FG Berlin-Brandenburg: Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.11.2019 – 9 K 11108/17, Rev. eingelegt (Az. BFH I R 10/20)
Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2020-1888-1
Leitsätze (der Redaktion)
1.Grundstücke oder Gebäude begründen dann keine Betriebsstätte des Vermieters oder Verpächters, wenn diese lediglich vermietet oder verpachtet sind, da für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Betriebsstätte i.S.v. § 12 S. 1 AO der bloße Besitz betr. eine Liegenschaft und deren Vermietung nicht ausreichend ist.
2. Die Voraussetzungen der inländischen Betriebsstätte liegen aber vor, wenn eine Dienstleistungsgesellschaft bzw. Managementgesellschaft vor Ort in ihren Räumen vertraglich abgesicherte dispositive Aufgaben im Inland übernimmt.
3. Die nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung der Managementgesellschaft, sog. „Verwurzelung“, ergibt sich aus der permanenten Überwachung der Tätigkeit der Managementgesellschaft durch den Steuerpflichtigen über einen längeren Zeitraum hinweg.
AO § 12; GewStG § 2 Abs. 1
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin im Streitjahr 2013 gewerbesteuerpflichtig gewesen ist oder nicht.
Die Klägerin, ein Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH, wurde durch Vertrag vom 4. Juni 2008 (UR-Nr. …/2008 des Notars B… aus C…) mit Sitz in C… gegründet und am ……..2009 in das Handelsregister beim Amtsgericht C… eingetragen. Satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand war zunächst „die Verwaltung D…“. Das Stammkapital der Gesellschaft betrug 25 000,00 EUR. Alleinige Gesellschafterin war die E… GmbH. Alleiniger Gesellschafter war zunächst Herr F… mit Geschäftssitz in C….
Mittels Vertrag vom ……. 2009 (UR-Nr. …/2009 des o. g. Notars) trat die E… GmbH sämtliche Gesellschaftsanteile an der Klägerin gegen Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 27 000,00 EUR an die G… AG mit Sitz in H… (Schweiz) ab. Am selben Tag wurde der satzungsmäßige Unternehmensgegenstand in „Verwaltung I…“ geändert. Zum neuen alleinigen Geschäftsführer wurde Herr J… berufen.
Die steuerliche Beratung und Vertretung der Klägerin übernahm StB K… aus C….
Auf die schriftliche Frage seitens des FA L… nach dem Ort der Geschäftsleitung der Klägerin antwortete Herr J… mit Schreiben vom 20. April 2009, dass sich dieser im Gebäude M…-straße in C… befinde (s. a. Angaben der GmbH zur Gründung einer Kapitalgesellschaft auf dem entsprechenden Vordruck der Finanzverwaltung). Eine Nachfrage des Beklagten ergab, dass dort kein eigenes Klingelschild für die Klägerin und kein Mietvertrag über die Anmietung von Büroräumen existierte.
Die Klägerin erwarb mit Vertrag vom 26. Mai 2009 Frau N… mit Wohnsitz in O… das mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaute Grundstück (Fläche: 932 qm) in der P…-straße in C… zu einem Kaufpreis in Höhe von 790 000,00 EUR. Die Wohn-/Nutzfläche betrug 1408,00 qm.
Der Kaufpreis wurde in voller Höhe fremdfinanziert (vgl. Bilanz zum 31. Dezember 2009). Im Folgejahr wurde eine Grundschuld in Höhe von 1 550 000,00 EUR im Grundbuch von C… betr. das streitgegenständliche Grundstück zugunsten der Q… Bank AG eingetragen. In der Bilanz zum 31. Dezember 2010 wurden Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber drei Banken (Q… Bank AG, R… Bank AG und S… Bank AG) im Umfang von insgesamt 1 535 508,01 EUR passiviert.
Die Klägerin, vertreten durch ihren späteren Geschäftsführer T…, erteilte einer am 17. Januar 2007 gegründeten U… GmbH, V…-straße, C…, vertreten durch deren Geschäftsführer W…, unter dem Datum „28.11.2009“ eine schriftliche „Hausverwaltungsvollmacht“ bezüglich der vorgenannten Liegenschaft. Darin heißt es u.a.:
„Die Eigentümerin bevollmächtigt die Verwalterin unter ausdrücklicher Befreiung von den Vorschriften des § 181 BGB, alle Rechtsgeschäfte für sie abzuschließen und verbindliche Erklärungen abzugeben, die das Verwaltungsobjekt betreffen.
Die Verwalterin vertritt die Eigentümerin gegenüber Arbeitnehmern, Mietern, Behörden und sonstigen dritten Personen und Beteiligten, soweit geltend zu machende Ansprüche das Verwaltungsobjekt betreffen. Diese Vollmacht erstreckt sich auf die Vornahme einseitiger Rechtsgeschäfte nach § 174 BGB, insbesondere auf die Anmahnung und juristische Durchsetzung rückständiger Mieten und Umlagen.
Die Vollmacht umfasst insbesondere auch:
1. sämtliche Rechte und Pflichten aus bestehenden oder neuen Miet- und Pachtverhältnissen, einschließlich des Neuabschlusses, der Kündigung, der Stellung von Mieterhöhungsverlangen und Abgabe aller anderer, auch einseitig empfangsbedürftiger Willenserklärungen wie Kündigungen
2. den Abschluss und die Kündigung von Versicherungsverträgen und die Geltendmachung der Rechte und Ansprüche aus solchen Verträgen
3. den Abschluss und die Kündigung von Dienst- und Werkverträgen z. B. über Hausmeistertätigkeiten, Reinigungsarbeiten, Reparaturen o. ä.
