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Steuerrecht
21.03.2024
Steuerrecht
EuGH-Schlussanträge: Verwaltung von Anlagevermögen – Begriff – Vergleichbarkeit mit einem OGAW – Rentenfonds – Investitionsrisiko der Anleger (Niederländisches Vorabentscheidungsersuchen)

GAin Kokott, Schlussanträge vom 14.3.2024 – verb. Rs. C-639/22 bis C-644/22, X (C‑639/22), Stichting BPL Pensioen (C‑643/22), Stichting Bedrijfstakpensioensfonds voor het levensmiddelenbedrijf (BPFL) (C‑644/22) gegen Inspecteur van de Belastingdienst Utrecht (C‑639/22, C‑643/22 und C‑644/22) und Fiscale Eenheid Achmea BV (C‑640/22), Y (C‑641/22) gegen Inspecteur van de Belastingdienst Amsterdam (C‑640/22 und C‑641/22) und Stichting Pensioenfonds voor Fysiotherapeuten gegen Inspecteur van de Belastingdienst Maastricht (C‑642/22)

ECLI:EU:C:2024:243

Volltext:BB-ONLINE BBL2024-725-1

Schlussanträge

1.      Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass ein mit einem OGAW vergleichbares Anlagevermögen und damit ein „Sondervermögen“ ein solches ist, welches die in Art. 1 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2009/65/EG über die Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren genannten Kriterien annähernd erfüllt. Dies setzt insbesondere voraus, dass das Anlagevermögen dem Publikum offensteht, dass eine Auszahlungspflicht ähnlich wie bei einem OGAW besteht und dass die Anleger ein vergleichbares Anlagerisiko tragen. Letzteres hängt wesentlich davon ab, ob die Rentenzusage überwiegend garantierte oder von der Wertentwicklung des angelegten Kapitals abhängige Leistungen vorsieht.

2.      Bei der Anwendung von Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 im Rahmen von Fonds, die kein OGAW sind, ist nicht nur zu beurteilen, ob diese mit einem OGAW vergleichbar sind, sondern auch, ob sie mit anderen Fonds vergleichbar sind, die zwar kein OGAW sind, aber die der Mitgliedstaat als Sondervermögen ansieht. Die Verwaltung solcher Sondervermögen kann der Mitgliedstaat befreien, wobei er den Grundsatz der Neutralität zu beachten hat. Dieser steht allerdings einer nachvollziehbaren Differenzierung zwischen den unterschiedlich strukturierten Säulen des jeweiligen Altersvorsorgesystems und insbesondere zwischen einerseits garantierten und andererseits von der Wertentwicklung des angelegten Kapitals abhängigen Rentenzusagen nicht entgegen.

I.      Einführung

1.        In gleich mehreren niederländischen Vorabentscheidungsersuchen stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bestimmte Betriebsrentenfonds als Sondervermögen im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie)(2) anzusehen sind. Nach dieser Vorschrift definieren die Mitgliedstaaten die „Sondervermögen“. Die Niederlande haben die in Rede stehenden Betriebsrentenfonds bislang nicht als Sondervermögen definiert und gehen daher davon aus, dass an diese erbrachte Verwaltungsdienstleistungen mehrwertsteuerpflichtig sind.

2.        Der Begriff des von den Mitgliedstaaten zu definierenden „Sondervermögens“ wird teilweise unionsrechtlich durch die OGAW-Richtlinie überlagert. Der Gerichtshof hat sich daher bereits in der Vergangenheit mit der Frage befasst, ob die Verwaltung von Rentenfonds von der Mehrwertsteuer befreit ist, wenn und weil diese mit einem OGAW vergleichbar sind.(3) Nun besteht die Möglichkeit, diese Rechtsprechung zu präzisieren.

3.        Zudem ist zu klären, unter welchen Voraussetzungen sich Steuerpflichtige unmittelbar auf die Befreiungsvorschrift in Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie berufen können. Insbesondere stellt sich die Frage, inwieweit der Grundsatz der Neutralität das Ermessen der Mitgliedstaaten bei der Definition des „Sondervermögens“ beschränkt. Konkret ist zu untersuchen, ob eine Mehrwertsteuerbefreiung, die bestimmten Rentenfonds (aus der dritten Säule des nationalen Rentensystems) gewährt wird, auch auf andere Rentenfonds (hier der zweiten Säule) erstreckt werden muss.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Mehrwertsteuerrichtlinie

4.        Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

g)      die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen“.

2.      OGAW-Richtlinie

5.        Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2009/65/EG über die Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (im Folgenden: OGAW-Richtlinie)(4) lautet:

„(2) Für die Zwecke dieser Richtlinie und vorbehaltlich des Artikels 3 bezeichnet der Ausdruck ‚OGAW‘ Organismen,

a)      deren ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapieren und/oder anderen in Artikel 50 Absatz 1 genannten liquiden Finanzanlagen zu investieren, und

b)      deren Anteile auf Verlangen der Anteilinhaber unmittelbar oder mittelbar zu Lasten des Vermögens dieser Organismen zurückgenommen oder ausgezahlt werden. Diesen Rücknahmen oder Auszahlungen gleichgestellt sind Handlungen, mit denen ein OGAW sicherstellen will, dass der Kurs seiner Anteile nicht erheblich von deren Nettoinventarwert abweicht.

Die Mitgliedstaaten können eine Zusammensetzung der OGAW aus verschiedenen Teilfonds genehmigen.“

B.      Niederländisches Recht

6.        Art. 11 Abs. 1 Buchst. i Nr. 3 der Wet op de omzetbelasting 1968 (Umsatzsteuergesetz 1968) lautet:

„1. Unter den durch Verordnung festzulegenden Voraussetzungen sind von der Steuer befreit:

i) die folgenden … Dienstleistungen:

3. die Verwaltung eines von Investmentfonds bzw. Investmentgesellschaften für gemeinsame Anlagen angesammelten Vermögens.“

III. Sachverhalte der sechs Vorabentscheidungsersuchen

7.        Sämtliche Vorabentscheidungsersuchen betreffen spezielle Betriebsrentenfonds. In den Rechtssachen C‑639/22 (X), C‑641/22 (Y), C‑642/22 (Stichting Pensioenfonds voor Fysiotherapeuten), C‑643/22 (Stichting BPL Pensioen) und C‑644/22 (Stichting Bedrijfstakpensioensfonds voor het levensmiddelenbedrijf – BPFL) klagen diese selbst. Sie nahmen Dienstleistungen im Ausland ansässiger Verwalter in Anspruch, für die sie als Leistungsempfängerinnen die Mehrwertsteuer schuldeten. In der Rechtssache C‑640/22 (Fiscale Eenheid Achmea BV) hat die im Inland ansässige Klägerin selbst Verwaltungsleistungen gegenüber einem Rentenfonds erbracht, für die sie Mehrwertsteuer schuldete.

8.        Die in Rede stehenden Betriebsrentenfonds berufen sich jeweils darauf, dass sie „Sondervermögen“ im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie sind. In diesem Fall wären die Verwaltungsleistungen von der Mehrwertsteuer befreit. Die niederländische Finanzverwaltung lehnt dies unter Verweis auf die Struktur des niederländischen Altersversorgungssystems und die konkrete Ausgestaltung der in Rede stehenden Betriebsrentenfonds ab.

9.        Exemplarisch für die Ausgestaltung der in den Ausgangsverfahren konkret in Rede stehenden Betriebsrentenfonds ist die Rechtssache C‑644/22. Die Klägerin ist hier ein branchenspezifischer Betriebsrentenfonds für die Lebensmittelbranche. Die Mitgliedschaft der Beschäftigten in dem Rentenfonds ist gesetzlich vorgeschrieben.

10.      Die Rentenordnung der Klägerin beruht auf einem Rentenleistungsvertrag im Sinne des niederländischen Rentengesetzes und sieht u. a. eine lebenslange oder zeitlich befristete Altersrente vor. Bemessungsgrundlage für die Rente ist das rentenversicherungspflichtige Entgelt abzüglich eines jährlich festgelegten Freibetrags. Insofern hängt die Höhe der Rentenanwartschaften und ‑leistungen primär von der Höhe des Arbeitsentgelts und der Beschäftigungszeit ab.

11.      Die Finanzierung der Rentenleistungen erfolgt nach dem Kapitaldeckungsprinzip. Zudem bestehen nach den niederländischen Rechtsvorschriften bestimmte Anforderungen an den strategischen Deckungsgrad der Rentenfonds, also das Verhältnis des Vermögens des Fonds (Aktiva) zum Barwert der bestehenden Rentenverpflichtungen (Passiva). Die Einhaltung dieser Anforderungen wird durch eine staatliche Aufsicht sichergestellt.

12.      Die versicherten Arbeitnehmer erwerben Rentenansprüche, die jährlich auf Grundlage des Verbraucherpreisindex angepasst werden können (sogenannte Indexierung). Eine Erhöhung der Rentenansprüche oder ‑anwartschaften (sogenannte Zulage) muss über die Anlagerendite erfolgen. Zudem dürfen Zulagen nicht gewährt werden, wenn der Deckungsgrad unter ein bestimmtes Niveau gefallen ist. In der Vergangenheit ist es ausschließlich im Jahr 2009 zur Gewährung einer Zulage gekommen.

13.      Im Extremfall kann der Betriebsrentenfonds umgekehrt auch verpflichtet sein, die Rentenanwartschaften und ‑ansprüche zu kürzen. Aufgrund eines niedrigen Deckungsgrads zum 31. Dezember 2020 reichte die Klägerin einen entsprechenden Sanierungsplan bei der De Nederlandsche Bank (Zentralbank der Niederlande) ein. Der Sanierungsplan sieht eine Kürzung der aufgebauten Renten zum 31. Dezember 2021 um 0,85 % vor.

14.      Den weiteren Vorabentscheidungsersuchen (C‑639/22, C‑640/22, C‑641/22, C‑642/22 und C‑643/22) liegt jeweils ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde.

15.      In der Rechtssache C‑641/22 bestand lediglich die zusätzliche Besonderheit, dass die Arbeitgeber für den Zeitraum zwischen 2014 und 2020 eine Garantie in Höhe von 250 000 000 Euro für den angestrebten Rentenaufbau übernommen hatten.

16.      In der Rechtssache C‑640/22 fand bei dem in Rede stehenden Rentenfonds bereits seit dem 1. Januar 2018 kein aktiver Vermögensaufbau mehr statt. Zudem war der Rentenfonds aufgrund des niedrigen strategischen Deckungsgrads verpflichtet, sein gesamtes Vermögen an einen Versicherer oder einen anderen Rentenfonds zu übertragen.

IV.    Vorabentscheidungsverfahren

17.      Die Klägerinnen wehren sich vor der zuständigen Rechtbank Gelderland (Bezirksgericht Gelderland, Niederlande) gegen die Festsetzung von Mehrwertsteuer. Das Gericht hat die Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV in allen Verfahren folgende erste Frage und im Verfahren C‑644/22 noch eine zweite Frage vorgelegt:

1.      Ist Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Mitglieder eines Rentenfonds, wie er im Ausgangsverfahren in Rede steht, ein Anlagerisiko tragen, und führt dies dazu, dass der Rentenfonds ein „Sondervermögen“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt? Ist dabei von Bedeutung:

–      ob die Mitglieder ein individuelles Anlagerisiko tragen, oder reicht es aus, dass die Mitglieder als Gemeinschaft und sonst keiner die Folgen der Ergebnisse der Anlagen tragen;

–      wie hoch das kollektive bzw. individuelle Risiko ist;

–      inwiefern für die Höhe der Rentenleistungen andere Faktoren wie der Zeitraum des Rentenaufbaus, die Höhe des Arbeitsentgelts und der Abzinsungsfaktor mitbestimmend sind?

In dem Verfahren C‑641/22 zusätzlich noch:

–      dass der Arbeitgeber für den Zeitraum von 2014 bis 2020 eine Garantie bis 250 000 000 Euro für die Verwirklichung des angestrebten Rentenaufbaus übernommen hat?

In dem Verfahren C‑640/22 stattdessen zusätzlich:

–      dass der Rentenfonds seit dem 1. Januar 2018 keinen aktiven Aufbau mehr betreibt und aufgrund des niedrigen strategischen Deckungsgrads verpflichtet ist, das Gesamtvermögen an einen Versicherer oder einen anderen Rentenfonds zu übertragen?

2.      Hat der Grundsatz der Steuerneutralität zur Folge, dass bei der Anwendung von Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie im Rahmen von Fonds, die kein OGAW sind, nicht ausschließlich zu beurteilen ist, ob diese mit einem OGAW vergleichbar sind, sondern auch, ob sie aus Sicht des durchschnittlichen Verbrauchers mit anderen Fonds vergleichbar sind, die zwar kein OGAW sind, aber die der Mitgliedstaat als Sondervermögen ansieht?

18.      Alle sechs Vorabentscheidungsersuchen wurden gemäß Art. 54 der Verfahrensordnung zum gemeinsamen schriftlichen oder mündlichen Verfahren und zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

19.      Im Verfahren vor dem Gerichtshof haben die sechs Klägerinnen (X, Y, Stichting BPL Pensioen, Stichting Bedrijfstakpensioensfonds voor het levensmiddelenbedrijf, Fiscale Eenheid Achmea BV, Stichting Pensioenfonds voor Fysiotherapeuten), das Königreich der Niederlande, das Königreich Dänemark und die Europäische Kommission schriftlich Stellung genommen und sich an der mündlichen Verhandlung am 5. Oktober 2023 beteiligt.

V.      Rechtliche Würdigung

20.      Die Klägerinnen berufen sich auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie, wonach die Mitgliedstaaten „die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen“ von der Mehrwertsteuer befreien.

21.      Die erste Vorlagefrage bezieht sich auf den Begriff des „Sondervermögens“, soweit er unionsrechtlich überlagert(5) ist (dazu unter A.). Die zweite Vorlagefrage betrifft dagegen die den Mitgliedstaaten durch Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie eingeräumte Befugnis, „Sondervermögen“ zu definieren, und die Frage, welchen unionsrechtlichen Beschränkungen sie dabei unterliegen (dazu unter B.).

A.      Zur ersten Vorlagefrage

22.      In der ersten Vorlagefrage geht es darum, welche Merkmale ein Rentenfonds erfüllen muss und insbesondere welches Anlagerisiko seine Mitglieder tragen müssen, damit er als „Sondervermögen“ angesehen werden muss (dazu unter 1.). Zudem stellt sich – jedenfalls hilfsweise – die Frage, ob die Vorschrift unmittelbare Anwendung zugunsten der Steuerpflichtigen finden kann (dazu unter 2.).

1.      Zum Begriff des Sondervermögens

23.      Die Steuerbefreiung von Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie verfolgt den Zweck, die unmittelbare Anlage in Wertpapiere und diejenige mittels eines fremdverwalteten Sondervermögens für Zwecke der Mehrwertsteuer gleich zu behandeln. Für den Privatanleger soll die Investition in ein Sondervermögen mehrwertsteuerrechtlich nicht ungünstiger sein als im Fall einer Direktanlage.(6) Bei Letzterer fällt eine mit Mehrwertsteuer belastete Verwaltungsdienstleistung, welche die Anlagerendite mindert, nicht an. Es geht mithin um die Gewährleistung der mehrwertsteuerrechtlichen Neutralität bei unterschiedlichen Anlageformen.

24.      Dem Wortlaut des Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie nach obliegt es den Mitgliedstaaten, die Sondervermögen zu bestimmen, welche von der Steuerbefreiung der Verwaltungsdienstleistungen profitieren können. Nachdem die Union aber begonnen hatte, die Aufsicht über Anlagevermögen mit der OGAW-Richtlinie zu harmonisieren, beschränkte der Gerichtshof die Definitionsbefugnis der Mitgliedstaaten. Diese mussten nunmehr Vermögen, die nach der OGAW-Richtlinie a. F. reguliert sind, zwingend als Sondervermögen einstufen.(7) Damit wurde die den Mitgliedstaaten durch das Mehrwertsteuerrecht eingeräumte Definitionsbefugnis teilweise durch die Harmonisierung des Aufsichtsrechts überlagert.(8)

25.      Die in Rede stehenden Betriebsrentenfonds wären daher als „Sondervermögen“ im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie zu qualifizieren, wenn es sich um OGAWs handeln würde. Die Beteiligten gehen allerdings übereinstimmend davon aus, dass die Betriebsrentenfonds keine OGAWs sind.(9)

26.      Aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs darüber hinaus aber auch solche Fonds zwingend als Sondervermögen anzusehen, die zwar keine OGAWs sind, jedoch dieselben Merkmale aufweisen und somit dieselben Umsätze tätigen oder diesen zumindest so weit ähnlich sind, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen.(10)

27.      Welche Merkmale dies konkret sind, lässt sich der bisherigen Rechtsprechung noch nicht zweifelsfrei entnehmen. Zwar hat sich der Gerichtshof in den Rechtssachen Wheels Common Investment Fund Trustees (im Folgenden: Wheels)(11) und ATP PensionService (im Folgenden: ATP)(12) bereits mit der Qualifizierung von Rentenfonds als Sondervermögen befasst. Beide Entscheidungen beruhen aber auf den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls. Die Frage, wie die hier in Rede stehenden Rentenfonds zu qualifizieren sind, beantworten sie daher nicht.

28.      Folglich ist auch hier anhand der in Art. 1 Abs. 2 Satz 1 der OGAW-Richtlinie niedergelegten Kriterien zu beurteilen, ob Rentenfonds wie die in Rede stehenden mit OGAWs vergleichbar sind.

a)      Kapitalbeschaffung beim Publikum

29.      Nach Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a der OGAW-Richtlinie muss die Kapitalbeschaffung zwingend beim Publikum erfolgen. Der Fonds muss mithin einer unbegrenzten Vielzahl von Anlegern offenstehen.

30.      Die hier in Rede stehenden Rentenfonds stehen gerade nicht dem Publikum, sondern nur einem begrenzten Anlegerkreis, nämlich den Beschäftigten der jeweiligen Branche, Berufsgruppe oder Unternehmen, offen. Schon dies schließt die Vergleichbarkeit der Rentenfonds mit OGAWs prima facie aus.

31.      Bekräftigt wird das dadurch, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nur solche Fonds mit OGAWs vergleichbar sind, die mit diesen „im Wettbewerb stehen“.(13) Ein solcher Wettbewerb kann grundsätzlich nur zwischen Anlagevermögen bestehen, die den gleichen Anlegerkreis ansprechen.(14) Dies ist bei Rentenfonds und OGAWs aus den in Nr. 30 genannten Gründen nicht der Fall. Erst recht gilt das, wenn die Mitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Pflichtmitgliedschaft schließt einen Wettbewerb um die Anleger grundsätzlich aus.

b)      Anlage nach dem Grundsatz der Risikostreuung

32.      Weiteres wesentliches Merkmal eines OGAW ist, dass die beschafften Gelder nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapieren und/oder anderen in Art. 50 Abs. 1 der OGAW-Richtlinie genannten liquiden Finanzanlagen investiert werden müssen (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a der OGAW-Richtlinie).

33.      Von einer solchen Risikodiversifizierung gehen die Beteiligten übereinstimmend aus. Es ist Aufgabe des vorlegenden Gerichts, zu überprüfen, ob diese Vorgabe tatsächlich erfüllt ist.

c)      Rücknahme- oder Auszahlungspflicht

34.      Außerdem bestimmt Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b der OGAW-Richtlinie, dass die Anteile am OGAW auf Verlangen der Anteilsinhaber unmittelbar oder mittelbar zulasten des Vermögens dieser Organismen zurückgenommen oder ausgezahlt werden. Die Steuerbefreiung setzt daher eine vergleichbare Rücknahme- oder Auszahlungspflicht voraus.

