FG Baden-Württemberg: Vorsteuerabzug bei elektronischer Übermittlung und Erstellung einer Rechnung/Gutschrift im EDI-Verfahren
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.12.2017 – 12 K 2690/16
Volltext BB-Online BBL2018-1941-3
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit die Versagung des Vorsteuerabzugs im Streitjahr 1999 bzw. über die Gewährung des Vorsteuerabzugs im Billigkeitswege.
Die Klägerin war im Streitjahr auf dem Gebiet des Einzelhandels unternehmerisch tätig.
Sie vertrieb Waren unter anderem über ein Depot-System mit EDI (Electronic Data Interchange). Danach stellte die Klägerin Lieferanten im Rahmen des Depotsystems Flächenkapazitäten, Verkaufspersonal, das Kassensystem, die Logistik und den Datenaustausch via EDI zur Verfügung. Die Depotware verkaufte die Klägerin im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Gemäß der Rahmenvereinbarung „Depot mit EDI“ (vgl. Anlage 6 im Anlagenband der Finanzgerichtsakte) übermittelten die Lieferanten die Stammdaten (u.a. Netto-Einkaufspreis, Verkaufspreis und 18-stellige Warenbezeichnung) - entsprechend dem festgelegten Sortiment - per EDIFACT (Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport) - einem internationalen Standard für das Format elektronischer Daten im Geschäftsverkehr. Die Stammdaten wurden sodann elektronisch in das Kassensystem der Klägerin eingepflegt. Der Lieferant war dabei u.a. zuständig für die Auszeichnung aller Artikel mit EAN (European Article Number) - Etiketten. Die Anlieferung der Ware erfolgte bedarfsgerecht zentral an das Zentralwarenlager der Klägerin. Die Waren verblieben allerdings bis zum Abverkauf im Eigentum des Lieferanten. Die Abverkäufe wurden dem Lieferanten wöchentlich per Datenaustausch in EDIFACT zur Verfügung gestellt (sog. „Sales-Report“). Hierbei handelt es sich um einen elektrischen Impuls, der von der EDV der Klägerin über entsprechende Netze an die EDV des Lieferanten versandt wird. Aufgrund dieses Impulses wurden in der EDV des Lieferanten und der Klägerin ohne manuellem Eingriff Dokumente erstellt, welche alle Angaben im Sinne von § 14 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) enthielten. Insbesondere wurden aus dem System der Lieferanten Steuersatz und Steuerbetrag ergänzt. Die Dokumente wurden durch die Lieferanten ausgedruckt oder elektronisch archiviert. Eine Übersendung einer Gutschrift in Papierform durch die Klägerin oder einer Rechnung durch die Lieferanten erfolgte zunächst nicht. Erst im Jahr 2006 wurden von der Klägerin Sammelrechnungen über Gutschriften erstellt und an die Lieferanten in Papierform übersandt.
Am 28. November 2001 reichte die Klägerin beim Beklagten die - nicht zustimmungsbedürftige - Umsatzsteuerjahreserklärung für 1999 ein und erklärte darin Vorsteuerbeträge in Höhe von... DM und meldete Umsatzsteuer in Höhe von... DM an. Mit Bescheid vom 17. Dezember 2001 setzte der Beklagte Zinsen zur Umsatzsteuer in Höhe von... DM fest, da sich entsprechend der Umsatzsteuererklärung eine Abschlusszahlung in Höhe von... DM ergab.
Aufgrund einer Betriebsprüfung für die Vorjahre reichte die Klägerin am 16. November 2004 eine berichtigte Steuererklärung für 1999 beim Beklagten ein. Die geltend gemachten Vorsteuerbeträge blieben unverändert. In der Erklärung errechnete die Klägerin eine weitere Abschlusszahlung in Höhe von... DM. Mit Bescheid vom 3. Dezember 2004 setzte der Beklagte die Zinsen zur Umsatzsteuer für das Streitjahr in Höhe von jetzt... Euro fest.
In den Jahren 2005 bis 2009 fand bei der Klägerin eine - mit Schreiben vom 28. Oktober 2005 angeordnete - Außenprüfung u. a. betreffend die Umsatzsteuer für das Streitjahr 1999 statt.
