaltung eine Art Zugangsstörung vor. Da sich der Beklagte das Handeln der italienischen Finanzverwaltung zurechnen lassen müsse, könne der Beklagte keine Einwände gegen die nachgereichten Rechnungen vortragen.

Auf Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2015 hat die Klägerin vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Einspruchsfrist beantragt und gleichzeitig den Einspruch gegen den Bescheid des Beklagten vom 2. September 2011 zu Protokoll erklärt. Daraufhin hat die Vertreterin des Beklagten erklärt, dass sie den zu Protokoll erklärten Einspruch unter Bezugnahme auf die Begründung der Einspruchsentscheidung vom 30. Juli 2012 ablehnt.

Die Klägerin beantragt,              den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 2. September 2011 und Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 30. Juli 2012 und vom 15. April 2015 zu verpflichten, die Vorsteuervergütung für den Zeitraum Januar bis Dezember 2009 um 157.019,27 € zu erhöhen und damit auf insgesamt 249.592,18 € festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,              die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass keine Vorsteuervergütung erfolgen könne, soweit die Rechnungen nicht innerhalb der Antragsfrist eingereicht worden seien.

Durch Art. 10 der Richtlinie 2008/9/EG werde den nationalen Gesetzgebern die Ermächtigungsgrundlage eingeräumt, die Vorlage von Rechnungen ab einem Betrag i.H.v. 1000 € bzw. bei Rechnungen über Kraftstoffe ab einer Höhe von 250 € zusammen mit dem Vergütungsantrag verlangen zu können. Das insoweit eingeräumte Ermessen über die Festschreibung der Pflicht zur Vorlage der Rechnungen habe der deutsche Gesetzgeber durch § 18 Abs. 9 Satz 2 Nr. 4 UStG i.V.m. § 61 Abs. 2 UStDV zutreffend und entsprechend dem Wortlaut der EG-Richtlinie ausgeübt. Hierdurch sei richtlinienkonform verankert worden, dass sowohl die Rechnungen als auch der Vorsteuer Vergütungsantrag innerhalb der Antragsausschlussfrist eingereicht werden müssten. Nach § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV seien dem Vergütungsantrag die Rechnungen und Einfuhrbelege in Kopie beizufügen. Das Wort „beizufügen“ bedeute elektronische und zeitliche Verbundenheit.

Die Klägerin stütze sich darauf, dass Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG lediglich die Voraussetzungen der Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG nenne, damit ein Antrag als vorgelegt gelte. Eine systematische Auslegung des Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/9/EG ergebe aber, dass durch die mangelnde Aufnahme des Art. 10 nicht das Erfordernis entfallen sei, die Rechnungen innerhalb der Ausschlussfrist zusammen mit dem Antrag einzureichen. Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie nehme ausschließlich diejenigen Artikel in Bezug, welche sich auf den auszufüllenden Inhalt des Vergütungsantrag selbst, mithin auf die dort erforderlichen Angaben beziehen würden.

Der Verweis der Klägerin auf Art. 20 der Richtlinie gehe fehl. Die Klägerin führe aus, dass Art. 20 die Möglichkeit zur Anforderung von Rechnungen nach Ablauf der Antragsfrist einräume. Die Klägerin verkenne, dass es auch möglich sei, den Antrag zunächst ohne die Rechnungen einzureichen und diese nachträglich beizubringen, soweit beides innerhalb der Antragsausschlussfrist erfolge.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, da die Monatsfrist des § 110 Abs. 2 AO versäumt worden sei.

Die Vereinbarung über die spätere Nachreichung sei ursächlich für die Fristversäumnis. Die Größenbegrenzung des Dateianhangs sei hingegen für die Fristversäumnis nicht ursächlich, da die Klägerin ihren Antrag in mehrere Teile hätte aufteilen können. Ferner sei eine Übersendung durch mehrere E-Mails möglich gewesen. Die Aufforderung zur Beibringung der Rechnungen sei am 5. Juli 2011 ergangen. Damit sei das Hindernis zur Einhaltung der Frist weggefallen. Dennoch habe die Klägerin erst am 16. September 2011 nach Ablauf der einmonatigen Frist die entsprechenden Belege eingereicht.

