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Steuerrecht
07.09.2017
Steuerrecht
FG Köln: Vorsteuerabzug im Insolvenzverfahren

FG Köln, 15.3.2017 – 9 K 2995/15

ECLI:DE:FGK:2017:0315.9K2995.15.00

Volltext:BB-ONLINE BBL2017-2134-1

Nicht Amtliche Leitsätze

1. Der Vorsteuerabzug aus Rechnungen erfordert einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang

zwischen einer Eingangs- und einer beabsichtigten Ausgangsleistung.

2. Daran fehlt es, wenn Rechtsanwaltsleistungen nicht in Auftrag gegeben worden sind, um hierdurch eine wirtschaftliche Tätigkeit zur Erbringung einer entgeltlichen Leistung zu fördern.

3. Dann liegt den in der Rechnung gestellten Umsätzen eine rein gesellschaftsrechtliche Veranlassung zugrunde, wenn sie der Rückforderung zu viel ausgezahlter Einlageforderungen – und damit nicht einer wirtschaftlichen Tätigkeit –, sondern allein der Mehrung der zur Verteilung zur Verfügung stehenden Masse dienen.

4. Hierin besteht ein entscheidender Unterschied zu Verwertungshandlungen eines Insolvenzverwalters und/oder der Eintreibung von Gesellschaftsanteilen als Kapitalbasis für den Betrieb des Unternehmens: Während sich Verwertungshandlungen unmittelbar auf das Betriebsvermögen beziehen und als wirtschaftliche Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen anzusehen sind, fehlt diese zum Vorsteuerabzug berechtigende Verknüpfung, wenn der Insolvenzverwalter in einer Phase, in der die unternehmerische Tätigkeit bereits beendet ist, „lediglich“ Gesellschaftereinlagen zur Mehrung der Masse zurückfordert.

5. Diese Ansicht steht nicht in Widerspruch zum Urteil des BFH vom 2.12.2015 – V R 15/15 (BStBl. II 2016, 486).

Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger als Insolvenzverwalter der M S.a.r.l. & Co. KG, T, – im Folgenden Insolvenzschuldnerin – Vorsteuer für Rechtsanwaltskosten geltend machen kann, oder ob dem entgegensteht, dass die Rechtsanwaltskosten nicht dem operativen Geschäft der Insolvenzschuldnerin, sondern der Geltendmachung von Forderungen aus Kommanditistenhaftung dienten.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin. Gegenstand ihres Unternehmens war die Errichtung und der Betrieb eines Einkaufszentrums mit etwa ... Geschäften, Dienstleistungsbetrieben sowie einem umfassenden Freizeitangebot. Die Insolvenzschuldnerin führte bis zur Veräußerung des Geschäftsbetriebs bis auf die Aufstellung eines Geldautomaten (0,1 %) ausschließlich steuerpflichtige Umsätze aus. An der Insolvenzschuldnerin waren mehr als 300 Kommanditisten beteiligt. Nach § 16 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages vom 12. September 1996 konnten an die Kommanditisten (gewinnunabhängige) Liquiditätsüberschüsse ausgeschüttet werden.

Im Insolvenzverfahren ließ der Kläger durch von ihm beauftragte Rechtsanwälte prüfen, ob Zahlungen an die Kommanditisten – gegebenenfalls teilweise – zurückzufordern seien, soweit hierdurch nicht nur Gewinne, sondern auch bereits geleistete Einlagen ausgeschüttet wurden, was zu negativen Einlagekonten geführt hätte (Anspruch nach § 172 Abs. 4 S. 1 des Handelsgesetzbuches – HGB –). Die hieraus resultierende persönliche Haftung der Kommanditisten für die Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin machte der Kläger nach § 171 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 93 der Insolvenzordnung – InsO – gerichtlich gegen die Kommanditisten geltend. Die hierfür in den Rechnungen der Rechtsanwälte ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von 4.981,27 € und 37.935,18 € machte der Kläger in den Umsatzsteuervoranmeldungen für das dritte und vierte Quartal 2012 als Vorsteuern geltend.

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ließ der Beklagte im angefochtenen Umsatzsteuerjahresbescheid 2012 vom 17. Dezember 2014, geändert durch Bescheid vom 22. Januar 2015, die vorgenannten Vorsteuern unberücksichtigt.

