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Steuerrecht
02.06.2022
Steuerrecht
Niedersächsisches FG: Vorsteuerberichtigungsanspruch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Niedersächsisches FG, Urteil vom 19.8.2021 – 11 K 133/20

ECLI:DE:FGNI:2021:0819.11K133.20.00

Volltext BB-Online BBL2022-1302-1

Amtliche Leitsätze

1. Eine Steuerberechnung ist eine formlose Mitteilung an den Insolvenzverwalter.

2. Die Umsatzsteuer- und Vorsteuerberichtigung sind nach § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG bedingungslos und zeitgleich vorzunehmen.

3. Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 InsO liegen bereits bei einem sonstigen Bezug zur Insolvenzmasse vor.

§ 118 AO, § 129 InsO, § 144 InsO, § 38 InsO, § 55 InsO, § 17 UStG, § 17 Abs 1 UStG, § 17 Abs 2 Nr 1 UStG

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten bei der Umsatzsteuer 2015 darüber, ob eine Steuerberechnung einen Verwaltungsakt darstellt, ob vorliegend die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 17 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) gegeben sind und ob es sich bei der daraus resultierenden Zahllast um eine Masseverbindlichkeit handelt.

Die X-GmbH (im Folgenden: GmbH) mit Sitz in A war Teil der D-Gruppe. Die Unternehmensgruppe war auf dem Gebiet der […] tätig. Zu der Unternehmensgruppe gehörte die […] als Holdinggesellschaft mit ihren operativen Tochtergesellschaften, u. a. der GmbH. Die GmbH erbrachte die […] und verfügte über […]. Eine umsatzsteuerliche Organschaft lag nicht vor.

Über das Vermögen der Holdinggesellschaft sowie mehrerer ihrer Tochtergesellschaften wurde im Jahr […] jeweils ein Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Auch über das Vermögen der GmbH eröffnete das Amtsgericht […] mit Beschluss vom […] ein Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.

In der Zeit vor Insolvenzeröffnung bezog die GmbH zum Vorsteuerabzug berechtigende Eingangsleistungen und -lieferungen von Unternehmen, die nicht zur D-Gruppe gehörten. Den Vorsteuerabzug aus diesen Lieferungen und Leistungen nahm die GmbH in den entsprechenden Veranlagungszeiträumen vor Insolvenzeröffnung in Anspruch. Die entsprechenden Eingangsrechnungen waren jeweils an die GmbH als Leistungsempfängerin adressiert. Sie wurden jedoch u.a. von der mittlerweile ebenfalls insolventen Holdinggesellschaft sowie ihrer Schwestergesellschaft G bezahlt, wobei der Grund für diese übernommenen Zahlungen nicht mehr feststellbar war. Auch die GmbH bezahlte vor der Insolvenzeröffnung Eingangsrechnungen der Holdinggesellschaft sowie ihrer Schwestergesellschaften. Im Rahmen der Insolvenzverfahren der Holdinggesellschaft und der G forderte der Kläger als deren Insolvenzverwalter die an die leistenden Unternehmer gezahlten Beträge in Höhe von insgesamt x,xx Euro brutto im Wege der Insolvenzanfechtung nach § 134 der Insolvenzordnung (InsO) als sog. unentgeltliche Leistung zurück. Die leistenden Unternehmer zahlten die entsprechenden Beträge im Jahr 2015 an die Insolvenzmasse der jeweils ursprünglich die Zahlung veranlassten Holdinggesellschaft bzw. der G zurück. Mit der Rückzahlung lebte der Anspruch auf Zahlung des leistenden Unternehmers gegen die GmbH nach § 144 Abs. 1 InsO wieder auf und konnte von ihm zur Insolvenztabelle der GmbH angemeldet werden. Eine Zahlung blieb bislang aus und wird erst im Rahmen einer etwaigen Verteilung der Insolvenzmasse bei Abschluss des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH erfolgen.

Der Kläger reichte für das Streitjahr eine Umsatzsteuererklärung unter der Massesteuernummer der GmbH ein, welche nach § 168 der Abgabenordnung (AO) einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand.

Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der GmbH stellte der Prüfer u. a. für das Streitjahr den zuvor dargestellten Sachverhalt fest. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom xx.xx.2019 Bezug genommen.