Im Rahmen der Außenprüfung reichte die Klägerin am 30. November 2007 - mit dem Hinweis „wie im Rahmen der Besprechung am 20.11.2007 vereinbart ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ - erneut eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr ab. Darin machte sie Vorsteuerbeträge in Höhe von insgesamt... DM geltend und errechnete eine Abschlusszahlung in Höhe von... DM. Der Beklagte setzte dementsprechend mit Bescheid vom 17. Dezember 2007 Zinsen zur Umsatzsteuer für das Streitjahr in Höhe von... Euro fest.
Hiergegen legte die Klägerin - mit Schreiben vom 16. Januar 2008 - jeweils Einspruch ein. Den Einspruch gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer für das Streitjahr nahm sie allerdings wieder zurück. Stattdessen stellte sie den Antrag, den Bescheid gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zu ändern. Diesen Antrag lehnte der Beklagte jedoch mit Schreiben vom 4. November 2009 ab. Hiergegen legte die Klägerin wiederum Einspruch ein.
Im Rahmen der Außenprüfung vertrat der Prüfer u.a. die Auffassung, dass ein Vorsteuerabzug in Höhe von... Euro nicht anzuerkennen sei, da er auf den Abrechnungen im Rahmen des Depot-Systems mit EDI beruhe. Die Klägerin habe es versäumt, die Gutschrift ihren Lieferanten in Schriftform zuzusenden. Dieser Betrag sei daher in der Umsatzsteuererklärung vom 30. November 2007 zu Recht nicht berücksichtigt worden. Eine Überprüfung der erst am 21. Februar 2006 übersandten „Sammelabrechnung(en) mit Einzelbelegnachweis“ habe gleichwohl ergeben, dass die in den genannten Sammelabrechnungen ausgewiesenen Vorsteuerbeträge zutreffend errechnet worden seien. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 31. August 2009 Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 26. November 2010 änderte der Beklagte die Steuerfestsetzung für 1999 erneut und minderte den Betrag der festgesetzten Umsatzsteuer um... Euro und setzte zudem Zinsen zur Umsatzsteuer in Höhe von... Euro fest. Außerdem hob er den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Auch gegen diese Festsetzungen legte die Klägerin am 23. Dezember 2010 jeweils Einspruch ein.
Die Klägerin hatte ferner - mit Schreiben vom 23. Oktober 2008 - beantragt, den streitigen Vorsteuerabzug im Wege einer Billigkeitsmaßnahme nicht erst für Februar 2006 zu gewähren, sondern schon für das Streitjahr, oder ihr jedenfalls die Zinsen auf die streitigen Vorsteuerbeträge zu erlassen. Mit Schreiben vom 17. April 2012 lehnte der Beklagte den Erlass der Zinsen im Billigkeitswege ab.
Hiergegen legte die Klägerin - mit Schreiben vom 9. Mai 2012 - ebenfalls Einspruch ein. Mit dem Schreiben vom 9. Mai 2012 beantragte die Klägerin zugleich, das Verfahren über diesen Einspruch „mit den bereits anhängigen Verfahren in der Hauptsache und der Zinsfestsetzung zu verbinden“. Hierfür nahm die Klägerin Bezug auf ein Schreiben vom 19. März 2012, welches sie an das das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft (MFW) gerichtet hatte. Mit diesem Schreiben hatte die Klägerin u. a. beantragt, „im Rahmen der Einspruchsentscheidung die Verfahren in der Hauptsache, der Zinsfestsetzung und des Billigkeitsantrags zu verbinden“.
Mit Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2012 wies der Beklagte die Einsprüche der Klägerin jeweils als unbegründet zurück. Die Klägerin könne den streitigen Vorsteuerabzug erst für Februar 2006 beanspruchen. Zuvor habe sie hierfür weder eine Rechnung im Sinne von § 14 UStG besessen noch ihren Lieferanten Gutschriften über die Lieferungen zugeleitet, die dem streitigen Vorsteuerabzug zugrunde liegen. Ferner würden die Rechnungen, die die Lieferanten für ihre Buchführung erstellt hatten, weder ihren Aussteller erkennen lassen noch, dass mit ihnen im Wege der Gutschrift abgerechnet worden sei.
Die Zinsen zur Umsatzsteuer für das Streitjahr seien im Einklang mit § 233a AO festgesetzt worden.