Den hiergegen fristgerecht eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 7. Oktober 2015 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes – UStG – und Art. 168a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystR) sei der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er „Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwende“. Hierfür sei ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung erforderlich. Bei richtlinienkonformer Auslegung setze § 15 Abs. 1 S 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer Leistungen für sein Unternehmen und damit für seine wirtschaftliche Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtige. Die Ausgangsleistungen des Unternehmers müssten zudem steuerpflichtig oder der Steuerpflicht nach § 15 Abs. 3 UStG gleichgestellt sein. Fehle der direkte und unmittelbare Zusammenhang mit steuerpflichtigen Ausgangsleistungen, könne der Steuerpflichtige die Vorsteuer geltend machen, wenn die Kosten für die Eingangslei-stungen zu den allgemeinen Aufwendungen gehörten und als solche Bestandteil des Preises der von ihm erbrachten entgeltlichen Leistungen seien. Auch solche Kosten hingen direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen.

Auslöser der Rechtsanwaltskosten sei im Streitfall hingegen das Verhalten der Insolvenzschuldnerin gegenüber den Kommanditisten gewesen. Der Kläger habe gegen die Kommanditisten Forderungen geltend gemacht, die sich nicht auf die unternehmerische Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin bezogen hätten. Die Geltendmachung der Forderungen habe daher den persönlichen Interessen der Gesellschafter an der Einforderung ausstehender Einlagen gedient. Da ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit einzelnen steuerpflichtigen Leistungen der Insolvenzschuldnerin fehle, komme ein Vorsteuerabzug grundsätzlich nicht in Betracht. Da die Anwaltskosten auch nicht ausgegeben worden seien, um zielgerichtet Kapital für eine weitere unternehmerische Tätigkeit zu beschaffen, sondern um liquide Mittel zu erlangen, um die Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin zu tilgen, könnten diese Kosten auch nicht zu den Bestandteilen des Preises der Ausgangsleistungen gerechnet werden. Aus diesen Gründen sei ein Vorsteuerabzug aus den hier streitigen Rechtsanwaltskosten nicht zulässig. Dabei sei es unerheblich, ob das Unternehmen noch betrieben oder lediglich abgewickelt werde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 7. Oktober 2015 verwiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 10. November 2015 Klage erhoben, mit der er die Anerkennung der Vorsteuer aus den Rechtsanwaltskosten begehrt. Zur Begründung trägt er vor, bei den für die Rechtsanwaltskosten ursächlichen Klagen handele es sich um die Rückforderung von Einlagen, die unberechtigt an die Kommanditisten ausgeschüttet worden seien und deshalb den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet gölten.