35.      Auch insofern dürften die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rentenfonds nicht mit einem OGAW als Anlageinstrument vergleichbar sein. Denn eine Ablösung kommt nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts nur ausnahmsweise in Betracht. Erst recht dürfte den Versicherten bei einer Pflichtmitgliedschaft kein Rücknahme- oder Auszahlungsanspruch gegenüber dem Rentenfonds zustehen.

d)      Besondere staatliche Aufsicht

36.      Ähnlich wie OGAWs nach Art. 12 der OGAW-Richtlinie müssen die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rentenfonds in den Niederlanden zudem unter einer besonderen staatlichen Aufsicht stehen.(15)

37.      Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass diese Voraussetzung bei den hier betroffenen niederländischen Rentenfonds erfüllt ist. Das entspricht auch der Richtlinie (EU) 2016/2341(16) über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, wonach betriebliche Altersvorsorgesysteme grundsätzlich einer staatlichen Aufsicht unterliegen müssen.(17)

e)      Anteilseigner trägt das Anlagerisiko

38.      Das letzte wesentliche Merkmal ist das Bestehen eines Anlagerisikos für den Anleger. Die OGAW-Richtlinie strebt die Sicherstellung eines wirksamen und einheitlichen Schutzes der Anteilseigner innerhalb der Union an.(18) Dieses Schutzes bedarf es aber nur, wenn ein Anlagerisiko besteht.(19) Auf dieses Merkmal konzentrieren sich die Ausführungen aller Beteiligten.

39.      Entsprechend hatte der Gerichtshof in der Rechtssache Wheels eine Gleichstellung des Rentenfonds mit einem OGAW abgelehnt, weil die Rente „in keiner Weise vom Wert des Kapitalvermögens des Systems und den Ergebnissen der von den Verwaltern des Systems getätigten Anlagen abhängt, sondern durch die Dauer seiner Beschäftigung bei dem Arbeitgeber und die Höhe seines Gehalts vorgegeben ist“.(20) Auch in der Rechtssache ATP war Bedingung, dass die Versicherten ein Anlagerisiko tragen.(21)

40.      In den vorliegenden Rechtssachen zeichnen sich die Rentenmodelle dadurch aus, dass die Höhe der Rentenanwartschaften und ‑leistungen einerseits auf der Höhe des Arbeitsentgelts und der Beschäftigungszeit basiert. Andererseits kann es von der Anlagerendite abhängen, ob es zu einer Indexierung der Anwartschaften und Leistungen oder umgekehrt zu einer Kürzung kommt. Damit entfaltet die Anlagerendite mittelbar Einfluss auf die Höhe der Renten.

41.      Fraglich ist, ob dies ein vergleichbares Anlagerisiko ist. Um das zu beurteilen, ist nach der Art der Rentenzusage zu differenzieren.

42.      Ergibt sich aus dem Altersvorsorgevertrag eine garantierte Rentenzusage, die insbesondere von der Beschäftigungsdauer und der Höhe des Arbeitsentgelts abhängt, tragen die Leistungsberechtigten kein vergleichbares Anlagerisiko. Dass die Höhe der Rentenleistung oder ‑anwartschaft daneben in begrenztem Umfang mittelbar von der Anlagerendite abhängt, genügt – wie auch die Niederlande vorgetragen haben – für die Annahme eines vergleichbaren Anlagerisikos nicht. Die mögliche Anpassung der Rentenhöhe (nach oben oder unten) steht unter dem Vorbehalt eines entsprechenden Deckungsgrads, um im Interesse aller Leistungsberechtigten zumindest die vorgesehene Rente so weit wie möglich zu garantieren. Der Anleger eines OGAW erhält hingegen keine Mindestgarantie bezüglich der Rückzahlung seines angelegten Vermögens.

43.      Handelt es sich nach dem Altersvorsorgevertrag dagegen um eine überwiegend von der Wertentwicklung des angelegten Kapitals abhängige Rentenzusage, kann der Leistungsberechtigte nicht mit einer garantierten Rentenhöhe rechnen. Vielmehr partizipiert er unmittelbar an den Wertschwankungen seiner Vermögensanlagen. Folglich liegt das Anlagerisiko– ähnlich wie bei einem OGAW – bei ihm.

44.      Ausgehend von dieser Differenzierung ist es Aufgabe des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls zu untersuchen, ob die in den Ausgangsverfahren abgeschlossenen Altersvorsorgeverträge in der Gesamtbetrachtung primär garantierte oder von der Wertentwicklung des angelegten Kapitals abhängige Rentenzusagen enthalten. Dabei kommt es auf den Schwerpunkt des jeweiligen Altersvorsorgevertrags und damit das Verhältnis zwischen garantierten und variablen Rentenansprüchen an.

45.      Eine garantierte Rentenhöhe kann im Einzelfall auch dadurch gesichert werden, dass der Arbeitgeber wie in der Rechtssache C‑641/22 eine Garantie für den angestrebten Rentenaufbau übernommen hat. Auch hier kommt es aber auf eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls an.

46.      Nicht von Bedeutung ist dagegen, ob der Rentenfonds – wie in der Rechtssache C‑640/22 – noch einen aktiven Vermögensaufbau betreibt. Es kommt allein auf die Ausgestaltung des zugrunde liegenden Altersvorsorgevertrags an und nicht auf die tatsächliche finanzielle Situation des Rentenfonds.