Der Beklagte folgte den Feststellungen des Umsatzsteuer-Sonderprüfers und erließ unter der Massesteuernummer für das Jahr 2015 einen Umsatzsteuerbescheid, in dem er die an die GmbH gezahlte Vorsteuer aufgrund der von den leistenden Unternehmern getätigten Rückzahlungen gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG zurückforderte. Den Umsatzsteuerbescheid adressierte der Beklagte an den vom Kläger beauftragten Steuerberater. Als Bekanntgabe- und Inhaltsadressat gab er „Insolvenzverfahren X-GmbH“ an.

Nachdem sich der Kläger gegen diesen Umsatzsteuerbescheid wandte, hob der Beklagte ihn mangels wirksamer Bekanntgabe auf. Damit war die erstmalige Steuerfestsetzung wieder wirksam.

Der Beklagte ordnete die zurückgeforderten Vorsteuerbeträge nunmehr als Insolvenzforderung und nicht länger als Masseverbindlichkeit ein. Es erging deshalb für das Jahr 2015 unter der vor Insolvenzeröffnung geltenden Umsatzsteuernummer der GmbH eine Steuerberechnung, welche als Grundlage für eine Anmeldung der Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle dienen sollte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Steuerberechnung Bezug genommen. Eine Anmeldung zur Insolvenztabelle erfolgte nicht.

Einige Monate später informierte der Beklagte den Kläger darüber, dass beabsichtigt sei, die Steuerberechnung wieder aufzuheben und einen entsprechenden Steuerbescheid unter der Massesteuernummer zu erlassen. Nach nochmaliger Prüfung sei festgestellt worden, dass es sich bei den zurückgeforderten Vorsteuerbeträgen um Masseverbindlichkeiten handele. Anschließend teilte der Beklagte dem Kläger die sofortige Aufhebung der Steuerberechnung mit und wies dabei darauf hin, dass es dafür keiner Änderungsvorschrift bedürfe. Schließlich handele es sich bei der Steuerberechnung nicht um einen Verwaltungsakt. Gleichzeitig erließ er für das Streitjahr nach § 164 Abs. 2 AO unter der Massesteuernummer einen entsprechenden Umsatzsteuerbescheid.

Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom xx.xx.2020 als unbegründet zurückwies. Die Zurückweisung begründete er damit, dass die ergangene Steuerberechnung über Umsatzsteuer 2015 wirksam aufgehoben worden sei und dem Erlass des streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheides nicht entgegenstehe. Die Steuerberechnung stelle keinen Verwaltungsakt dar, weil sie keine unmittelbare Rechtswirkung nach außen entfalte. Sie diene lediglich als Berechnungsgrundlage für eine Anmeldung zur Insolvenztabelle nach § 174 InsO. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass durch die ergangene Steuerberechnung seitens der Finanzbehörde eine Einordnung der Zahllast als Insolvenzforderung zum Ausdruck gebracht werde. Die unmittelbare Rechtswirkung nach außen werde erst durch die Anmeldung zur Insolvenztabelle entfaltet, weshalb die Anmeldung zur Tabelle auch einer Steuerfestsetzung gleichstehe. Die Anmeldung zur Insolvenztabelle sei daher der Verwaltungsakt, der einer Korrekturmöglichkeit nach den Vorschriften der Abgabenordnung bedürfe. Die Steuerberechnung könnte jedoch jederzeit geändert werden, solange – wie im Streitfall – noch keine Anmeldung zur Tabelle erfolgt sei. Dafür spreche auch die Existenz der Regelung des § 251 Abs. 3 AO und damit das Erfordernis eines Feststellungsbescheids.

Darüber hinaus seien durch die Rückzahlungen der leistenden Unternehmer infolge der Insolvenzanfechtung die Entgelte für die Eingangsleistungen der GmbH wegen des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH (nachträglich) uneinbringlich geworden. Deshalb hätten die Gläubiger ihre Umsatzsteuer nach § 17 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen. Ebenso sei wegen der nachträglichen Vereinnahmung zeitgleich auch die Vorsteuer gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen.

Entgegen der Auffassung des Klägers setze § 17 UStG nicht voraus, dass die Rückzahlung des Entgelts an den Leistungsempfänger erfolgt sei. Tatbestandsmerkmal sei die nachträgliche Vereinnahmung des Entgelts. An die vereinnahmende Person werde jedoch keine Voraussetzung geknüpft bzw. Anforderung gestellt. Da auch der Anspruch auf Vorsteuerabzug nach § 15 UStG nicht davon abhängig sei, wer die Zahlung geleistet habe, hänge eine Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG nicht davon ab, wer die Rückzahlung nachträglich vereinnahmt habe. Auch § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG, auf den § 17 Abs. 2 UStG Bezug nehme, stelle keine Anforderungen an die vereinnahmende Person. Danach sei der Vorsteuerabzug lediglich bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden sei, zu berichtigen sei.