Der Antrag, den Vorsteuerabzug gemäß § 163 AO im Wege einer Billigkeitsmaßnahme schon für das Streitjahr vorzunehmen, sei ebenfalls unbegründet.
Unabhängig davon, ob der Datenaustausch, den die Klägerin mit ihren Lieferanten vorgenommen habe, auch die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 Nr. 2 UStG in der derzeit geltenden Fassung erfüllen würde, sei zu berücksichtigen, dass der jeweilige Sales-Report gesendet worden sei, ohne die Umsatzsteuer (gesondert) auszuweisen.
Ferner könne die geforderte Billigkeitsmaßnahme auch nicht - entsprechend dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. April 2009 V R 15/07 (BStBl II 2009, 744) - auf Vertrauensschutzgesichtspunkte gestützt werden. Vielmehr hätte sich die Klägerin im Streitfall durchaus nach der zutreffenden Rechtslage erkundigen und ihren Lieferanten sodann Gutschriften, die die als Vorsteuer abziehbaren Beträge gesondert ausgewiesen hätten, ohne weiteres zusenden können.
Ein anderes Ergebnis würde sich auch nicht - entsprechend dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 19. September 2000 C-454/98 (Schmeink & Cofreth und Strobel, DStRE 2000, 1166) - aus dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer ableiten lassen.
Soweit die Klägerin ferner auf das EuGH-Urteil vom 29. April 2004 C-152/02 (Terra-Baubedarf, DStRE 2004, 830) Bezug nehmen und hierzu ausführen würde, die Maßstäbe, die dieses Urteil aufstellen würde, seien nur für Rechnungen, nicht aber für Gutschriften bedeutsam, würde die Klägerin verkennen, dass die von ihr „übermittelten Datensätze mangels Ausweis des Steuerbetrags nicht die inhaltlichen Voraussetzungen (wohl des § 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG) erfüllen“ würden. Würde eine Gutschrift aber erteilt, ohne die gesetzlich geschuldete Steuer gesondert auszuweisen, würde sie jedoch auch die von der Klägerin genannte Kontrollfunktion nicht erfüllen können. Zu bedenken sei hierbei, dass der Empfänger einer Gutschrift dem ausgewiesenen Steuerbetrag widersprechen könne. Diese Möglichkeit werde ihm aber genommen, wenn der Steuerbetrag nicht (gesondert) ausgewiesen sei.
Soweit die Klägerin sich weiter auf das EuGH-Urteil vom 15. Juli 2010 C-368/09 (Pannon Gep, DStR 2010, 1475) stützen würde, sei ihr entgegenzuhalten, dass sie den geschuldeten Steuerbetrag nicht berichtigt, sondern - dem Grunde nach - im Februar 2006 überhaupt erstmals eine Gutschrift im Sinne von § 14 Abs. 5 UStG erteilt habe.
Danach sei die streitige Vorsteuer auch aus Gründen sachlicher Billigkeit nicht schon für das Streitjahr abzuziehen. Deshalb könne mithin offenbleiben, ob die Vorschrift des § 163 AO überhaupt anwendbar sei, wenn ein Steuerpflichtiger geltend macht, die entstandene Vorsteuer sei abweichend von § 13 UStG in einem anderen Voranmeldungszeitraum abzuziehen.
Schließlich sei auch der Erlass der zur Umsatzsteuer für das Streitjahr tatsächlich festgesetzten Zinsen aus Gründen sachlicher Billigkeit nicht geboten.
Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus dem Urteil des BFH vom 11. Juli 1996 V R 18/95 (BStBl II 1997, 259). Diesem Urteil habe ein Sachverhalt zugrunde gelegen, bei dem die Verzinsung nach § 233a AO 1990 erfolgt sei. Nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO 1990 habe die Verzinsung eine „Steuernachforderung“ vorausgesetzt. Nach § 233a AO 1990 sei für die Zinsberechnung maßgebend: die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag).
Auch habe er, der Beklagte, die streitigen Zinsen nur für die Zeit bis zum 30. November 2007, also nur bis zu dem Zeitpunkt berechnet, zu dem die Ansprüche auf die bislang nicht entrichtete Umsatzsteuer für das Streitjahr einerseits und die bislang nicht vergüteten Vorsteuerbeträge für Februar 2006 andererseits erstmals fällig gewesen seien. Bis dahin habe die Klägerin aber einen Liquiditätsvorteil gehabt. Insbesondere hätten sich die gegenseitigen Ansprüche zuvor nicht aufrechenbar gegenübergestanden, und damit also auch noch nicht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums Februar 2006.
Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
In der Sache trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die Rechtsauffassung des Beklagten, wonach nicht das von der EDV des Lieferanten erstellte Bild-Dokument, sondern der von der EDV der Klägerin gesendete elektrische Impuls die „Gutschrift“ darstelle, nicht haltbar sei. Dieser Impuls sei lediglich ein Bestandteil des Gesamtsystems, der dem Gutschriftempfänger erst ermögliche, von dem Inhalt der Gutschrift Kenntnis zu nehmen. Maßgeblich sei daher das beim Empfänger vollautomatisch erstellte Bilddokument. Die Klägerin beruft sich insoweit auf Abschn. 14.4. Abs. 3 Satz 4 UStAE. Da ein Eingriff des Lieferanten bei Erstellung des Bilddokuments nicht erfolge, sei die Klägerin auch Ausstellerin. Auch sei aufgrund der mitgesendeten GLN (Globale Lokationsnummer) oder ILN (Internationale Lokationsnummer) nachweisbar, dass die Abrechnungen auf von der Klägerin empfangene elektrische Impulse beruhen.
Etwaige formelle Fehler seien rückwirkend mit Übersendung der Gutschriften in Papierform im Februar 2006 beseitigt worden.
Die Klägerin begehrt hilfsweise, dass das Gericht die Oberfinanzdirektion Karlsruhe (OFD), das Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg (MFW) und das Bundesministerium der Finanzen (BMF) auffordert, ihm, dem Finanzgericht Baden-Württemberg alle Akten vorzulegen, die die in dem vorliegenden Verfahren streitige Billigkeitsmaßnahme betreffen, da dies Aufschluss über eine ggf. ermessenfehlerhafte Entscheidung geben könnte. Die Klägerin ist zudem der Ansicht, dass die OFD, das MFW und das BMF zu dem vorliegenden Verfahren beizuladen seien, sofern über den Billigkeitsantrag entschieden werde. Sie führt hierzu im Wesentlichen aus, dass die vorliegend streitige Billigkeitsmaßnahme nur mit deren Zustimmung hätte ergehen können, dass deren Ablehnung aber nicht gesondert angefochten werden könne. Die Beiladung sei daher zugleich eine notwendige.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 29. September 2016 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über die Umsatzsteuer für 1999 vom 26. November 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2012 zu ändern und weitere Vorsteuerbeträge in Höhe von... Euro anzuerkennen sowie den Bescheid über die Zinsen zur Umsatzsteuer für 1999 vom 17. Dezember 2007 und vom 26. November 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2012 aufzuheben und Zinsen in gesetzlicher Höhe festzusetzen
und
für den Fall der Abweisung der Klage die Revision zuzulassen,
hilfsweise
1.
die Vorlage der Akten der Oberfinanzdirektion Karlsruhe, des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg und des Bundesfinanzministeriums zu der streitgegenständlichen Ermessensentscheidung und Befassung des Bundesfinanzhofes mit dem Antrag nach § 86 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO),
2.
dem Beklagten die Vorlage der Seiten aufzugeben, die er den Einspruchsakten entnommen hat (Bl. 187 bis 206), und den Einwand des Steuergeheimnisses Dritter dadurch auszuräumen, dass der Beklagte die Steuerpflichtigen, auf deren Steuergeheimnis er sich beruft, entsprechend dem Muster anschreibt, das die Klägerin als Anlage K 1 vorgelegt hat und auch insoweit den Bundesfinanzhof nach § 86 Abs. 3 FGO mit dem Antrag zu befassen,
3.
die Oberfinanzdirektion Karlsruhe, das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg und das Bundesministerium der Finanzen zu dem vorliegenden Verfahren beizuladen,
4.