47.      Wie sich den Vorabentscheidungsersuchen des niederländischen Gerichts entnehmen lässt, dürfte es sich bei den meisten der den Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Modelle im Schwerpunkt um garantierte Rentenzusagen handeln. Die Anwartschafts- und Leistungsberechtigten tragen dann kein vergleichbares Anlagerisiko wie bei einem OGAW.

f)      Zwischenergebnis

48.      Bei den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rentenfonds handelt es sich nicht um OGAWs. Aber auch eine Vergleichbarkeit dieser fondsgebundenen Rentenversicherungen mit einem OGAW dürfte – vorbehaltlich der Beurteilung durch das vorlegende Gericht – ausscheiden. Insbesondere stehen die betreffenden verpflichtenden Rentenfonds nicht einer unbegrenzten Vielzahl von Anlegern offen, so dass auch keine Wettbewerbssituation mit einem OGAW besteht. Weiter scheint keine Auszahlungspflicht wie bei OGAWs zu existieren.

49.      Hinsichtlich des Merkmals des Anlagerisikos ist danach zu differenzieren, ob es sich primär um garantierte oder von der Wertentwicklung des angelegten Kapitalvermögens abhängige Rentenzusagen handelt. Nur bei Letzteren trägt der Anwartschafts- und Leistungsberechtigte ein Anlagerisiko vergleichbar dem Anleger eines OGAW.

50.      Die Mitgliedstaaten können die Steuerbefreiung allerdings auch auf einen solchen Rentenfonds erstrecken, wie er in den Ausgangsverfahren in Rede steht. Eine unionsrechtliche Pflicht hierfür besteht aber nicht.

2.      Hilfsweise: zur unmittelbaren Anwendung von Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie

51.      Nur für den Fall, dass der Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rentenfonds als Sondervermögen zu qualifizieren sind, stellt sich die Folgefrage, ob sich die Klägerinnen auf die Steuerbefreiungsvorschrift nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie berufen können, sofern das nationale Recht nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden kann.

52.      Dafür müssen die Bestimmungen der Richtlinie hinreichend genau und inhaltlich unbedingt sein.(22) Zur Durchführung oder Wirksamkeit der Bestimmung darf es keiner weiteren Maßnahme der Mitgliedstaaten bedürfen.(23)

53.      Entsprechend hat der Gerichtshof in jüngeren Entscheidungen eine unmittelbare Anwendbarkeit von Steuerbefreiungsvorschriften gemäß Art. 132 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie abgelehnt, wenn den Mitgliedstaaten ein Ermessensspielraum bei der Bestimmung der einzelnen Merkmale zusteht.(24)

54.      Jedoch hat der Gerichtshof Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie trotz der Definitionsbefugnis der Mitgliedstaaten für unmittelbar anwendbar erklärt.(25) Dies lässt sich durch die unionsrechtliche Überlagerung des Begriffs des „Sondervermögens“ erklären. So ist das den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Definitionsbefugnis zustehende Ermessen „auf null“ reduziert, soweit die OGAW-Richtlinie den Begriff des „Sondervermögens“ harmonisiert.

55.      Soweit es dagegen im Ermessen der Mitgliedstaaten steht, ob sie ein Anlagevermögen als Sondervermögen im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie einordnen, scheidet eine unmittelbare Anwendbarkeit aus. Denn ohne eine entsprechende Definition des Mitgliedstaats ergibt sich aus der Richtlinie nicht, welche Sondervermögen jenseits eines OGAW in den Genuss der Steuerbefreiung kommen sollen.

56.      Im Ergebnis könnten sich die Klägerinnen daher nur unmittelbar auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie berufen, sofern die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rentenfonds mit einem OGAW vergleichbar sind (und sollte eine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts nicht möglich sein).

B.      Zur zweiten Vorlagefrage

57.      Mit der zweiten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Grundsatz der Steuerneutralität zur Folge hat, dass bei der Anwendung von Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie auch zu prüfen ist, ob die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rentenfonds mit anderen Fonds vergleichbar sind, die der Mitgliedstaat als Sondervermögen ansieht. Im Kern geht es um die Frage, welchen unionsrechtlichen Grenzen die Mitgliedstaaten im Rahmen der ihnen übertragenen Definitionsbefugnis unterliegen und inwieweit sie ähnliche Leistungen gleich besteuern müssen.

58.      Diese Frage wird jedoch nur relevant, wenn weder die in Rede stehenden Rentenfonds noch die vom Mitgliedstaat als Sondervermögen eingeordneten Fonds mit einem OGAW vergleichbar sind. Zudem käme den Klägerinnen eine Vergleichbarkeit nur dann zugute, wenn das nationale Recht unionsrechtskonform ausgelegt werden könnte. Denn eine unmittelbare Anwendung der Vorschriften der Mehrwertsteuerrichtlinie kommt im Bereich der den Mitgliedstaaten übertragenen Definitionsbefugnis – wie oben unter Nr. 55 ausgeführt – nicht in Betracht.