4. die Erteilung von Aufträgen an Handwerker, Baufirmen o. ä. einschließlich der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen, Zurückbehaltungsrechten o. ä.
5. alle Anordnungen und Rechtshandlungen vorzunehmen, die sich auf die Instandsetzung und Instandhaltung des Objekts beziehen
6. die Vertretung gegenüber Dienstleistungsunternehmen, Kreditinstituten, Finanzämtern, Behörden, Gerichten und sonstigen Institutionen
7. die Berechtigung, Einblick in alle das Verwaltungsobjekt betreffenden Akten, insbesondere bei den Baubehörden, Grundbuchämtern und in Schuldurkunden zu nehmen
8. die Beauftragung von Rechtsanwälten namens und im Auftrag der Eigentümerin
9. die Geltendmachung und Beitreibung von allen das verwaltete Objekt betreffenden Zahlungsansprüchen.
Die Verwalterin kann geeigneten Dritten einzelne Verwaltungsaufgaben, die sich aus dem Verwaltungsvertrag ergeben, übertragen und dazu auch Untervollmachten erteilen. Seine Haftung für die Erfüllung des Verwaltungsvertrages wird jedoch nicht berührt. …..“
Ca. Mitte 2012 wurde das vorgenannte Vertragsverhältnis in Bezug auf die Person des Geschäftsbesorgers dahingehend geändert, dass nicht mehr die U… GmbH, sondern eine am 5. Januar 2012 gegründete X… GmbH mit Sitz ebenfalls in C… (alleiniger Gesellschafter: U… GmbH; Geschäftsführer: ebenfalls W…) die vorgenannten Aufgaben für die Klägerin erledigte. Die Firma der U… GmbH wurde zeitgleich in Y… GmbH geändert.
Ähnliche Aufgaben erledigte die X… GmbH, vertreten durch den Zeugen W…, auch für folgende Gesellschaften:
Z… GmbH (Geschäftsführer: T…, wohnhaft in Luxemburg) – StNr. beim Beklagten: …
AA… GmbH (Geschäftsführer: T…, wohnhaft in Luxemburg) – StNr. beim Beklagten: …
Die Jahressteuererklärungen und Bilanzen sowohl der U… GmbH als auch der X… GmbH für die Jahre 2009 bis 2013 wurden ebenfalls von StB K… aus C… erstellt.
In den Kontennachweisen zu den Bilanzen der U… GmbH sind u. a. folgende Angaben enthalten:
Bilanz zum 31.12.2009
Aktiva
Sonstige Ausleihungen
Darlehen an A… GmbH 3 000,00 EUR
Darlehen an Z… GmbH 19 500,00 EUR
Passiva
Kontokorrent zum 31.12.2009
Debitoren mit Soll-Saldo
11801 Z… GmbH 12 088,80 EUR
11803 Z… GmbH 5 645,15 EUR
11804 AA… GmbH 1 895,62 EUR
Bilanz zum 31.12.2010
Aktiva
Sonstige Ausleihungen
Darlehen an Z… GmbH 19 500,00 EUR
Passiva
Kontokorrent zum 31.12.2010
Debitoren mit Soll-Saldo
11801 Z… GmbH 19 918,21 EUR
11803 Z… GmbH 833,00 EUR
11804 AA… GmbH 13 083,28 EUR
11806 A… GmbH 3 593,56 EUR
Bilanz zum 31.12.2011
Aktiva
556 Darlehen an Z… GmbH 19 500,00 EUR
Passiva
Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen
705 Darlehen A… GmbH 1 200,00 EUR
708 Darlehen Z… GmbH 2 350,00 EUR
Bilanz zum 31.12.2012
Passiva
705 Darlehen A… GmbH 6 600,00 EUR
708 Darlehen Z… GmbH 10 000,00 EUR
Verbindlichkeiten gegenüber Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht
717 Darlehen AA… GmbH 5 000,00 EUR
Bilanz zum 31. 12. 2013
Aktiva
Passiva
Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen
705 Darlehen A… GmbH 6 600,00 EUR
Verbindlichkeiten gegenüber Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht
717 Darlehen AA… GmbH 5 000,00 EUR
In den Kontennachweisen zu der Bilanz der X… GmbH zum 31.12.2012 sind u. a. folgende Angaben enthalten:
Passiva
Sonstige Verbindlichkeiten
744 A… GmbH 5 974,55 EUR
745 Z… GmbH 2 551,10 EUR
Mittels Vertrag vom 14. Januar 2010 (UR-Nr. …/2010 des Notars AB… aus C…) trat die G… AG einen Teilgeschäftsanteil in Höhe von 23 500,00 EUR an den 1950 geborenen T…, wohnhaft in Luxemburg, sowie einen weiteren Teilgeschäftsanteil in Höhe von 1 500,00 EUR an die 1978 geborene AC…, wohnhaft in AD… (Schweiz), ab. Noch am selben Tag bestellte die Gesellschafterversammlung der Klägerin T… an Stelle von Herrn J… zum alleinigen Geschäftsführer der Klägerin. Am 17. Februar 2010 wurde die Veränderung in der Person des gesetzlichen Vertreters der Klägerin in das Handelsregister beim AG C… eingetragen.