den Bescheid vom 17. April 2012 über den Billigkeitsantrag und die Einspruchsentscheidung hierzu vom 24. Oktober 2012 aufzuheben und den Beklagten wegen Ermessensreduzierung auf Null zu verpflichten, im Billigkeitswege von der Umsatzsteuer für 1999 weitere Vorsteuerbeträge in Höhe von insgesamt... Euro anzuerkennen oder - hilfsweise - Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer 1999
a)
in Höhe von insgesamt EUR... Euro zu erlassen, so dass die Klägerin noch EUR... Erstattungszinsen erhält,
b)
hilfsweise in Höhe von EUR... zu erlassen, so dass die Klägerin nur noch EUR... Nachzahlungszinsen für Umsatzsteuer 1999 zu bezahlen braucht,
5.
den Bescheid vom 17. April 2012 über den Billigkeitsantrag und die Einspruchsentscheidung hierzu vom 24. Oktober 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu ihrem Antrag, im Billigkeitswege von der Umsatzsteuer für 1999 weitere Vorsteuerbeträge in Höhe von insgesamt EUR... abzuziehen oder - hilfsweise - Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer 1999
a)
in Höhe von insgesamt EUR... Euro zu erlassen, so dass die Klägerin noch EUR... Erstattungszinsen erhält,
b)
hilfsweise in Höhe von EUR... zu erlassen, so dass die Klägerin nur noch EUR... Nachzahlungszinsen für Umsatzsteuer 1999 zu bezahlen braucht, erneut zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte verweist auf die Einspruchsentscheidung. Er lehnt die Vorlage der Akten der OFD, des MFW und des BMF ab. Diese Akten seien nicht entscheidungserheblich. Auch hindere das Steuergeheimnis deren Vorlage.
Mit Beschluss vom 21. Juli 2016 V B 66/15 hat der Bundesfinanzhof das Urteil des Finanzgerichts vom 1. Juli 2015 12 K 3845/12 aufgehoben und die Sache an den Vollsenat zurückverwiesen.
Am 14. September 2017 hat ein Erörterungstermin stattgefunden. Auf die Niederschrift (Bl. 102 f. der FG-Akte) wird Bezug genommen.Der Senat hat am 13. Dezember 2017 in der Sache mündlich verhandelt. In der mündlichen Verhandlung ist der Zeuge Y. vernommen worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die Tonaufnahmen Bezug genommen.
Aus den Gründen
Die Klage ist begründet. Der Umsatzsteuerbescheid für 1999, zuletzt geändert mit Bescheid vom 26. November 2010, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit Vorsteuern in Höhe von... Euro nicht berücksichtigt worden sind.
1. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann die Klägerin das Recht auf Vorsteuerabzug im Streitfall bereits für das Jahr 1999 ausüben.
a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.
Unionsrechtliche Grundlage für das Rechnungserfordernis ist im Streitjahr Art. 18 Abs. 1 Buchst. a und Art. 22 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (6. EG-RL). Nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL muss der Steuerpflichtige, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, für den Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-RL in Bezug auf die Lieferung von Gegenständen oder das Erbringen von Dienstleistungen eine gemäß Art. 22 Abs. 3 der 6. EG-RL ausgestellte Rechnung besitzen. In Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-RL ist geregelt, welche Angaben eine solche Rechnung unbeschadet der in der Richtlinie festgelegten Sonderbestimmungen mindestens enthalten muss.
b) Zur Überzeugung des Senats lagen bereits im Jahr 1999 Gutschriften im Sinne von § 14 Abs. 4 und 5 UStG vor.
Gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 UStG in der im Streitjahr 1999 gültigen Fassung ist eine Rechnung jede Urkunde, mit der ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter über eine Lieferung oder sonstige Leistung gegenüber dem Leistungsempfänger abrechnet, gleichgültig, wie diese Urkunde im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. § 14 Abs. 5 UStG bestimmt, dass als Rechnung auch eine Gutschrift gilt, mit der ein Unternehmer über eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung abrechnet, die an ihn ausgeführt wird.
aa) Entgegen der Auffassung des Beklagten lässt sich der Vorschrift nicht entnehmen, dass im Streitjahr aufgrund im sog. EDI-Verfahren elektronisch übermittelter Daten erstellte Dokumente keine Rechnungen bzw. Gutschriften im Sinne von § 14 UStG darstellen konnten. Der Begriff der Urkunde i.S.v. 14 Abs. 4 UStG beschränkt sich nach Auffassung des Senats nicht auf Schriftstücke in Papierform (so aber z.B. BMF vom 25. Mai 1992, BStBl. I 1992, 376).
