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Steuerrecht
08.12.2016
Steuerrecht
FG Köln: Vorsteuerabzug bei Emissionszertifikatehandel

FG Köln, Urteil vom 20.9.2016 – 8 K 1527/14

Volltext: BB-Online BBL2016-3030-4

Sachverhalt

Streitig ist, ob die Klägerin im Streitjahr 2009 vorsteuerabzugsberechtigt ist i.H.v. ... € aus einer Rechnung der Firma A ... GmbH, in N.

Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft mit Sitz in P, wurde zum .... gegründet. Komplementär und Geschäftsführer ist Herr B, Kommanditistin ist B1. Zweck der Gesellschaft ist die .... Die Klägerin handelte unter anderem mit Emissionszertifikaten sowohl OTC (over the counter) als auch börslich. Sie war bei dem Umweltbundesamt - Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHST) - mit der Register-Nummer. DE 1 registriert.

Mit Umsatzsteuererklärung 2009 vom 30.12.2010 erklärte die Klägerin Umsätze zum allgemeinen Steuersatz i.H.v. ... € bei Vorsteuern i.H.v. ... €.

In den erklärten Vorsteuern war ein Betrag von ...€ enthalten, der aus einer Rechnung der A ... GmbH, in N (im folgenden A) vom 1.10.2009 beruhte (Bl. 227).

Die Umsatzsteuererklärung 2009 vom 30.12.2010, die einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand, wurde mit Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 26.11.2013 geändert. Die Vorsteuern aus der Rechnung der A vom 1.10.2009 i.H.v. ... € wurden nicht mehr berücksichtigt.

Dem lagen Prüfungsergebnisse der Steuerfahndung zu Grunde. Das Finanzamt in N, Steuerfahndungs- und Steuerstrafstelle, hatte bei der A seit dem 5.8.2009, und das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung R hatte seit dem 15.12.2009 bei der Klägerin für den Zeitraum 2009 die Umsatzsteuer geprüft. Auf die Prüfungsberichte vom 5.9.2013 (A) und vom 23.10.2013 (Klägerin) sowie die Aktenvermerke des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung R vom 10.8.2010 und den Auswertevermerk vom 9.8.2010 (Bl. 183 ff.) betreffend die Klägerin wird verwiesen.

Das Gericht hat anstelle des nur auszugsweise vorliegenden Steuerfahndungsberichts vom 5.9.2013 (A) dessen vollständige Vorlage erbeten. Der Beklagte hat unter Hinweis auf das Steuergeheimnis dem Gericht auszugsweise Textziffer 19.6.1.1. des Steufa-Berichts vom 5.9.2013 (A) vorgelegt (Bl. 223), auf die verwiesen wird.

Die Staatsanwaltschaft W stellte am 6.11.2013 das gegen den Komplementär der Klägerin, Herrn B, wegen Steuerhinterziehung eingeleitete Strafverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Entsprechend der Einstellungsmitteilung lagen keine Beweise dafür vor, dass Herr B wissentlich an den laut den Feststellungen des Finanzamtes in N, Steuerfahndungs- und Strafsachenstelle erfolgten Steuerhinterziehungen der A und deren Vorlieferanten beteiligt war.

Gegen den in Umsetzung der Prüfungsfeststellungen der Steuerfahndung ergangenen geänderten Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 26.11.2013 legte die Klägerin Einspruch ein. Auf die Einspruchsbegründung vom 22.12.2013 wird verwiesen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 14.5.2014 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet ab. Auf die Einspruchsentscheidung wird verwiesen.

Mit der vorliegenden Klage trägt die Klägerin vor, sie handele seit 2006 im Bereich des Emmissionsrechts. Sie sei für ihre Kompetenz auf dem Gebiet anerkannt. Zu Unrecht gehe die Steuerfahndung und ihr folgend der Beklagte davon aus, dass keine Leistung der A an sie, die Klägerin, entsprechend der Rechnung vom 1.10.2009 erbracht worden sei. Auch gehe der Beklagte zu Unrecht von ihrer Bösgläubigkeit aus und negiere deshalb einen Gutglaubenschutz.

