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Steuerrecht
17.08.2011
Steuerrecht
FG Münster: Verstoß der Sanierungsklausel gegen Gemeinschaftsrecht?

FG Münster, Beschluss vom 1.8.2011 - 9 V 357/11 K, G

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG wegen Verstoßes gegen das Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nicht anzuwenden ist und ob § 8c Abs. 1 KStG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig ist.

Gegenstand des Unternehmens der Antragstellerin (ASt.), einer GmbH, ist die ............................................................ . Darüber hinaus hält sie Beteiligungen an verschiedenen Tochtergesellschaften, die zusammen die X-Gruppe bilden (siehe im Einzelnen Anlage 3 zum Schriftsatz vom 3.2.2011, Bl. 19 der GA).

Nach ihrer Gründung im Jahr ....... firmierte die ASt. zunächst als ............-GmbH. Nach einer Verschmelzung mit der M-GmbH, deren Tätigkeit insbesondere ............ umfasste, wurde die Firma der ASt. ab ....... in N-GmbH geändert. Die ............aktivitäten wurden in der 100 %-igen Tochtergesellschaft O-GmbH und die übrigen ............tätigkeiten in der P-GmbH gebündelt. Die ASt. hatte ein Stammkapital von ......... EUR. Die Geschäftsanteile an ihr hielten die X-GmbH & Co. KG (im Folgenden: X-KG) zu ... % (......... EUR) [über 90 %] und die Y-GmbH zu ... % (......... EUR) [unter 10 %]. Komplementärin der X-KG ohne Beteiligung am Kapital war die Z-GmbH.

Vor den hier in Rede stehenden Vorgängen waren an der X-KG als Kommanditisten A; Kapitalanteil ......... EUR), B, C und D (Kapitalanteile je ......... EUR) sowie die E-GmbH (Kapitalanteil ......... EUR) beteiligt. Die Geschäftsanteile an der Y-GmbH (Stammkapital ............ EUR) hielten B zu ... % (......... EUR), C und D zu je ... % (......... EUR) sowie die E-GmbH zu ... % (......... EUR). Die Geschäftsanteile an der Z-GmbH (Stammkapital ......... EUR) hielten A zu ... % (......... EUR), B, C und D zu je ... % (......... EUR) und F zu ... % (......... %).

Am ... . ... . 2007 wurde über das Vermögen der O-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der O-GmbH standen zu diesem Zeitpunkt Forderungen i.H.v. ......... EUR gegen die ASt. als ihrer 100 %-igen Muttergesellschaft zu. Nachdem der Insolvenzverwalter die Forderungen zum ... . ... . 2007 fällig gestellt hatte, fanden weitere Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter statt, die zum Abschluss einer Sanierungsvergleichsvereinbarung unter dem Datum vom ... . ... . 2007 führten. Nach dieser verzichtete der Insolvenzverwalter auf offene Forderungen gegen die ASt. i.H.v. ca. ......... EUR. Die ASt. erklärte sich im Gegenzug bereit, Zahlungen i.H.v. ......... EUR zu leisten, und zwar in Höhe eines Teilbetrags von ......... EUR in Form von Ratenzahlungen bis zum ... . ... . ...... sowie in Höhe des restlichen Betrags von ......... EUR bis spätestens ... . ... . ...... mittels Verwertung von nicht betriebsnotwendigem Immobilienvermögen. Unter dem Datum vom ... . ... . 2007 schloss die ASt. eine weitere Sanierungsvereinbarung mit denjenigen Banken, die ihr im Jahr 2005 ein über eine Landesbürgschaft abgesichertes Liquiditätsdarlehen i.H.v. ......... EUR gewährt hatten. In dieser Vereinbarung verzichteten die Banken auf die Hälfte des Darlehens (......... EUR). Der verbleibende Betrag von ......... EUR ist danach in Form von Raten rückzahlbar, die ab ... . ... . ...... bis zum ... . ... . ...... zu erbringen sind. Die vorgenannte Sanierungsvereinbarung stand u.a. unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Finanzbehörden sowie die Stadt ......... in schriftlicher Form ankündigten, auf diejenige Körperschaft- bzw. Gewerbesteuer zu verzichten, die aufgrund der Forderungsverzichte des Insolvenzverwalters der O-GmbH und der o.g. Banken entsteht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sanierungsvereinbarungen vom ... . ... . 2007 und vom ... . ... . 2007 Bezug genommen. Nach dem Vorbringen der ASt. bildeten die vorgenannten Sanierungsvereinbarungen die wesentliche Grundlage dafür, dass die verbliebenen Aktivitäten der X-Gruppe fortgeführt werden konnten.

Unter dem Datum vom 17.3.2008 beantragte die ASt. beim Antragsgegner (dem Finanzamt --FA--), den aufgrund der Forderungsverzichte im Jahr 2007 entstandenen Gewinn i.H.v. ......... EUR nach vorrangiger Anwendung der Verlustausgleichs- und -abzugsmöglichkeiten (und dort ohne Berücksichtigung der sog. Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG) als "Sanierungsgewinn" i.S.d. Tz 8 des BMF-Schreibens vom 27.3.2003 (BStBl I 2003, 240 ff. - "Sanierungserlass") zu behandeln. Mit Schreiben vom 27.11.2008 teilte das FA der ASt. mit, dass es dem Antrag folge. Im Wege einer Billigkeitsmaßnahme werde auf die Festsetzung der auf den Sanierungsgewinn entfallenden Körperschaftsteuer i.H.v. rd. ......... EUR verzichtet. In der Folge wurde ein entsprechender Körperschaftsteuerbescheid 2007 erlassen. Im Gewerbesteuermessbescheid 2007 wurde lediglich darauf hingewiesen, dass für entsprechende Billigkeitsmaßnahmen in Bezug auf die Gewerbesteuer die Gemeinden zuständig seien.

Nach dem Vorbringen der ASt. stellte sich im Rahmen der Budgetplanung 2009 und der Mittelfristplanung 2010 heraus, dass die Grundannahmen der vorherigen Planungen nach unten korrigiert werden mussten und eine weitere Liquiditätszufuhr von ca. ......... EUR erforderlich war. Des Weiteren habe eine Verlängerung eines Darlehens der H-GmbH i.H.v. ......... EUR angestanden. Schließlich hätten die I-Bank und die J-Versicherung ihre Aval-Linien absprachewidrig faktisch durch die Verweigerung weiterer Avale reduziert. Ohne eine Zuführung der o.g. Mittel, die Verlängerung des Darlehens und die Aufrechterhaltung der vereinbarten Aval-Linien habe der Fortbestand der ASt. nicht mehr gewährleistet werden können. Dies habe die Suche nach einem strategischen Partner erforderlich gemacht. Dieser sei in L gefunden worden.

Mit notarieller Urkunde vom ... . ... . 2008 erwarb die von L beherrschte L-GmbH (die zu diesem Zeitpunkt noch als .............-GmbH firmierte) sämtliche Kommanditanteile an der X-KG von den o.g. Kommanditisten (§ 2 des Vertrags). Des Weiteren erwarb sie sämtliche Geschäftsanteile an der Z-GmbH von den o.g. Gesellschaftern (§ 5 des Vertrags). Weiterhin übertrug die E-GmbH ihren Geschäftsanteil an der Y-GmbH (......... EUR) i.H.v. ......... EUR auf B sowie i.H.v. je ......... EUR auf C und D (§ 3 des Vertrags). B, C und D räumten der L-GmbH eine Option zum Erwerb der von ihnen gehaltenen sämtlichen Geschäftsanteile an der Y-GmbH ein, welche diese ab dem ... . ... . ...... und bis zum ... . ... . ...... ausüben konnte (§ 4 des Vertrags). Als Kaufpreis für die vorstehenden Erwerbsvorgänge wurde ein Kaufpreis von 1 EUR je erworbenem Kommanditanteil oder GmbH-Geschäftsanteil vereinbart (§ 6 des Vertrags). Ebenso wurde für den Fall der Ausübung der Option ein Kaufpreis von 1 EUR je GmbH-Geschäftsanteil vereinbart (§ 4 Ziff. 1 Satz 4 des Vertrags). In der notariellen Urkunde verpflichtete sich die L-GmbH außerdem, der X-KG Kapital im Gesamtbetrag von ......... EUR in Teilbeträgen als Darlehen oder Gesellschaftereinlagen zuzuführen, sowie dazu, diese dazu zu veranlassen, die Liquidität der ASt. zuzuführen (§ 9 des Vertrags). Die vorgenannten Erwerbe standen unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Insolvenzverwalter der O-GmbH ihnen zustimmte (§ 7 des Vertrags), sowie dass .........forderungen der U-AG in Form von zwei Raten zu je ......... EUR fristgerecht bis zum ... . ... . ...... und bis zum ... . ... . ...... gezahlt wurden (§ 11 des Vertrags). Der Erwerb der Kommanditanteile an der X-KG stand zudem im Außenverhältnis unter der aufschiebenden Bedingung, dass die L-GmbH als neue Kommanditistin im Handelsregister eingetragen wurde (§ 2 Ziff. 4 Satz 1 des Vertrags). Die vorgenannte Eintragung erfolgte am ... . ... . ...... . Nach dem Vorbringen der ASt. erteilte der Insolvenzverwalter seine Zustimmung mit Schreiben vom ... . ... . ...... . Die Zahlung der letzten Rate an die U-AG erfolgte danach am ... . ... . ...... . Nach dem weiteren Vorbringen der ASt. bestand eine weitere Bedingung in der Zustimmung des Landes Nordrhein-Westfalen, die mit Schreiben vom ... . ... . ...... erteilt wurde.

Laut der ASt. wurde es durch die vorgenannten Erwerbsvorgänge, durch die Verpflichtung zur Zuführung neuen Kapitals sowie durch weitere Vorgänge ermöglicht, dass auch die übrigen für die Sanierung benötigten liquiden Mittel (Darlehen und Avale der Banken und Kreditversicherer sowie Darlehen der H-GmbH) weiterhin aufrecht erhalten blieben. Unter anderem hätten die Gesellschafter der L-GmbH und der Y-GmbH in diesem Zusammenhang auch zusätzliche Sicherheiten für das Darlehen der H-GmbH begeben.

In der Folge wurden weitere Schritte zur Sanierung der ASt. unter Beteiligung von L bzw. der L-GmbH umgesetzt, die nach dem Vorbringen der ASt. bereits im Zusammenhang mit den o.g. Erwerbsvorgängen im November 2008 geplant worden waren. Auf die Schilderung der verschiedenen Schritte durch die ASt. im Schriftsatz vom 3.2.2011 (S. 7 f., Bl. 7 f. der GA) wird insoweit Bezug genommen. Als einer dieser Sanierungsschritte war auch beabsichtigt, das Kapital der ASt. auf ......... EUR herabzusetzen und daraufhin die X-KG auf die ASt. zu verschmelzen, u.a. um die Kapitalverhältnisse der ASt. für die Kreditgeber aussagekräftiger darzustellen und eine Konfusion der der zwischen beiden Gesellschaften bestehenden Darlehensverhältnisse i.H.v. ca. ......... EUR herbeizuführen.

Zum Zeitpunkt der o.g. Erwerbsvorgänge sowie der nach dem Vorbringen der ASt. dort bereits geplanten weiteren Sanierungsschritte gingen die Beteiligten noch davon aus, dass mit dem Erwerb der Kommanditanteile an der X-KG durch die L-GmbH (die zu einem mittelbaren Erwerb von ... % [über 90 %] der Geschäftsanteile an der ASt. führte) die Verlustvorträge der ASt. aufgrund des für Anteilsübertragungen ab dem Veranlagungszeitraum 2008 geltenden § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG untergehen würden (siehe den Antrag auf Erteilung der verbindlichen Auskunft vom ... . ... . 2009, S. 13, und den dort als Anlage 7 beigefügten internen Aktenvermerk des steuerlichen Beraters der ASt. vom 14.11.2008, S. 4). Als mit dem Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung) vom 16.7.2009 (BGBl I 2009, 1959, BStBl I 2009, 782) die sog. Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG mit Rückwirkung auf das Inkrafttreten des § 8c KStG eingeführt wurde, befand sich die geplante Verschmelzung im Umsetzungsstadium. Die Kapitalherabsetzung wurde am 26.8.2009 durch die Gesellschafterversammlung beschlossen und am 15.3.2010 ins Handelsregister eingetragen. Zu der Verschmelzung wurden ebenfalls bereits Gesellschafterbeschlüsse der ASt. und der X-KG gefasst. Die Durchführung der vorgenannten Beschlüsse wurde jedoch dann zurückgestellt, um zunächst zu klären, ob die neu eingeführte Sanierungsklausel die geplante Maßnahme erfasst.