Maßgebend für die Auslegung eines Begriffs ist der in der Vorschrift zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Norm und deren Sinnzusammenhang ergibt. Im Rahmen des möglichen Wortsinns hat die Auslegung den Bedeutungszusammenhang des Gesetzes, die systematische Stellung der Norm sowie den Gesetzeszweck zu beachten. Ergänzend kommt der Entstehungsgeschichte der Vorschrift für deren Auslegung Bedeutung zu (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. April 2012 X R 5/10,BStBl. II 2013, 785 zum Begriff des wirtschaftlichen Zusammenhangs i.S. des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG). Zudem unterliegt das Umsatzsteuergesetz der richtlinienkonformen Auslegung. Sie hat sich, soweit wie möglich, am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten und muss die dazu ergangenen Erkenntnisse des EuGH berücksichtigen (BFH-Urteil vom 2. April 1998 V R 34/97,BStBl II 1998, 695).
bb) Gemessen an diesen Vorgaben und unter Berücksichtigung der Zeugenaussage liegt nach Auffassung des Senats eine Rechnung bzw. eine Gutschrift auch dann vor, wenn aufgrund - im Rahmen des EDI-Verfahrens übermittelter – elektronischer Daten ein den Anforderungen des § 14 UStG genügendes Dokument in der EDV des Empfängers automatisiert erstellt worden ist.
(1) Nach Vernehmung des Zeugen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass im Rahmen des EDI-Verfahrens alle für die Erstellung einer ordnungsgemäßen Rechnung notwendigen Daten (über Clearing-Center) automatisiert übermittelt werden. So stellt – wie der Zeuge Y. glaubhaft und glaubwürdig dargelegt hat - der Lieferer dem Abnehmer insbesondere die Artikelstammdaten elektronisch zur Verfügung. Dies sind insbesondere eine Beschreibung des zu verkaufenden Artikels, EAN-Nummer des Artikels einschließlich GLN-Nummer (Global Location Number) bzw. ILN-Nummer (International Location Number), die den Lieferer eindeutig identifiziert, darüber hinaus der Verkaufspreis netto und Abverkaufspreis – brutto. Die Daten werden – über eine Clearing-Stelle - in das System des Leistungsempfängers eingespielt. Im Gegenzug übermittelt der Leistungsempfänger – also die Klägerin – mindestens einmal wöchentlich die Abverkaufsdaten (sog. Sales-Report). Dieser Sales-Report enthält insbesondere die EAN-Nummern der abverkauften Waren, GLN-Nummer der Klägerin, Stückzahl der verkauften Waren und Abverkaufspreis. Auf Basis dieses Sales-Reports werden – in der Regel einmal wöchentlich - die entsprechenden Zahlungen an die Lieferanten anwiesen. In der EDV des Lieferers und des Leistungsempfängers werden aufgrund des Sales-Reports vollautomatisiert und standardisiert Dokumente erzeugt, die alle für die Rechnung bzw. Gutschriften erforderlichen Daten enthalten (insbesondere Anschrift des Lieferers und Leistungsempfängers und Steuerbetrag). Eine eindeutige Identifizierung von Lieferer und Leistungsempfänger ist über die mit übersandten GLN-Nummern gewährleistet.
Die Aussage des Zeugen Y. wird durch die im Klageverfahren beispielhaft vorgelegte Rechnung der Firma Z vom 2. August 1999 bestätigt (vgl. Anlageband zur Finanzgerichtsakten, Anlage 3), auf die ausdrücklich Bezug genommen wird. Diese enthält alle nach § 14 UStG erforderlichen Angaben. Dies wird vom Beklagten auch nicht bestritten.
(2) Seinem Wortlaut nach setzt eine Urkunde nicht zwingend eine verkörperte Gedankenerklärung in Form eines Schriftstückes in Papierform voraus. So regelt z.B. § 119 Abs. 1 der Bundesnotarordnung (BNotO) in der Fassung vom 1. Juni 2017, dass das Amtsgericht von ihm verwahrte Schriftstücke aus den Urkundensammlungen der Notare einschließlich der Vermerkblätter in die elektronische Form übertragen kann und die elektronischen Dokumente in elektronischen Urkundensammlungen zu verwahren sind.