Am 23. Februar 2010 teilte ein Mitarbeiter von StB K… dem FA AE… telefonisch mit, dass der nun endgültige Sitz der Klägerin sich im Gebäude V…-straße in C… befinde. Daraufhin gab das FA AE… das Besteuerungsverfahren betr. die Klägerin an den Beklagten ab.
Die Klägerin erzielte Erlöse aus der Vermietung der Liegenschaft P…-straße in folgender Höhe:
2010: 81 617,58 EUR
2011: 80 544,40 EUR
2012: 75 508,72 EUR
2013: 57 461,56 EUR
Die Klägerin erzielte laut ihren Steuerbilanzen folgende Betriebsergebnisse:
2010: ./. 36 139,12 EUR
2011: ./. 74 237,84 EUR
2012: ./. 36 797,47 EUR
2013: ./. 31 918,00 EUR
2014: ./. 20 156,74 EUR
Die Klägerin erzielte laut ihren Steuerbilanzen folgende Betriebsergebnisse:
2010: ./. 36 139,12 EUR
2011: ./. 74 237,84 EUR
2012: ./. 36 797,47 EUR
2013: ./. 31 918,00 EUR
2014: ./. 20 156,74 EUR
Mit Schreiben vom 2. August 2012 teilte Frau AF… als Angestellte der X… GmbH verschiedenen Personen (u. a. dem StB K…) mit, dass die Klägerin ihren Geschäftssitz ab 30. August 2012 nach C…, AG…-straße verlegen werde.
Mit Bescheid vom 8. April 2010 nahm das Finanzamt C… eine Zurechnungsfortschreibung bezüglich des Einheitswertes des streitgegenständlichen Grundstücks auf den 1. Januar 2011 vor. Der Einheitswert betrug 159 523,00 EUR. Der Bescheid war nicht an die Klägerin selbst adressiert, sondern an die U… GmbH als deren Bevollmächtigte (vgl. Einheitswertakte).
Mittels Vertrag vom 27. September 2012 (UR-Nr. …/2012 des Notars AH… aus C…) veräußerte die Klägerin die o. g. Liegenschaft an die AI… KG (künftig: KG) gegen Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 1 550 000,00 EUR.
Der Vertrag enthält u. a. folgende Vereinbarungen:
§ 7 (Übergabe)
1. Die Übergabe erfolgt spätestens am 30.6.2013, nicht jedoch vor vollständiger Zahlung des Kaufpreises oder früher bei vorzeitiger schuldbefreiender Zahlung.
Gefahr, Nutzungen und Lasten, Steuern und öffentliche Abgaben sowie die Verkehrssicherungspflicht und das Haftungsrisiko, soweit nicht anders vereinbart, gehen mit Wirkung vom Tage der Übergabe auf den Käufer über. …
…
§ 9
1. Der Notar weist darauf hin, dass
- der notarielle Vertrag sämtliche Vereinbarungen der Parteien enthalten muss und Nebenabreden unwirksam sind und zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages führen können;
- etwaige weitere Verträge, die in enger Verknüpfung mit diesem Vertrag stehen, der notariellen Beurkundung bedürfen und ein Verstoß hiergegen ggf. die Nichtigkeit des hier geschlossenen Vertrages zur Folge haben kann: …“
Am 13. Februar 2013 wurde im Grundbuch von B… eine Eigentumsübertragungsvormerkung zugunsten der Erwerberin eingetragen. Am 5. Juli 2013 bestellte die Klägerin, vertreten durch Herrn AJ…, eine Grundschuld in Höhe von 1 550 000,00 EUR an dem o. g. Grundstück zugunsten des Bankhauses AK… AG aus C… (UR-Nr. …/2013 des Notars AH…). Die Grundschuld wurde bereits am 7. August 2013 in das Grundbuch von C… eingetragen.
Außer den beiden o. g. Notarverträgen existiert eine privatschriftliche Vereinbarung mit Datum „18. November 2013“ über einen geänderten Zeitpunkt des Nutzen-Lasten-Wechsels. Diese Vereinbarung weist die Unterschriften von Herrn W… als Bevollmächtigter der Klägerin und von Herrn AJ… als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der erwerbenden KG auf (Firma der Komplementär-GmbH: AL… GmbH mit Sitz in C…). Gemäß dieser Vereinbarung sollte der Tag der Übergabe (Nutzen-Lasten-Wechsel) der 31. Dezember 2013 sein. Die Übergabe sollte um 23.57 Uhr stattfinden.
Am 2. Dezember 2013 wurde das streitgegenständliche Grundstück durch entsprechende notariell beurkundete Teilungserklärung seitens der KG (UR-Nr. …/2013 des Notars AH…) in insgesamt 33 Teileigentumsanteile aufgeteilt (die Klägerin hatte die KG hierzu bereits in § 13 des notariell beurkundeten Verkaufsvertrags vom 27. September 2012 ermächtigt, vgl. Bl. 42 d. A.).
Mittels Telefax-Schreiben vom 17. Dezember 2013 (Bl. 92 d. A.) bestätigte die Q… Bank AG dem Notar AH…, dass ein Geldbetrag in Höhe von 1 774 895,02 EUR zur Ablösung des Kredites der Klägerin bei dieser Bank dort eingegangen sei.
Am 19. Dezember 2013 wurde die KG als neue Eigentümerin des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen (vgl. Grundbuchauszug).
Mittels notariell beurkundetem Verkaufsvertrag vom 27. Dezember 2013 veräußerte die KG die erste neu geschaffene Wohnungseigentumseinheit gegen Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 207 200,00 EUR. Weitere 16 Verkaufsverträge folgten in den Jahren bis einschließlich 2017. Die Summe der Verkaufspreise aus den 17 Verkäufen beträgt 4 176 600,00 EUR (Bl. 175 d. A.).