Aus den Gründen

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

A.              Der Zulässigkeit der Klage steht insbesondere nicht das Erfordernis der erfolglosen Durchführung eines Vorverfahrens gemäß § 44 Abs. 1 FGO entgegen. Dieses ist jedenfalls mit Erlass der Einspruchsentscheidung vom 15. April 2015 gegeben.

Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob der per E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur eingelegte Einspruch vom 16. September 2011 das Schriftformerfordernis des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wahrt (vgl. hierzu im Einzelnen FG Kassel, Urteil vom 2. Juli 2014 – 8 K 1658/13, EFG 2014, 1749; Revision eingelegt, Az. BFH: III R 26/14). Denn die Rechtsbehelfsbelehrung des Vorsteuervergütungsbescheides vom 2. September 2011 weist ausdrücklich darauf hin, dass der Einspruch per E-Mail eingelegt werden kann. Auf das Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur wird dabei nicht aufmerksam gemacht. Die Rechtsbehelfsbelehrung kann aus der Sicht des objektiven Empfängerhorizonts nur so verstanden werden, dass die Einlegung des Einspruchs mit einfacher E-Mail wirksam ist.

Angesichts dessen ist der Klägerin im Hinblick auf die möglicherweise versäumte Einspruchsfrist jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO zu gewähren. Dem steht nicht die Jahresfrist nach § 110 Abs. 3 AO entgegen. Denn sollte eine Einspruchseinlegung mit einfacher E-Mail nicht dem Schriftlichkeitserfordernis genügen, wäre die Rechtsbehelfsbelehrung des Beklagten fehlerhaft. Dieses Verhalten der Behörde wäre mit höherer Gewalt i.S.d. § 110 Abs. 3 AO gleichzusetzen. Eine Fristversäumnis darf dem Betroffenen nämlich dann nicht angelastet werden, wenn er durch arglistiges Verhalten seines Gegners an der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsbehelfs gehindert worden ist oder wenn die Fristversäumnis auf das rechts- oder treuwidrige Verhalten der Behörde zurückgeführt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 12.01.2011 – I R 37/10, BFH/NV 2011, 1281).

Die versäumte Handlung, die Einlegung eines (jedenfalls) formgerechten Einspruchs, wurde am 15. April 2015 nachgeholt. Der Beklagte hat hierüber mit Einspruchsentscheidung vom 15. April 2015 entschieden.

Damit liegt ein erfolgloses Vorverfahren vor. Dass die Einspruchsentscheidung erst in der mündlichen Verhandlung ergangen ist, ist unschädlich. Denn es handelt sich um eine Sachurteilsvoraussetzung. Es reicht aus, wenn die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 FGO bis zum Ergehen des Urteils vorliegen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Januar 2009 - IX B 178/08, Juris).

B.              Der Vergütungsbescheid vom 2. September 2011 und die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 30. Juli 2012 und vom 15. April 2015 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO). Die begehrte Vorsteuervergütung ist zu versagen, da es an der elektronischen Übermittlung der eingescannten Rechnungen an den Beklagten innerhalb der Antragsfrist mangelt.

I.              Gemäß § 18 Abs. 9 Satz 2 Nr. 2 UStG i.V.m. § 61 Abs. 2 Satz 1 UStDV in der im Streitjahr gültigen Fassung ist der Vergütungsantrag eines im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers – wie im Streitfall der Klägerin – binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist. Der Unternehmer hat die Vergütung selbst zu berechnen (§ 18 Abs. 9 Satz 2 Nr. 2 UStG i.V.m. § 61 Abs. 2 Satz 2 UStDV). Dem Vergütungsantrag sind auf elektronischem Weg die Rechnungen und Einfuhrbelege in Kopie beizufügen, wenn das Entgelt für den Umsatz oder die Einfuhr mindestens 1.000 €, bei Rechnungen über den Bezug von Kraftstoff mindestens 250 € beträgt (§ 18 Abs. 9 Satz 2 Nr. 2 UStG i.V.m. § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV).

Dieser Wortlaut kann – entgegen der Auffassung der Klägerin - nur dahingehend verstanden werden, dass die Rechnungen mit dem Antrag einzureichen sind. Denn sie sind ihm ausdrücklich „beizufügen“. Die Frist für die Antragseinreichung gilt damit folglich auch für die Einreichung der Rechnungen.

