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Steuerrecht
16.08.2019
Steuerrecht
EuGH-Vorlage: Vorsteuerabzug – Verwaltungsgebühren für einen Stiftungsfonds, der Investitionen tätigt, um die Kosten aller Ausgangsumsätze des Steuerpflichtigen zu decken

EuGH, Urteil vom 3.7.2019C-316/18, University of Cambridge

ECLI:EU:C:2019:559

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2019-1955-1

Tenor

Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass ein Steuerpflichtiger, der sowohl mehrwertsteuerpflichtige als auch mehrwertsteuerbefreite Tätigkeiten ausübt, Schenkungen und Stiftungen, die er erhält, investiert, indem er sie in einem Fonds anlegt, und die Erträge aus diesem Fonds verwendet, um die Kosten aller dieser Tätigkeiten zu decken, nicht berechtigt ist, die auf die Kosten dieser Anlage entfallende Vorsteuer als Gemeinkosten abzuziehen.

RL 2006/112/EG Art. 17 Abs. 2 Buchst. a, Art. 168 Buchst. a; RL 2006/112/EG Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, Buchst. c, Art. 9 Abs. 1; Value Added Tax Act 1994 Section 1(1), Section 26

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs (Steuer- und Zollverwaltung, Vereinigtes Königreich) (im Folgenden: Steuerverwaltung) und The Chancellor, Masters and Scholars of the University of Cambridge (im Folgenden: Universität Cambridge) über die Weigerung der Steuerverwaltung, der Universität Cambridge den Abzug der Mehrwertsteuer zu gestatten, die auf Gebühren im Zusammenhang mit nicht unter die Mehrwertsteuerrichtlinie fallenden Kapitalanlagetätigkeiten entfiel, deren Erträge aber dazu verwendet wurden, die Kosten der Gesamttätigkeit dieser Universität zu decken.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Sechste Richtlinie

3          Die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) sieht in Art. 17 Abs. 2 Buchst. a vor:

„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a) die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden“.

Mehrwertsteuerrichtlinie

4          Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

a) Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt;

c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt“.

5          Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Als ,Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.

Als ,wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“

6          Art. 168 Buchst. a der Richtlinie lautet:

„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden“.

Recht des Vereinigten Königreichs

7          Section 1(1) des Value Added Tax Act 1994 (Mehrwertsteuergesetz 1994) bestimmt:

„(1) Gemäß den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegen der Mehrwertsteuer

a) Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen im Vereinigten Königreich (einschließlich aller Vorgänge, die als solche Lieferungen gelten) …“

8          Nach Section 26 dieses Gesetzes ist nur diejenige Vorsteuer abzugsfähig, die sich nach den VAT Regulations 1995 (Mehrwertsteuerverordnung von 1995) auf steuerpflichtige Lieferungen des Steuerpflichtigen bezieht, nicht aber diejenige, die sich auf steuerbefreite Lieferungen bezieht. Section 26(3) des Gesetzes bestimmt, dass die Steuerverwaltung in dem Fall, dass ein Steuerpflichtiger sowohl steuerpflichtige als auch steuerbefreite Umsätze tätigt, Regelungen trifft, um eine gerechte und angemessene Aufteilung der Vorsteuer zwischen den steuerpflichtigen und steuerbefreiten Umsätzen zu gewährleisten.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

9          Die Universität Cambridge ist eine gemeinnützige Bildungseinrichtung, die neben ihrer Haupttätigkeit der Erbringung von Bildungsleistungen, die von der Mehrwertsteuer befreit sind, auch steuerpflichtige Umsätze tätigt, und zwar im Rahmen kommerzieller Forschung, des Verkaufs von Veröffentlichungen, der Beratung, Bewirtung und Beherbergung sowie der Vermietung von Anlagen und Material. Die Vorsteuer, die sich auf Kosten bezieht, die sowohl für steuerpflichtige als auch für steuerbefreite Umsätze entstehen, wird anhand einer von der Steuerverwaltung nach nationalem Recht gebilligten speziellen Methode der Teilbefreiung zwischen den beiden Arten von Umsätzen aufgeteilt.