Mangels Einreichung von Jahressteuererklärungen durch die Klägerin für die Jahre 2012 und 2013 und in Unkenntnis des Kaufvertrags vom 27. September 2012 schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen und setzte den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer mit Bescheiden vom 10. Dezember 2014 fest. Die festgesetzte Gewerbesteuer 2013 betrug 41 742,10 EUR und war zum 15. Januar 2015 zur Zahlung fällig (geschätztes Betriebsergebnis: 400 000,00 EUR abzüglich Verlustvorträgen in Höhe von rund 150 000,00 EUR). Die Bescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO -).
Während die Jahressteuererklärungen für das Jahr 2012 von der Klägerin am 18. Dezember 2014 eingereicht wurden und zu geänderten Festsetzungen auf 0,00 EUR Gewerbesteuer (Bescheide vom 12. Januar 2015) führten, blieben die Jahressteuererklärungen für das Streitjahr 2013 zunächst aus.
Ab August 2015 übernahm der jetzige Prozessbevollmächtigte an Stelle von StB K… die steuerliche Vertretung der Klägerin (vgl. schriftliche Vollmacht vom 6. August 2015).
Erst am 15. Dezember 2015 reichte die Klägerin die ausstehende Gewerbe- und Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr 2013 beim Beklagten ein. Die dazugehörige Bilanz zum 31. Dezember 2013 wies ein Betriebsergebnis in Höhe von ./. 31 918,00 EUR aus (weil die Klägerin eine steuerfreie Rücklage nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 6 b Abs. 1 EStG in Höhe von 700 000,00 EUR gebildet hatte). Die Gewinn- und Verlustrechnung für das Streitjahr 2013 weist neben „Erträgen aus Abgängen des Anlagevermögens“ in Höhe von 708 4238,00 EUR auch „Nebenerlöse aus Provisionen, Lizenzen und Patenten“ in Höhe von 253 668,18 EUR aus. Hierbei handelt es sich unstreitig um Provisionen für die Vermittlung eines Darlehens (vgl. Seite 2 des Sitzungsprotokolls über die mündliche Verhandlung am 21. November 2019, Bl. 183 d. A.).
Am 24. Februar 2016 erließ der Beklagte geänderte Bescheide, die erklärungsgemäß ergingen. Gleichzeitig wurde die Klägerin aufgefordert, einen Nachweis betr. die Erlöse aus der Veräußerung ihres einzigen Grundstücks einzureichen. Die Bescheide ergingen unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung.
Die Klägerin reichte daraufhin den Kaufvertrag vom 27. September 2012 sowie die Vereinbarung vom 18. November 2013 über den Zeitpunkt des Nutzen-Lasten-Wechsels beim Beklagten ein.
Mittels Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 5. April 2016 erläuterte sie die Verbuchung des Veräußerungserlöses:
Erlöse: |
1 550 000,00 EUR |
./. Restbuchwert |
841 572,00 EUR |
= Zwischensumme |
708 428,00 EUR |
Einstellung in die Rücklage |
700 000,00 EUR |
Mittels zweier Bescheide vom 12. August 2016 setzte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag 2013 unter Anrechnung eines Verlustvortrags in Höhe von 145 889,00 EUR auf 18 273,00 EUR und die Gewerbesteuer 2013 auf 74 919,30 EUR fest. Den verbleibenden Verlustvortrag zum 31. Dezember 2013 stellte er auf 0,00 EUR fest. Alle drei Bescheide ergingen wiederum unter Beibehaltung des Vorbehalts der Nachprüfung. Allen drei Bescheiden lag die Rechtsauffassung des Beklagten zugrunde, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bildung einer steuerfreien Rücklage nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 6 b Abs. 1 EStG in Höhe von 700 000,00 EUR im Streitjahr 2013 nicht vorgelegen hätten (vgl. dazu das vorangehende Erörterungsschreiben des Beklagten vom 28. April 2016).
Mit Aktenverfügung vom 1. Juni 2017 schätzte die Veranlagungsstelle des Beklagten die Körperschaftsteuer 2014 auf 0,00 EUR.
Mit Schreiben vom 7. Juni 2017 teilte der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Beklagten mit, dass die Klägerin ihre nach außen gerichtete Geschäftstätigkeit nach der Veräußerung der streitgegenständlichen Liegenschaft im Jahr 2014 eingestellt habe.
Gegen die geänderten Bescheide betr. Gewerbesteuermessbetrag 2013 sowie Gewerbesteuer 2013 legte die Klägerin fristgerecht Einsprüche ein. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2016 begründete sie ihren Einspruch damit, dass der im Streitjahr 2013 erzielte Gewinn aufgrund der erweiterten Kürzung gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 GewStG nicht der Gewerbesteuer unterliege.
Der Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 30. Dezember 2016 auf, geeignete Nachweise einzureichen, aus denen hervorgehe, dass das Grundstück entgegen der Vereinbarung im Kaufvertrag vom 27. September 2012 anstatt zum 30. Juni erst zum 31. Dezember 2013 übertragen wurde und warum die Vereinbarung vom 18. November 2013 nicht notariell beglaubigt worden sei. Außerdem sollte die Klägerin eine auf Herrn W… ausgestellte Vollmacht vorlegen.
