BFH: Voraussetzungen für eine erfolgreiche Anhörungsrüge
BFH, Beschluss vom 25.5.2025 – IV S 10/23
ECLI:DE:BFH:2023:B.250523.IVS10.23.0
Volltext BB-Online BBL2025-1750-4
Amtliche Leitsätze
NV: Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und § 96 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verpflichtet das Gericht unter anderem, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzusetzen. Dabei ist das Gericht naturgemäß nicht verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen. Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO sind erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (Bestätigung der Rechtsprechung).
GG Art 103 Abs 1, FGO § 96 Abs 2, FGO § 133a
Aus den Gründen
1 Es kann dahinstehen, ob die Anhörungsrüge zulässig ist, insbesondere ob ihre Begründung den Anforderungen des § 133a Abs. 2 Satz 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht. Denn sie ist unbegründet und daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 133a Abs. 4 Sätze 2 und 3 FGO).
2 1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör i.S. von Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und § 96 Abs. 2 FGO verpflichtet das Gericht u.a., die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzusetzen. Dabei ist das Gericht naturgemäß nicht verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 11.06.2008 - 2 BvR 2062/07, Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 14, 1). Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO sind erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 20.07.2022 - IX B 9/21, Rz 13, m.w.N.).
3 2. Das ist vorliegend nicht der Fall. Der erkennende Senat hat das Vorbringen der Klägerin, Beschwerdeführerin und Rügeführerin (Klägerin) zum Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) aus ihrer Beschwerdebegründung ersichtlich zur Kenntnis und dazu in der angefochtenen Entscheidung auch Stellung genommen.
4 a) Dies betrifft zunächst die gerügte Nichtbeachtung der in den BFH-Urteilen vom 24.01.1990 - I R 157/86 (BFHE 160, 225, BStBl II 1990, 645) und vom 12.05.2016 - IV R 27/13 aufgestellten Rechtsprechungsgrundsätze. Die Klägerin sieht die Divergenz im Kern darin, dass die Vorinstanz die Rechtsfrage, ob es bei der Prüfung der Anforderungen an den Fremdvergleich ein notwendigerweise vorliegendes Kriterium (hier: die Schriftform) gebe, dessen Fehlen die Prüfung der weiteren objektiven Gegebenheiten entbehrlich mache, entgegen den genannten Divergenzentscheidungen bejaht habe. Darauf ist der erkennende Senat im Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde vom 08.03.2023 - IV B 35/22 indes eingegangen. Er hat unter 2.b der Gründe dargelegt, dass das Finanzgericht den zutreffenden rechtlichen Maßstab ‑‑wie er sich aus dem BFH-Urteil vom 29.07.2015 - IV R 16/12 (Rz 17) ergibt‑‑ gewählt und die Klage nicht allein deshalb abgewiesen habe, weil kein schriftlicher Vertrag vorgelegen habe. Damit hat sich der Senat jedenfalls der Sache nach auch mit einer Abweichung der Vorinstanz von den mutmaßlichen Divergenzentscheidungen auseinandergesetzt. Denn deren Grundsätze finden sich in den im BFH-Urteil vom 29.07.2015 - IV R 16/12 (Rz 17) dargelegten Obersätzen zur Anwendung des Fremdvergleichs bei Zahlungen an eine Schwesterpersonengesellschaft wieder. Davon geht auch die Klägerin aus (S. 10 der Beschwerdebegründung vom 15.07.2022, unter III.). Dies gilt für die Bedeutung nur mündlich abgeschlossener Vereinbarungen gleichermaßen (s. BFH-Urteil vom 29.07.2015 - IV R 16/12, Rz 17: "Überprüfung, … ob die Vereinbarungen zivilrechtlich wirksam, klar und eindeutig sind …"). Daher geht die Rüge, der Senat habe lediglich pauschal unterstellt, die Begründung des erstinstanzlichen Urteils habe die Rechtsgrundsätze der Divergenzentscheidungen beachtet, fehl. Ob die Vorinstanz die (zutreffenden) Rechtsprechungsgrundsätze fehlerhaft auf die Besonderheiten des Einzelfalls angewendet hat, prüft der BFH im Rahmen der Divergenzrüge grundsätzlich nicht (BFH-Beschluss vom 02.12.2013 - III B 148/12, Rz 4).
5 b) Entsprechendes gilt für die Rüge der Nichtbeachtung der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 07.11.1995 - 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34). Auch hier hat der erkennende Senat eine Abweichung im Grundsätzlichen verneint, indem er davon ausgegangen ist, dass die Vorinstanz die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Fremdvergleichsgrundsätze beachtet habe. Dazu gehört auch, dass einem Indizmerkmal keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden darf, wenn der Sachverhalt nicht beweisbedürftig ist, sondern schon aus anderen Quellen sicher festgestellt werden kann (BVerfG-Beschluss in BStBl II 1996, 34, unter B.I.1.).
6 3. Letztlich wendet sich die Klägerin mit ihrer Anhörungsrüge im Kern gegen die inhaltliche Richtigkeit des die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden Senatsbeschlusses. Damit kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör indes nicht dargelegt werden (BFH-Beschluss vom 17.06.2005 - VI S 3/05, BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614, unter II.2. [Rz 13]).
7 4. Für die Entscheidung über die Anhörungsrüge wird eine Gebühr in Höhe von 66 € erhoben (Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes).