Niedersächsisches FG: Voraussetzungen für das rechtzeitige Geltendmachen des Vorsteuerabzugs
Niedersächsisches FG, Urteil vom 11.2.2016 – 5 K 112/15
Volltext: //BB-ONLINE BBL2015-726-1
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Nichtamtliche Leitsätze
Ein Unternehmer kann die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen von einem anderen Unternehmer, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Ist die bezogene Leistung sowohl für unternehmerische Zwecke, als auch für nichtunternehmerische Zwecke vorgesehen, so bedarf es einer Entscheidung über die Zuordnung zum Unternehmen, um in diesem Umfang der Zuordnung den Vorsteuerabzug zu erlangen. Aus dem Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer folgt, dass die Zuordnungsentscheidung grundsätzlich bei Bezug der Leistung zu erfolgen hat. Die Zuordnung der bezogenen Leistung zum Unternehmen wird regelmäßig durch die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs dokumentiert. Andere Beweisanzeichen für die Zuordnung sind hingegen möglich. Die Zuordnungsentscheidung muss aber spätestens und mit endgültiger Wirkung nach außen hin bis zu dem Zeitpunkt erfolgen, für den nach den gesetzlichen Vorschriften die Abgabe der Steuererklärung für das Jahr des Leistungsbezuges vorzunehmen ist.
Sachverhalt
Die Klägerin ist seit 2010 mit einem Friseurgeschäft unternehmerisch tätig. Seit Oktober 2012 betreibt sie zudem eine Fotovoltaikanlage und speist entgeltlich Strom in das örtliche Energienetz ein. Für die Anschaffung der Fotovoltaikanlage und der damit im Zusammenhang stehenden Montageleistungen wurden der Klägerin noch im Streitjahr Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis erteilt. Einen hieraus möglichen Vorsteuerabzug machte sie in den Voranmeldungen für das Streitjahr nicht geltend. Vielmehr wurde dieser Vorsteuerabzug erstmals in der Jahressteuererklärung 2012 geltend gemacht, die beim Beklagten am 10. September 2013 einging. In einem Fragebogen zur steuerlichen Erfassung der Betätigung als Fotovoltaikbetreiber bestätigte die Klägerin mit entsprechendem Schreiben vom 21. Dezember 2012 die Aufnahme dieser Tätigkeit.
Aus der Abrechnung des örtlichen Energieversorgers L. Netz GmbH vom 5. Februar 2013 ist ersichtlich, dass die Klägerin für das Streitjahr seit dem 24. Oktober 2012 bis Jahresende insgesamt 124 Kilowattstunden in das Netz einspeiste und im selben Zeitraum 200 Kilowattstunden an erzeugtem Strom selbst verbrauchte. Die Fotovoltaikanlage befindet sich auf dem Dach des privatgenutzten Wohnhauses.
Der Beklagte ließ in der mit der Klage angefochtenen Steuerfestsetzung den Vorsteuerabzug, der im Zusammenhang mit der Anschaffung der Fotovoltaikanlage steht, im Umfang von 2.692,86 € nicht zum Abzug zu. Die Klägerin habe die Fotovoltaikanlage nicht rechtzeitig ihrem Unternehmen zugeordnet. Diese Entscheidung habe bis zum 31. Mai 2013 erfolgen müssen. Die erstmalige Geltendmachung in der Steuererklärung sei verspätet.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage begründet die Klägerin im Wesentlichen wie folgt:
Der Vorsteuerabzug sei zunächst versehentlich nicht geltend gemacht worden. Die Klägerin habe jedoch mit dem Eröffnungsfragebogen dem Beklagten zeitnah im Dezember 2012 den Betrieb der Photovoltaik gegenüber offenbart. Dabei habe sie ausdrücklich auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichtet. Ergänzend habe sie im Januar 2013 auch eine formelle Mitteilung zur Solarstromeinspeisung des Netzbetreibers vorgelegt, wonach die Vergütung jährlich umsatzsteuerpflichtig behandelt werde. Aus den Dokumenten gehe hervor, dass eine Fotovoltaikanlage erworben worden sei, deren Nutzung für Zwecke des auch umsatzsteuerlich zu berücksichtigenden Betriebs „Photovoltaik“ angedacht sei. Dies alles seien Beweisanzeichen dafür, dass die Klägerin die erworbene Fotovoltaikanlage dem Unternehmen habe zuordnen wollen. Im Übrigen sei aus dem BMF-Schreiben vom 2. Januar 2014 herzuleiten, dass es nicht von der Finanzverwaltung zu beanstanden sei, wenn die Grundsätze dieses Schreibens und damit auch die zum 31. Mai eines Jahres bestehende Frist erst für Leistungen angewendet würden, die nach dem 31. Dezember 2013 an das Unternehmen erbracht würden. Die Nichteinhaltung dieser eingeräumten Übergangsfrist durch den Beklagten verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
Die Klägerin beantragt,
bei der Umsatzsteuerfestsetzung des Streitjahres weitere Vorsteuern in Höhe von 2.692,86 € zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte folge mit seiner Rechtsansicht der inzwischen ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach die beim Leistungsbezug zu treffende Zuordnungsentscheidung spätestens im Rahmen der Jahressteuererklärung bis zum Ablauf der Gesetzlichen Abgabefrist von Steuererklärungen am 31. Mai des Folgejahres zu dokumentieren sei. Die Zuordnungsentscheidung zum Unternehmensvermögen sei Tatbestandsmerkmal für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG).
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten. Dem Gericht haben die beim Beklagten für die Klägerin geführten Steuerakten vorgelegen.
Aus den Gründen
Die Klage ist unbegründet.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen von einem anderen Unternehmer, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Ist die bezogene Leistung sowohl für unternehmerische Zwecke, als auch für nichtunternehmerische Zwecke vorgesehen, so bedarf es einer Entscheidung über die Zuordnung zum Unternehmen, um in diesem Umfang der Zuordnung den Vorsteuerabzug zu erlangen. Aus dem Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer folgt, dass die Zuordnungsentscheidung grundsätzlich bei Bezug der Leistung zu erfolgen hat. Die Zuordnung der bezogenen Leistung zum Unternehmen wird regelmäßig durch die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs dokumentiert. Andere Beweisanzeichen für die Zuordnung sind hingegen möglich. Die Zuordnungsentscheidung muss aber spätestens und mit endgültiger Wirkung nach außen hin bis zu dem Zeitpunkt erfolgen, für den nach den gesetzlichen Vorschriften die Abgabe der Steuererklärung für das Jahr des Leistungsbezuges vorzunehmen ist. Die aufgezeigten Grundsätze sind inzwischen ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der der Senat folgt. Auf das BFH-Urteil XI R 14/10 vom 18.04.2012 mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung wird hingewiesen.
Im Streitfall ist zunächst zu berücksichtigen, dass nach der Abrechnung der L. GmbH und Co. KG gegenüber der Klägerin im Streitjahr sowohl Strom produziert wurde, den die Klägerin entgeltlich veräußerte, als auch Strom, den die Klägerin für ihr privates Wohnhaus verwendete. Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Fotovoltaik-Anlage einer erstmaligen gemischten Verwendung zugeführt worden ist. Deshalb hätte die Klägerin eine Zuordnungsentscheidung, die ihr den gesamten und begehrten Vorsteuerabzug ermöglicht hätte, treffen müssen. Derartiges ist bis zum 31.05. des Folgejahres nicht geschehen. Zwar hat die Klägerin gegenüber dem Finanzamt hinreichend deutlich gemacht, dass sie mit der Veräußerung von Strom eine weitere unternehmerische Betätigung begonnen hatte. Dies sagt jedoch nichts darüber aus, dass damit eine Zuordnungsentscheidung verbunden gewesen wäre. Die Klägerin hat auch nicht außerhalb der Abgabe der Steuererklärungen gegenüber dem Finanzamt eine Zuordnungsentscheidung bekundet. Erstmals mit der Jahressteuererklärung, die am 10.09.2013 beim Beklagten einging, ist eine Zuordnungsentscheidung nach außen hin dokumentiert. Dies war nicht zeitnah im Sinne der Rechtsprechung. Deshalb steht der Klägerin nach dem Umsatzsteuergesetz ein Vorsteuerabzug aus den Leistungen im Zusammenhang mit der Errichtung der Fotovoltaik-Anlage nicht zu.
Soweit die Klägerin im Verfahren aus dem BMF-Schreiben vom 02.01.2014 (IV D 2-S-7300/12/10002:001) eine Selbstbindung der Verwaltung und damit einen Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben reklamiert, macht sie im Kern eine Unbilligkeit der Steuerfestsetzung im Sinne des § 163 Abgabenordnung geltend. Im Steuerfestsetzungsverfahren, auf das sich die hier anhängig gemachte Klage bezieht, kann sie damit nicht gehört werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.