Für ein solches Verständnis spricht auch der Zusammenhang von § 61 Abs. 2 Sätze 1 und 2 UStDV, die beide den Vergütungsantrag betreffen. Dies hat der BFH zur Vorgängerregelung dieser Norm auch schon bestätigt: § 18 Abs. 9 UStG a.F. sah in Satz 3 die Antragsfrist und in Satz 4 die eigene Berechnung sowie „Vorlage“ der Rechnungen vor (vgl. BFH-Urteile vom 18. Januar 2007 – V R 23/05, BFHE 217, 32, BStBl II 2007, 430; vom 14. Mai 2008 – XI R 58/06, BFHE 221, 505, BStBl II 2008, 831). Zwar hat der BFH u.a. darauf abgestellt, dass auch Satz 5 des § 18 Abs. 9 UStG a.F., der die Unterschrift des Antrags forderte, den Antrag betrifft und das Erfordernis der Einreichung der Originalrechnungen somit zwischen Sätzen eingebettet war, die den Antrag betrafen. Allerdings hat das Verständnis des BFH zur Einreichung der Originalrechnungen innerhalb der Antragsfrist nach § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG a.F. auch für die neue Regelung des § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV Geltung. § 18 Abs. 9 Sätze 3 und 4 UStG a.F. entsprechen vom Regelungsgegenstand her dem § 61 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 UStDV n.F. Die Regelung des § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG a.F., die das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift vorsah, ist in § 61 Abs. 2 UStDV nicht übernommen worden, da diese bei einem Antrag in elektronischer Form naturgemäß nicht möglich ist. Dass die systematische „Einbettung“ des Erfordernisses der Rechnungseinreichung im alten Recht damit entfallen ist, findet seine Ursache folglich darin, dass mangels Papierantrages nicht mehr an dem Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift festgehalten wurde. Es ist nicht erkennbar, dass hierdurch die systematische Verbindung zwischen Antrag und Rechnungseinreichung aufgelöst werden sollte.

Auch die Gesetzesmaterialien stützen dieses Verständnis. In den Gesetzesmaterialien werden die Unterschiede zwischen alter und neuer Regelung dargelegt. Soweit es um die Einreichung der Rechnungen geht, wird als Neuregelung lediglich hervorgehoben, dass nicht mehr die Originalrechnungen bzw. Einfuhrdokumente vorzulegen sind, da nunmehr auf elektronischem Wege Rechnungskopien einzureichen sind (vgl. BT-Drucks. 16/11108, Seite 40). Auch wird dargelegt, dass Rechnungen in Kopie auf elektronischem Wege dem Antrag nur beizufügen sind, wenn bestimmte Mindestbeträge überschritten werden (vgl. BT-Drucks. 16/11108, Seite 43). Im Umkehrschluss kann aus den vom Gesetzgeber dargelegten Änderungen durch das neue Vorsteuervergütungsverfahren geschlossen werden, dass das Erfordernis der Einreichung der Rechnungen zusammen mit dem Antrag innerhalb der Antragsfrist nicht entfallen ist, sondern sich insoweit nichts geändert hat.

II.              Diese Auslegung ist auch gemeinschaftsrechtlich geboten (vgl. zur richtlinienkonformen Auslegung der nationalen Vorschriften über das Vorsteuer-Vergütungsverfahren: BFH-Urteile vom 22. Mai 2003, V R 97/01, BFHE 203, 193, BStBl II 2003, 819; vom 22. Oktober 2003, V R 95/01, BFH/NV 2004, 828; vom 23. Oktober 2003, V R 48/01, BFHE 203, 531, BStBl II 2004, 196; vom 10. Februar 2005, V R 56/03, HFR 2005, 1208; vom 18. Januar 2007, V R 23/05, BFHE 217, 32, BStBl II 2007, 430).

Nach Art. 10 der Richtlinie 2008/9/EG vom 12. Februar 2008 kann der Mitgliedstaat der Erstattung verlangen, dass der Antragsteller zusammen mit dem Erstattungsantrag auf elektronischem Wege eine Kopie der Rechnung oder des Einfuhrdokuments einreicht, falls sich die Steuerbemessungsgrundlage auf einer Rechnung oder einem Einfuhrdokument auf mindestens 1.000 €, im Falle von Rechnungen für Kraftstoff auf mindestens 250 € beläuft. Auch die EG-Richtlinie sieht damit die Einreichung der Rechnung zusammen mit dem Antrag vor. Der deutsche Gesetz- bzw. Normgeber hat diese optionalen Vorgabe in § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV übernommen.