Im Hinblick darauf beantragte die ASt. unter dem Datum vom ... . ... . . 2009 eine verbindliche Auskunft des FA u.a. dazu, dass die geplante Verschmelzung keinen schädlichen Beteiligungserwerb i.S.v. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG darstelle, sowie - sollte dies anders sein -, dass der darin liegende Erwerb zum Zweck der Sanierung des Geschäftsbetriebs der ASt. i.S.v. § 8c Abs. 1a KStG erfolgt. Unter dem Datum vom ... . ... . 2009 erteilte das FA die beantragte verbindliche Auskunft dahingehend, dass die geplante Verschmelzung zwar einen schädlichen Beteiligungserwerb begründe, dieser jedoch zum Zweck der Sanierung im vorgenannten Sinne erfolge. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Antrag auf Erteilung der verbindlichen Auskunft vom ... . ... . 2009 sowie die verbindliche Auskunft vom ... . ... . 2009 Bezug genommen.

Auch nach Erteilung der verbindlichen Auskunft und bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt wurde die Verschmelzung jedoch noch nicht durchgeführt.

Zum 31.12.2006 waren für die ASt. ein verbleibender Verlustabzug zur Körperschaftsteuer i.H.v. ......... EUR sowie ein vortragsfähiger Gewerbeverlust i.H.v. ......... EUR festgestellt worden. Seitdem wurden bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Verlustfeststellungsbescheide mehr erlassen. Dies beruht nach dem Vorbringen des FA darauf, dass die Umsetzung noch technische Schwierigkeiten aufweise, noch auf Änderungen durch eine Betriebsprüfung für die Vorjahre gewartet werde und -vorbehaltlich der streitigen Frage eines Verlustuntergangs nach § 8c KStG - in jedem Fall noch ein hinreichendes Verlustvortragsvolumen für die aktuellen Jahre bestehe. Das FA geht hierbei davon aus, dass der Sanierungsgewinn für 2007 i.H.v. ......... EUR in voller Höhe mit den Verlustvorträgen zur Körperschaftsteuer zu verrechnen ist, so dass zum 31.12.2007 ein Verlustvortrag von ca. ......... EUR verblieben sei. Der Verlustverbrauch in 2008 habe ca. ......... EUR betragen, so dass zum 31.12.2008 noch ein Verlustvortrag von ca. ......... EUR verblieben sei. Die genaue Höhe des vortragsfähigen Gewerbeverlusts hänge demgegenüber noch davon ab, in welchem Umfang die betroffenen Gemeinden den Billigkeitsmaßnahmen für 2007 zustimmen.

Unter dem Datum vom 29.4.2010 erließ das FA gegenüber der ASt. erstmals einen Vorauszahlungsbescheid zur Körperschaftsteuer für das Jahr 2009. In diesem legte es einen Gesamtbetrag der Einkünfte i.H.v. ......... EUR zugrunde. Unter Beachtung der Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG (d.h. voller Abzug von einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. EUR, darüber hinaus nur Abzug i.H.v. 60 %) berücksichtigte es einen Abzug von Verlustvorträgen i.H.v. ......... EUR, wodurch sich ein zu versteuerndes Einkommen i.H.v. ......... EUR ergab. Ausgehend hiervon setzte es eine nachträgliche Körperschaftsteuervorauszahlung für 2009 i.H.v. ......... EUR fest. Unter dem Datum vom 10.5.2010 erließ das FA gegenüber der ASt. außerdem erstmals einen Gewerbesteuermessbescheid für Vorauszahlungszwecke für das Jahr 2009. In diesem legte es einen Gewerbeertrag vor Verlustabzug i.H.v. ......... EUR zugrunde. Wiederum unter Beachtung der für Zwecke der Gewerbesteuer in § 10a Satz 1 und 2 GewStG geregelten Mindestbesteuerung berücksichtigte es einen Abzug von vortragsfähigen Gewerbeverlusten i.H.v. ......... EUR, wodurch sich ein Gewerbeertrag i.H.v. ......... EUR bzw. ......... EUR (abgerundet auf volle 100 EUR) ergab. Ausgehend hiervon setzte es den Gewerbesteuermessbetrag für Vorauszahlungszwecke i.H.v. ......... EUR fest. Ebenfalls unter dem Datum vom 10.5.2010 erließ das FA zudem einen Gewerbesteuermessbescheid für Vorauszahlungszwecke für das Jahr 2010, mit dem es den Gewerbesteuermessbetrag für Vorauszahlungszwecke insoweit mit ......... EUR festsetzte. Das FA ging bei Erlass der vorgenannten Bescheide davon aus, dass der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2008 bzw. der vortragsfähige Gewerbeverlust zum 31.12.2008 im Jahr 2009 trotz der Regelung des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG (für den Gewerbesteuermessbetrag i.V.m. § 10a Satz 10 1. Halbsatz GewStG) weiterhin abziehbar war, da mit dem mittelbaren Erwerb von ... % [über 90 %] der Geschäftsanteile an der Klägerin (s.o.) zwar ein schädlicher Erwerbsvorgang gegeben sei, jedoch die Sanierungsklausel in § 8c Abs. 1a KStG eingreife.

Mit Schreiben vom 12.5.2010 wies das FA die ASt. darauf hin, dass die Europäische Kommission der Bundesregierung mit Schreiben vom 24.2.2010 (amtliche Bekanntmachung in ABlEU vom 8.4.2010 Nr. C 90, S. 8 ff.) mitgeteilt habe, sie habe Zweifel an der Vereinbarkeit der Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG mit den Beihilferegelungen in Art. 107 ff. AEUV. Die Europäische Kommission habe daher das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV eingeleitet. Das FA wies zudem darauf hin, dass die ASt. eine potentielle Beihilfeempfängerin sei, und übersandte ihr u.a. eine Kopie des Schreibens der Europäischen Kommission vom 24.2.2010.

Unter dem Datum vom 27.12.2010 erließ das FA gegenüber der ASt. einen weiteren Vorauszahlungsbescheid über Körperschaftsteuer für das Jahr 2009, mit dem es die bisher festgesetzte Vorauszahlung anpasste. Es legte nunmehr einen Gesamtbetrag der Einkünfte i.H.v. ......... EUR zugrunde. Einen Verlustabzug berücksichtigt es nicht mehr, da die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG aufgrund des bei der Europäischen Kommission anhängigen Prüfverfahrens nicht anzuwenden sei. Ausgehend hiervon ermittelte es ein Jahresvorauszahlungssoll i.H.v. ......... EUR. Unter Abzug der bisher festgesetzten Vorauszahlung von ......... EUR setzte das FA daher eine Erhöhung der Vorauszahlung um ......... EUR fest, die zum 31.1.2011 fällig war. Unter dem Datum vom 11.1.2011 erließ das FA zudem einen Vorauszahlungsbescheid über Körperschaftsteuer für die Jahre ab 2010. Für das Jahr 2010 legte es ein zu versteuerndes Einkommen i.H.v. ......... EUR zugrunde und setzte ausgehend hiervon eine nachträgliche Vorauszahlung von ......... EUR fest, die zum 14.2.2011 fällig war. Für das Jahr 2011 legte es ein zu versteuerndes Einkommen i.H.v. ......... EUR zugrunde und setzte die Vorauszahlungen mit insgesamt ......... EUR fest, die es mit je ......... EUR auf die Vorauszahlungstermine 10.3./10.6./10.9./10.12.2011 verteilte. Ab dem Jahr 2012 ging das FA offenbar in Anlehnung an eine Einkommensprognose der ASt. für dieses Jahr von einem zu versteuernden Einkommen i.H.v. ......... EUR aus (ohne das Einkommen allerdings im Bescheid zu beziffern) und setzte bis zu einer Neufestsetzung Vorauszahlungen von je ......... EUR für die Vorauszahlungstermine 10.3./10.6./10.9./10.12. fest.

Unter dem Datum vom 17.1.2011 erließ das FA einen neuen Gewerbesteuermessbescheid für Vorauszahlungszwecke für das Jahr 2009. In diesem legte es nunmehr einen Gewerbeertrag i.H.v. .........EUR bzw. ......... EUR (abgerundet auf volle 100 EUR) zugrunde und berücksichtigte aus den o.g. Gründen keinen Abzug vortragsfähiger Gewerbeverluste mehr. Ausgehend hiervon setzte es den Gewerbesteuermessbetrag für Vorauszahlungszwecke nunmehr mit ......... EUR fest. Unter dem Datum vom 31.1.2011 erließ das FA außerdem einen neuen Gewerbesteuermessbescheid für Vorauszahlungszwecke für das Jahr 2010. In diesem legte es nunmehr einen Gewerbeertrag vor Verlustabzug i.H.v. ......... EUR zugrunde, berücksichtigte ebenfalls keinen Abzug vortragsfähiger Gewerbeverluste und setzte hiervon ausgehend den Gewerbesteuermessbetrag für Vorauszahlungszwecke mit ......... EUR fest. Weiterhin erließ das FA unter dem Datum vom 31.1.2011 einen Gewerbesteuermessbescheid für Vorauszahlungszwecke ab dem Jahr 2011. In diesem legte es einen Gewerbeertrag vor Verlustabzug i.H.v. ......... EUR zugrunde, berücksichtigte auch hier keinen Abzug vortragsfähiger Gewerbeverluste und setzte hiervon ausgehend den Gewerbesteuermessbetrag für Vorauszahlungszwecke mit ......... EUR fest.

Gegen die vorgenannten Bescheide legte die ASt. Einspruch ein, und zwar mit Schreiben vom 10.1.2011 (Vorauszahlungsbescheid zur Körperschaftsteuer für 2009), vom 18.1.2011 (Vorauszahlungsbescheid zur Körperschaftsteuer für 2010 ff. und Gewerbesteuermessbescheid für Vorauszahlungszwecke für 2009) und vom 3.2.2011 (Gewerbesteuermessbescheid für Vorauszahlungszwecke für 2010 ff.). Zugleich beantragte sie jeweils Aussetzung der Vollziehung (AdV) insoweit, als die festgesetzten Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer bzw. die festgesetzten Gewerbesteuermessbeträge für Vorauszahlungszwecke auf der Nichtanwendung der Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG beruhten. Ungeachtet des von der Europäischen Kommission eröffneten förmlichen Prüfverfahrens sei § 8c Abs. 1a KStG weiterhin geltendes Recht und von den nationalen Finanzbehörden zu beachten. Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen der vorgenannten Regelung bestünden nicht.

Mit Beschluss vom 26.1.2011 (K(2011)275 endgültig corr., abrufbar über das Beihilferegister der Generaldirektion Wettbewerb unter www.ec.europa.eu/competition/state_aid/register; siehe auch die Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 26.1.2011 IP/11/65 sowie das Schreiben des BMF vom 4.3.2011 IV C 2 - S 2745-a/08/10005:002) entschied die Europäische Kommission, dass die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG eine staatliche Beihilferegelung i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle, die Deutschland unter Verletzung von Art. 108 Abs. 3 AEUV rechtswidrig gewährt habe und die daher mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei (Art. 1 des Beschlusses). In dem Beschluss war des Weiteren bestimmt, dass die auf der Grundlage von § 8c Abs. 1a KStG gewährten Beihilfen von den Betroffenen innerhalb von vier Monaten zurückzufordern und noch ausstehende Beihilfezahlungen einzustellen sind (Art. 4 und 5 des Beschlusses). Der Beschluss ging der Bundesregierung am 28.1.2011 zu (siehe Schreiben des BMF vom 4.3.2011 IV C 2 - S 2745-a/08/10005:002).

Mit Schreiben vom 1.2.2011 lehnte das FA eine AdV ab. Hierbei bezog es sich zwar lediglich auf die bis dahin eingegangenen AdV-Anträge der ASt. vom 10.1.2011 und 18.1.2011 (s.o.), lehnte die AdV jedoch darüber hinaus auch für den Gewerbesteuermessbescheid für Vorauszahlungszwecke für 2010 ff. (für den die AdV erst mit Schreiben vom 3.2.2011 beantragt wurde, s.o.) ab. Auf den vorgenannten Antrag vom 3.2.2011 lehnte das FA die AdV mit Schreiben vom 4.2.2011 (Eingang beim Vertreter der ASt. am 7.2.2011, siehe Bl. 112 der GA) nochmals ab. Nach dem Vorbringen der ASt. hatte das FA die vorgenannte Ablehnung bereits bei Stellung des gerichtlichen AdV-Antrags (s.u.) mündlich ausgesprochen (siehe Schriftsatz vom 3.2.2011, S. 12).