Richtig sei vielmehr, dass sie eine ordnungsgemäße Rechnung der A besitze. Die A habe ihr gegenüber über die Übertragung von Emissionsrechten eine sonstige Leistung gemäß § 3 Abs. 9 i.V.m. § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG erbracht. Die tatsächliche Durchführung folge daraus, dass die Emissionsrechte, die sie von der A gekauft habe, auf ihr Emissionshandelskonto und anschließend auf die Emissionshandelskonten ihrer Abnehmer (zweier Banken) gelangt seien.

Leistende Unternehmerin gegenüber ihr, der Klägerin, sei ausweislich der Eingangsrechnung vom 1.10.2009 die A. Entsprechend dem zwischen ihr und der A abgeschlossenen Vertrag habe die A ihr die Verschaffung der Emissionsrechte geschuldet. Auf den Vertrag wird verwiesen (Bl. 266, 267).

Es sei unerheblich, dass die A zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen die Firma X Ltd., M, Großbritannien, (im folgenden X) eingeschaltet habe.

Die A habe den Vertrag mit ihr im eigenen Namen als Verkäuferin geschlossen. Von der Existenz der X habe sie erst anlässlich der Steuerfahndungsmaßnahmen erfahren.

Umsätze seien demjenigen zuzurechnen, der nach außen als Erbringer der Dienstleistung auftrete. Bei einem Auftreten im eigenen Namen, wenn auch für Rechnung eines Hintermannes, werde die bewirkte Leistung dem im eigenen Namen Auftretenden als Unternehmer und nicht dem Hintermann zugerechnet. Dem Hintermann werde die Leistung bei Strohmannverhältnissen nur zugerechnet, wenn der Leistungsempfänger und der Strohmann einen Scheinvertrag abschlössen, d.h. einverständlich davon ausgingen, dass die Rechtswirkungen des Vertrages den Hintermann treffen sollten. Interne Absprachen zwischen dem Hintermann und dem Strohmann seien ohne Bedeutung für die Leistungsbeziehung.

Vorliegend gebe es keinen Anhaltspunkt für einen Scheinvertrag zwischen der A und ihr, der Klägerin. Am 28.9.2009 habe die A ihr lediglich mitgeteilt, dass die ihr veräußerten Emissionsrechte auf dem dänischen Registerkonto eines ihrer Lieferanten eingetragen seien (DK 2).

Um die Emissionsrechte an sie, die Klägerin zu leisten, habe die A nicht selbst Eigentümerin der Emissionsrechte sein müssen. Für eine Leistung im Sinne von § 3 Abs. 9 UStG reiche es, dass die A veranlassen konnte, dass sie, die Klägerin, die Verfügungsmacht über die Emissionsrechte erlangen konnte.

Seien damit die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug gegeben, sei zudem zu beachten, dass sie gutgläubig gewesen sei. Aus der maßgeblichen ex ante-Sichtweise habe sie alles Zumutbare getan, um auszuschließen, in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden zu werden. Vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung mit der A ab dem ...9.2009 habe sie eine Auskunft in Steuersachen bezüglich der A beim Finanzamt In N sowie eine Bescheinigung des Finanzamtes über die Eintragung der A als Steuerpflichtige eingeholt, sich den Handelsregisterauszug der A besorgt sowie einen Zwischenbericht der F AG zum ...7.2009 über die A eingeholt. Auch habe sie ihren Steuerberater konsultiert. Während der Geschäftsbeziehung habe sie mehrmals mit dem Geschäftsführer der A kommuniziert, der ihr stets zeitnah die erbetenen Auskünfte erteilt habe. Sie habe natürlich nicht - wie die Steuerfahndung - die geschäftlichen Hintergründe der A erforschen können.