Mit Schreiben vom 4. Januar 2017 erwiderte der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin, dass eine Beurkundung der Vereinbarung vom 18. November 2013 nach Auskunft des Notars nicht notwendig gewesen sei. Man habe deshalb aus Kostengründen darauf verzichtet. Die schriftliche Bevollmächtigung von Herrn W… ohne Datum wurde vorgelegt.
Der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin reichte zeitgleich beim Beklagten außerdem den Entwurf eines vor dem Notar AB… aus C… notariell zu beurkundenden modifizierten Grundstücks-Kaufvertrags für das streitgegenständliche Grundstück mit Datumsangabe „27. November 2013“ betr. dieselbe Verkäuferin und dieselbe Erwerberin wie bisher ein, der einen Kaufpreis in Höhe von 1 850 000,00 EUR statt bisher 1 550 000,00 EUR und einen Nutzen-Lastenwechsel zum 31. Dezember 2013 vorsah. Ansonsten sollten die Vereinbarungen im Ursprungs-Kaufvertrag vom 27. September 2012 fortgelten.
Mittels Einspruchsentscheidung vom 4. Januar 2017 wies der Beklagte die Einsprüche betr. Gewerbesteuermessbetrag 2013 sowie Gewerbesteuer 2013 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - einem grundstücksverwaltenden Unternehmen die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu gewähren sei, wenn Besitz, Nutzen und Lasten betr. das einzige Grundstück des Unternehmens zum 31. Dezember, 23.59 Uhr, auf den Erwerber übergehen würden (Hinweis auf BFH-Urteil vom 11. August 2004 – I R 89/03, Bundessteuerblatt – BStBl - II 2004, 1080).
Die Klägerin habe jedoch nicht zur Überzeugung des Beklagten nachgewiesen, dass die Veräußerung der streitgegenständlichen Liegenschaft entgegen der Vereinbarung im Kaufvertrag vom 27. September 2012 erst zum 31. Dezember 2013, 23.57 Uhr, erfolgt sei. Es sei daher weiterhin von dem ursprünglich vereinbarten Nutzen-Lasten-Wechsel bereits zum 30. Juni 2013 auszugehen. Die beantragte erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sei daher zu versagen.
Zur Begründung ihrer hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin geltend, dass sie zu keinem Zeitpunkt gewerbesteuerpflichtig gewesen sei, weil sie im Inland zu keinem Zeitpunkt eine Betriebsstätte innegehabt habe.
Eine Gewerbesteuerpflicht würde in ihrem Fall nur bestehen, wenn sie im Streitjahr 2013 in Deutschland eine Betriebsstätte innegehabt hätte (vgl. § 2 Abs. 1 GewStG i. V. m. § 12 AO). Ein im Inland gelegenes Vermietungsobjekt begründe nach ständiger Rechtsprechung des BFH regelmäßig keine Betriebsstätte im Sinne von § 12 AO (Hinweis auf BFH-Urteil vom 28. August 1986 V R 20/79, BStBl. II 1987, 162; Keß, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 2 Tz. 2530). Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 AO stelle auch die „Stätte der Geschäftsleitung“ eine Betriebsstätte dar, nicht hingegen der Ort des Sitzes der GmbH. Die „Stätte der Geschäftsleitung“ sei gemäß § 10 AO dort vorhanden, wo sich der „Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung“ befinde. Jener Ort sei dort gegeben, wo der für die Geschäftsführung maßgebliche Wille gebildet werde (Hinweis auf Tipke/Kruse, AO-FGO, § 10 AO Tz. 1 f.). Der Ort, an dem die Steuererklärungen unterschrieben worden seien, sei ein Indiz für den Ort der Geschäftsleitung (Hinweis auf Tipke/Kruse, AO-FGO, § 10 AO Rz. 2a).
Im vorliegenden Fall habe Herr T… seine Unternehmen an seinem Wohnsitz in Luxemburg verwaltet. Dort habe er als Geschäftsführer der Klägerin die Steuererklärungen unterschrieben, so dass sich die Stätte der Geschäftsführung nicht in Deutschland, sondern in Luxemburg befunden habe.
Die üblichen mit der Pachtzinsvereinnahmung und der Erhaltung des Pachtobjekts verbundenen Verwaltungstätigkeiten seien von einer Hausverwaltungsgesellschaft in C… ausgeführt worden, die nur eigenes Personal beschäftigt habe. Die Räumlichkeiten dieser Hausverwaltungsgesellschaft seien von Herrn T… bzw. von ihr, der Klägerin, nicht zur Ausübung seiner Geschäftsführertätigkeit oder anderweitigen Tätigkeiten genutzt worden. Herr T… bzw. sie hätten auch keine Verfügungsmacht über die Räumlichkeiten der Hausverwaltungsgesellschaft gehabt.
Ohne Bedeutung sei im vorliegenden Zusammenhang, dass die Hausverwaltungsgesellschaft als „ständiger Vertreter“ im Sinne von § 10 AO oder als „abhängiger Vertreter“ im Sinne von Art. 5 Abs. 4 DBA Luxemburg für sie, die Klägerin, gehandelt habe. Ein „ständiger Vertreter“ im Sinne von § 10 AO sei keine Betriebsstätte und damit nicht geeignet, einen inländischen Gewerbebetrieb zu begründen. Das Vorhandensein eines „abhängigen Vertreters“ führe zwar nach dem DBA Luxemburg abkommensrechtlich zur Bejahung einer Betriebsstätte. Da sich der für das GewStG maßgebliche Betriebsstättenbegriff aber ausschließlich an § 12 AO orientiere, scheide auch insofern die Annahme einer inländischen Betriebsstätte aus (Hinweis auf BFH-Urteil vom 20. Juli 2016 I R 50/15, BStBl II 2017, 230 [BB 2016, 2981 m. BB-Komm. Hielscher, RIW 2016, 851]).