Mit Schreiben vom 3.2.2011 hat die ASt. den vorliegenden Antrag auf AdV beim Gericht gestellt (Eingang 4.2.2011).

Während des gerichtlichen AdV-Verfahrens hat das FA unter dem Datum vom 1.4.2011 einen Jahresbescheid über Körperschaftsteuer für das Jahr 2009 erlassen, in dem es ein zu versteuerndes Einkommen von ......... EUR zugrunde gelegt und die Körperschaftsteuer auf ......... EUR festgesetzt hat. Unter dem gleichen Datum hat es einen Jahresbescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2009 erlassen, in dem es einen (auf volle 100 EUR abgerundeten) Gewerbeertrag von ......... EUR zugrunde gelegt und den Gewerbesteuermessbetrag auf ......... EUR festgesetzt hat. In beiden Bescheiden hat das FA aus dem o.g. Grund weiterhin keinen Abzug von Verlustvorträgen bzw. vortragsfähigen Gewerbeverlusten berücksichtigt. Verlustfeststellungsbescheide auf den 31.12.2009 ergingen auch hier nicht.

Mit Schreiben vom 19.4.2011 hat das FA darüber hinaus die der ASt. erteilte verbindliche Auskunft vom ... . ... . 2009 aufgehoben.

Ebenfalls während des gerichtlichen AdV-Verfahrens hat die Bundesregierung beim Gericht der Europäischen Union (EuG) Nichtigkeitsklage gegen den o.g. Beschluss der Europäischen Kommission erhoben (eingereicht am 7.4.2011 und dort geführt als Rechtssache T-205/11; siehe ABlEU vom 25.6.2011 Nr. C 186, S. 28). Die ASt. selbst hat bislang keine Klage beim EuG erhoben.

Die ASt. macht mit ihrem AdV-Antrag geltend, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide sei ernstlich zweifelhaft. Auch nach der Entscheidung der Europäischen Kommission sei § 8c Abs. 1a KStG geltendes Recht und für die nationalen Finanzbehörden nach Art. 20 Abs. 3 GG zu beachten. Die Kommissionsentscheidung sei nicht "bestandskräftig", da die Bundesregierung Nichtigkeitsklage beim EuG erhoben habe. Sie selbst habe noch keine Klage beim EuG erheben können, da die Kommissionsentscheidung bislang noch nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und damit für sie nicht klagefähig sei. Auch wenn eine solche Klage nach Art. 278 Satz 1 AEUV keine aufschiebende Wirkung habe und ungeachtet der nach Art. 278 Satz 2 AEUV bestehenden Möglichkeit, eine solche beim EuG zu beantragen, seien auch die nationalen Gerichte befugt und verpflichtet, gegen die hier in Rede stehenden Steuerbescheide vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren. Dies folge bereits aus Art. 19 Abs. 4 GG. Es seien auch die in der Rechtsprechung des EuGH diesbezüglich aufge-stellten Voraussetzungen erfüllt:

- Es bestünden erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der Kommissionsentscheidung. § 8c Abs. 1a KStG sei keine verbotene Beihilfe i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV. Die Kommission habe ein unzutreffendes Referenzsystem gewählt. Dieses sei nicht in der Verlustabzugsbeschränkung des § 8c Abs. 1 KStG zu sehen, sondern in der grundsätzlich bestehenden und durch das Leistungsfähigkeitsprinzip gebotenen Möglichkeit, entstandene Verluste vorzutragen. Zudem lasse die Kommission die Änderungen der Verlustabzugsbeschränkung des § 8c Abs. 1 KStG außer Acht, insb. durch Einführung der sog. Konzern- sowie der stille Reserven-Klausel. Aufgrund dieser könne entgegen der Ansicht der Kommission nicht mehr davon gesprochen werden, dass eine Verlustnutzung im Wesentlichen nur unter den Voraussetzungen der Sanierungsklausel möglich sei. Es sei daher auch unverständlich, dass lediglich die Sanierungsklausel, nicht aber die weiteren vorgenannten Klauseln von der Kommission beanstandet würden.

- Eine Eilentscheidung durch das nationale Gericht sei im Streitfall auch dringlich, weil die ASt. andernfalls einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleiden würde. Bei einer Vollziehung der angefochtenen Bescheide sei die wirtschaftliche Existenz der ASt., die von den bereits eingeleiteten Sanierungsmaßnahmen abhänge, unmittelbar und ausschließlich bedroht. In einer ersten Sanierungsphase bis 2007 sei es zunächst gelungen, durch den Verkauf verschiedener Beteiligungen eine drohende Insolvenz abzuwenden. Diese Phase sei zusätzlich in 2007 durch die Insolvenz der Tochtergesellschaft O-GmbH belastet worden, woraufhin es in langwierigen und mühsamen Verhandlungen im Dezember 2007 gelungen sei, Sanierungsvereinbarungen mit dem Insolvenzverwalter der O-GmbH, dem Pensionssicherungsverein a.G und dem Bankenkonsortium unter Zustimmung des bürgenden Landes NRW abzuschließen. Die dort vereinbarten Schuldenerlasse seien so bemessen worden, dass die Bedienung der Konzernverbindlichkeiten unter Berücksichtigung der bestehenden Verlustvorträge im Wesentlichen aus dem laufenden Cashflow und dem Verkauf von nicht betriebsnotwendigem Vermögen möglich erschien. Bezüglich des aufgrund der Forderungsverzichte entstandenen Sanierungsgewinns habe für die Körperschaftsteuer ein Erlass im Billigkeitswege unter vollständiger Verrechnung mit den Verlustvorträgen (d.h. ungeachtet des nach der Mindestbesteuerung grundsätzlich nur zeitlich gestreckt möglichen Verlustabzugs) erreicht werden können. Für die Gewerbesteuer sei dies bei der Mehrzahl der betroffenen Gemeinden jedoch gegenwärtig noch nicht gelungen bzw. es seien insoweit noch Rechtsbehelfsverfahren anhängig, so dass hieraus eine zusätzliche Liquiditätsbelastung von bis zu ......... EUR drohe. Ein Wegfall der Verlustvorträge würde für die Jahre 2009 und 2010 zu zusätzlichen Steuerbelastungen von ca. ......... EUR, für die Jahre 2011 bis 2013 auf der Basis der aktuellen Mittelfristplanung zu solchen von ca. ......... EUR und für die Jahre 2014 bis 2017 bei unterstellter gleichbleibender Geschäftsentwicklung zu solchen von ca. ......... EUR führen. Hierdurch entstünde zusätzlich zu der o.g. ebenfalls angefochtenen Belastung aus der Gewerbesteuer 2007 von ca. ......... EUR ein weiterer Liquiditätsbedarf von ca. ......... EUR. Der Cashflow aus dem operativen Geschäft i.V.m. mit der eingeplanten Fremdfinanzierung genüge zwar, um den laufenden Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten und den aktuell verbleibenden Schuldendienst zu bedienen. Es stünden ihr jedoch darüber hinaus keine liquiden Mittel zur Verfügung, mit denen sie die im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Mehrsteuern zahlen könnte. Diese könnten weder durch die derzeit bestehenden Kreditlinien gedeckt werden, noch seien die avalgewährenden Banken bereit, die für die operativen Tätigkeiten der Tochtergesellschaften gewährten Avale auf die in Rede stehenden Steuerzahlungen der ASt. zu erweitern. Bei Fälligwerden der Steuerzahlungen sei angesichts dessen die Zahlungsfähigkeit der ASt. gefährdet, womit eine Insolvenz drohe. Demgemäß hätten die Abschlussprüfer der ASt. im vom 16.2.2011 datierenden Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2010 den drohenden Wegfall der Verlustvorträge auch als nach § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB festzustellenden Umstand beurteilt, der die Entwicklung des Unternehmens wesentlich beeinträchtigen oder seinen Bestand gefährden könne. In dem von der ASt. zunächst vorgelegten Auszug aus dem vorgenannten Bericht über die Jahresabschlussprüfung heißt es, aus den möglichen Mehrsteuerzahlungen könnten Auswirkungen auf die Liquiditätslage der Gesellschaft entstehen, die deren künftige Entwicklung nachteilig beeinflussen würden (siehe Anlage 26 zum Schriftsatz der ASt. vom 18.4.2011, Bl. 208 der GA). Die ASt. hat in diesem Zusammenhang eine weitere Stellungnahme zu ihrer aktuellen Liquiditätslage und zur fehlenden Möglichkeit einer Erweiterung der bestehenden Avale sowie eine langfristige Liquiditätsplanung bis zum Jahr 2017 eingereicht. Auf die vorgenannten Darlegungen und Unterlagen wird Bezug genommen (siehe Schriftsatz der ASt. vom 18.4.2011, S. 13 f. sowie Anlage 25, Bl. 176 f. und 207 der GA, Schriftsatz vom 7.7.2011, S. 2 - 4 sowie Anlage 28). Zur Glaubhaftmachung der von ihr vorgebrachten Umstände hat die ASt. zudem eine eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers ......... vom 15.4.2011 eingereicht, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird (siehe Anlage 24 zum Schriftsatz der ASt. vom 18.4.2011, Bl. 204 ff. der GA). Auf Nachfrage des Berichterstatters hat die ASt. darüber hinaus den gesamten Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2010 vorgelegt, auf den ebenfalls Bezug genommen wird (insb. S. 9, 13 sowie Anlage 4 S. 2 und S. 5).

- Schließlich würden die Interessen der Europäischen Gemeinschaft bei einer Gewährung der AdV angemessen berücksichtigt.

Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide sei abgesehen davon auch deswegen ernstlich zweifelhaft, weil aufgrund der Vorlage des FG Hamburg (Beschluss vom 4.4.2011 2 K 33/10, DStR 2011, 1172) an das BVerfG ernsthaft möglich erscheine, dass bereits die Verlustabzugsbeschränkung des § 8c Abs. 1 KStG verfassungswidrig sei. Sollte das BVerfG die vorgenannte Vorschrift für verfassungswidrig erklären, könnte sie auch nicht mehr das Referenzsystem für die Beurteilung des § 8c Abs. 1a KStG als Beihilfe durch die Europäische Kommission bilden.

Für das Jahr 2009 stehe trotz zuvor ergangener Vorauszahlungsbescheide die Regelung des § 69 Abs. 3 Satz 4 i.V. Abs. 2 Satz 8 FGO einer AdV nicht entgegen. Zum einen sei die dort geregelte Einschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes wegen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG als verfassungswidrig anzusehen und dürfe daher nicht angewendet werden. Zum anderen liege im Streitfall die in der Vorschrift selbst vorgesehene Ausnahme vor, weil eine AdV zur Abwendung schwerer Nachteile nötig erscheine. Dies ergebe sich aus der o.g. Schilderung der drohenden schweren und nicht wiedergutzumachenden Schäden. Darüber hinaus müssten für das Vorliegen wesentlicher Nachteile auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs berücksichtigt werden, soweit entweder die Rechtslage klar und eindeutig gegen den angefochtenen Steuerbescheid spreche oder das entscheidende Gericht von der Verfassungswidrigkeit der streitentscheidenden Norm überzeugt sei (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 22.12.2003 IX B 177/02, BStBl II 2004, 367). Im hier zu entscheidenden Streitfall sei klar und eindeutig, dass § 8c Abs. 1a KStG trotz der Kommissionsentscheidung bis zu einer Entscheidung des EuG als gültiges Recht weiterhin angewendet werden müsse und zudem die Kommissionsentscheidung rechtswidrig sei.

Auf eine entsprechende Nachfrage des Berichterstatters hat die ASt. ausgeführt, dass ihr die Erbringung einer Sicherheitsleistung nicht möglich sei. Hierzu verweist sie auf ihr Vorbringen zu den ihr drohenden schweren und nicht wiedergutzumachenden Nachteilen, insbesondere auf die fehlende Möglichkeit zur Erweiterung der bestehenden Avale.