Für die Aufnahme eines Gesellschafters gegen Bareinlage und die Ausgabe neuer Aktien gegen Bareinlage sowie die Begebung von Inhaberschuldverschreibungen sei bereits entschieden, dass sich der Vorsteuerabzug aus den in diesem Zusammenhang entstehenden Kosten danach richte, ob die eingezogenen Mittel der Finanzierung einer umsatzsteuerpflichtigen Tätigkeit des Unternehmers dienten. Dies sei auf Kosten, die der Einforderung von ausstehenden Einlagen dienten, übertragbar. Die Geltendmachung der Einlageforderungen habe zwar nicht mehr der Finanzierung einer zukünftigen unternehmerischen Tätigkeit gedient, wohl aber der Finanzierung der Beendigung dieser Tätigkeit im Rahmen der Schuldentilgung aus den vorherigen Geschäftsvorfällen. Da die eingezogenen Mittel dazu verwendet worden seien, Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin aus ihrer unternehmerischen Tätigkeit zu begleichen, liege der für den Vorsteuerabzug geforderte Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit vor. Nach der Veräußerung eines Geschäftsbetriebs richte sich der Vorsteuerabzug aus Leistungsbezügen für die Abwicklung des Unternehmens im Rahmen eines geordneten Insolvenzverfahrens nicht mehr nach der Zuordbarkeit dieser Leistungsbezüge zu den Ausgangsumsätzen oder der gesamten zukünftigen wirtschaftlichen Tätigkeit der zu liquidierenden Gesellschaft, sondern nach dem Umfang des Vorsteuerabzugs der wirtschaftlichen Tätigkeit vor Veräußerung des Geschäftsbetriebs. Verstehe man den Zusammenhang von Eingangs- und Ausgangsumsätzen abweichend, sei es denklogisch ausgeschlossen, dass nach der Veräußerung oder der Einstellung eines Geschäftsbetriebs Leistungsbezüge noch in Ausgangsumsätze oder als allgemeine Kosten einer zukünftigen wirtschaftlichen Tätigkeit eingehen könnten. Mit der Frage, ob der Vorsteuerabzug gewährt werden könne und wovon er abhängig zu machen sei, wenn keine Umsätze mehr erzielt würden, habe sich der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 22. Februar 2001, C-408/98, befasst und darauf hingewiesen, dass es mit der Neutralität des Mehrwertsteuersystems nicht zu vereinbaren sei, zwischen Ausgaben zum Zwecke des Unternehmens vor der Aufnahme der Tätigkeit, während der Ausführung dieser Tätigkeit und den Ausgaben zum Zwecke der Beendigung der Tätigkeit willkürlich zu unterscheiden. Selbst im Falle der Übertragung eines Gesamtvermögens, aus dem der Steuerpflichtige nach der Inanspruchnahme der entsprechenden Dienstleistungen keine Umsätze mehr tätige, seien die Kosten der Dienstleistungen als Bestandteil der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers vor Übertragung anzusehen. Eine andere Auslegung von Art. 17 der 6. EG-Richtlinie (nunmehr Mehrwertsteuersystemrichtlinie) liefe dem Grundsatz zuwider, dass das Mehrwertsteuersystem völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten eines Unternehmens gewährleiste (EuGH-Urteil vom 22. Februar 2001, C-408/98). Der Umfang des Vorsteuerabzugs richte sich in einem solchen Fall daher nach der bisherigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers.

In der Kommentarliteratur werde für den Vorsteuerabzug als maßgebend erachtet, ob die Leistungsbezüge nach Beendigung der Umsatztätigkeit noch in einem sachlich- und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der ehemaligen unternehmerischen Tätigkeit stünden. Da derartige Aufwendungen nicht dem privaten Verbrauch dienten, gebiete es das Gesetzesziel, diese Leistungen noch als solche für das ehemalige Unternehmen anzusehen (so Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2, Rn. 684). Als solche Leistungsbezüge seien Steuerberatungsleistungen oder Prozessführungstätigkeiten hinsichtlich der Unternehmenssteuern, der Bilanzaufstellung, der Beitreibung von eigenen Forderungen durch einen Rechtsanwalt, der Abwehr von fremden Forderungen durch einen Rechtsanwalt und der Abwicklung einer Pensionszusage oder der Fortzahlung von Mieten anerkannt worden. Bezüglich der Grundsätze des Vorsteuerabzugs im Insolvenzverfahren bestünden erhebliche Unsicherheiten. Während das Sächsische Finanzgericht mit Urteil vom 5. August 2002 noch die Aufteilung des Vorsteuerabzugs der Insolvenzschuldnerin aus Rechnungen des Insolvenzverwalters nach dem Verhältnis der Ausgangsumsätze während des Liquidationsverfahrens als zutreffend angesehen habe, werde in jüngster Zeit von einem Zusammenhang zu den Ausgangsumsätzen abgesehen. Das Finanzgericht Köln habe mit Urteil vom 29. Januar 2015, 7 K 520/13, entschieden, dass sich der Vorsteuerabzug aus Leistungen eines Insolvenzverwalters nicht danach richte, welche Umsätze im Rahmen des Insolvenzverfahrens aus der Verwertung des Schuldnervermögens erzielt worden seien. Auch der Bundesfinanzhof habe mit Urteil vom 15. April 2015, V R 44/14, entschieden, dass in einem Insolvenzverfahren nach Einstellung der wirtschaftlichen Tätigkeit für den Vorsteuerabzug nicht mehr auf den Zusammenhang der bezogene Leistungen zur Ausgangsumsätzen abgestellt werden könne, auch wenn der Bundesfinanzhof dies explizit nicht ausgesprochen habe. Diene ein Insolvenzverfahren sowohl der Befriedigung von Verbindlichkeiten des zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmers als auch der Befriedigung von Privatverbindlichkeiten des Unternehmers, sei der Unternehmer nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs aus der Leistung des Insolvenzverwalters grundsätzlich im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten zum Vorsteuerabzug berechtigt. Nichts anderes könne für Kosten gelten, die der Insolvenzverwalter nicht selbst, sondern durch die Beauftragung von Rechtsanwälten verursache. Der Insolvenzverwalter sei nach § 93 InsO als gesetzlicher Prozessstandschafter berechtigt und verpflichtet, gegen die Kommanditisten Haftungsansprüche nach § 172 Abs. 4 HGB geltend zu machen. Der Zusammenhang der Rechtsanwaltskosten mit der vormaligen unternehmerischen Tätigkeit ergebe sich daraus, dass durch die Einziehung der Kommanditisteneinlagen Verbindlichkeiten der Gesellschaft getilgt werden sollten, die aus der früheren wirtschaftlichen Tätigkeit resultierten.

Der Kläger beantragt,

den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid vom 22. Januar 2015 unter Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 7. Oktober 2015 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Vorsteuerbeträge um 42.916,45 € erhöht werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner Auffassung fest, dass sich die für die Rechtsanwaltskosten ursächlichen Forderungen nicht auf die unternehmerische Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin bezogen hätten. Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und den Bericht über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung, auf die ergänzend Bezug genommen wird.

Aus den Gründen

17        Die Klage ist unbegründet.

18        Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid vom 22. Januar 2015 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 7. Oktober 2015 sind rechtmäßig, so dass sie den Kläger nicht im Sinne des § 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO – in seinen Rechten verletzen.

19        Der Beklagte hat entsprechend der geltenden Rechtslage den Vorsteuerabzug aus den Rechtsanwaltskosten für die Rückforderung der an die Kommanditisten zu Unrecht ausgezahlten Einlagen versagt.

20        Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Diese Vorschriften beruhen unionsrechtlich auf Art. 168a MwStSystRL. Danach ist der Steuerpflichtige, der "Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet", zum Vorsteuerabzug berechtigt. Hierfür muss ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung bestehen. Bei richtlinienkonformer Auslegung setzt § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG somit voraus, dass der Unternehmer Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 9 MwStSystRL) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Abs. 1a und c MwStSystRL) zu verwenden beabsichtigt. Die Ausgangsleistungen des Unternehmers müssen zudem steuerpflichtig oder in § 15 Abs. 3 UStG (Art. 169 MwStSystRL) benannt sein (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des BFH vom 9. Februar 2012 V R 40/10, BFHE 236, 258, BStBl II 2012, 844, Rz 19 f., m.w.N. zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH--; vom 15. April 2015 – V R 44/14 –, BFHE 250, 263, BStBl II 2015, 679).

21        Bezieht sich die einheitliche Leistung des Insolvenzverwalters auf die Gesamtheit der im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger, besteht der für den Vorsteuerabzug maßgebliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zu der Gesamtheit dieser Insolvenzforderungen. Eine Berücksichtigung einzelner Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters kommt demgegenüber nicht in Betracht

22        (BFH, Urteil vom 15. April 2015 – V R 44/14 –, BFHE 250, 263, BStBl II 2015, 679).

23        Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

24        Bei den von den Rechtsanwälten in Rechnung gestellten Leistungen fehlt der nach den oben gemachten Ausführungen erforderliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen einer Eingangs- und einer beabsichtigten Ausgangsleistung. Denn die Rechtsanwaltsleistungen hat der Kläger nicht in Auftrag gegeben, um hierdurch eine wirtschaftliche Tätigkeit zur Erbringung einer entgeltlichen Leistung zu fördern. Die in Rechnung gestellten Umsätze hatten aus Sicht des Klägers und der Insolvenzschuldnerin eine rein gesellschaftsrechtliche Veranlassung, weil sie der Rückforderung zu viel ausgezahlter Einlageforderungen dienten und damit nicht einer wirtschaftlichen Tätigkeit, sondern allein der Mehrung der zur Verteilung zur Verfügung stehenden Masse. Hierin sieht der erkennende Senat einen entscheidenden Unterschied zu Verwertungshandlungen eines Insolvenzverwalters und/oder der Eintreibung von Gesellschaftsanteilen als Kapitalbasis für den Betrieb des Unternehmens. Während sich Verwertungshandlungen unmittelbar auf das Betriebsvermögen beziehen und als wirtschaftliche Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen anzusehen sind, fehlt diese zum Vorsteuerabzug berechtigende Verknüpfung, wenn der Insolvenzverwalter in einer Phase, in der die unternehmerische Tätigkeit bereits beendet ist, „lediglich“ Gesellschaftereinlagen zur Mehrung der Masse zurückfordert.