Im Übrigen handele es sich bei den entstandenen Vorsteuerberichtigungsansprüchen um Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt InsO. Dafür seien – wie im Streitfall – weder ein ursächliches Verhalten des Insolvenzverwalters noch die Rückzahlung des Entgelts in die Insolvenzmasse erforderlich. Hierfür genüge nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 16.12.2009, 8 C 9/09 und des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29.08.2007, XI R 4/07 lediglich, dass die Abgabenforderungen – also die vom Beklagten zurückgeforderten Vorsteuerbeträge – selbst einen Bezug zur Insolvenzmasse aufwiesen und erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden seien. Im Streitfall seien in der Insolvenzmasse der GmbH Vorsteuerbeträge enthalten, die dem Kläger als Insolvenzverwalter aufgrund des bestehenden Vorsteuerberichtigungsanspruchs nicht zur Verfügung stünden.

Das vom Kläger angeführte BFH-Urteil vom 06.06.2019, V R 51/17 stehe der Rechtsauffassung des Beklagten nicht entgegen, weil er mit dem Streitfall nicht vergleichbar sei. Der BFH habe lediglich entschieden, dass eine Tätigkeit des Insolvenzschuldners nicht zu Masseverbindlichkeiten führe, wenn der Insolvenzverwalter nichts davon gewusst habe und die Erträge aus der Tätigkeit nicht der Masse zugeflossen seien. Danach sei nicht nur kein Zufluss zur Masse erfolgt, sondern kumulativ habe es auch am Wissen des Insolvenzverwalters gemangelt.

Darüber hinaus bestimme sich die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen nach ständiger Rechtsprechung danach, ob der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht habe und damit abgeschlossen sei. Der Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 13 UStG sei hingegen nicht maßgeblich. Hierzu verweist der Beklagte auf das BFH-Urteil vom 08.03.2012, V R 24/11, BFHE 236, 274, BStBl. II 2012, 466 m. w. N.

Der umsatzsteuerrechtliche Berichtigungsanspruch sei im Rahmen der Masseverwaltung entstanden. Hierzu gehöre die Geltendmachung und Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen nach §§ 129 ff. InsO. Auch sei der den umsatzsteuerrechtlichen Berichtigungsanspruch begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften nicht bereits vor, sondern erst nach Insolvenzeröffnung mit der Entgeltrückgewähr vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen gewesen.

Mit seiner am xx.xx.2020 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor, dass dem streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheid die vorangegangene Steuerberechnung entgegenstehe. Zudem lägen die Voraussetzungen des vom Beklagten angenommenen Vorsteuerberichtigungsanspruchs nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG nicht vor. Überdies stelle die daraus resultierende Umsatzsteuerzahllast keine Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar.

Die Steuerberechnung stelle entgegen der Auffassung des Beklagten im Streitfall einen sonstigen Verwaltungsakt i. S. d. § 118 Satz 1 AO mit dem Regelungsgehalt dar, dass die darin berechnete Steuerforderung wegen (angeblicher) Vorsteuerberichtigungen nicht mittels Steuerbescheid gegen den Kläger festgesetzt werden könne, weil es sich nicht um eine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO handele. Grundsätzlich sei eine Steuerberechnung zwar kein Verwaltungsakt. Aufgrund der Vorgeschichte der Steuerberechnung sowie ihren Erläuterungen sei im Streitfall jedoch ausnahmsweise nach Auslegung ein Verwaltungsakt anzunehmen. Dabei sei der maßgebliche Regelungsgehalt aus der Perspektive des Adressaten und nach den Maßstäben der entsprechend anwendbaren §§ 133, 157 BGB und dem Grundsatz von Treu und Glauben zu ermitteln. Die Außenwirkung der Steuerberechnung ergebe sich durch die erfolgte Bekanntgabe an den Kläger.

Im Streitfall habe der Beklagte ein schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten des Klägers geschaffen. Der Kläger sei nach Erlass der Steuerberechnung davon ausgegangen, dass der Beklagte sich der Rechtsauffassung des Klägers angeschlossen habe und den fraglichen Steueranspruch nicht als Masseverbindlichkeit ansehe. Diese Rechtsauffassung ergebe sich auch aus den Erläuterungen in der Steuerberechnung. Dort heiße es gerade nicht wie bei Steuerberechnungen im Insolvenzverfahren üblich, dass die Berechnung als Grundlage einer Anmeldung zur Insolvenztabelle dienen solle. Es werde vielmehr auf den Prüfungsbericht, in dem die streitige Steuerforderung als Masseverbindlichkeit qualifiziert worden sei, Bezug genommen.