Auf eine weitere Nachfrage des Berichterstatters hat die ASt. erklärt, sie werde sich - sollte das EuG bzw. ggf. nachfolgend auch der EuGH die Kommissionsentscheidung bestätigen - gegenüber der in den angefochtenen Bescheiden liegenden "Rückforderung" der dann anzunehmenden gemeinschaftswidrigen Beihilfe durch § 8c Abs. 1a KStG nicht auf einen etwaigen Vertrauensschutz berufen. Der Berichterstatter hatte insoweit darauf hingewiesen, dass § 8c Abs. 1a KStG erst nach dem in Rede stehenden schädlichen Beteiligungserwerb rückwirkend eingeführt worden sei.

Die ASt. beantragt sinngemäß,

die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheids für 2009 vom 1.4.2011, der Vorauszahlungsbescheide zur Körperschaftsteuer für 2010 und ab 2011 vom 11.1.2011, des Gewerbesteuermessbescheids 2009 vom 1.4.2011 und der Gewerbesteuermessbescheide für Vorauszahlungszwecke für 2010 und ab 2011 vom 31.1.2011 in der Weise auszusetzen, dass das FA im jeweiligen Jahr vorläufig Verlustvorträge i.H.v. 1 Million Euro zuzüglich 60 Prozent des 1 Million Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte bzw. zuzüglich 60 Prozent des 1 Million Euro übersteigenden maßgeblichen Gewerbeertrags zu berücksichtigen hat,

hilfsweise,

die Beschwerde zuzulassen.

Das FA beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Das FA macht geltend, es gehe ebenso wie die ASt. davon aus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8c Abs. 1a KStG vorliegen. Entgegen der Ansicht der ASt. könne die Regelung jedoch nach Ergehen der Kommissionsentscheidung aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht mehr angewendet werden. Nach Art. 278 Satz 1 AEUV habe die Klageerhebung durch die Bundesregierung keine aufschiebende Wirkung. Auch nach Art. 14 Abs. 3 der zur Anwendung der Beihilfevorschriften des AEUV ergangenen Verordnung (EG) Nr. 659/1999 sei nach einer Negativentscheidung der Kommission die entsprechende Beihilfe unverzüglich zurückzufordern, wenn keine aufschiebende Wirkung durch das EuG angeordnet werde. Zwar sei die Gewährung von AdV durch die nationalen Gerichte nicht ausgeschlossen, jedoch im Streitfall nicht geboten. Ob § 8c Abs. 1a KStG eine gemeinschaftswidrige Beihilfe darstelle oder nicht, könne insoweit kein Maßstab für das nationale Gericht sein. Für diese Frage sei (nur) der Rechtsweg zum EuG eröffnet. Ein etwaiger Vertrauensschutz auf den Bestand der Regelung des § 8c Abs. 1a KStG spiele im Streitfall keine Rolle. Darüber hinaus seien aufgrund der für 2009 zuvor ergangenen Vorauszahlungsbescheide die einschränkenden Voraussetzungen für eine AdV nach § 69 Abs. 2 Satz 8 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 FGO zu beachten. Sollte das Gericht dennoch zur Gewährung einer AdV kommen, sei im Grundsatz eine Sicherheitsleistung zu verlangen. Hiervon könne nach der Rechtsprechung des BFH nur dann abgesehen werden, wenn die ASt. eine solche trotz zumutbarer Anstrengungen nicht stellen könne.

Aus den Gründen

II.

Der Antrag hat im Wesentlichen Erfolg.

1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere liegt die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO für sämtliche angefochtenen Bescheide vor. Auch bezüglich der Gewerbesteuermessbescheide für Vorauszahlungszwecke für 2010 und ab 2011 vom 31.1.2011 hat das FA eine AdV noch vor Stellung des gerichtlichen AdV-Antrags abgelehnt. Es genügte hierzu bereits, dass das FA die vorgenannten Bescheide in die Ablehnung der AdV mit Schreiben vom 1.2.2011 einschloss, auch wenn für diese ein AdV-Antrag beim FA erst mit Schreiben vom 3.2.2011 gestellt wurde (vgl. BFH-Beschluss vom 18.9.2002 IV S 3/02, BFH/NV 2003, 187, unter 1., zur Mitteilung des FA, einen künftigen AdV-Antrag abzulehnen). Darüber hinaus geht der Senat entsprechend dem Vorbringen der ASt. davon aus, dass das FA bereits vor Stellung des gerichtlichen AdV-Antrags mündlich eine Ablehnung des auf die o.g. Bescheide bezogenen AdV-Antrags vom 3.2.2011 ausgesprochen hat und diese mit dem nachfolgenden Schreiben vom 4.2.2011 lediglich schriftlich bestätigt hat. Diesem Vorbringen ist das FA nicht entgegen getreten. Auch eine mündliche Ablehnung genügt für § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 11.10.2002 VIII B 172/01, BFH/NV 2003, 306, unter II.1.). Für die erst nach Stellung des gerichtlichen AdV-Antrags ergangenen Jahresbescheide zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag für 2009 bedurfte es keiner vorherigen Ablehnung der AdV durch das FA. Die vorgenannten Bescheide ersetzten die entsprechenden Vorauszahlungsbescheide, gegen die sich der gerichtliche AdV-Antrag zuvor richtete, und wurden daher entsprechend § 68 Satz 1 FGO an ihrer Stelle Gegenstand des vorliegenden AdV-Verfahrens (vgl. hierzu etwa BFH-Beschluss vom 5.3.2001 IX B 90/00, BStBl II 2001, 405, unter II.1.b). Es genügt daher, dass bezüglich der ersetzten Vorauszahlungsbescheide die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO erfüllt war.

2. Der Antrag ist weitgehend begründet. Die Vollziehung der angefochtenen Bescheide ist im beantragten Umfang und bezüglich der Körperschaftsteuer ohne Sicherheitsleistung auszusetzen. Die AdV wird jedoch zunächst bis zum 29.2.2012 befristet.

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sind gegeben, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 3.6.2009 IV B 48/09, BFH/NV 2009, 1641, unter II.1.a). Es ist nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. etwa BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 1641, unter II.1.a). Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung der eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 2.4.2009 II B 157/08, BFH/NV 2009, 1146, unter II.4.a). Auch bei Vorliegen einer unbilligen Härte kommt eine AdV allerdings nur dann in Betracht, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nicht ausgeschlossen werden können (vgl. etwa BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 1146, unter II.4.a).

b) Im Streitfall ist die AdV - wie von der ASt. begehrt - insoweit zu gewähren, als das FA in den angefochtenen Bescheiden von einem Untergang des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer gemäß § 8c Abs. 1 KStG bzw. von einem Untergang des vortragsfähigen Gewerbeverlustes gemäß § 10a Satz 10 GewStG i.V.m. § 8c Abs. 1 KStG ausgegangen ist und daher deren Abzug nach Maßgabe der Mindestbesteuerung gemäß § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG bzw. § 10a Satz 1, 2 GewStG nicht berücksichtigt hat.

aa) Die AdV ist zum einen aufgrund der zwischen den Beteiligten streitigen Frage zu gewähren, ob die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG im Streitfall zur Anwendung kommen kann oder ob dies aufgrund Gemeinschaftsrechts nicht der Fall ist.

(1) Sollte die Sanierungsklausel in § 8c Abs. 1a KStG nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen und damit im Streitfall anwendbar sein, wären die angefochtenen Bescheide rechtswidrig.

Mit dem Anfang 2009 wirksam gewordenen Erwerb von ... % [über 90 %] der Kommanditanteile an der X-KG liegt zwar ein mittelbarer Erwerb von mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals an der ASt. vor, durch den nach § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG die bisher entstandenen Verlustvorträge im Grundsatz vollständig untergehen. Nach § 8c Abs. 1a Satz 1 KStG kommt es jedoch dann nicht zu einem Untergang der Verlustvorträge, wenn der Beteiligungserwerb zum Zweck der Sanierung des Geschäftsbetriebs der Körperschaft erfolgt, was in den Sätzen 2 bis 4 der Regelung näher definiert wird. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8c Abs. 1a KStG in Bezug auf den hier in Rede stehenden Beteiligungserwerb vorliegen. Hiervon ist das FA auch in den zuvor erlassenen Vorauszahlungsbescheiden für 2009 sowie in der zunächst erteilten verbindlichen Auskunft betreffend die im Anschluss an den Anteilserwerb geplante Verschmelzung ausgegangen. Der Senat hält diese Beurteilung seitens der Beteiligten bei summarischer Prüfung für zutreffend. Soweit § 8c Abs. 1a KStG nicht aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen außer Anwendung bleibt, wären daher die Verlustvorträge nicht untergegangen. Die vorstehenden Grundsätze gelten nach § 10a Satz 10 GewStG i.V.m. § 8c KStG in gleicher Weise für die bestehenden vortragsfähigen Gewerbeverluste.

Falls § 8c Abs. 1a KStG nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstieße und die zum 31.12.2008 bestehenden Verlustvorträge deshalb trotz des mittelbaren Anteilseignerwechsels vortragsfähig blieben, wären die für das Jahr 2009 erlassenen Jahresbescheide zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag rechtswidrig, da sie einen Abzug dieser Verlustvorträge nach Maßgabe des § 10d Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 10a Satz 1, 2 GewStG nicht berücksichtigen. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass das FA aufgrund der im Einzelnen noch unklaren Beträge und offenbar im Einvernehmen mit der ASt. zum 31.12.2008 bislang noch keine Bescheide zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer bzw. des vortragsfähigen Gewerbeverlustes nach § 10d Abs. 4 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG bzw. § 10a Satz 6, 7 GewStG erlassen hat. Zwar bilden die vorgenannten Verlustfeststellungsbescheide Grundlagenbescheide für die vorliegend angefochtenen Jahresbescheide zur Körperschaftsteuer bzw. zum Gewerbesteuermessbetrag für 2009. Die in den erstgenannten Bescheiden noch zu treffenden Feststellungen über Bestehen und Höhe der Verlustvorträge wären bindend für das vorliegende Verfahren. Das führt jedoch nicht dazu, dass bis zu einer entsprechenden Feststellung überhaupt kein Verlustabzug in den Jahressteuerbescheiden zu berücksichtigen ist (unklar allerdings Heinicke in Schmidt, EStG, 30. Aufl., § 10d EStG Rz 41; Schlenker in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 10d EStG Rz 233; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 10d EStG Rz 20; Lindberg in Frotscher, EStG, § 10d EStG Rz 71). Erlässt das FA - wie hier - die Folgebescheide vor den Grundlagenbescheiden (vgl. § 155 Abs. 2 AO), muss es dabei auch die an sich in den Grundlagenbescheiden festzu-stellenden Besteuerungsgrundlagen überprüfen und ggf. schätzen (vgl. § 162 Abs. 6 AO; vgl. BFH-Beschluss vom 20.7.2010 X B 70/10, BFH/NV 2010, 2007, zu einer Bescheinigung nach § 7i Abs. 2 EStG; von einer Anwendbarkeit des § 155 Abs. 2 AO auf den Verlustabzug ausgehend offenbar auch BFH-Urteil vom 28.10.2008 IX R 19/08, BFH/NV 2009, 584, unter 2.). Während ein gegen einen solchen Folgebescheid gerichtetes Klageverfahren regelmäßig nach § 74 FGO bis zum Erlass des Grundlagenbescheids auszusetzen ist, hat in einem Verfahren wegen AdV das Finanzgericht auch den Ansatz der vorgenannten Besteuerungsgrundlagen durch das FA zu überprüfen (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2010, 2007; vom 1.2.2000 IV B 138/98, BFH/NV 2000, 161). Zwischen den Beteiligten ist - nach Aktenlage zu Recht - unstreitig, dass zum 31.12.2008 jedenfalls Verlustvorträge in einer Höhe festzustellen sind, welche die im Streitjahr 2009 für einen Verlustabzug nach Maßgabe der Mindestbesteuerung gemäß § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 10a Satz 1, 2 GewStG höchstmöglich abziehbaren Verlustvorträge übersteigen. Falls § 8c Abs. 1a KStG nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstieße und es deshalb nicht zu einem Untergang der Verlustvorträge bzw. vortragsfähigen Gewerbeverluste nach § 8c KStG gekommen ist, wäre der vorgenannte Verlustabzug daher auch im vorliegenden AdV-Verfahren zu berücksichtigen.