25        Der Senat sieht sich bei dieser Rechtsauffassung nicht in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 2. Dezember 2015, V R 15/15, BFHE 252, 472, BStBl. II 2016, 486. In diesem Urteil hat der BFH entschieden, dass der Insolvenzverwalter gegenüber dem Schuldner eine einheitliche Leistung erbringt und dass für den Vorsteuerabzug aus dieser Leistung bei einem Insolvenzschuldner, der seine Geschäftstätigkeit bereits eingestellt hat, auf dessen frühere unternehmerische Tätigkeit, nicht aber auf die einzelnen Verwertungsumsätze abzustellen ist. Hinsichtlich der Verwertungsumsätze schließt sich der erkennende Senat dieser Besprechung an. Denn auch wenn der Insolvenzverwalter das Unternehmen einstellt und das Vermögen veräußert, erfolgen diese Umsätze noch im Rahmen des Unternehmens des Insolvenzschuldners und sind damit steuerbar, so dass dem Vorsteuerabzug nichts im Wege steht.

26        Die im Streitfall zu betrachtenden Eingangsumsätze aus den streitigen Rechnungen der Rechtsanwälte beruhen jedoch nicht auf einer solchen wirtschaftlichen Ebene, sondern rein auf der gesellschaftsrechtlichen Ebene der Insolvenzschuldnerin.

27        Der Senat sieht sich mit dieser Sichtweise in Einklang mit der jüngeren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, nach der ein Unternehmer, der eine von ihm bezogene Leistung zugleich für seine wirtschaftliche Tätigkeit und seine nichtwirtschaftliche Tätigkeit zu verwenden beabsichtigt, den Vorsteuerabzug grundsätzlich nur insoweit in Anspruch nehmen kann, als die Aufwendungen hierfür seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen sind. Beabsichtigt der Unternehmer daher eine teilweise Verwendung für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit, ist er insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2015, V R 15/15, BFHE 252, 472, BStBl. II 2016, 486).

28        So verhält es sich im Streitfall. Hinsichtlich der Beitreibung von Gesellschaftereinlagen agiert ein Insolvenzverwalter jedenfalls in den Fällen, in denen der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb des Insolvenzschuldners bereits eingestellt ist, nach Auffassung des erkennenden Senats nicht mehr auf der wirtschaftlichen, sondern allein auf der gesellschaftsrechtlichen Ebene, so dass der Vorsteuerabzug in Fällen wie dem vorliegenden zu verneinen ist. Ob die Rechtslage anders zu beurteilen wäre, wenn der Geschäftsbetrieb des Insolvenzschuldners weiter betrieben worden wäre, so dass die Eingangsumsätze aus der Beitreibung von Gesellschaftereinlagen einen Teil der Gemeinkosten für eine Stärkung der wirtschaftlichen Tätigkeit darstellten und zu den Kostenelementen der zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören würden (vgl. hierzu EuGH-Urteile vom 6. April 1995, C-4/94,  BLP, Slg. 1995, I-983, Rn. 25, Midland Bank in Slg. 2000, I-4177, Rn. 31; Abbey National in Slg. 2001, I-1361, Rn. 35 und 36; vom 27. September 2001 C-16/00, Cibo Paricipations in Slg.2001, I-6663, Rn. 36; vom 8. Februar 2007, C-435/05, Investrand, Slg.. 2007, I-1315, Rn. 23; BFH-Urteil vom 6. Mai 2010, V R 29/09, BFHE 230, 263, BStBl. II 2010, 885), kann dahinstehen, weil ein solcher Sachverhalt nicht vorliegt.

29        Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO

30        Die Revision war zuzulassen. Die Frage, ob und in welchem Umfang ein Insolvenzverwalter Vorsteuerbeträge, die auf einer rein gesellschaftlichen Ebene beruhen, geltend machen kann, bedarf einer höchstrichterlichen Rechtsfortbildung.

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