Der in anderen Rechtsgebieten, wie z.B. im Zivilprozessrecht oder im Strafrecht, geprägte Begriff der Urkunde, der auf eine verkörperte Gedankenerklärung abstellt, kann aufgrund des Vorrangs einer richtlinienkonformen Auslegung nicht unbesehen auf das UStG übertragen werden.
Die 6. EG-RL in der im Streitjahr geltenden Fassung enthält zwar keine Definition der Rechnung. Art. 22 Abs. 3 der 6. EG-RL bestimmt lediglich, dass die Mitgliedstaaten die Kriterien festlegen, nach denen ein Dokument als Rechnung betrachtet werden kann. Zu berücksichtigen ist aber, dass das streitgegenständliche EDI-Verfahren bereits im Streitjahr auf EU-Ebene anerkannt war. So führte das von der EU-Kommission Ende der achtziger Jahre begonnene Programm Tedis (Trade electronic data interchange systems – elektronische Austauschsysteme für Handelsdaten) zum Entwurf der Europäischen EDI-Mustervereinbarung, die die rechtliche Sicherheit für die Handelspartner erhöhen und die Unsicherheitsfaktoren beim Einsatz von EDI vermindern sollte (Weber in DB 2004, 337). Ein Ergebnis war die Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustauschs (Abl., L 338 vom 28.12.1994, S. 98-117). Danach empfiehlt die Kommission,
1. dass Wirtschaftsteilnehmer und Organisationen, die ihren Handel über EDI abwickeln, die Europäische EDI-Mustervereinbarung und den zugehörigen Kommentar zugrundelegen, wie in den Anhängen zu dieser Empfehlung vorgesehen;
2. dass die Mitgliedstaaten die Verwendung der "Europäischen EDI-Mustervereinbarung" fördern und hierzu die geeigneten Maßnahmen ergreifen.
Dem würde es aus Sicht des Senats widersprechen, einen Wirtschaftsteilnehmer, der sich des EDI-Verfahrens unter Berücksichtigung der Europäischen EDI-Mustervereinbarung bedient, den Vorsteuerabzug mit der Begründung zu versagen, es lägen keine Rechnungen bzw. Gutschriften vor.
Letztlich belegen auch die weiteren – aus Sicht des Senats insoweit klarstellenden - Änderungen des § 14 UStG, dass elektronische Dokumente Rechnungen darstellen. So wurde bereits durch Art. 9 des Steuersenkungsgesetzes vom 23. Oktober 2000 (BStBl. I 2000, 1433) in § 14 Abs. 4 UStG ein Satz 2 eingefügt, wonach als Rechnung auch eine mit einer qualifizierten elektronischen Signatur mit Anbieter-Akkreditierung nach § 15 Abs. 1 des Signaturgesetzes versehene elektronische Abrechnung gilt. Durch Art. 5 Nr. 15 des Gesetzes vom 15. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, 2645) wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2004 u.a. das Wort „Urkunde“ durch das Wort „Dokument“ ersetzt. Letztendlich wurde nunmehr in § 14 Abs. 3 Nr. 2 UStG in der ab 1. Juli 2011 geltenden Fassung (Art. 5 Nr. 1 Buchst. b des Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. November 2011, BGBl. I 2011, 2131) ausdrücklich geregelt, dass unbeschadet anderer zulässiger Verfahren bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet gilt durch elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.
c) Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob im Streitjahr bereits die reine elektronische Übermittlung den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechnung bzw. Gutschrift genügt. Dem Wortlaut des § 14 UStG in der in 1999 geltenden Fassung ist eine Einschränkung des Übermittlungsweges nicht zu entnehmen. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, da der darin - gegebenenfalls – bestehende Formfehler nach Auffassung des Senats mit Übersendung der Sammelrechnungen über Gutschriften am 21. Februar 2006 geheilt worden ist.