Bei der Frage, ob eine Steuer mittels Steuerbescheid als Masseverbindlichkeit gegen die Insolvenzmasse, als Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen festgesetzt werden dürfe oder ob sie als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anzumelden sei, handele es sich zudem um eine Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Dies ergebe sich bereits aus der Existenz der Regelung des § 251 Abs. 3 AO, der die Möglichkeit eines Feststellungsbescheids zu dieser Frage vorsehe. Darüber hinaus verbiete die Existenz des § 251 Abs. 3 AO nicht, die Frage nach der insolvenzrechtlichen Qualifizierung eines Steueranspruchs in einem Verwaltungsakt zu regeln.

Der streitgegenständliche Steuerbescheid hätte im Streitfall nicht erlassen werden dürfen, weil die vorangegangene Steuerberechnung als Verwaltungsakt mangels einschlägiger Änderungsvorschrift nicht wirksam aufgehoben worden sei.

Darüber hinaus seien die Voraussetzungen des Berichtigungstatbestandes des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG im Streitfall nicht erfüllt, weil der Insolvenzverwalter der GmbH den angefochtenen Entgeltbetrag weder tatsächlich vereinnahmt habe noch über Herausgabeansprüche gegen die den angefochtenen Entgeltbetrag vereinnahmenden Insolvenzverwalter der Holdinggesellschaft bzw. der G verfüge. Hinsichtlich der Vorsteuerberichtigung stelle der BFH auf Ebene des Leistungsempfängers auf § 17 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ab. Dadurch werde deutlich, dass der BFH für die Vorsteuerberichtigung den tatsächlichen Zufluss des zurückgezahlten Entgelts bei dem Leistungsempfänger, der den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen habe, als maßgeblich für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG ansehe. Auch im Rahmen der Soll-Besteuerung werde lt. BFH-Rechtsprechung auf die tatsächliche Vereinnahmung des Entgelts abgestellt. Im Ergebnis werde die Umsatzbesteuerung in der Insolvenz faktisch auf eine Ist-Besteuerung umgestellt.

Aus dem Umstand, dass für die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG nicht erforderlich sei, dass der Leistungsempfänger das Entgelt selbst aus seinem Vermögen entrichte, könne nicht geschlossen werden, dass es für die Vorsteuerberichtigung nach § 17 UStG auch nicht auf die Vereinnahmung des Entgelts in der Person des Leistungsempfängers ankomme. Denn ob eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen sei oder nicht, richte sich allein nach den gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG. Es handele sich hierbei um einen eigenständigen Steuertatbestand, der unabhängig von dem Tatbestand des § 15 UStG zu prüfen sei.

Auch die Finanzverwaltung knüpfe die Annahme des Vorsteuerberichtigungstatbestandes an das tatsächliche Vereinnahmen des angefochtenen Entgeltbetrages durch den Insolvenzverwalter des den Vorsteuerabzug in Anspruch genommenen Leistungsempfängers. Hierzu verweist der Kläger auf das BMF-Schreiben vom 03.07.2017 und den Abschnitt 17.1 Abs. 17 des Umsatzsteueranwendungserlasses (UStAE).

Im Übrigen läge im Streitfall aber auch keine Masseverbindlichkeit vor, weil die Zahllast entgegen § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO weder einen Gegenstand der Insolvenzmasse betreffe noch – wie oben aufgezeigt – eine Gegenleistung in die Insolvenzmasse geflossen sei. Der BFH habe die Geltendmachung und Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen nach §§ 129 ff. InsO als eine Handlung des Insolvenzverwalters im Rahmen seiner Masseverwaltung qualifiziert. Dabei müsse es sich nicht – wie im Streitfall – nur um die Verwaltungshandlung irgendeines Insolvenzverwalters handeln, sondern um eine eines solchen Insolvenzverwalters der Insolvenzmasse, der der Anfechtungsanspruch zustehe. Ein irgendwie gearteter Bezug zur Insolvenzmasse reiche hingegen für die Annahme einer Masseverbindlichkeit nicht aus. Überdies werde nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG nicht der ursprüngliche Vorsteuerabzug rückgängig gemacht, sondern ein neuer, eigenständiger Steuertatbestand verwirklicht.

Da das im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am xx.xx.xxxx vorhandene Vermögen und das während des Verfahrens erlangte Vermögen der GmbH durch die Drittanfechtung nicht berührt würden, fehle es an jeglichem Bezug zu der vom Kläger verwalteten Insolvenzmasse der GmbH.