Zu den Begründungen der Steuerfahndung für die Annahme ihrer Bösgläubigkeit sei anzumerken, dass im heutigen Geschäftsleben die Kontaktaufnahme per E-Mail, wie zwischen ihr und der A erfolgt, normal sei. Die Nutzung der englischen Sprache sei ebenfalls völlig normal und nicht verdächtig. Dass das Emissionskonto nicht der A gehört habe, habe keine Relevanz für den Gutglaubensschutz. Im Übrigen seien Emissionsrechte frei handelbar. Zwar fänden die Übertragungen über die Eintragung im jeweiligen Register statt. Das sei die dingliche Ebene. Eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Übertragung der Emissionsrechte könne ohne eigene Registereintragung des jeweiligen Händlers erfolgen und werde dinglich vollzogen, wenn dieser die Registereintragung veranlasst habe. Dies habe die A ihr gegenüber auch vertragsgemäß bewerkstelligt. Die bloße abstrakte Gefahrgeneigtheit des Emissionshandels könne nicht zu ihren Lasten gehen.

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 26.11.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.5.2014 in der Weise zu ändern, dass auch der weitere Betrag i.H.v. ...€ als Vorsteuer berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf die Einspruchsentscheidung vom 14.5.2014 und stellt fest, dass vorliegend ein Billigkeitsverfahren nicht Gegenstand des Verfahrens sei. Es gehe allein um die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs und die Frage, ob die Klägerin das Recht auf Vorsteuerabzug missbräuchlich geltend gemacht habe. Letzteres sei der Fall, wenn die Klägerin wusste oder hätte wissen müssen, dass sie sich mit dem Erwerb der Emissionsrechte an einem Umsatz beteiligt, der auf einer vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Lieferkette begangenen Steuerhinterziehung beruhe.

Der Vorsteuerabzug setze nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitze. Nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG müsse die Rechnung den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten. Die Rechnung vom 1.10.2009 weise mit der A nicht den tatsächlich leistenden Unternehmer aus. Da die A unstreitig nicht die Verfügungsberechtigte des Transaktionskontos DK 2 gewesen sei, setze eine Leistung durch sie voraus, dass sie einem Dritten, der das Recht bisher innegehabt habe, damit beauftragt habe, das Recht auf den Leistungsempfänger zu übertragen. Eine hierfür notwendige Verbindung zwischen der X, der Inhaberin des Transaktionskontos DK 2, habe durch die Steuerfahndungs- und Strafsachenstelle des Finanzamtes N nicht festgestellt werden können. In den sichergestellten Unterlagen der A seien keine Eingangsrechnungen der X hinsichtlich der Transaktionen der CO2 Zertifikate, sondern ausschließlich Eingangsrechnungen der Firma T GmbH (im Folgenden T) mit Sitz in W gefunden worden. Die Ermittlungen hätten ferner ergeben, dass, nachdem die Zahlungen der Klägerin auf dem betrieblichen Bankkonto der A gutgeschrieben worden seien, diese sofort mit gleicher Wertstellung nach Abzug einer Kleinmarge auf ein französisches Bankkonto der Firma U Trading mit Sitz in S (VAE) überwiesen worden seien. Aufgrund dieser Feststellungen könne nicht davon ausgegangen werden, dass die A tatsächlich leistender Unternehmer gewesen sei. Die Übertragung der Emissionsrechte durch die X sei nicht auf Weisung der A erfolgt. Die X könne auch nicht als Subunternehmer der A angesehen werden, da keine Vertragsbeziehungen zueinander bestanden hätten.