Die Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils vom 24. August 2011 – I R 48/10, BStBl II 2014, 764 seien auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Anders als in dem Sachverhalt, der der vorgenannten BFH-Entscheidung zugrunde gelegen habe, habe es im vorliegenden Fall keinerlei personelle Verflechtungen zwischen ihr, der Klägerin, und der U… GmbH gegeben. Sie, die Klägerin, habe auch keine Verfügungsmacht über die Räumlichkeiten der vorgenannten GmbH innegehabt.
Der hier zu beurteilende Sachverhalt sei vergleichbar mit demjenigen Sachverhalt, der dem BFH-Beschluss vom 22. April 2009 – I B 196/08, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFH/NV - 2009, 1588 zugrunde gelegen habe. In jenem Beschluss habe der BFH ausdrücklich festgestellt, dass eine Tätigkeit des Steuerpflichtigen in Räumen eines seiner Vertragspartner allein noch keine Verfügungsmacht im Sinne von § 12 AO vermittele.
Ihre Tätigkeit im Inland sei somit zu keinem Zeitpunkt gewerbesteuerpflichtig gewesen.
Für den Fall, dass das Gericht gleichwohl eine Gewerbesteuerpflicht dem Grunde nach bejahen sollte, habe sie Anspruch auf Durchführung der sog. einfachen Grundbesitzkürzung (§ 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG 2013). Die sog. erweiterte Grundbesitzkürzung im Sinne von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 2013 könne sie hingegen nicht in Anspruch nehmen, weil sie im Streitjahr auch nicht grundstücksbezogene Umsätze (= Provisionen für die Vermittlung eines Darlehens) in Höhe von rund 253 000,00 EUR erzielt habe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2013 und die Gewerbesteuer 2013 vom 12. August 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Februar 2017 ersatzlos aufzuheben;
sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erachten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass anstelle der erweiterten Kürzung die einfache Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG zu gewähren ist
und für den Fall des Obsiegens der Klägerseite § 137 Abs. 1 FGO anzuwenden.
Er verweist zunächst auf seine Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung. Es bestünden nach wie vor Zweifel an der tatsächlichen Durchführung eines Nutzen-Lasten-Wechsels am 31. Dezember 2013 um 23.57 Uhr.
Ferner sei die Vereinbarung vom 18. November 2013 zivilrechtlich unwirksam, weil die Herrn W… von der Klägerin erteilte Abschlussvollmacht ohne Datum (Bl. 16 d. A.) sich nicht auf den Abschluss der Vereinbarung vom 18. November 2013 erstreckt habe.
Die Klägerin habe im Streitjahr 2013 im Inland auch eine Betriebsstätte unterhalten. Sie habe in ihrer Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 2013 als Anschrift der Geschäftsleitung die Adresse „AG…-straße in C…“ angegeben, die auch Sitz der U… GmbH gewesen sei. Sie habe der letztgenannten GmbH eine Generalvollmacht erteilt. Die U… GmbH sei auch gegenüber ihm, dem Beklagten, als Vertreterin der Klägerin aufgetreten.
Die Klägerin habe Fragen der Finanzverwaltung nach dem Ort der Geschäftsleitung stets dahingehend beantwortet, dass dieser Ort sich in C… befinde (Hinweis auf Unterlagen, Bl. 142 ff. d. A.).
Der erkennende Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 21. November 2019 Beweis erhoben durch Vernehmung von Herrn W… als Zeugen zu folgendem Beweisthema: Inhalt und Durchführung des Kaufvertrages über das Grundstück AI… KG in C… in den Jahren 2012 und 2013. Wegen des Inhalts der Zeugenaussage wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Dem erkennenden Senat haben bei seiner Entscheidung sieben Bände Steuer- und Rechtsbehelfsakten betr. die Klägerin (StNr.: …), fünf Bände Steuerakten betr. die Y… GmbH (StNr.: …), sieben Bände Steuerakten betr. die X… GmbH (StNr.: …), ein Band Vollstreckungsakten betr. Die AA… GmbH (StNr.: …) sowie fünf Bände Steuerakten betr. die KG (StNr.: …) vorgelegen, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.
Aus den Gründen
A. Die Klage betr. den Gewerbesteuerbescheid vom 12. August 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Februar 2017 ist nach ständiger BFH-Rechtsprechung unzulässig, weil die Klägerin zur Begründung ihrer Klage nur Einwendungen geltend macht, die gegen den Gewerbesteuermessbetragsbescheid als sog. Grundlagenbescheid im Sinne von § 171 Abs. 10 AO zu erheben sind (= Rechtsgedanke des § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO - i. V. m. § 351 Abs. 2 AO, vgl. nur Rätke, in: Klein, AO, 14. Aufl., § 351 Rz. 20 und 21 m.w. N.).
B. Die Klage betr. den Gewerbesteuermessbetragsbescheid vom 12. August 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Februar 2017 ist nur in geringem Umfang begründet.
I. Der Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden zu Recht eine Gewerbesteuerpflicht des von der Klägerin im Streitjahr 2013 erzielten Gewinns aus Gewerbebetrieb dem Grunde nach bejaht.