Ergänzend verweist der Kläger auf ein Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 29.05.2019, 8 K 1108/17, EFG 2020, 1862, gegen welches Revision eingelegt worden sei. Der Entscheidung liege ein mit dem Streitfall vergleichbarer Sachverhalt zugrunde und das Finanzgericht habe die streitentscheidende Frage – ob im Falle einer Anfechtung nach § 134 InsO durch einen Dritten eine Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG vorzunehmen sei und hierdurch eine Masseverbindlichkeit entstehen könne – unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen einer Organschaft unter Tz. 23 der Urteilsgründe i.S. der Rechtsauffassung des Klägers beantwortet.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid für 2015 über Umsatzsteuer vom xx.xx.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx.xx.2020 ersatzlos aufzuheben,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt er auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom xx.xx.2020 Bezug. Ergänzend trägt er vor, dass dem vom Kläger angeführten Urteil des Sächsischen Finanzgerichts ein anderer Sachverhalt zugrunde liege. Dieser sei mit dem Streitfall nicht vergleichbar.

Aus den Gründen

I. Die Klage ist unbegründet.

Der Bescheid für 2015 über Umsatzsteuer vom xx.xx.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx.xx.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Entgegen der Auffassung des Klägers stellte die Steuerberechnung für 2015 weder einen Steuerbescheid noch einen sonstigen Verwaltungsakt dar, sondern lediglich eine formlose Mitteilung an den Insolvenzverwalter über die zur Tabelle vom Beklagten beabsichtigte anzumeldende Umsatzsteuerforderung 2015.

Bei der Auslegung einer Erklärung kommt es nicht darauf an, was die Finanzbehörde damit gewollt hat. Vielmehr ist ausschlaggebend, wie der Adressat selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde (BFH-Urteil vom 11.05.1999, IX R 72/96, BFH/NV 1999, 1446, m. w. N.). Maßgebend ist die Sicht eines objektiven Betrachters, ob einer Erklärung Regelungscharakter zukommt (BFH-Urteil vom 03.07.2002, XI R 20/01, BFHE 199, 6, BStBl. II 2002, 842). Bedeutsam sind der Wortlaut und die Begründung. Auch kann dem Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung indizielle Bedeutung gegen das Vorliegen eines Verwaltungsaktes zukommen, ohne dass allerdings bereits allein dadurch der Regelungscharakter genommen wird.

Im Streitfall fehlt es der Steuerberechnung an dem für einen Verwaltungsakt erforderlichen Regelungsgehalt. Durch die Übersendung der Berechnung erfolgte gerade keine für den Steuerpflichtigen verbindliche Festsetzung der Umsatzsteuer. Hierdurch sollte der Insolvenzverwalter vielmehr nur in die Lage versetzt werden, die Forderung zu überprüfen und ihr ggfs. bei Anmeldung zur Tabelle zu widersprechen. Eine Anmeldung zur Tabelle ist letztlich nicht erfolgt.

Der Beklagte hat dies auch hinreichend zum Ausdruck gebracht und in der übersandten Steuerberechnung die Wörter "Bescheid" und „Festgesetzt werden“ handschriftlich durch die Wörter "Berechnung" und „Berechnet“ ersetzt sowie die Rechtsbehelfsbelehrung durchgestrichen und damit deutlich gemacht, dass er keinen Verwaltungsakt erlassen wollte.

Entgegen der Auffassung des Klägers ändert hieran auch der Umstand nichts, dass der Beklagte in den Erläuterungen auf die Feststellungen der Betriebsprüfung laut Prüfungsbericht vom xx.xx.2019 Bezug nimmt. Der Beklagte machte damit lediglich deutlich, dass die Berechnung unter Zugrundelegung der Feststellungen der Betriebsprüfung ergangen ist. Ein weitergehender Regelungsgehalt ist darin nicht ersichtlich.

2. Der Beklagte hat den Vorsteuerabzug zutreffend in Höhe von x,xx Euro im Jahr 2015 berichtigt.

Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, ebenfalls zu berichtigen. Dies gilt nach Satz 3 nicht, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird.

Gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen, wenn das Entgelt nachträglich vereinnahmt wird.

Unionsrechtlich beruhen diese Vorschriften auf Art. 90, 185 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Soweit es um den Vorsteuerabzug geht, ist dieser zu berichtigen, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, geändert haben (Art. 185 Abs. 1 MwStSystRL). In Fällen, in denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung geleistet wird, können die Mitgliedstaaten eine Berichtigung verlangen (Art. 185 Abs. 2 Unterabs. 2 MwStSystRL). Davon hat die Bundesrepublik Deutschland durch § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und 2 UStG Gebrauch gemacht.