Die für das Jahr 2010 und die Jahre ab 2011 ergangenen Vorauszahlungsbescheide zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag wären in diesem Fall gleichfalls rechtswidrig. Auch hier steht dieser Beurteilung nicht entgegen, dass das FA zum 31.12.2009 ebenfalls noch keine Bescheide zur gesonderten Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge erlassen hat. Zwar kommt insoweit hinzu, dass die Entscheidung über den vorliegend zwischen den Beteiligten streitigen Untergang der Verlustvorträge nach § 8c KStG (ggf. i.V.m. § 10a Satz 10 GewStG) in den vorgenannten Feststellungsbescheiden zu treffen ist (vgl. BFH-Urteile vom 22.10.2003 I R 18/02, BStBl II 2004, 468, unter II.3.; vom 14.3.2006 I R 8/05, BStBl II 2007, 602, unter II.2.a, jeweils zu § 8 Abs. 4 KStG a.F.). Hiergegen geltend gemachte Einwendungen könnten daher nach § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 2 AO ausschließlich gegen diese geltend gemacht werden. Dies gilt jedoch nur dann, wenn tatsächlich entsprechende - ggf. auch negative oder auf Null lautende - Feststellungsbescheide ergangen sind. Da dies vorliegend nicht der Fall ist, hatte nach den o.g. Grundsätzen das FA auch den streitigen Untergang der Verlustvorträge nach § 8c KStG (ggf. i.V.m. § 10a GewStG) im Rahmen der Vorauszahlungsbescheide für die Folgejahre zu prüfen. Ebenfalls ist im vorliegenden, auf diese Bescheide bezogenen AdV-Verfahren eine AdV aufgrund des vorgenannten Streitpunkts möglich. An einer Überprüfung des streitigen Untergangs der Verlustvorträge ist der Senat des Weiteren nicht deswegen gehindert, weil es sich bei einer von der letzten Veranlagung abweichenden Anpassung von Vorauszahlungen an die voraussichtliche Körperschaftsteuer des in Rede stehenden Veranlagungszeitraums nach § 37 Abs. 3 Satz 3 EStG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG um eine Ermessensentscheidung des FA handelt (vgl. etwa BFH-Urteil vom 10.7.2002 X R 65/96, BFH/NV 2002, 1567, unter II.2.a; BFH-Beschluss vom 16.10.1985 IX R 56/81, BFH/NV 1986, 354; hierzu auch Drenseck in Schmidt, EStG, 30. Aufl., § 37 EStG Rz 6 m.w.N.). Gleiches gilt für die Festsetzung des voraussichtlichen Gewerbesteuermessbetrags für Vorauszahlungszwecke nach § 19 Abs. 3 Satz 3 GewStG. Der Senat geht davon aus, dass die Festsetzungen durch das FA als ermessensfehlerhaft anzusehen wären, wenn § 8c Abs. 1a KStG entgegen der von diesem vertretenen Rechtsauffassung tatsächlich weiterhin anwendbar sein sollte. Bei der Überprüfung der Ermessensentscheidung des FA ist daher zugleich über den vorgenannten Streitpunkt zu befinden, wobei sich diese Überprüfung im vorliegenden AdV-Verfahren auf das Vorliegen ernstlicher Zweifel beschränkt. Der vom BFH in einer älteren Entscheidung vertretenen engeren Sichtweise, wonach die Festsetzung von Vorauszahlungen nicht ermessensfehlerhaft sein soll, wenn das FA zu einer schwierigen, höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Rechtsfrage eine vertretbare Rechtsauffassung vertritt, und eine weitergehende Überprüfung der Rechtsfrage durch das Gericht - sowohl im Hauptsache- als auch im AdV-Verfahren - daher nicht möglich sein soll (vgl. BFH-Urteil vom 22.10.1981 IV R 81/79, BStBl II 1982, 446; hierzu auch BFH-Beschluss vom 23.6.1993 X B 134/91, BStBl II 1994, 38, unter B.III.4.f), folgt der Senat nicht. Unter den vorliegend gegebenen Umständen ist nach Auffassung des Senats außerdem deswegen eine uneingeschränkte gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit in Bezug auf den o.g. Streitpunkt anzunehmen, weil über ihn an sich im Rahmen der Verlustfeststellung zum 31.12.2009 und damit ohne ein Ermessen der vorgenannten Art zu entscheiden gewesen wäre. Nur aufgrund der vorliegenden besonderen verfahrensrechtlichen Situation ist über ihn im Rahmen der hier angefochtenen Vorauszahlungsbescheide zu befinden.

(2) Ob die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG im Streitfall zur Anwendung kommt, hängt davon ab, ob sie eine nach Art. 107 Abs. 1 AEUV mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe darstellt. Soweit dies der Fall ist, ist die Vorschrift entgegen der Auffassung der ASt. ohne Weiteres nicht mehr von den nationalen Behörden und Gerichten anzuwenden (vgl. etwa BFH-Urteil vom 12.10.2000 III R 35/95, BStBl II 2001, 499, unter II.1.c, zu einer Regelung des InvZulG). Im Streitfall hat die Europäische Kommission nach Art. 108 Abs. 2 Satz 1 AEUV festgestellt, dass die Sanierungsklausel in § 8c Abs. 1a KStG mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist. Soweit eine solche Entscheidung "bestandskräftig" wird, weil weder der Mitgliedstaat noch der bzw. die betroffenen Beihilfeempfänger gegen sie Nichtigkeitsklage beim EuG (vgl. Art. 263 Abs. 2 bzw. Abs. 4, Art. 256 AEUV) innerhalb der in Art. 263 Abs. 6 AEUV bestimmten Klagefrist erheben, obwohl ihnen dies möglich war, kann die Gemeinschaftswidrigkeit der Beihilfe von dem Betroffenen bzw. von den nationalen Behörden und Gerichten nicht mehr in Frage gestellt werden (vgl. Urteil des EuGH vom 9.3.2004 C-188/92 "TWD Textilwerke Deggendorf", DVBl 1994, 1122 Tz 12 ff.; BFH-Urteil in BStBl II 2001, 499, unter II.1.c, zu einer Regelung des InvZulG; BFH-Beschluss vom 30.1.2009 VII B 180/08, BFH/NV 2009, 857, unter II.1, zu einer Regelung des MinöStG). Vorliegend hat jedoch die Bundesregierung eine solche Nichtigkeitsklage beim EuG erhoben. Die Entscheidung der Kommission würde daher erst mit einer sie bestätigenden Entscheidung des EuG bzw. ggf. nachfolgend auch des EuGH "bestandskräftig". Sollte der EuG bzw. ggf. nachfolgend der EuGH § 8c Abs. 1a KStG nicht als nach Art. 107 AEUV gemeinschaftsrechtswidrige Beihilfe ansehen und die Entscheidung der Europäischen Kommission aufheben, wäre die Regelung des § 8c Abs. 1a KStG demgegenüber weiterhin anzuwenden.

(3) Nach Art. 278 Satz 1 AEUV hat die beim EuG anhängige Nichtigkeitsklage allerdings keine aufschiebende Wirkung. Eine solche tritt nach § 278 Satz 2 AEUV vielmehr im Grundsatz erst dann ein, wenn das EuG sie - ggf. aufgrund eines Antrags des klagenden Mitgliedstaats bzw. des klagenden Beihilfeempfängers - anordnet. Hiervon geht auch Art. 14 Abs. 3 der zur Anwendung der Beihilfevorschriften des AEUV ergangenen Verordnung (EG) Nr. 659/1999 aus, nach dem die Mitgliedstaaten nach einer Negativentscheidung der Europäischen Kommission verpflichtet sind, die entsprechenden Beihilfen vorbehaltlich einer vom EuG getroffenen Anordnung der vorgenannten Art unverzüglich zurückzufordern.

Der Senat geht allerdings davon aus, dass der vorläufige Rechtsschutz der ASt. im Streitfall nicht auf die vorgenannte Möglichkeit einer Anordnung durch das EuG nach Art. 278 Satz 2 AEUV beschränkt ist. In der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass auch die nationalen Gerichte befugt sind, vorläufigen Rechtsschutz gegen einen nationalen Verwaltungsakt zu gewähren, der auf einem Gemeinschaftsrechtsakt beruht bzw. diesen umsetzt. Allerdings hat der EuGH hierfür die folgenden einschränkenden und der nationalen Regelung des § 69 FGO vorgehenden Voraussetzungen aufgestellt (vgl. Urteile des EuGH vom 21.2.1991 C-143/88 und C-92/89 "Zuckerfabrik Süderdithmarschen u.a.", DVBl 1991, 480 Tz 22 - 33; vom 9.11.1995 C-465/93 "Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u.a.", HFR 1996, 102 Tz 31 - 51; vom 26.11.1996 C-68/95 "T. Port", HFR 1997, 179 Tz 46 - 51; siehe hierzu auch Gosch in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 69 FGO Rz 21 ff.; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rz 13):

- Das nationale Gericht muss erhebliche Zweifel an der Gültigkeit des Gemeinschaftsrechtsakts haben und diese Gültigkeitsfrage dem EuGH vorlegen, sofern der Gerichtshof noch nicht mit ihr befasst ist.

- Die Entscheidung muss darüber hinaus dringlich in dem Sinne sein, dass der vorläufige Rechtsschutz erforderlich ist, um einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden des Beteiligten zu vermeiden. Ein reiner Geldschaden genügt hierbei grundsätzlich nicht.

- Außerdem muss das Interesse der Gemeinschaft angemessen berücksichtigt werden.

- Bei der Prüfung der vorgenannten Voraussetzungen muss das nationale Gericht etwaige Entscheidungen oder vorläufigen Anordnungen des EuG oder EuGH in der gleichen Angelegenheit beachten.

Der Senat entnimmt der Rechtsprechung des EuGH, dass die Befugnis der nationalen Gerichte zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes unter den vorstehenden Voraussetzungen auch für solche nationalen Verwaltungsakte gilt, die eine Entscheidung der Europäischen Kommission zur Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt nach Art. 108 Abs. 2 AEUV bzw. zu deren Rückforderung umsetzen (so Urteile des EuGH vom 22.12.2010 C-304/09 "Kommission/Italien", EuZW 2011, 517 Tz 43 - 45; vom 5.5.2011 C-305/09 "Kommission/Italien", juris, Tz 43 f.; eine solche Befugnis voraussetzend auch Beschlüsse des EuG vom 3.12.2002 T-181/02 R "Neue Erba Lautex/Kommission", Slg. 2002, II-5081 Tz 107 f.; vom 25.6.2002 T-34/02 R "B./Komission", Slg. 2002, II-2803 Tz 92; zu den vorstehenden Beschlüssen vgl. Bartosch, EuZW 2004, 43, 48 f.). Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass nicht klar ersichtlich ist, wie genau sich die vorstehend angeführten Entscheidungen des EuGH zu einer vorherigen Entscheidung von diesem verhalten, die möglicherweise nahelegen könnte, dass nationale Gericht nicht befugt sind, vorläufigen Rechtsschutz aus Gründen zu gewähren, die die Rechtmäßigkeit der entsprechenden Unvereinbarkeits- bzw. Rückforderungsentscheidung der Europäischen Kommission betreffen (Urteil des EuGH vom 5.6.2006 C-323/05 "Kommission/Frankreich", DVBl 2007, 369 Tz 49 - 60; unter Berufung auf diese Entscheidung eine AdV nach § 69 FGO aus solchen Gründen für ausgeschlossen haltend Linn, IStR 2011, 481, 483; ebenso aus Sicht der VwGO Verlage, WRP 2007, 1165 ff.; den Maßstab für den vorläufigen Rechtsschutz letztlich nicht entscheidend OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7.11.2005 OVG 8 S 93/05, EuZW 2006, 91, unter II.1. und 2.). Der Senat legt insoweit die o.g. zeitlich letzten Entscheidungen des EuGH zugrunde.