Der Erstattungsantrag muss dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/9/EG spätestens am 30. September des auf den Erstattungszeitraum folgenden Kalenderjahres vorliegen. Daraus folgt, dass auch die zusammen mit dem Antrag einzureichenden Rechnungen innerhalb dieser Frist einzureichen sind.

Entgegen der Auffassung der Klägerin steht dem nicht entgegen, dass der Erstattungsantrag nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/9/EG nur dann als vorgelegt gilt, wenn der Antragsteller alle in den Artikeln 8, 9 und 11 geforderten Angaben gemacht hat. Hieraus ist nicht zu schließen, dass der Antrag auch ohne Beifügung der Rechnungen nach Art. 10 als vorgelegt gilt. Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/9/EG betrifft lediglich die Angaben im Antrag und stellt sicher, dass ein Vordruck, der nicht die genannten Angaben enthält, als nicht vorgelegt gilt. Nicht betroffen sind von dieser Regelung die Anlagen, zu denen auch die Rechnungen gehören.

Nichts anderes ergibt sich auch aus Art. 20 Abs. 1, Unterabsatz 3 der Richtlinie 2008/9/EG. Hiernach können die innerhalb von vier Monaten ab Antragseingang angeforderten Informationen zwar die Einreichung des Originals oder der Durchschrift der einschlägigen Rechnung erfassen. Diese Regelung betrifft indes den Fall, dass der Mitgliedstaat der Erstattung begründete Zweifel am Bestehen einer Forderung hat. In diesem Fall kann die Einreichung des Originals oder der Durchschrift der Rechnung in Papierform verlangt werden. Hiervon bleibt die Pflicht zur Einreichung der Rechnungskopien zusammen mit dem Erstattungsantrag auf elektronischem Wege nach Art. 10 Satz 1 der Richtlinie 2008/9/EG unberührt.

III.              Die Klägerin hat die hier streitigen Rechnungen auf elektronischem Wege erst nach Ablauf der Vorsteuervergütungsfrist und damit verspätet vorgelegt. Denn die Frist lief am 31. März 2011 ab (vgl. hierzu Richtlinie 2006/112/EG i.V.m. BMF-Schreiben vom 1. November 2010 - IV D 3S 7359/10/10004 (BStBl I 2010, 1280). Eingereicht wurden die Rechnungen auf elektronischem Wege erst am 16. September 2011.

Damit wurden die streitigen Rechnungen verspätet eingereicht und finden keine Berücksichtigung. Denn die Vorsteuervergütungsfrist des § 18 Abs. 9 Satz 2 Nr. 2 UStG i.V.m. § 61 Abs. 2 Satz 1 UStDV ist eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist.

Die deutsche Regelung der Vergütungsfrist nach § 18 Abs. 9 Satz 2 Nr. 2 UStG i.V.m. § 61 Abs. 2 Satz 1 UStDV als Ausschlussfrist basiert auf Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG. Hiernach muss der Erstattungsantrag dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, spätestens am 30. September des auf den Erstattungszeitraum folgenden Kalenderjahres vorliegen. Aus dem Begriff „spätestens“ ergibt sich, dass es sich um eine Ausschlussfrist handelt (so zu Art. 7 Abs. 1, Unterabsatz 1, letzter Satz der Achten EG-Richtlinie: EuGH, Urteil vom 21. Juni 2012, C-294/11 – Elsacom, Abl EU 2012, Nr. C 250, 8; DStR 2012, 1272; vgl. BFH-Beschlüsse vom 9. Januar 2014 – XI B 11/13, abrufbar über Juris; vom 14. Dezember 2012 – V B 19/12, BFH/NV 2013, 602; vom 14. Dezember 2012 – V B 20/12, BFH/NV 2013, 996; vom 24. Juli 2012 – V B 76/11, BFH/NV 2012, 1840; Urteil vom 21. Oktober 1999, V R 76/98, BStBl II 2000, 214 - es ist nicht ersichtlich, dass sich im Verhältnis zur neuen Regelung des Art. 15 hieran etwas geändert hat, zumal auch Art. 15 die Frist mit dem Begriff „spätestens“ regelt).