§ 17 UStG regelt einen eigenständigen materiell-rechtlichen Berichtigungstatbestand gegenüber den Änderungsvorschriften der AO. Liegen die Voraussetzungen für eine Berichtigung i. S. von § 17 UStG vor, führt dies nicht zu einer rückwirkenden Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung. Dieser Sachverhalt ist vielmehr als unselbständige Besteuerungsgrundlage (§ 157 Abs. 2 AO) in der Umsatzsteuerfestsetzung für den maßgeblichen Besteuerungszeitraum (§ 17 Abs. 1 Satz 7 UStG) zu berücksichtigen, in dem das Ereignis für die Berichtigung eingetreten ist (vgl. BFH-Beschluss vom 13.07.2006, V B 70/06, BFHE 214, 467, BStBl. II 2007, 415; BFH-Urteil vom 18.04.2013, V R 19/12, BFHE 241, 446, BStBl. II 2013, 842). Der anfänglich nach „Soll“-Besteuerungsgrundsätzen vorgenommene Vorsteuerabzug ist (lediglich) tatbestandliche Voraussetzung der materiellen Regelung nach § 17 UStG (BFH-Urteil vom 07.12.2006, V R 2/05, BFHE 216, 375, BStBl. II 2007, 848).

Eine Entgeltforderung ist uneinbringlich, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts i. S. d. § 10 Abs. 1 UStG nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 12.08.2009, XI R 4/08, BFH/NV 2010, 393 und vom 24.10.2013, V R 31/12, BFHE 243, 451, BStBl. II 2015, 674).

Nach der BFH-Rechtsprechung werden spätestens im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote die Entgeltforderungen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen an den späteren Gemeinschuldner in voller Höhe i. S. d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich (BFH-Urteile vom 06.06.2002, V R 22/01, BFH/NV 2002, 1352 und vom 28.06.2000, V R 45/99, BFHE 192, 129, BStBl. II 2000, 703, m. w. N.). Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist die Umsatzsteuer des leistenden Unternehmers und dementsprechend der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 15.12.2016, V R 26/16, BFHE 256, 571, BStBl. II 2017, 735).

Dabei kann ein Entgelt auch nach seiner Vereinnahmung uneinbringlich i. S. d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG werden, wenn es zu einer Rückgewähr des Entgelts kommt und der Unternehmer seinen Entgeltanspruch auch nicht anderweitig durchsetzen kann (vgl. BFH-Urteil vom 15.12.2016, V R 26/16, BFHE 256, 571, BStBl. II 2017, 735).

Im Hinblick auf die erforderliche richtlinienkonforme Auslegung des Begriffs der Uneinbringlichkeit entsprechend Art. 11 Teil C Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ist es im Übrigen unerheblich, ob der ursprüngliche Entgeltanspruch bereits durch die Zahlung Dritter zivilrechtlich erloschen ist und daher zivilrechtlich nicht wieder aufleben kann (BFH-Urteil vom 13.01.2005, V R 21/04, BFH/NV 2005, 928).

Durch die im Jahr 2015 infolge der Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO erfolgte Rück-gewähr der gezahlten Beträge durch die leistenden Unternehmer an den Insolvenzverwalter der Holdinggesellschaft sowie der G lebten gemäß § 144 InsO die ursprünglichen Zahlungsansprüche der leistenden Unternehmer gegen die GmbH wieder auf. Dabei sind diese Zahlungsansprüche als Insolvenzforderungen i. S. d. § 38 InsO zu qualifizieren. Wegen des nunmehr bestehenden Insolvenzverfahrens der GmbH waren die vereinbarten Entgelte für die an die GmbH erbrachten Leistungen nachträglich uneinbringlich i. S. d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG geworden. Deshalb hatten die Gläubiger der GmbH ihre Umsatzsteuer zu berichtigen und zeitgleich war auch die Vorsteuer für die entsprechenden Eingangsleistungen der GmbH gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen.