Sollte entgegen der von ihr vertretenen Auffassung die Rechnung vom 1.10.2009 den tatsächlichen Unternehmer ausweisen, wäre der Vorsteuerabzug aus dieser Rechnung zu versagen, weil die Klägerin hätte wissen können, dass sie sich mit dem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der auf einer vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Lieferkette begangenen Steuerhinterziehung beruhte. Für die in dem Zeitraum vom 18.9.2009 bis 25.9.2009 erfolgten sechs Erwerbe von Emissionsrechten von der A gehe er, der Beklagte, davon aus, dass die Klägerin vorab die ihr zumutbaren Erkundigungen eingeholt habe. Aufgrund der Tatsache, dass der Klägerin Emissionsrechte durch die A in einer Häufigkeit und einem wertmäßigen Umfang angeboten worden seien, die in keinem Verhältnis zu dem von der Klägerin seit 2006 betriebenen Handel mit Emissionsrechten gestanden habe, und die A am 28.09.2009 mitgeteilt habe, dass das Registerkonto DK 2 nicht ihr, sondern einem Lieferanten gehörte, ohne den Namen des Inhabers zu nennen, hätte die Klägerin weitere Ermittlungen anstellen müssen, bevor sie weitere Verträge mit der A abgeschlossen habe.

Die Einstellung des Strafverfahrens gegenüber dem Komplementär der Klägerin sage nichts darüber aus, dass der Klägerin nicht grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen sei.

Das Gericht hat auf Anregung der Beteiligten am 30.8.2016 einen Erörterungstermin durchgeführt. Auf das Protokoll des Erörterungstermins wird verwiesen.

In Reaktion auf die in dem Erörterungstermin aufgeworfenen Fragen hat der Beklagte unter dem 8.9.2016 mitgeteilt, dass nach Auskunft der Deutschen Emissionshandelsstelle im Bundesumweltamt vom ...9.2016 Privatpersonen nicht ermitteln konnten, welchem Unternehmen ein Emissionshandelsregisterkonto zuzurechnen war.

Aus den dem Gericht übersandten Teilen des Steuerfahndungsberichts vom 5.9.2013 könne entnommen werden, dass zumindest bei der A ein Steuerausfall entstanden sei, denn die X habe der A die Emissionsrechte übertragen und der A nicht in Rechnung gestellt. Stattdessen habe die A die Vorsteuern aus Rechnungen der T geltend gemacht.

Nach Aktenlage sind sowohl die X als auch die T Gegenstand von steuerstrafrechtlichen Ermittlungen.

Auf die dem Gericht überlassenen Rechnungen der T unter anderem vom 1.10. 2009 (Bl. 303) wird verwiesen.

Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Die Voraussetzung für den geltend gemachten Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 UStG liegen hinsichtlich der Rechnung der A vom 1.10.2009 vor. Dass die Klägerin sich mit dem Erwerb der ihr am 1.10.2009 übertragenen Emissionszertifikate an einem Umsatz beteiligt hat, der in eine von der A oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war, hat sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht bestätigt. Eine Befassung des Senats mit der Frage, ob die Klägerin bei dem Erwerb der ihr am 1.10.2009 übertragenen Emissionszertifikate bösgläubig war entsprechend der EuGH- und BFH-Rechtsprechung (vergl. BFH, Urteil vom 18.2.2016 – V R 62/14, BStBl. II 2016, 589, Rz. 20 m.w.N.; BFH, Urteil vom 22.7.2015 – V R 23/14, BStBl. II 2015, 914, Rz. 36 m.w.N.), ist deshalb unterblieben.

1.

Vorsteuerabzugsberechtigt ist gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG der Unternehmer bezüglich der Umsatzsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer, dem leistenden Unternehmer, für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 UStG setzt die Ausübung des Vorsteuerabzugs voraus, dass der Leistungsempfänger eine nach § 14 UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG muss die Rechnung u.a. den vollständigen Namen des leistenden Unternehmers enthalten, d.h. Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer müssen grundsätzlich identisch sein.