Zu der bereits angesprochenen Voraussetzung, dass das nationale Gericht erhebliche Zweifel an der Gültigkeit des Gemeinschaftsrechtsakts haben und diese Gültigkeitsfrage dem EuGH vorlegen muss, sofern der Gerichtshof noch nicht mit ihr befasst ist, hat der EuGH erläuternd ausgeführt, das nationale Gericht dürfe sich nicht auf eine Vorlage bzw. einen Verweis auf ein bereits anhängiges Verfahren beschränken. Vielmehr müsse es in seiner Entscheidung über den vorläufigen Rechtsschutz angeben, weshalb es meint, dass der Gerichtshof die Ungültigkeit des Gemeinschaftsrechtsakts feststellen muss (vgl. Urteile des EuGH vom 9.11.1995 C-465/93 "Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u.a.", HFR 1996, 102 Tz 36; vom 22.12.2010 C-304/09 "Komission/Italien", EuZW 2011, 517 Tz 46). Der Senat fasst diese Erläuterung nicht dahingehend auf, dass das nationale Gericht von der Ungültigkeit der Kommissionsentscheidung überzeugt sein und dies in den Gründen seiner Entscheidung angeben muss. Ein solches Verständnis widerspräche der vom EuGH stets verwendeten Formulierung, es seien "erhebliche Zweifel" erforderlich (siehe auch die weitere Erläuterung im Urteil des EuGH vom 9.11.1995 C-465/93 "Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u.a.", HFR 1996, 102 Tz 35, wonach die vom Antragsteller angeführten Gründe das nationale Gericht davon überzeugen müssen, dass an der Gültigkeit des Gemeinschaftsrechtsakts erhebliche Zweifel bestehen). Der Senat versteht die Erläuterung des EuGH vielmehr so, dass das nationale Gericht die Gründe für die von ihm angenommenen erheblichen Zweifel darlegen muss.

Da die vorliegend in Rede stehenden Bescheide die Entscheidung der Europäischen Kommission vom 26.1.2011 gegenüber der ASt. umsetzen, indem sie die von der Europäischen Kommission als unzulässige Beihilfe angesehene Regelung des § 8c Abs. 1a KStG unberücksichtigt lassen, sind diesbezüglich die vorstehend angeführten und auf dem Gemeinschaftsrecht beruhenden Voraussetzungen für eine AdV anzuwenden.

(4) Die danach erforderlichen Voraussetzungen für eine AdV liegen vor.

(a) An der Gültigkeit der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 26.1.2011 bestehen nach Auffassung des Senats erhebliche Zweifel.

Die Gültigkeit der Entscheidung der Kommission hängt von der Frage ab, ob § 8c Abs. 1a KStG eine "Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige" im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV enthält. Dieses auch als "Selektivität der Vorteilsgewährung" bezeichnete Merkmal wird im Bereich des (Unternehmen-)Steuerrechts von der Europäischen Kommission ebenso wie vom EuG bzw. EuGH im Grundsatz nach einem dreistufigen Prüfungsschema beurteilt (vgl. hierzu das Schreiben der Europäischen Kommission über die Einleitung des Prüfverfahrens betreffend § 8c Abs. 1a KStG vom 24.2.2010, ABlEU vom 8.4.2010 Nr. C 90, S. 8, Tz 19 f., sowie die allgemeine Mitteilung der Europäischen Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmenssteuerung vom 10.12.1998, ABlEG vom 10.12.1998 Nr. C 384, S. 3, insb. Tz 16; siehe auch Drüen, DStR 2011, 289, 290; Marquart, IStR 2011, 445, 447; Breuninger/Ernst, GmbHR 2011, 673, 676; Grube, DStZ 2008, 371, 376 f.). In einem ersten Schritt ist zu bestimmen, wie das geltende nationale Steuerrecht den betreffenden steuerlichen Bereich im Allgemeinen bzw. im "Normalfall" regelt. Von diesem "Referenzsystem" ausgehend ist in einem zweiten Schritt zu fragen, ob die betreffende Regelung insofern eine Ausnahme von diesem begründet, als sie zwischen Wirtschaftsteilnehmern differenziert, die sich im Hinblick auf das mit der Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden. In einem dritten Schritt ist zu prüfen, ob eine solche prima facie selektive Regelung durch die Natur oder den inneren Aufbau des Steuersystems des Mitgliedstaats gerechtfertigt werden kann.

Mit ihrer beim EuG eingereichten Nichtigkeitsklage macht die Bundesregierung geltend, die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG enthalte bereits keine Ausnahme vom maßgeblichen Referenzsystem (1. Klagegrund zum Hauptantrag). Außerdem handele es sich um eine allgemeine Maßnahme, die bei wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung auf horizontalen Gegebenheiten beruhe, so dass sie querschnittsartig jedem Unternehmen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zugute komme (2. Klagegrund zum Hauptantrag). Schließlich sei die Sanierungsklausel aus der Natur und dem inneren Aufbau des Steuersystems gerechtfertigt (3. Klagegrund zum Hauptantrag; siehe zum Vorstehenden die Veröffentlichung der Klageeinreichung im ABlEU vom 25.6.2011, Nr. C 186, S. 28). Im Schrifttum wird diese Sichtweise der Bundesregierung in mehreren Stellungnahmen unterstützt. So wird geltend gemacht, das maßgebliche Referenzsystem sei nicht in § 8c Abs. 1 KStG zu sehen, sondern in der auf dem Leistungsfähigkeitsprinzip bzw. dem Nettoprinzip beruhenden Grundentscheidung des deutschen Steuerrechts in § 10d Abs. 2 EStG (ggf. i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG), wonach Verluste (nach Maßgabe der dort geregelten Mindestbesteuerung) grundsätzlich vorgetragen werden können (so etwa Drüen, DStR 2011, 289, 291 f.; Marquart, IStR 2011, 445, 448 f.; Breuninger/Ernst, GmbHR 2011, 673, 682 f.; Hey, StuW 2010, 301, 309). Des Weiteren wird geltend gemacht, dies gelte für Anteilserwerbe ab dem 1.1.2010 umso mehr, als die Regelung des § 8c Abs. 1 KStG für diese durch die sog. Konzern- und Stille-Reserven-Klausel in § 8c Abs. 1 Satz 5 - 9 KStG stark eingeschränkt worden sei (so etwa Marquart, IStR 2011, 445, 449 f.; Breuninger/Ernst, GmbHR 2011, 673, 683). Dies kann allerdings für den vorliegenden Anteilserwerb in 2009 keine Rolle spielen. In einigen Stellungnahmen wird demgegenüber auch die Beurteilung des § 8c Abs. 1a KStG durch die Europäische Kommission für zutreffend gehalten (so etwa Ehrmann, DStR 2011, 5, 7 f.; bereits vor Ergehen der Kommissionsentscheidung de Weerth, DB 2010, 1205, 1206 f.).

Nach Auffassung des Senats bestehen angesichts der von der Bundesregierung erhobenen Einwendungen für eine AdV genügende erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der Kommissionsentscheidung. Diese beruhen aus Sicht des Senats zum einen auf der vorstehend ausgeführten und im Schrifttum vor allem diskutierten Frage, ob im "ersten Schritt" tatsächlich § 8c Abs. 1 KStG oder nicht vielmehr die allgemeine Grundentscheidung des deutschen Steuerrechts zur Vortragsfähigkeit von Verlusten das maßgebliche Referenzsystem bestimmt. Zum anderen hat der Senat erhebliche Bedenken, ob - bei der ggf. vorzunehmenden Prüfung des "zweiten Schritts" - § 8c Abs. 1a KStG tatsächlich eine Differenzierung zwischen solchen Wirtschaftsteilnehmern enthält, die sich im Hinblick auf das mit der Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden. Die mit der Sanierungsklausel ggf. verbundene Begünstigung wird nämlich unter gleichen Bedingungen und ohne Einräumung eines Ermessens jedem Unternehmen gewährt, das sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet bzw. von einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bedroht ist. Dagegen ist weder formal noch verdeckt eine Bevorzugung bestimmter Branchen bzw. Tätigkeitsbereiche oder Unternehmen nur einer bestimmten Größe erkennbar. Aus der Kommissionsentscheidung selbst geht hervor, dass in der Rechtsprechung des EuG bzw. des EuGH bislang nicht entschieden ist, ob eine Selektivität i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV auch bei Begünstigungen der vorstehend beschriebenen Art vorliegt (vgl. Entscheidung der Kommission vom 26.1.2011 K(2011)275 endgültig corr., Tz 31 - 38 sowie Tz 68 - 76 u.a. mit Ausführungen zu den vom EuGH entschiedenen Rechtssachen "DMT" und "HAMSA"). Soweit die Kommission die von ihr vertretene Auffassung, dass auch Vorschriften, die gleichermaßen für alle Unternehmen in Schwierigkeiten gelten, selektiv seien und eine staatliche Beihilfe darstellen könnten, in der Tz 77 ihrer Entscheidung auf die Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly zur Rechtssache "Ecotrade" (C-200/97, Schlussanträge vom 16.7.1998, Slg. 1998, I-2907 Tz 26-32) stützt, überzeugt dies nicht. Denn im dortigen Fall waren Normen zu beurteilen, die gerade nicht gleichermaßen für alle Unternehmen in Schwierigkeiten galten, sondern - wie der Generalanwalt Fennelly in seinen Schlussanträgen detailliert herausarbeitete - Großunternehmen bevorzugten, die im industriellen Bereich tätig und deren Gläubiger vor allem öffentliche Stellen waren, und außerdem Ermessensspielräume eröffneten. Auf diese Gesichtspunkte stellte auch das in dieser Rechtssache nachfolgende, eine verbotene staatliche Beihilfe bejahende Urteil des EuGH ab (vgl. Urteil des EuGH vom 1.12.1998 C-200/97 "Ecotrade", Slg. 1998, I-7907 Tz 38 - 40). Nach Auffassung des Senats erscheint es zumindest ernstlich zweifelhaft, ob durch Maßnahmen, die unter gleichen Bedingungen und ohne Einräumung eines Ermessens jedem Unternehmen gewährt werden, das sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet bzw. von einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bedroht ist, tatsächlich bestimmte (einzelne) Unternehmen oder bestimmte Produktionszweige i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV begünstigt werden (i.Erg. ablehnend Marquart, IStR 2011, 445, 450 f.). So hat etwa auch die Kommission in ihrer allgemeinen Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung vom 10.12.1998 (ABlEG vom 10.12.1998 Nr. C 384, S. 3 Tz 18 - 20) sowie in ihrem späteren Bericht über die Umsetzung der vorgenannten Mitteilung vom 9.2.2004 (C(2004)434 Tz 26 - 29, soweit ersichtlich nicht im Amtsblatt veröffentlicht) als (materiell) selektiv und damit unter das Beihilfeverbot fallende steuerliche Maßnahmen vor allem solche angeführt, die einen oder mehrere Wirtschaftszweige (etwa die gesamte verarbeitende Industrie oder Hersteller nationaler Ausfuhrprodukte), Unternehmen bestimmter Rechtsform (etwa öffentliche Unternehmen) oder bestimmte Arten von Unternehmen bzw. solche mit bestimmten Unternehmensfunktionen (etwa konzerneigene Versicherungsgesellschaften, nach einem bestimmten Zeitpunkt gegründete Unternehmen oder solche, die bestimmte Umsatzschwellen überschreiten) begünstigen.

Aufgrund der von der Bundesregierung beim EuG erhobenen Nichtigkeitsklage ist der Gerichtshof bereits mit der Gültigkeit der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 26.1.2011 befasst. Für die Gewährung der AdV ist daher nicht erforderlich, dass der Senat selbst die Frage dem EuGH vorlegt.

(b) Im Streitfall ist die Gewährung der AdV zudem dringlich im vom EuGH verlangten Sinne, weil ohne eine solche der ASt. ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden droht.