52

Entgegen der Auffassung des Klägers hängt die Vorsteuerberichtigung im Streitfall nicht von einer Vereinnahmung des zurückgezahlten Entgelts des Klägers als Insolvenzverwalter der GmbH ab. Der Wortlaut des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG setzt eine derartige Vereinnahmung für die Vorsteuerberichtigung nicht voraus. § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG gilt nach Satz 3 lediglich nicht, soweit der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird. Im Streitfall war die GmbH, die den Vorsteuerabzug bei Leistungserbringung in Anspruch genommen hatte, aber durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt. Schließlich war das vereinbarte Entgelt für die ihr zugutegekommene Gegenleistung und den damit im Zusammenhang stehenden und von ihr bereits in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug wegen des nunmehr bestehenden Insolvenzverfahrens nachträglich uneinbringlich geworden und somit faktisch weggefallen. Auch der Sinn und Zweck und der im Umsatzsteuerrecht geltende Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer sprechen gegen das Erfordernis einer Vereinnahmung des Leistungsempfängers, der den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hat. Überdies sind nach § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG die Umsatzsteuer- und Vorsteuerberichtigung bedingungslos und zeitgleich vorzunehmen.

3. Die Berichtigungsansprüche nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 UStG sind im Rahmen der Masseverwaltung entstanden und haben daher die gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 InsO als Masseverbindlichkeit festzusetzende Umsatzsteuerjahresschuld 2015 erhöht.

a. Die vom Beklagten zurückgeforderten Vorsteuerbeträge erfüllen die Voraussetzungen für Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 InsO.

Der als Masseverbindlichkeit anzusehende Teil des Umsatzsteueranspruchs, der für das Kalenderjahr festzusetzen ist, ist durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen (BFH-Urteil vom 30.04.2009, V R 1/06, BFHE 226, 130, BStBl. II 2010, 138). Die Steuerfestsetzung für die Masse erfordert dabei eine Steuerberechnung gemäß §§ 16 ff. UStG, bei der die Umsätze, abziehbaren Vorsteuerbeträge und Berichtigungen insoweit zu berücksichtigen sind, als diese der Masse zuzuordnen sind.

Maßgebend ist dabei, ob für diese Besteuerungsgrundlagen die Voraussetzungen des § 55 InsO vorliegen (BFH-Urteil vom 08.03.2012, V R 24/11, BFHE 236, 274, BStBl. II 2012, 466 m. w. N.). Demgegenüber ist der sich für das Kalenderjahr ergebende Umsatzsteueranspruch, soweit er auf den Besteuerungsgrundlagen beruht, die einen „zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch“ i. S. von § 38 InsO darstellen, als Insolvenzforderung gemäß §§ 174 ff. InsO zur Insolvenztabelle anzumelden (BFH-Urteil vom 24.09.2014, V R 48/13, BFHE 247, 460, BStBl. II 2015, 506).

Masseverbindlichkeiten sind gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise, d. h. nicht durch eine Handlung des Insolvenzverwalters, durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören.

Voraussetzung einer Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO ist stets, dass die Verbindlichkeit durch die Insolvenzverwaltung ausgelöst wird oder mindestens einen (sonstigen) Bezug zur Insolvenzmasse aufweist (BVerwG-Urteil vom 16.12.2009, 8 C 9/09, NJW 2010, 2152; BFH-Urteil vom 29.08.2007, IX R 4/07, BFHE 218, 435, BStBl. II 2010, 145).

Im Streitfall sind die nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 UStG entstandenen Vorsteuerberichtigungsansprüche der Masseverwaltung i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO zuzuordnen und damit bei der Berechnung der sich für das Streitjahr ergebenden Umsatzsteuerjahresmasseverbindlichkeit zu erfassen. Unbeachtlich ist dabei, dass der Kläger als Insolvenzverwalter der GmbH hinsichtlich der dem Berichtigungsanspruch zugrundeliegenden Eingangsumsätze selbst keine Anfechtungsansprüche nach §§ 129 ff. InsO geltend gemacht und durchgesetzt hat sowie an ihn das Entgelt nicht zurückgewährt wurde. Denn im Streitfall besteht zumindest ein sonstiger Bezug zur Insolvenzmasse. Die den Vorsteuerberichtigungsansprüchen zugrundeliegenden Eingangsleistungen der GmbH sowie der damit im Zusammenhang stehende und von der GmbH in Anspruch genommene Vorsteuerabzug kamen ihrem Geschäftsbetrieb, der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehörte, zugute.

b. Zudem war der den Vorsteuerberichtigungsanspruch begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften im Streitfall nicht bereits vor, sondern erst nach Insolvenzeröffnung mit Rückzahlung des bereits vereinnahmten Entgelts durch die leistenden Unternehmer an den Insolvenzverwalter der Holdinggesellschaft bzw. der G im Jahr 2015 vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen.