Vorliegend weist die Rechnung der A vom 1.10.2009 die A als Unternehmerin aus, die gemäß Vertrag vom 1.10.2009 mit der Klägerin in Gestalt der von ihr in Rechnung gestellten Emissionszertifikate (Berechtigungen im Sinne von § 3 Abs. 4 TEHG - Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen vom 8.7.2004, BGBL. I, 1578) eine sonstige Leistung im Sinne des § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG an die Klägerin erbracht hat (vergl. BMF, Schreiben vom 2.2.2005, BStBl. I 2005, 494 Rz.5).

Die Rechnung vom 1.10.2009 ist ordnungsgemäß, denn entgegen dem Vortrag des Beklagten bildet die Rechnung zutreffend entsprechend § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG die A als leistende Unternehmerin im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG ab.

Zur Bestimmung des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers ist das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft entscheidend, während das dingliche Erfüllungsgeschäft zur Bestimmung des umsatzsteuerrechtlichen Leistungsaustausches maßgeblich ist (Robisch/Bunjes, UStG 14. Aufl. 2015, § 1 Tz. 26).

Das dingliche Erfüllungsgeschäft ist hier entsprechend dem zwischen der A und der Klägerin abgeschlossenen Vertrag vom 1.10.2009 in Gestalt des entgeltlichen Leistungsaustausches gemäß § 16 TEHG durch Einigung und Eintragung von Emisionszertifikaten auf das Konto der Klägerin in dem nach § 14 TEHG von der deutschen Emissionshandelsstelle geführten Emissionshandelsregister erfolgreich durchgeführt worden. Für den erfolgreichen Leistungsaustausch ist wegen der Richtigkeitsfiktion des § 16 Abs. 2 S. 1 TEHG in der hier gültigen Fassung unerheblich, ob in der Kette der vorlaufenden Berechtigungsübertragungen ein Erwerb von einem Nichtberechtigten erfolgt ist oder ein Erwerber nicht gutgläubig gewesen ist (vgl. BT-Drucks. 15/2328 vom 13.1.2004, S.15 zu § 16; Sommer, WM 2006, 2029, 2034).

Der erfolgreiche Leistungsaustausch hat entsprechend dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft zwischen der A und der Klägerin stattgefunden (vgl. zum schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft beim Handel mit Emissionszertifikaten: Sommer, WM 2006, 2029, 2035), auch wenn die A zu keinem Zeitpunkt Eigentümerin der an die Klägerin veräußerten Emissionszertifikate war.

Leistender ist entsprechend der zivilrechtlichen Vereinbarungen in der Regel derjenige, der die Lieferung oder sonstige Leistung im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt (BFH, Urteil vom 30.9.1999 – V R 8/99, BFH/NV 2000, 353). Eine Leistung ist dem Ausführenden nicht zuzurechnen, wenn er gegenüber dem Leistungsempfänger im Namen eines Dritten bei der Ausführung der Leistung aufgetreten ist (BFH, Urteil vom 5.4.2001 – V R 5/00, BFH/NV 2001, 1307; FG München, Urteil vom 17.2.2016 – 3 K 2395/13, juris, Rn. 22, 23 m.w.N.). Demgemäß ist ein Strohmann, der nach außen im eigenen Namen auftritt, auch wenn er im Verhältnis zu seinem Hintermann auf dessen Rechnung handelt, leistender Unternehmer, sofern der Leistungsempfänger und der Strohmann keinen Scheinvertrag im Sinne des § 41 AO abschließen, in dem sie davon ausgehen, dass die Rechtswirksamkeit des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem Hintermann eintreten soll (BGH, Beschluss vom 8.7.2014 – 1 StR 29/14, NStZ 2015, 287, Rz. 10,11). Leistender Unternehmer ist nach ständiger Rechtsprechung zudem auch derjenige, der gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen auftritt, auch wenn er ihm die Verfügungsmacht an einem Gegenstand oder einer Berechtigung nur dadurch verschaffen kann, dass er veranlasst, dass ein Dritter, der die Verfügungsmacht bisher innehat, dem Leistungsempfänger die Verfügungsmacht verschafft. Hierfür ist eine nur mündliche Absprache zwischen dem leistenden Unternehmer und dem Dritten ausreichend (so schon BFH, Urteil vom 28.01.1999 – V R 4/98, BStBl. II 1999, 628, Rz.16).