Der EuGH hat mit Urteil vom 15. September 2016 C-518/14 (Senatex GmbH, DStR 2016, 2211) entschieden, dass Art. 167, Art. 178 Buchst. a, Art. 179 und Art. 226 Nr. 3 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSystRL) - und damit auch Art. 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 Buchst. a, Art. 22 Abs. 3 der 6. EG-RL - einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach der Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe keine Rückwirkung zukommt, so dass das Recht auf Vorsteuerabzug in Bezug auf die berichtigte Rechnung nicht für das Jahr ausgeübt werden kann, in dem diese Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde, sondern für das Jahr, in dem sie berichtigt wurde. Der Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung ist danach formelle, aber nicht materielle Voraussetzung für das Recht auf Vorsteuerabzug.
Dementsprechend hat der BFH entschieden, dass § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG und § 31 Abs. 5 UStDV richtlinienkonform auszulegen sind (vgl. BFH vom 20. Oktober 2016 V R 26/15, BFHE 255, 348. Eine Berichtigung wirkt daher auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde.
Im Streitjahr ist § 31 Abs. 5 UStDV zwar noch nicht anzuwenden. Aber nach Auffassung des Senats ist § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG entsprechend richtlinienkonform auszulegen. Danach wirkt auch die „Berichtigung“ einer elektronisch per EDI übersandten Rechnung bzw. Gutschrift durch Übersendung der Rechnung bzw. Gutschrift in Papierform auf das Jahr der ursprünglichen Rechnungsstellung zurück. Der Senat leitet dies im Wesentlichen daraus ab, dass der EuGH im Urteil vom 15. September 2016 C-518/14 (Senatex GmbH, DStR 2016, 2211) betont, dass der Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung danach formelle, aber nicht materielle Voraussetzung für das Recht auf Vorsteuerabzug ist.Der EuGH hat zudem entschieden, dass das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität verlangt, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Voraussetzungen nicht genügt hat (vgl. EuGH-Urteil vom 15. September 2016, Barlis 06, C-516/14, DStR 2016, 2216). Darüber hinaus ist die Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustauschs (Abl., L 338 vom 28.12.1994, S. 98-117) und die ständige Rechtsprechung des EuGH, dass das Recht auf Vorsteuerabzug integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ist und grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann und dass dieses Recht für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden kann (vgl. EuGH-Urteil vom 15. September 2016, Senatex GmbH, C-518/14, , m.w.N.), zu berücksichtigen.
d) Nicht zu entscheiden braucht der Senat, ob nach den Grundsätzen des EuGH-Urteils vom 15. September 2016 C-516/14 (Barlis 06, DStR 2016, 2216) das Vorsteuerabzugsrecht auch ohne förmliche Berichtigung der - möglicherweise nicht ordnungsgemäßen Rechnungen - ausgeübt werden konnte. Hierfür spricht allerdings, dass - auch nach Feststellungen des Beklagten, insbesondere der Betriebsprüfung - mit Ausnahme der Frage der ordnungsgemäßen Rechnungen alle Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG vorliegen und keinerlei Anhaltspunkte für einen Missbrauch bestehen.
2. Die Änderung des Umsatzsteuerbescheides für 1999 führt zur Änderung des Zinsbescheides zur Umsatzsteuer für 1999 vom 17. Dezember 2007 und vom 26. November 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2012.
Der Zinslauf richtet sich dabei nach § 233a Abs. 2 AO. Es kann dabei dahinstehen, ob die Rechnungsberichtigung ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 233a Abs. 2a, Abs. 7 i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sein kann. Nach dem EuGH-Urteil vom 15. September 2016 C-518/14 (Senatex GmbH, DStR 2016, 2211) steht das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegen, nach der im Fall einer Rechnungsberichtigung Nachzahlungszinsen entstehen. Dies gilt zumindest dann, wenn sich der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer -wie im Streitfall- mit einem Rechtsbehelf gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs wendet (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 2010 V R 26/15, BFH/NV 2017, 252).
Die Neuberechnung der Zinsen wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen.
3. Da dem Hauptantrag der Klägerin danach stattzugeben war, braucht über die Hilfsanträge nicht mehr entschieden werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und §§ 709, 711 der Zivilprozessordnung.
5. Die Klägerin hat beantragt, die Zuziehung des Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären. Dem Verfahren liegt ein Sachverhalt zugrunde, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein als einfach zu beurteilen ist. Die Klägerin durfte sich daher eines Rechtskundigen bedienen, um eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung zu erreichen. Der Senat hält hiernach die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig (vgl. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).
6. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.