Die Klägerin hat im Streitjahr 2013 in Deutschland eine Betriebsstätte im Sinne von § 12 AO und damit einen „stehenden Gewerbebetrieb“ im Sinne von § 2 Abs. 1 GewStG innegehabt. Gemäß § 12 Satz 1 AO ist unter dem Begriff „Betriebsstätte“ eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage zu verstehen, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Als Betriebsstätten sind insbesondere anzusehen: die Stätte der Geschäftsleitung, Zweigniederlassungen und Geschäftsstellen (§ 12 Satz 2 Nrn. 1 – 3 AO).
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist als Geschäftseinrichtung oder Anlage im Sinne des § 12 Satz 1 AO jeder körperliche Gegenstand bzw. jede Zusammenfassung körperlicher Gegenstände anzusehen, der (die) geeignet ist (sind), Grundlage einer Unternehmenstätigkeit zu sein (BFH-Urteil vom 2. April 2014 – I R 68/12, BStBl II 2014, 875, Rz. 16 m. w. N.). Da dem Betriebsstättenbegriff die Funktion zufällt, unternehmerische Tätigkeiten und damit auch die Besteuerungstatbestände örtlich zuzuordnen, setzt die Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO eine „feste“ Geschäftseinrichtung mit einer festen Beziehung zu einem bestimmten Teil der Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (BFH-Urteil vom 2. April 2014, aaO; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl. (2016), S. 300 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl., Rz. 6.163 ff., jeweils m. w. N.). Dabei muss der Inhaber des Unternehmens kein vertraglich eingeräumtes Nutzungsrecht zustehen, sondern es genügt, wenn die betreffenden Räumlichkeiten für Zwecke des Inhabers des Unternehmens genutzt werden (BFH-Urteil vom 23. Februar 2011 – I R 52/10, BFH/NV 2011, 1365 Rz. 36; FG Münster, Urteil vom 12. April 2019 – 13 K 3645/16 G, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2019, 1317 m. Anm. Schmitz-Herscheidt).
Grundstücke oder Gebäude, die lediglich vermietet oder verpachtet sind, begründen keine Betriebsstätte des Vermieters oder Verpächters, weil für die Bejahung einer Betriebsstätte im Sinne von § 12 Satz 1 AO der bloße Besitz betr. eine Liegenschaft und deren Vermietung nicht ausreicht (vgl. nur BFH-Urteil vom 13. Juni 2006 I R 84/05, BStBl II 2007, 94 [BB 2006, 2633 m. BB-Komm. Euler]; Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 12 Rz. 18, jeweils m. w. N.).
Gemäß dem zum DBA Großbritannien 1964/70 ergangenen BFH-Urteil vom 24. August 2011 – I R 46/10, BStBl II 2014, 764 [BB 2011, 2977 m. BB-Komm. Mihm, RIW 2011, 891, RdF-Entscheidungsreport Blumenberg, RdF 2012, 62] genügt aber auch die bloße – vertraglich abgesicherte - Wahrnehmung dispositiver Aufgaben durch eine im Quellenstaat ansässige Dienstleistungs- bzw. Managementgesellschaft vor Ort in deren Geschäftsräumen für die Bejahung einer inländischen Betriebsstätte im Sinne von Art. II Abs. 1 Buchst. L Unterabs. (i) DBA-GB 1964/70, der inhaltlich dem § 12 Satz 1 AO entspricht (im gleichen Sinne: BFH-Beschluss vom 8. Juni 2015 – I B 3/14, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2015, 1553; BFH-Urteil vom 23. Februar 2011 – I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354, Rz. 35 u. 36). Im vorgenannten Urteilsfall des BFH verfügte der Steuerpflichtige im Quellenstaat Großbritannien über kein eigenes Personal. Außerdem existierte kein vertraglich eingeräumtes Nutzungsrecht des Steuerpflichtigen an irgendeiner Räumlichkeit im Quellenstaat. Der BFH bejahte gleichwohl das Vorliegen einer (inländischen) Betriebsstätte. Aufgrund der permanenten Überwachung der Tätigkeit der Managementgesellschaft durch den Steuerpflichtigen über einen längeren Zeitraum hinweg sei von dessen ausreichender „Verwurzelung“ (= nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung der Managementgesellschaft) im Quellenstaat auszugehen, weil der Steuerpflichtige unter diesem Gesichtspunkt über die (partielle) Fähigkeit verfügt habe, eigene Geschäftstätigkeiten (nämlich Überwachungsmaßnahmen) in den Räumlichkeiten der Managementgesellschaft auszuüben (gleicher Ansicht: Druen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 12 AO Rz. 12; Hruschka, in: Schönfeld/Ditz, DBA, 2. Aufl., Art. 5 (2014) Rz. 206; Beckmann, in: Wassermeyer, DBA, Art. 5 DBA-GB 2010 Rz. 8 d; a. A.: Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO-FGO, § 12 AO Rz. 18: Betriebsstätte nur gegeben, wenn der Steuerpflichtige im Inland eigenes Personal beschäftigt; Heinsen, in: Gosch, AO-FGO, § 12 AO Rz. 20; Wassermeyer, Zeitschrift für Internationales Steuerrecht – IStR – 2011, 931; Ditz/Quilitzsch, Finanz-Rundschau – FR – 2012, 493 ff., 500).