Dies zugrunde gelegt hat die Klägerin nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung allein mit der rechnungsausstellenden A und nicht etwa mit der X ein schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft über den Verkauf der ihr am 1.10.2009 übereigneten Emissionszertifikate abgeschlossen.

Vertragliche Absprachen zwischen der Klägerin und der X über die Übertragung der am 1.10.2009 auf die Klägerin übergegangenen Emissionszertifikate haben entsprechend der glaubhaften Aussage des Geschäftsführers der Klägerin und nach Aktenlage nicht stattgefunden, da dem Geschäftsführer der Klägerin ein Unternehmer namens X nicht bekannt war und er nach den Ermittlungen des Beklagten anhand der ihm bekannt gewordenen dänischen Registernummer der X die Identität der X nicht in Erfahrung bringen konnte.

2.

Die damit feststehende grundsätzliche Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin aus der Rechnung der A vom 1.10.2009 kann ihr nicht deswegen verweigert werden, weil der Beklagte die Auffassung vertritt, aufgrund objektiver Umstände stehe fest, dass die Klägerin hätte wissen müssen, dass die Übertragung der Emissionszertifikate an sie im Rahmen einer Leistungskette erfolgt sei, in der auf einer vorhergehenden oder nachgehenden Umsatzstufe Steuerhinterziehung begangen worden sei.

Derartige objektive Umstände stehen im Streitfall gerade nicht fest.

Dies geht zu Lasten des Beklagten.

Die Sanktion, dem Steuerpflichtigen den Vorsteuerabzug trotz Vorliegens seiner objektiven Merkmale zu versagen, ist nur zu rechtfertigen, wenn die Finanzverwaltung das Vorliegen objektiver Umstände nachweist, die den Schluss zulassen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug vom Steuerpflichtigen in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird (BFH, Urteil v. 18.2.2016 – V R 62/14, BStBl. II 2016, 589, Rz. 20 m.w.N.).

Der Beklagte hat trotz mehrfacher gerichtlicher Aufforderung keine Aussage darüber machen können, auf welcher Stufe der Leistungskette bezüglich der der Klägerin am 1.10.2009 übertragenen Emissionszertifikate eine Steuerhinterziehung erfolgt sein soll. Seine Mutmaßungen bezüglich einer Steuerhinterziehung bei der A in seinem Schriftsatz vom 8.9.2016 sind nicht nachvollziehbar, hat doch das Finanzamt N, Steuerfahndungs- und Steuerstrafstelle, in seinem Prüfungsbericht vom 5.9.2013 festgehalten, dass die A als Buffer ihren umsatzsteuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist.

Die naheliegende Vermutung, dass auf der Ebene der T als Missing Trader im Rahmen der Leistungskette von der X zur A bezüglich der an die Klägerin am 1.10.2009 übertragenen Emissionszertifikate Steuerhinterziehung erfolgt sei, hat der Beklagte nur durch den Hinweis auf laufende Ermittlungsverfahren bedient.

Die dem Gericht vorliegenden Steuerfahndungsberichte, die bezüglich der A nicht vollständig vorgelegt worden sind unter dem fehlgehenden Hinweis auf das Steuergeheimnis, schildern lediglich, dass der Emissionszertifikatehandel im Hinblick auf den Tatbestand der Steuerhinterziehung gefahrgeneigt ist, benennen aber – soweit erkennbar – keine objektiven Umstände, die es rechtfertigen würden, die Klägerin als Glied einer Leistungskette, in deren Verlauf Steuerhinterziehung begangen worden ist, zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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