Der Senat geht davon aus, dass ohne die Gewährung der AdV der Fortbestand bzw. die wirtschaftliche Existenz der ASt. gefährdet ist und die hierdurch drohenden Schäden im Falle einer der ASt. günstigen Entscheidung des EuG bzw. ggf. nachfolgend des EuGH durch eine spätere Rückzahlung bzw. Änderung der Steuerfestsetzung nicht mehr rückgängig zu machen wären. Zwar ging die ASt. beim Anteilserwerb der L-GmbH in ihrer weiteren Sanierungsplanung noch von einem Untergang der Verlustvorträge nach § 8c Abs. 1 KStG aus, was im Ergebnis dem jetzt vom FA aufgrund der Kommissionsentscheidung für zutreffend erachteten Zustand entspricht. Die ASt. hat jedoch durch Vorlage ihrer langfristigen sowie ihrer aktuellen Liquiditätsplanung und durch die eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers glaubhaft gemacht, dass ungeachtet der vorgenannten ursprünglichen Planungen die ihr aktuell zur Verfügung stehenden liquiden Mittel zwar genügen, um ihren laufenden Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten sowie den nach den Sanierungsvereinbarungen verbleibenden Schuldendienst zu bedienen, ihr darüber hinaus jedoch keine liquiden Mittel zur Zahlung der aufgrund des vorliegenden Verfahrens in Rede stehenden Mehrsteuern zur Verfügung stehen. Nach dem Vortrag der ASt. sind zudem die avalgebenden Banken nicht bereit, die Zweckbestimmung der für die operative Tätigkeit der Tochtergesellschaften gewährten Avale auf die in Rede stehenden Steuerzahlungen der ASt. zu erweitern. Aufgrund der Schilderung der ASt. hält der Senat dieses Vorbringen auch ohne Vorlage weiterer Erklärungen oder eidesstattlicher Versicherungen für hinreichend glaubhaft gemacht. Aus ihm geht zugleich hervor, dass die ASt. nicht in der Lage ist, sich die erforderlichen liquiden Mittel über Kredite zu beschaffen. Gegenteiliges lässt sich insbesondere nicht aus dem im Jahresabschluss der ASt. zum 31.12.2010 ausgewiesenen Eigenkapital i.H.v. ca. ......... EUR ableiten, weil diese Bilanzposition wegen der Besonderheiten des Streitfalls nicht den Rückschluss auf eine Kreditwürdigkeit der ASt. ermöglicht. So beruhen laut den Erläuterungen im Bericht über die Prüfung des vorgenannten Jahresabschlusses allein Aktiva i.H.v. ......... EUR auf Forderungen gegenüber der X-KG als Gesellschafterin der ASt., deren Werthaltigkeit wesentlich davon abhängt, ob die von der KG gehaltenen Anteile an der ASt. selbst werthaltig sind (siehe Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2010 vom 16.2.2011, unter D.II.2., S. 20; siehe hierzu auch die Darstellung in der verbindlichen Auskunft vom ... . ... . 2009, S. 2 f., 6, Bl. 78 f. und 82 der GA). Der Senat geht angesichts der vorstehend geschilderten Lage davon aus, dass bei Fälligwerden der in Rede stehenden Steuerzahlungen eine Zahlungsunfähigkeit der ASt. drohen würde, aufgrund derer die Geschäftsführer nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet wären. Die hierdurch eintretenden Folgen könnten durch eine etwaige spätere Änderung der Steuerfestsetzung nicht mehr ohne Weiteres rückgängig gemacht werden. Angesichts dessen ist der der ASt. drohende Schaden nicht als reiner Geldschaden einzustufen, der nach der Rechtsprechung des EuGH im Grundsatz nicht für die von ihm verlangte Dringlichkeit genügen soll (auf die Irreversibilität abstellend auch Gosch in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 69 FGO Rz 23).

(c) Das angemessen zu berücksichtigende Interesse der Gemeinschaft steht einer AdV im Streitfall nicht entgegen. Durch die AdV verliert das Gemeinschaftsrecht nicht jede praktische Wirkung. Die Durchsetzung des möglicherweise im Streitfall eingreifenden Beihilfeverbots des Art. 107 Abs. 1 AEUV wird zwar zeitlich hinausgeschoben, jedoch nicht endgültig suspendiert. Sollte das EuG bzw. ggf. nachfolgend der EuGH entscheiden, dass die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG eine gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV verstoßende Beihilfe darstellt, wären die entsprechenden Steuerzahlungen von der ASt. anzufordern. Im Falle eines Verstoßes von § 8c Abs. 1a KStG gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV läge zwar auch in der zeitlichen Verzögerung als solcher eine Beeinträchtigung des Binnenmarkts. Der mögliche Eintritt einer solchen Beeinträchtigung wiegt nach Auffassung des Senats unter den im Streitfall gegebenen Umständen jedoch weniger schwer als die der ASt. drohende und im Falle einer Vereinbarkeit des § 8c Abs. 1a KStG mit Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht gerechtfertigte Vernichtung ihrer wirtschaftlichen Existenz. Zudem wird dem Interesse der Gemeinschaft daran, dass unzulässige Beihilfen ohne vermeidbare Verzögerungen zurückgefordert werden, dadurch angemessen Rechnung getragen, dass die vorliegend gewährte AdV zunächst nur befristet ausgesprochen wird (siehe dazu unter II.3.).

(d) Soweit dem Senat bekannt, liegen bezüglich der Vereinbarkeit des § 8c Abs. 1a KStG mit Art. 107 Abs. 1 AEUV keine Entscheidungen oder vorläufigen Anordnungen des EuG vor, die bei der vorliegend zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen wären.

(5) Die nach nationalem Verfahrensrecht gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO erforderlichen Voraussetzungen für eine AdV sind aufgrund der vorstehenden Ausführungen ebenfalls erfüllt. Mit den erheblichen Zweifeln an der Gültigkeit der Kommissionsentscheidung vom 26.1.2011 bestehen zugleich ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide i.S.v. § 69 Abs. 2 Satz 2 1. Fall FGO. Aufgrund des drohenden schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die ASt. ist zugleich davon auszugehen, dass die Vollziehung der Bescheide eine unbillige Härte i.S.v. § 69 Abs. 2 Satz 2 2. Fall FGO begründen würde.

bb) Die AdV ist im Streitfall außerdem aufgrund der von der ASt. geltend gemachten Frage zu gewähren, ob bereits die Regelung des § 8c Abs. 1 KStG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig ist.

(1) Sollte § 8c Abs. 1 KStG verfassungswidrig und damit nichtig sein, wären die angefochtenen Bescheide auch aus diesem Grund rechtswidrig. Es würde dann bereits an einer Rechtsgrundlage für den Untergang der bisherigen Verlustvorträge bzw. der vortragsfähigen Gewerbeverluste durch den mittelbaren Anteilserwerb an der ASt. fehlen. Eine Anwendung der vorherigen Regelung zum "Mantelkauf" in § 8 Abs. 4 KStG a.F. wäre unabhängig von der weiten Übergangsregelung in § 34 Abs. 6 Satz 3 KStG nicht möglich, da diese Vorschrift nach der Rechtsprechung des BFH keine mittelbaren Anteilserwerbe erfasste (vgl. BFH-Urteil vom 20.8.2003 I R 61/01, BStBl II 2004, 616). Zudem ist im Streitfall nicht ersichtlich, ob der ASt. - wie nach § 8 Abs. 4 KStG a.F. erforderlich - überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt wurde. In Bezug auf die bisher nicht erlassenen Verlustfeststellungsbescheide zum 31.12.2008 und zum 31.12.2009 sowie die ggf. anzunehmende Ermessensfehlerhaftigkeit der für das Jahr 2010 und die Jahre ab 2011 ergangenen Vorauszahlungsbescheide zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag gelten auch hier die Ausführungen unter II.2.b aa (1).

(2) Es erscheint ernstlich möglich, dass § 8c Abs. 1 KStG verfassungswidrig ist. Die ASt. hat sich insoweit auf den Vorlagebeschluss des FG Hamburg vom 4.4.2011 (2 K 33/10, DStR 2011, 1172) berufen. Der Senat lässt offen, ob er sich der Auffassung des FG Hamburg anschließt bzw. ob er selbst von der Verfassungswidrigkeit des § 8c Abs. 1 KStG überzeugt ist und die Frage daher nach Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG vorlegen würde (dem Vorlagebeschluss zustimmend etwa Roth, Ubg. 2011, 527 ff.; von der Verfassungsmäßigkeit der Regelung ausgehend dagegen das Sächsische FG, Urteil vom 16.3.2011 2 K 1869/10, juris, Revision anhängig unter dem Aktenzeichen I R 31/11). Jedenfalls ist er der Auffassung, dass die Begründung des Vorlagebeschlusses durch das FG Hamburg hinreichend tragfähig ist, um davon auszugehen, dass die Verfassungsmäßigkeit des § 8c Abs. 1 KStG ernstlich zweifelhaft i.S.v. § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 1. Fall FGO ist. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vorlagebeschluss des FG Hamburg Bezug genommen. Zwar ist der dem Beschluss des FG Hamburg zugrunde liegende Sachverhalt nicht in jeder Hinsicht mit dem Sachverhalt im Streitfall vergleichbar. So handelte es sich dort um die Übertragung der Anteile eines Minderheitsgesellschafters (mit einer Beteiligung von 48 %) sowie offenbar um Verluste aufgrund von letztlich "vorgezogenen" Aufwendungen bei einem ausgeglichenen "Gesamtergebnis" über die zwei der Anteilsübertragung vorausgehenden und das nachfolgende Jahr (siehe zu den Besonderheiten des zugrunde liegenden Sachverhalts auch Roser, GmbHR 2011, 718). Dementsprechend ist der Vorlagebeschluss des FG Hamburg auch zu § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG ergangen. Zudem führt das FG Hamburg u.a. aus, die Grundannahme des § 8c KStG, die wirtschaftliche Identität der Körperschaft werde maßgeblich durch das Engagement der Gesellschafter bestimmt, trage jedenfalls deswegen nicht, weil in § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG auch Anteilsübertragungen von mehr als 25 %, aber unter 50 % erfasst seien, die kein aktives Gestalten der Entscheidungen auf der Ebene der Gesellschaft ermöglichten (unter Teil B, III.3.b cc; von einem Ruhen anhängiger Einspruchsverfahren nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO nur bei einer solchen Anteilsübertragung ausgehend OFD Magdeburg, Vfg. vom 5.7.2011 S 2745 a-4-St 216, juris). Jedoch begründen die weiteren vom FG Hamburg angeführten Gesichtspunkte generell ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 8c Abs. 1 KStG. Unabhängig von der prozentualen Höhe der Anteilsübertragung ist insbesondere die dort aufgeworfene Ausgangsfrage, ob weiterhin das Trennungsprinzip bzw. die Annahme einer originären Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft als vom Gesetzgeber getroffene Grundentscheidung anzusehen ist, die damit vorbehaltlich einer sachlichen Rechtfertigung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden müsste. In diesem Fall läge es nahe, auch eine folgerichtige Umsetzung des dem geltenden Ertragsteuerrecht zugrunde liegenden Nettoprinzips bzw. der vom Gesetzgeber grundsätzlich vorgesehenen Vortragsfähigkeit von Verlusten auf der Ebene der Kapitalgesellschaft zu betrachten bzw. für eine Abweichung hiervon eine Rechtfertigung zu verlangen. Die Durchbrechung der vorgenannten etwaigen Grundentscheidungen allein vom Vorliegen eines Anteilseignerwechsels von über 25 % oder von 50 % abhängig zu machen, erscheint zumindest problematisch. Insbesondere ist es zweifelhaft, ob zur Rechtfertigung angenommen werden kann, es handele sich um die Typisierung eines Missbrauchsfalls im Sinne eines "Handels mit Verlustvorträgen" bzw. "Mantelkaufs" (so aber offenbar das Sächsische FG, Urteil vom 16.3.2011 2 K 1869/10, juris). Ein solcher wird üblicherweise darin gesehen, dass mit den Anteilen nur bzw. vor allem die in der Gesellschaft vorhandenen Verlustvorträge erworben werden sollen, ohne dass eine Absicht besteht, ihren Geschäftsbetrieb in seiner bisherigen Form fortzuführen. Ein Sachverhalt der vorgenannten oder auch nur einer ähnlichen Art ist aber nicht allein durch einen Anteilseignerwechsel von über 25 % oder von über 50 % gekennzeichnet und auch nicht typischerweise mit einem solchen verbunden (vgl. hierzu auch Roth, Ubg. 2001, 527, 532; Brandis in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 8c KStG Rz 22). Anderweitige Rechtfertigungsgründe für die generelle "Kappung" der bestehenden Verlustvorträge allein aufgrund eines Anteilseignerwechsels über 25 % oder von über 50 % sind ebenfalls nicht ohne Weiteres ersichtlich. Auch im vorliegenden Streitfall sind ungeachtet des Umstands, dass ein Mehrheitsanteil von ... % [über 90 %] übertragen wurde, keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass ein Fall eines "Handels mit Verlustvorträgen" bzw. "Mantelkaufs" im o.g. Sinne gegeben sein könnte.

(3) Der Senat kann im vorliegenden AdV-Verfahren von ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des § 8c Abs. 1 KStG ausgehen, ohne die Regelung nach Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG vorzulegen. Eine solche Vorlage widerspräche dem Eilcharakter des AdV-Verfahrens (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 18.12.1989 IV B 37/89, BFH/NV 1990, 570).