59.      Die Mitgliedstaaten haben im Rahmen der ihnen eingeräumten Befugnis, den Begriff „Sondervermögen“ zu definieren, den Grundsatz der steuerrechtlichen Neutralität zu beachten.(26) Dieser lässt es nicht zu, gleichartige Dienstleistungen, die miteinander in Wettbewerb stehen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln.(27)

60.      In Anbetracht des Demokratieprinzips, das zu den in Art. 2 EUV genannten Werten gehört, auf die sich die Union gründet, kann der Gerichtshof eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes durch den demokratisch legitimierten nationalen Gesetzgeber allerdings nur feststellen, wenn er seinen Entscheidungsspielraum offensichtlich überschritten hat. Dies ist erst der Fall, wenn aus Perspektive des Durchschnittsverbrauchers die unterschiedlich besteuerten Dienstleistungen nahezu identisch sind, so dass sie ohne Weiteres substituiert werden könnten.(28)

61.      Hier stellt sich die Frage der Gleichstellung nur deshalb, weil ein sogenanntes individuelles beitragsorientiertes Rentensystem (dritte Säule des niederländischen Altersversorgungssystems) nach den Richtlinien des Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen, Niederlande) vom 19. September 2014 ein „Sondervermögen“ darstellt, dessen Verwaltung steuerfrei erfolgt.

62.      Zweck des individuellen beitragsorientierten Rentensystems der dritten Säule scheint zu sein, dass die Beschäftigten die übrigen Rentenleistungen freiwillig aufstocken können. Die verpflichtende Mitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds zielt dagegen auf eine [über die Sicherstellung der Grundversorgung (Säule 1) hinausgehende] obligatorische Absicherung aller Beschäftigten ab. Schon angesichts der unterschiedlichen Zwecke, welche die (verpflichtende) Mitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds (zweite Säule) und das individuelle freiwillige Rentensystem (dritte Säule) verfolgen, habe ich Zweifel an einer Vergleichbarkeit. Auch ein Wettbewerb scheint zwischen unterschiedlichen Säulen eines Rentensystems nur begrenzt möglich zu sein.

63.      Zudem liegt den Richtlinien der niederländischen Finanzverwaltung nach Aussage des vorlegenden Gerichts die Annahme zugrunde, dass die im Rahmen eines individuellen beitragsorientierten Rentensystems versicherten Mitglieder ein Anlagerisiko tragen. Wie ich bereits ausgeführt habe, tragen die Anleger innerhalb der zweiten Säule kein solches Anlagerisiko, wenn es sich primär um garantierte Rentenzusagen handelt (siehe oben, Nr. 42). Auch dies dürfte einer Vergleichbarkeit entgegenstehen.

64.      Es bestehen also erhebliche Unterschiede, welche die mangelnde Vergleichbarkeit indizieren. Jedoch ist es Sache des vorlegenden Gerichts, dies abschließend anhand der dargelegten Kriterien zu beurteilen.

65.      Im Ergebnis müssen die Mitgliedstaaten daher zwar den Grundsatz der steuerrechtlichen Neutralität beachten, wenn sie „Sondervermögen“ im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie definieren. Diesem Grundsatz steht es allerdings nicht entgegen, wenn ein Mitgliedstaat eine Differenzierung zwischen unterschiedlich strukturierten Säulen seines Altersvorsorgesystems und insbesondere zwischen einerseits garantierten und andererseits von der Wertentwicklung des angelegten Kapitals abhängigen Rentenzusagen vornimmt.

VI.    Ergebnis

66.      Somit schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen der Rechtbank Gelderland (Bezirksgericht Gelderland, Niederlande) wie folgt zu antworten: [s. Tenor]

 


1      Originalsprache: Deutsch.


2      Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der für das Streitjahr (2009) geltenden Fassung; insoweit zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2022/890 des Rates vom 3. Juni 2022 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG im Hinblick auf die Verlängerung des Anwendungszeitraums der fakultativen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bei Lieferungen bestimmter betrugsanfälliger Gegenstände und Dienstleistungen und des Schnellreaktionsmechanismus gegen Mehrwertsteuerbetrug (ABl. 2022, L 155, S. 1).


3      Urteile vom 13. März 2014, ATP PensionService (C‑464/12, EU:C:2014:139), sowie vom 7. März 2013, Wheels Common Investment Fund Trustees u. a. (C‑424/11, EU:C:2013:144).


4      Richtlinie des Rates vom 13. Juli 2009 (ABl. 2009, L 302, S. 32) in der für das Streitjahr geltenden Fassung; insoweit zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2021/2261 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2021 zur Änderung der Richtlinie 2009/65/EG im Hinblick auf die Verwendung von Basisinformationsblättern durch Verwaltungsgesellschaften von Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (ABl. 2021, L 455, S. 15).


5      Vgl. zur Vorgängerregelung von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EG, der im Wesentlichen den selben Wortlaut hatte wie Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie, Urteil vom 9. Dezember 2015, Fiscale Eenheid X (C‑595/13, EU:C:2015:801, Rn. 46).


6      In diesem Sinne Urteil vom 9. Dezember 2015, Fiscale Eenheid X (C‑595/13, EU:C:2015:801, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


7      Urteile vom 13. März 2014, ATP PensionService (C‑464/12, EU:C:2014:139, Rn. 46), sowie vom 7. März 2013, Wheels Common Investment Fund Trustees u. a. (C‑424/11, EU:C:2013:144, Rn. 23).