10        Die Tätigkeiten der Universität Cambridge werden teilweise durch Schenkungen und Stiftungen finanziert, die in einen Fonds eingestellt und dann angelegt werden. Dieser Fonds wird durch einen Dritten verwaltet. Im März 2009 beantragte die Universität bei der Steuerverwaltung den Abzug der Vorsteuer auf die Gebühren, die sie für die Verwaltung dieses Fonds für die Zeiträume 1. April 1973 bis 1. Mai 1997 und 1. Mai 2006 bis 30. Januar 2009 entrichtet hatte, und machte geltend, dass die Erträge aus diesem Fonds zur Finanzierung ihrer Gesamttätigkeit verwendet worden seien.

11        Die Steuerverwaltung lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass diese Gebühren unmittelbar und ausschließlich der Anlagetätigkeit zuzuordnen seien, die nicht unter die Mehrwertsteuerrichtlinie falle. Die Gebühren seien jedenfalls kein Kostenelement der nachgelagerten steuerpflichtigen Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen, da die Erträge aus diesem Fonds teilweise diese Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen finanzierten.

12        Die Universität Cambridge focht diese Entscheidung vor dem First-tier Tribunal (Tax Chamber) (Gericht erster Instanz [Kammer für Steuersachen], Vereinigtes Königreich) an. Dieses Gericht, das die Auffassung vertrat, dass die Fondsverwaltungsgebühren Aufwendungen für die wirtschaftlichen Tätigkeiten der Universität Cambridge darstellten und deshalb Teil der Gemeinkosten der Universität seien, gab deren Klage statt. Nachdem diese Beurteilung vom Upper Tribunal (Tax and Chancery Chamber) (Gericht zweiter Instanz [Kammer für Steuer- und Finanzsachen], Vereinigtes Königreich) bestätigt worden war, legte die Steuerverwaltung gegen dessen Entscheidung Rechtsmittel beim Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Rechtsmittelgericht [England & Wales] [Zivilabteilung], Vereinigtes Königreich) ein.

13        Das vorlegende Gericht führt aus, dass die Anlage der Schenkungen und Stiftungen in einen Fonds als solche keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs darstelle und daher nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuerregelung falle.

14        Die Ausgaben für die fraglichen Fondsverwaltungsgebühren könnten nur dann einen Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Universität Cambridge aufweisen, wenn davon auszugehen sei, dass die Kosten der erbrachten vorgelagerten Verwaltungsdienstleistung den wirtschaftlichen Tätigkeiten zuzuordnen seien, zu deren Unterstützung der Fonds geschaffen worden sei. Dies würde bedeuten, dass statt auf die nicht steuerpflichtige Anlagetätigkeit auf die von der Universität Cambridge angebotenen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Tätigkeiten abgestellt würde.

15        Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs scheine sich zu ergeben, dass Ausgaben, die tatsächlich unmittelbar einer nicht steuerpflichtigen Tätigkeit zuzuordnen seien, in bestimmten Fällen mehrwertsteuerrechtlich als mit der nachgelagerten steuerpflichtigen Tätigkeit zusammenhängend angesehen werden könnten.

16        Unter diesen Umständen hat der Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Rechtsmittelgericht [England & Wales] [Zivilabteilung]) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist eine Unterscheidung vorzunehmen zwischen steuerbefreiten und nicht steuerpflichtigen Umsätzen, um über die Frage entscheiden zu können, ob die auf solche Umsätze entfallende Mehrwertsteuer als Vorsteuer in Abzug gebracht werden kann?