Als „Managementgesellschaften“ im Sinne des BFH-Urteils vom 24. August 2011, aaO, welches der BFH in seine amtliche Entscheidungssammlung BFHE aufgenommen und damit selbst als sehr bedeutsam eingestuft hat, sind im vorliegenden Fall die U… GmbH bzw. ab Mitte 2012 die X… GmbH einzuordnen. Denn die vorgenannten Gesellschaften haben sowohl für die Klägerin als auch für die beiden anderen Gesellschaften, bei denen T… der alleinige gesetzliche Vertreter gewesen ist, sämtliche Arbeiten in Bezug auf Neuabschluss oder Kündigung von Mietverträgen, Stellung von Mieterhöhungsverlangen, Abschluss und Kündigung von Dienst- und Werkverträgen (z. B. über Hausmeistertätigkeiten, Reinigungsarbeiten, Reparaturen etc.), Erteilung von Aufträgen an Handwerker, Baufirmen (einschließlich der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen, Zurückbehaltungsrechten), Verhandlungen mit Kreditinstituten, Finanzämtern, Behörden und Gerichten durchgeführt (vgl. dazu nur die von der Klägerin der U… GmbH erteilte „Hausverwaltungsvollmacht“ mit Datum „28.11.2009“, Bl. 113 d. A.).
Die U… GmbH bzw. später die X… GmbH waren somit für die Klägerin und die Z… GmbH sowie die AA… GmbH umfassend vermögensverwaltend tätig. Herr W… als alleiniger gesetzlicher Vertreter der vorgenannten Gesellschaften hat im Falle der AA… GmbH unstreitig sogar die steuerlichen Belange jener GmbH gegenüber dem Beklagten aktiv wahrgenommen (vgl. Aktenvermerk von Frau AM… vom 13. August 2009 (Bl. 28 VO-Akte) als Mitarbeiterin des Beklagten über eine Besprechung unter Mitwirkung von Herrn W… als einzigem Repräsentanten der Steuerpflichtigen in den Räumen des Beklagten wegen einer Pfändung in das Geschäftskonto der AA… GmbH). Auch in Bezug auf die Klägerin hat die U… GmbH deren Vertretung gegenüber dem Finanzamt C… wahrgenommen, indem sie in Bezug auf die erforderliche Feststellung des Einheitswertes des streitgegenständlichen Grundstücks der Klägerin zumindest die Rolle der Zustellungsadressatin übernahm (vgl. Einheitswertakte).
Die enge wirtschaftliche Verflechtung der Klägerin mit den o. g. Managementgesellschaften ergibt sich auch aus den Bilanzen sowohl der Klägerin als auch derjenigen der Managementgesellschaften. So hatte die U… GmbH bereits zum 31. Dezember 2009 gegenüber der Klägerin eine Darlehensrückzahlungsforderung in Höhe von 3 000,00 EUR. Zum 31. Dezember 2011 bestand ein Darlehensrückzahlungsanspruch gegenüber der Klägerin in Höhe von 1 200,00 EUR. Zum 31. Dezember 2012 und zum 31. Dezember 2013 bestanden umgekehrt jeweils Darlehensrückzahlungsansprüche der Klägerin gegenüber der Y… GmbH in Höhe von jeweils 6 600,00 EUR. Die Existenz dieser Zahlungsansprüche aufgrund von Darlehen hat der Zeuge W… im Rahmen seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung am 21. November 2019 als zutreffend bestätigt.
Die weiteren Voraussetzungen für die Bejahung einer Betriebsstätte der Klägerin in den Räumlichkeiten der X… GmbH in C… im Streitjahr 2013 sind ebenfalls gegeben: Es bestanden zu diesem Zeitpunkt bereits mehrjährige Geschäftsbeziehungen zwischen der Klägerin und den beiden Managementgesellschaften. Die Klägerin konnte die Tätigkeit der X… GmbH vor Ort laufend überwachen (z. B. durch telefonische oder schriftliche Kommunikation mit Herrn W… und seinen Mitarbeitern), da beide Unternehmen über mehrere Jahre hinweg reibungslos zusammengearbeitet haben. Dies hat der Zeuge W… im Rahmen seiner zeugenschaftlichen Vernehmung bestätigt.
II. Die Klägerin hat für das Streitjahr 2013 Anspruch auf Durchführung der sog. einfachen Grundbesitzkürzung ihres Gewerbeertrags im Sinne von § 9 Satz 1 Nr. 1 GewStG.
Maßgebend ist insoweit der Einheitswert, der auf den letzten Feststellungszeitpunkt (Hauptfeststellungs-, Fortschreibungs- oder Nachfeststellungszeitpunkt vor dem Ende des Erhebungszeitraums (§ 14 GewStG) lautet (vgl. § 9 Nr. 1 Satz 1 letzter Halbsatz GewStG). Erhebungszeitraum ist vorliegend das Kalenderjahr 2013. Somit ist der Einheitswert des streitgegenständlichen Grundstücks auf den 1. Januar 2011 maßgeblich, der 159 523,00 EUR betragen hat. 1, 2 v. H. dieses Einheitswerts macht einen Betrag in Höhe von 1 914, 28 EUR aus. Um diesen Betrag ist der bisher angesetzte Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb im Rahmen der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags 2013 zu kürzen.
B. Die Korrektur des Urteilstenors hinsichtlich des Kürzungsbetrags nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG (1 914,28 EUR statt bisher 1 914,38 EUR) beruht auf § 107 Abs. 1 FGO (= Beseitigung eines Schreibfehlers).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), da das teilweise Obsiegen der Klägerin sehr geringfügig ist.
D. Der erkennende Senat hat die Revision gegen dieses Urteil gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.