8      Urteil vom 9. Dezember 2015, Fiscale Eenheid X (C‑595/13, EU:C:2015:801, Rn. 46); siehe auch bereits meine Schlussanträge in den Rechtssachen Fiscale Eenheid X (C‑595/13, EU:C:2015:327, Nr. 23), JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies (C‑363/05, EU:C:2007:125, Nr. 32) sowie Abbey National (C‑169/04, EU:C:2005:523, Nr. 38).


9      So zu anderen Betriebsrentenfonds bereits Urteile vom 13. März 2014, ATP PensionService (C‑464/12, EU:C:2014:139, Rn. 48), und vom 7. März 2013, Wheels Common Investment Fund Trustees u. a. (C‑424/11, EU:C:2013:144, Rn. 25); der Hauptgrund ist, dass die Rentenfonds lediglich Beschäftigten der jeweiligen Branche, Berufsgruppe oder Unternehmen offenstehen.


10      Urteile vom 13. März 2014, ATP PensionService (C‑464/12, EU:C:2014:139, Rn. 47), und vom 7. März 2013, Wheels Common Investment Fund Trustees u. a. (C‑424/11, EU:C:2013:144, Rn. 24); vgl. auch Urteil vom 28. Juni 2007, JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies (C‑363/05, EU:C:2007:391, Rn. 48 ff.).


11      Urteil vom 7. März 2013, Wheels Common Investment Fund Trustees u. a. (C‑424/11, EU:C:2013:144).


12      Urteil vom 13. März 2014, ATP PensionService (C‑464/12, EU:C:2014:139).


13      Urteile vom 9. Dezember 2015, Fiscale Eenheid X (C‑595/13, EU:C:2015:801, Rn. 37), vom 13. März 2014, ATP PensionService (C‑464/12, EU:C:2014:139, Rn. 48), sowie vom 7. März 2013, Wheels Common Investment Fund Trustees u.a. (C‑424/11, EU:C:2013:144, Rn. 24).


14      Vgl. bereits meine Schlussanträge in der Rechtssache Fiscale Eenheid X (C‑595/13, EU:C:2015:327, Nr. 27) sowie Urteil vom 9. Dezember 2015, Fiscale Eenheid X (C‑595/13, EU:C:2015:801, Rn. 48.


15      Vgl. bereits meine Schlussanträge in der Rechtssache Fiscale Eenheid X (C‑595/13, EU:C:2015:327, Nr. 27) sowie Urteil vom 9. Dezember 2015, Fiscale Eenheid X (C‑595/13, EU:C:2015:801, Rn. 48).


16      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 (ABl. 2016, L 354, S. 37).


17      Siehe bereits meine Schlussanträge in der Rechtssache Fiscale Eenheid X (C‑595/13, EU:C:2015:327, Nr. 28), allerdings noch mit Verweis auf die Vorgängerrichtlinie 2003/41/EG.


18      Vgl. dritter Erwägungsgrund der OGAW-Richtlinie.


19      Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón in der Rechtssache ATP PensionService (C‑464/12, EU:C:2013:840, Nr. 64).


20      Urteil vom 7. März 2013, Wheels Common Investment Fund Trustees u.a. (C‑424/11, EU:C:2013:144, Rn. 27).


21      Urteil vom 13. März 2014, ATP PensionService (C‑464/12, EU:C:2014:139, Rn. 51 und 52).


22      Urteile vom 10. Dezember 2020, Golfclub Schloss Igling (C‑488/18, EU:C:2020:1013, Rn. 26), sowie vom 15. Februar 2017, British Film Institute (C‑592/15, EU:C:2017:117, Rn. 13 und die dort angeführte Rechtsprechung).


23      Vgl. Urteile vom 10. Dezember 2020, Golfclub Schloss Igling (C‑488/18, EU:C:2020:1013, Rn. 27), und vom 16. Juli 2015, Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt (C‑108/14 und C‑109/14, EU:C:2015:496, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).


24      So zum Begriff der kulturellen Dienstleistungen in Art. 132 Abs. 1 Buchst. n der Mehrwertsteuerrichtlinie Urteil vom 15. Februar 2017, British Film Institute (C‑592/15, EU:C:2017:117, Rn. 14, 16, 23 und 24), sowie zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Mehrwertsteuerrichtlinie Urteil vom 10. Dezember 2020, Golfclub Schloss Igling (C‑488/18, EU:C:2020:1013, Rn. 31 und 42).


25      Urteil vom 28. Juni 2007, JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies (C‑363/05, EU:C:2007:391, Rn. 59), zur beinahe identischen Vorgängerregelung in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EG.


26      Urteile vom 9. Dezember 2015, Fiscale Eenheid X (C‑595/13, EU:C:2015:801, Rn. 33), vom 13. März 2014, ATP PensionService (C‑464/12, EU:C:2014:139, Rn. 42), sowie vom 7. März 2013, Wheels Common Investment Fund Trustees u.a. (C‑424/11, EU:C:2013:144, Rn. 18).


27      Vgl. nur Urteil vom 5. Oktober 2023, Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej (Mehrwertsteuer für Milchheißgetränke) (C‑146/22, EU:C:2023:739, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).


28      Vgl. bereits meine Schlussanträge in der Rechtssache HPA – Construções (C‑433/22, EU:C:2023:655, Nrn. 50 und 51).

 

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