2. Ist es trotz des Umstands, dass Verwaltungsgebühren nur in Bezug auf eine nicht mehrwertsteuerpflichtige Anlagetätigkeit entstehen, möglich, den notwendigen Zusammenhang zwischen diesen Kosten und den wirtschaftlichen Tätigkeiten herzustellen, die mit den aus den Anlagegeschäften resultierenden Einnahmen mitfinanziert werden, um so unter Verweis auf Art und Umfang der nachgelagerten wirtschaftlichen Tätigkeit, für die das Recht auf Vorsteuerabzug besteht, einen Vorsteuerabzug zu gestatten? Inwieweit kommt es dabei auf den Zweck an, zu dem die erzielten Einnahmen verwendet werden?

3. Ist eine Unterscheidung vorzunehmen zwischen der Mehrwertsteuer, die im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung eines Unternehmens anfällt, und der Mehrwertsteuer, mit der selbst laufende Einnahmen generiert werden, die sich von laufenden Einnahmen aus nachgelagerter wirtschaftlicher Tätigkeit unterscheiden?

Zu den Vorlagefragen

17        Einleitend ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Sechste Richtlinie durch die am 1. Januar 2007 in Kraft getretene Mehrwertsteuerrichtlinie aufgehoben wurde, ohne dass dabei jedoch inhaltliche Änderungen vorgenommen wurden. Da die maßgeblichen Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie also inhaltlich im Wesentlichen mit denen der Sechsten Richtlinie übereinstimmen, ist die zu dieser Richtlinie ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs auch für die Mehrwertsteuerrichtlinie einschlägig.

18        Zum anderen ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass der Ausgangsrechtsstreit einen Zeitraum betrifft, in dem zunächst die Sechste Richtlinie und dann die Mehrwertsteuerrichtlinie in Kraft war. Daher gilt die im vorliegenden Urteil vorgenommene Auslegung von Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie auch für Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie.

19        Nach diesen Klarstellungen ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, wissen möchte, ob Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Steuerpflichtiger, der sowohl mehrwertsteuerpflichtige als auch mehrwertsteuerbefreite Tätigkeiten ausübt, Schenkungen und Stiftungen, die er erhält, investiert, indem er sie in einem Fonds anlegt, und die Erträge aus diesem Fonds dazu verwendet, die Kosten aller dieser Tätigkeiten zu decken, berechtigt ist, die auf die Kosten dieser Anlage entfallende Vorsteuer als Gemeinkosten abzuziehen.

Der Mehrwertbesteuerung unterliegen ausschließlich Tätigkeiten wirtschaftlicher Art (gegen Entgelt getätigte Lieferungen/Dienstleistungen)

20        Erstens ist daran zu erinnern, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie der Mehrwertsteuer zwar einen sehr weiten Anwendungsbereich zuweist, dass jedoch ausschließlich Tätigkeiten wirtschaftlicher Art dieser Steuer unterliegen. Nach Art. 2 dieser Richtlinie, der den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer definiert, unterliegen nämlich nur gegen Entgelt getätigte Lieferungen von Gegenständen und erbrachte Dienstleistungen der Mehrwertsteuer (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juli 2018, Marle Participations, C-320/17, EU:C:2018:537, Rn. 19 [BB 2018, 1621 Tenor] und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zwischen den Parteien ist eine entsprechende Vereinbarung notwendig

21        In Bezug auf diese letztere Voraussetzung ergibt sich aus der Rechtsprechung der Gerichtshofs, dass die Möglichkeit, eine Lieferung von Gegenständen oder eine Dienstleistung als einen gegen Entgelt getätigten Umsatz einzustufen, eine Vereinbarung zwischen den Parteien über einen Preis oder einen Gegenwert voraussetzt, und dass eine solche Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistung „gegen Entgelt“ im Sinne von Art. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie nur dann vorliegt, wenn zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem empfangenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juli 2018, Marle Participations, C-320/17, EU:C:2018:537, Rn. 23 [BB 2018, 1621 Tenor] und die dort angeführte Rechtsprechung).