Die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung danach, ob der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist; nicht maßgeblich ist der Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 13 UStG (BFH-Urteile vom 29.03.2017, XI R 5/16, BFHE 257, 465, BStBl. II 2017, 738 und vom 08.03.2012, V R 24/11, BFHE 236, 274, BStBl. II 2012, 466 m. w. N.).

Bei der Berichtigung nach § 17 UStG handelt es sich zum einen ebenso wie z.B. bei § 15a UStG (BFH-Urteil vom 08.03.2012, V R 24/11, BFHE 236, 274, BStBl. II 2012, 466) um einen eigenständigen Tatbestand, der sich nicht in der bloßen Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs erschöpft, weil zusätzliche Voraussetzungen – wie im Streitfall die Entgeltrückgewähr – vorliegen müssen.

Zum anderen kommt es zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei einem bereits entrichteten Entgelt erst durch die Entgeltrückgewähr (BFH-Urteil vom 20.05.2010, V R 5/09 NV, BFH/NV 2011, 77), nicht aber bereits durch die Entstehung des Anspruchs auf Rückgewähr. Dies entspricht dem Rechtsgedanken des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG. Liegt zuerst die Uneinbringlichkeit vor, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug nach dieser Vorschrift erst dann erneut zu berichtigen, wenn das Entgelt erst nachträglich vereinnahmt wird. Für den Umkehrfall, dass das Entgelt zuerst entrichtet wird, dann aber zurückzugewähren ist, folgt hieraus, dass die Berichtigung nicht bereits mit dem Entstehen des Rückgewähranspruchs, sondern erst durch die tatsächliche Rückgewähr begründet wird. Diese Rückgewähr ist nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung typischerweise völlig offen, da stets damit gerechnet werden muss, dass der Schuldner des Rückzahlungsanspruchs z. B. zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig sein kann.

Diese Rechtsprechung beruht maßgeblich darauf, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bei einer Besteuerung nach vereinbarten Entgelten die Solleinnahme zwar zunächst die Bemessungsgrundlage bildet, für eine Sollbesteuerung aber kein Raum bleibt, soweit der leistende Unternehmer das Entgelt vereinnahmt hat. Hat der Unternehmer das „Soll“-Entgelt bereits vereinnahmt, ändert sich die Bemessungsgrundlage nicht schon durch (bloße) Vereinbarung einer „Entgeltsminderung“, sondern nur durch tatsächliche Rückzahlung des vereinnahmten Entgelts (BFH-Urteil vom 18.09.2008, V R 56/06, BFHE 222, 162, BStBl. II 2009, 250).

Unerheblich ist, ob das vereinbarte Entgelt ganz oder zum Teil vereinnahmt oder die volle oder nur teilweise Minderung vereinbart ist. Soweit das vereinbarte Entgelt vereinnahmt worden ist, kann die Bemessungsgrundlage nicht mehr durch (bloße) Vereinbarung, sondern nur durch tatsächliche Rückzahlung des (teilweise) vereinnahmten Entgelts geändert werden. Dabei kommt es wegen des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer und des Gleichlaufs der Umsatzsteuer- und Vorsteuerberichtigung i. S. d. § 17 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG lediglich darauf an, dass es – wie im Streitfall – bei dem leistenden Unternehmer zu einer tatsächlichen Rückzahlung des vereinnahmten Entgelts gekommen ist. Es ist nicht entscheidend, dass korrespondierend dazu auf Seiten des Leistungsempfängers das zurückgewährte Entgelt tatsächlich zufließt. Anderenfalls wäre der vorsteuerberechtigte und wirtschaftlich begünstigte Leistungsempfänger bei Entgeltzahlungen von dritter Seite vor einer möglichen Vorsteuerberichtigung i. S. d. § 17 UStG geschützt.

Im Hinblick auf das Erfordernis der Entgeltrückgewähr für die Vorsteuerberichtigung kommt es somit nicht darauf an, dass die Insolvenzanfechtung insbesondere durch das Wiederaufleben der ursprünglichen Forderung gemäß § 144 Abs. 1 InsO den Zustand wiederherstellen soll, der ohne die anfechtbare Zahlung bestand. Diese Zielsetzung des Anfechtungsrechts begründet keine Rückbeziehung des Vorsteuerberichtigungstatbestandes, der erst durch die Rückzahlung verwirklicht wird.

II. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Zu den Mindestanforderungen an den (sonstigen) Bezug zur Insolvenzmasse zur Begründung einer Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO hat der BFH bislang nicht zu entscheiden gehabt.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

 

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