(4) Der Gewährung einer AdV aufgrund der vorstehenden Erwägungen steht im Streitfall nicht entgegen, dass der BFH in seiner bisherigen Rechtsprechung jedenfalls zum Teil ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer streitentscheidenden gesetzlichen Regelung nicht bereits für sich genommen für eine AdV genügen lassen, sondern darüber hinaus ein (besonderes) berechtigtes Interesse an der Gewährung der AdV verlangt hat (vgl. zuletzt etwa BFH-Beschluss vom 1.4.2010 II B 168/09, BStBl II 2010, 558 zum ErbStG, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH; offen gelassen demgegenüber etwa in BFH-Beschlüssen vom 23.8.2007 VI B 42/07, BStBl II 2007, 799 zur Entfernungspauschale; sowie vom 25.8.2009 VI B 69/09, BStBl II 2009, 826 zum Abzugsverbot für ein häusliches Arbeitszimmer; dagegen kein besonderes berechtigtes Interesse bei einer ernstlich in Betracht kommenden verfassungskonformen Auslegung verlangend BFH-Beschluss vom 26.8.2010 I B 49/10, DStR 2010, 2179, zur Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG bei endgültigem Ausschluss der Verlustverrechnung). Der BFH geht in seiner vorgenannten Rechtsprechung davon aus, dass dem Geltungsanspruch eines formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des BVerfG dann der Vorrang einzuräumen ist, wenn die Gewährung von AdV im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwendung eines ganzen Gesetzes führen würde, die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheids im Einzelfall eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen eher als gering einzustufen sind und der Eingriff keine dauerhaft nachteiligen Wirkungen hat (vgl. BFH-Beschluss in BStBl II 2010, 558, unter II.3.). Im Streitfall kann dahin-stehen, zu welchen Anforderungen für eine AdV diese Kriterien in Bezug auf die mögliche Verfassungswidrigkeit des § 8c Abs. 1 KStG im Einzelnen führen. Jedenfalls hält der Senat es für zutreffend, aufgrund der oben dargelegten verfassungsrechtlichen Zweifel an der Regelung dem Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen dann den Vorrang einzuräumen, wenn diesem durch die vorläufige Vollziehung irreparable Nachteile drohen, die einen späteren Rechtsschutz in der Hauptsache hinfällig machen würden (vgl. hierzu BFH-Beschluss in BStBl II 2010, 558, unter II.2; siehe auch die entsprechenden Vorbehalte in den BFH-Beschlüssen vom 9.11.1992 X B 137/92, BFH/NV 1994, 324; vom 19.8.1994 X B 318, 319/93, BFH/NV 1995, 143, sowie im Kammerbeschluss des BVerfG vom 3.4.1992 2 BvR 283/92, HFR 1992, 726). Von solchen drohenden irreparablen Nachteilen ist aber - wie bereits dargelegt (siehe oben unter II.2.b aa (4) (b)) - im Streitfall auszugehen.

Auch dass das BVerfG - sollte es § 8c Abs. 1 KStG für verfassungswidrig halten - möglicherweise eine befristete Fortgeltung der Regelung anordnen kann, steht nach Auffassung des Senats einer AdV im Streitfall nicht entgegen (hierauf die Ablehnung einer AdV stützend aber BFH-Beschluss vom 5.4.2011 II B 153/10, DStR 2011, 769, zur Grunderwerbsteuer, soweit deren Bemessungsgrundlage sich nach § 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. §§ 138 ff. BewG aus einem Grundbesitzwert ergibt). Es ist vorliegend zumindest ungewiss, ob das BVerfG tatsächlich eine solche Fortgeltungsanordnung treffen würde (gegen die Einbeziehung einer Prognose bei einem ungewissen Rechtsfolgenausspruch durch das BVerfG auch Gosch in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 69 FGO Rz 180.1).

cc) Für einen Teil der streitigen Körperschaftsteuer bzw. des streitigen Gewerbesteuermessbetrags ist schließlich auch deswegen die begehrte AdV zu gewähren, weil zumindest ernstlich zweifelhaft ist, ob § 8c Abs. 1 KStG bei einem unterjährigen schädlichen Beteiligungserwerb den Abzug der bisher bestehenden Verlustvorträge bzw. vortragsfähigen Gewerbeverluste von dem bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Gewinn bzw. dem hierauf entfallenden Gesamtbetrag der Einkünfte ausschließt (vgl. hierzu FG Münster, Urteil vom 30.11.2010 9 K 1842/10, EFG 2011, 909, Revision anhängig unter dem Aktenzeichen I R 14/11; Hessisches FG, Beschluss vom 7.10.2010 4 V 1489/10, DStRE 2011, 289). Im Streitfall ist der schädliche mittelbare Beteiligungserwerb nach dem Vorbringen der ASt., dem das FA nicht entgegen getreten ist, unterjährig, nämlich mit Eintritt der letzten Bedingung für den Erwerb der Kommanditanteile an der X-KG wirksam geworden. Da die begehrte AdV bereits aus den unter II.2.b aa und bb ausgeführten Gründen in vollem Umfang zu gewähren war, kann im vorliegenden Verfahren allerdings dahinstehen, ob die maßgebliche letzte Bedingung in der Zahlung der letzten Rate an die U-AG am ... . ... . ......, der Zustimmung des Landes Nordrhein-Westfalen mit Schreiben vom ... . ... . ...... oder der nur als Bedingung für das Außenverhältnis vereinbarten Eintragung ins Handelsregister am ... . ... . ...... zu sehen ist. Zudem muss nicht ermittelt werden, welcher Teil des Gewinns bzw. des Gesamtbetrags der Einkünfte des Jahres 2009 bis zu diesem Zeitpunkt entstanden ist und ob insoweit angesichts der zwischen der ASt. und ihren Tochtergesellschaften offenbar bestehenden zahlreichen Organschaftsverhältnisse eine sonst ggf. mögliche zeitanteilige Aufteilung evtl. nicht sachgerecht wäre.

c) Die nach den vorstehenden Ausführungen zu gewährende AdV ist für das Jahr 2009 nicht durch die Regelung des § 69 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 8 1. Halbsatz FGO beschränkt. Danach ist bei Steuerbescheiden eine AdV grundsätzlich nur in Höhe der festgesetzten Steuer vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die festgesetzten Vorauszahlungen möglich. Der Senat geht davon aus, dass die vorgenannte Beschränkung auch im vorliegend für das Jahr 2009 gegebenen Fall zur Anwendung käme, in dem zunächst die Vorauszahlungsbescheide Gegenstand des gerichtlichen AdV-Antrags waren und diese erst im Verlauf des Verfahrens durch Jahressteuerbescheide ersetzt wurden, die damit entsprechend § 68 Satz 1 FGO Verfahrensgegenstand geworden sind. Der BFH hat nämlich ausdrücklich entschieden, dass die Beschränkung der AdV sogar dann gilt, wenn bezüglich der inzwischen durch Jahresbescheide ersetzten Vorauszahlungsbescheide bereits AdV durch das FA gewährt oder ggf. vom Steuerpflichtigen erstritten wurde (so BFH-Beschluss vom 24.1.2000 X B 99/99, BStBl II 2000, 559). Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Regelung auch verfassungsgemäß und nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung zu korrigieren (vgl. BFH-Beschlüsse in BStBl II 2000, 559; in BStBl II 2004, 367, unter II.3.a bb). Jedoch greift nach § 69 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 8 2. Halbsatz FGO die vorgenannte Beschränkung dann nicht ein, wenn die AdV zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Begriff der wesentlichen Nachteile ist im Sinne der zu § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO ergangenen Rechtsprechung zu verstehen (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 22.12.2003 IX B 177/02, BStBl II 2004, 367, unter II.3.a). Sie sind daher dann gegeben, wenn durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen unmittelbar und ausschließlich bedroht sein würde (vgl. etwa BFH-Beschluss in BStBl II 2004, 367, unter II.3.a aa, m.w.N.). Wie bereits unter II.2.b aa (4) (b) ausgeführt, geht der Senat im Streitfall hiervon aus.

d) Die AdV ist im Streitfall bezüglich der Körperschaftsteuer ohne Auferlegung einer Sicherheitsleistung zu gewähren.

Die Anordnung einer Sicherheitsleistung nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 FGO ist im Grundsatz dann geboten, wenn die spätere Vollstreckung der Steuerforderung infolge der AdV gefährdet oder erschwert erscheint. Es ist hierbei zunächst Sache des FA, die für die Gefährdung der Forderung sprechenden konkreten Anhaltspunkte vorzutragen und glaubhaft zu machen (vgl. etwa BFH-Beschlüsse vom 20.3.2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809; vom 10.10.2002 VII S 28/01, BFH/NV 2003, 12). Auch in diesem Fall kann allerdings die AdV ohne Sicherheitsleistung geboten sein, wenn der angefochtene Verwaltungsakt mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist oder der Antragsteller im Rahmen zumutbarer Anstrengungen nicht in der Lage ist, eine Sicherheit zu leisten. Dies muss der Antragsteller darlegen und glaubhaft machen (vgl. etwa BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2001, 637; vom 31.1.1997 X S 11/96, BFH/NV 1997, 512; vom 17.1.1996 V B 100/95, BFH/NV 1996, 491; vom 18.12.2000 VI S 15/98, BFH/NV 2001, 637).

Im Streitfall geht aus dem Vorbringen der ASt. zu den ihr im Falle einer Vollziehung der angefochtenen Bescheide drohenden schweren und nicht wiedergutzumachenden Schäden zugleich hervor, dass ihr eine Erbringung von Sicherheiten nicht möglich ist. Insbesondere hat die ASt. dazu vorgetragen, dass die avalgebenden Banken nicht bereit sind, die von ihr für die für die operative Tätigkeit der Tochtergesellschaften gewährten Avale auf die in Rede stehenden Steuerzahlungen der ASt. zu erweitern. Der Senat geht insoweit auch von einer hinreichenden Glaubhaftmachung durch die Klägerin aus (siehe dazu bereits unter II.2.b aa (4) (b)).

Bezüglich des Gewerbesteuermessbescheids 2009 sowie der Gewerbesteuermessbescheide für Vorauszahlungszwecke für 2010 und ab 2011 ist über die Frage einer Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuer- bzw. der Gewerbsteuervorauszahlungsbescheide als Folgebescheide zu entscheiden (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 6 FGO).

e) Die Dauer der zu gewährenden AdV steht im Ermessen des Gerichts (vgl. etwa Gosch in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 69 FGO Rz 199). Im Streitfall beruht die Gewährung der AdV entscheidend darauf, dass der Senat es als hinreichend glaubhaft gemacht ansieht, dass der ASt. ohne eine solche ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden droht bzw. sie durch die Vollziehung in ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Existenz unmittelbar und ausschließlich bedroht ist (siehe dazu unter II.2.b aa (4) (b), II.2.b bb (4) und II.2.c). Dieser Umstand kann sich allerdings ändern. Insbesondere im Streitfall erscheint die zukünftige Entwicklung ungewiss, zumal der geltend gemachte Liquiditätsengpass nach dem Vorbringen der ASt. speziell auf prognostizierten Mittelabflüssen im zweiten Halbjahr 2011 beruht. Angesichts des nach der Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigenden Interesses der Gemeinschaft an einer effektiven Durchsetzung der Kommissionsentscheidung sowie des Geltungsanspruchs eines formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes erscheint es daher sachgerecht, dass die Voraussetzungen für ein Fortdauern der AdV nach Ablauf eines angemessenen Zeitraums noch einmal überprüft werden. Der Senat sieht es insoweit als ermessensgerecht an, die AdV nicht wie sonst üblich zumindest bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens zu gewähren, sondern diese zunächst bis zum 29.2.2012 zu befristen. Da der Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2010 bereits zum 16.2.2011 erstellt wurde, geht der Senat davon aus, dass die ASt. bis Ende Februar 2012 über die erforderlichen Unterlagen verfügt, um ggf. einen neuen Antrag auf AdV unter Glaubhaftmachung einer weiterhin gegebenen Existenzgefährdung zu stellen. Der unbefristet gestellte Antrag war aufgrund der nur befristet gewährten AdV teilweise abzulehnen.

3. Die Berechnung der von der Vollziehung ausgesetzten Beträge wird gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Hierbei stellt die Befristung der AdV - ebenso wie es bei Gewährung einer solchen nur gegen Sicherheitsleistung der Fall ist (vgl. hierzu Koch in Gräber, FGO, 7. Aufl., § 69 FGO Rz 161 m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH) - trotz des unbefristet gestellten Antrags der ASt. kostenrechtlich kein Teilunterliegen dar.

5. Die Beschwerde war gemäß § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

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