Der Vorsteuerabzug soll alle wirtschaftlichen Tätigkeiten entlasten

22        Zweitens soll durch die mit der Mehrwertsteuerrichtlinie eingeführte Regelung über den Vorsteuerabzug der Unternehmer vollständig von der im Rahmen aller seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet so die völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck oder ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten grundsätzlich selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (Urteil vom 5. Juli 2018, Marle Participations, C-320/17, EU:C:2018:537, Rn. 25 [BB 2018, 1621 Tenor] und die dort angeführte Rechtsprechung).

Der Betreffende muss „Steuerpflichtiger“ i.S.d. Richtlinie sein

23        Das Recht auf Vorsteuerabzug setzt nach Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie allerdings voraus, dass der Betreffende „Steuerpflichtiger“ im Sinne der Richtlinie ist und dass die zur Begründung dieses Rechts angeführten Gegenstände oder Dienstleistungen von ihm auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden und auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht worden sind (Urteil vom 5. Juli 2018, Marle Participations, C-320/17, EU:C:2018:537, Rn. 26 [BB 2018, 1621 Tenor] und die dort angeführte Rechtsprechung).

24        Daher eröffnen Umsätze, die nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie fallen, oder solche, die von der Mehrwertsteuer befreit sind, auch kein Recht auf Vorsteuerabzug (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 30 [BB 2017, 2261 Tenor] und die dort angeführte Rechtsprechung).

Der Vorsteuerabzug setzt einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz voraus

25        Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Steuerpflichtiger nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, besteht. Das Recht auf Abzug der für den Erwerb eines Gegenstands oder einer Dienstleistung entrichteten Mehrwertsteuer ist nur gegeben, wenn die hierfür getätigte Ausgabe zu den Kostenelementen der besteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehört (Urteil vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 28 [BB 2017, 2261 Tenor] und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zumindest müssen die Kosten direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zusammenhängen und sich dies im jeweiligen Preis niederschlägt

26        Ein Recht auf Vorsteuerabzug wird jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen dann angenommen, wenn die Kosten der fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und – als solche – Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind, da derartige Kosten direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zusammenhängen (Urteil vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 29 [BB 2017, 2261 Tenor] und die dort angeführte Rechtsprechung).

27        Daraus folgt, dass in beiden Fällen ein solcher direkter und unmittelbarer Zusammenhang nur dann vorliegt, wenn die Kosten der Eingangsgegenstände und -leistungen jeweils Eingang in den Preis bestimmter Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen finden, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit liefert bzw. erbringt (Urteil vom 30. Mai 2013, X, C-651/11, EU:C:2013:346, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Kosten im Zusammenhang mit der Anlage von Spenden und Stiftungen in einen Fonds hängen nicht unmittelbar mit einer wirtschaftliche Tätigkeit zusammen

28        Im vorliegenden Fall ist zur Beantwortung der Frage, ob unter den Umständen des Ausgangsverfahrens ein Abzug der Mehrwertsteuer möglich ist, die auf die Kosten im Zusammenhang mit der Anlage von Spenden und Stiftungen in einem Fonds entrichtet wurde, die der Erzielung von Ressourcen zur Deckung der Kosten aller Tätigkeiten einer Bildungseinrichtung wie der Universität Cambridge dient, vorab zu bestimmen, ob die Vereinnahmung dieser Spenden und Stiftungen und ihre Anlage in einem Fonds eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie darstellen und damit in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen.

Die Universität Cambrige handelt im Rahmen der Sammlung/Vereinnahmung von Spenden und Stiftungen mangels Entgeltlichkeit nicht als Steuerpflichtiger

29        Insoweit ist festzustellen, dass die Universität Cambridge im Rahmen der Sammlung und der Vereinnahmung von Spenden und Stiftungen nicht als Steuerpflichtiger handelt. Um als Steuerpflichtiger angesehen werden zu können, muss eine Person nämlich wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, d. h. Tätigkeiten, die gegen Entgelt ausgeübt werden. Da Spenden und Stiftungen, die im Wesentlichen aus persönlichen Motiven, zu wohltätigen Zwecken und in nicht vorhersehbarer Weise geleistet werden, nicht Gegenleistung einer wirtschaftlichen Tätigkeit sind, fällt ihre Sammlung und Vereinnahmung nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. März 1994, Tolsma, C-16/93, EU:C:1994:80, Rn. 17 und 19 [BB 1994, 1132 Tenor]). Daraus folgt, dass, wie sich aus Rn. 24 des vorliegenden Urteils ergibt, die auf etwaige Kosten im Zusammenhang mit der Vereinnahmung von Spenden und Stiftungen entrichtete Vorsteuer unabhängig von dem Grund, aus dem diese Spenden und Stiftungen vereinnahmt wurden, nicht abzugsfähig ist.

Daher sind die damit zusammenhängenden Kosten nicht als Vorsteuer abzugsfähig

30        Eine Tätigkeit, die in der Anlage von Spenden und Stiftungen besteht, und die insoweit anfallenden Kosten sind mehrwertsteuerrechtlich genauso zu behandeln wie die nicht wirtschaftliche Tätigkeit, die in ihrer Sammlung besteht, und etwaige dafür entstehende Kosten. Denn eine solche Kapitalanlagetätigkeit ist für die Universität Cambridge – wie für einen privaten Anleger – ein Mittel zur Erzielung von Einnahmen aus den so erhaltenen Spenden und Stiftungen, aber auch eine Tätigkeit, die unmittelbar mit der Vereinnahmung dieser Spenden und Stiftungen verknüpft ist und damit nur die unmittelbare Fortsetzung dieser nicht wirtschaftlichen Tätigkeit darstellt. Daher ist die auf die Kosten dieser Anlage entrichtete Vorsteuer ebenfalls nicht abzugsfähig.

31        Zwar schließt der Umstand, dass die Kosten für den Erwerb einer Dienstleistung im Rahmen einer nicht wirtschaftlichen Tätigkeit anfallen, für sich allein nicht aus, dass im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnet wird, soweit diese Kosten Eingang in den Preis bestimmter Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen finden, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit liefert bzw. erbringt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Mai 2005, Kretztechnik, C-465/03, EU:C:2005:320, Rn. 36 [EWS 2005, 476 m. EWS-Komm. Posegga]).

Die Universität ist eine gemeinnützige Bildungseinrichtung, deren Kosten nicht Teil ihrer  Gemeinkosten sind

32        Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten jedoch zum einen, dass die Kosten für die Verwaltung der in dem fraglichen Fonds angelegten Spenden und Stiftungen nicht Eingang in den Preis eines bestimmten Ausgangsumsatzes finden. Zum anderen geht aus den Akten hervor, dass die Universität Cambridge eine gemeinnützige Bildungseinrichtung ist und die fraglichen Kosten entstehen, um Ressourcen generieren zu können, die zur Deckung der Kosten aller Ausgangsumsätze der Universität verwendet werden und es somit ermöglichen, die Preise der von dieser gelieferten Gegenstände und erbrachten Dienstleistungen zu senken. Diese Kosten können daher nicht als Kostenelemente dieser Preise angesehen werden und sind damit nicht Teil der Gemeinkosten der Universität. Da im vorliegenden Fall weder zwischen diesen Kosten und einem bestimmten Ausgangsumsatz noch zwischen den Kosten und den Tätigkeiten der Universität Cambridge insgesamt ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang besteht, ist die auf diese Kosten entfallende Mehrwertsteuer jedenfalls nicht abzugsfähig.

33        Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Steuerpflichtiger, der sowohl mehrwertsteuerpflichtige als auch mehrwertsteuerbefreite Tätigkeiten ausübt, Schenkungen und Stiftungen, die er erhält, investiert, indem er sie in einem Fonds anlegt, und die Erträge aus diesem Fonds verwendet, um die Kosten aller dieser Tätigkeiten zu decken, nicht berechtigt ist, die auf die Kosten dieser Anlage entfallende Vorsteuer als Gemeinkosten abzuziehen.

Kosten

34        Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. 

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