IV.              Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es für die Prüfung der fristgemäßen Einreichung der Rechnungen unerheblich, dass der Beklagte nicht binnen vier Monaten nach Antragseingang die fehlenden Rechnungen nach Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG beim Kläger angefordert hat. Hierbei handelt es sich lediglich um eine „kann“-Vorschrift. Ein Ermessensfehlgebrauch des Beklagten ist insoweit nicht ersichtlich. Außerdem sieht Art. 20 Abs. 1 als Rechtsfolge eines vermeintlichen Verstoßes durch den Beklagten nicht vor, dass verspätet eingereichte Rechnungen als fristgemäß eingegangen gelten oder eine entsprechende Fristversäumnis unbeachtlich wäre.

V.              Der Klägerin ist für die Einreichung der Rechnungen keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO zu gewähren.

1.              War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm nach § 110 Abs. 1 Satz 1 AO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen (§ 110 Abs. 1 Satz 2 AO). Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 110 Abs. 2 Satz 1 AO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen (§ 110 Abs. 2 Satz 3 AO).

2.              Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

a.              Die Klägerin hat die Monatsfrist nach § 110 Abs. 2 Satz 1 AO versäumt.

aa.              Das Hindernis besteht in der Aufforderung des Beklagten vom 13. Juli 2010, auf die Anforderung der fehlenden Rechnungen per E-Mail zu warten.

Mit E-Mail vom 5. Juli 2011 hat der Beklagte die Klägerin aufgefordert, die Originalbelege, die bisher nicht übermittelt wurden, elektronisch bis zum 5. August 2011 einzureichen. Ab dieser Aufforderung ist das Hindernis entfallen. Es bestand für die Klägerin kein Grund mehr, die Rechnungen nicht einzureichen. Innerhalb der ab diesem Zeitpunkt laufenden einmonatigen Frist hat die Klägerin die Rechnungen nicht in elektronischer Form eingereicht und damit nicht die versäumte Handlung nachgeholt. Dies geschah erst am 16. September 2011.

Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass die E-Mail vom 5. Juli 2011 nicht unbeantwortet geblieben wäre, wenn sie an ihre Bevollmächtigte, die Kanzlei ...., gesendet worden wäre, verfängt dieser Einwand nicht. Denn der Beklagte hat die E-Mail vom 5. Juli 2011 zu Recht an die im Vergütungsantrag genannte Kontaktadresse gerichtet. Die Bevollmächtigte hat zwar zwei Sachstandsanfragen gestellt, sie hat sich jedoch nicht als Verfahrensbevollmächtigte bestellt.

bb.              Der Klägerin ist nicht dahingehend zu folgen, dass das Hindernis darin besteht, die Rechnungen nicht in einer Datei über das elektronische Portal übermitteln zu können. Dies mag ursprünglich ein Hindernis gewesen sein, das aber in dem Moment entfallen ist, in dem der Beklagte eine alternative Übersendungsmöglichkeit aufgezeigt hat. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass sie die Rechnungen in einem einzigen Vorgang übermittelt.

b.              Darüber hinaus war die Fristversäumnis auch nicht unverschuldet.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinderndes Verschulden ist bereits im Falle leichter Fahrlässigkeit anzunehmen (vgl. BFH-Beschluss vom 17. September 2007 – I B 74/07, abrufbar über Juris; Beschluss vom 17. Februar 2010 – I R 38/09, BFH/NV 2010, 1283). Jedes Verschulden - also auch eine einfache Fahrlässigkeit - schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Dezember 2003 – XI B 181/01, BFH/NV 2004, 526). Ohne Verschulden verhindert ist jemand daher nur dann, wenn er die für einen gewissenhaft und sachgemäß handelnden Verfahrensbeteiligten gebotene und ihm nach den Umständen zumutbare Sorgfalt beachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 29. Februar 2012 – IX R 3/11, BFH/NV 2012, 915 m.w.N.; Beschluss vom 17. Februar 2010 – I R 38/09, BFH/NV 2010, 1283).

Im Streitfall hat die Klägerin nicht dargelegt, aus welchem Grund sie nicht binnen eines Monats ab der entsprechenden Aufforderung des Beklagten vom 5. Juli 2011 die Rechnungen in elektronischer Form eingereicht hat. Entschuldigungsgründe sind auch im Übrigen nicht erkennbar. Dies wirkt sich zu Lasten der Klägerin aus, die insoweit die objektive Feststellungslast (Beweislast) trägt.

VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

VII. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 63 GKG.

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