Schleswig-Holsteinisches FG: Verpflichtung des Steuerberaters zur Datenüberlassung an das FA bei gekündigtem Mandat
Schleswig-Holsteinisches FG, Beschluss vom 10.12.2015 – 2 V 95/15
Normen: § 147 Abs 6 AO, § 97 Abs 1 S 1 AO, § 104 Abs 2 AO, § 66 StBerG, § 273 BGB ... mehr
Sachverhalt
I. Die Antragstellerin wendet sich im Rahmen eines Eilverfahrens gegen ein Herausgabeverlangen des Antragsgegners.
Die Antragstellerin ist eine Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts GbR. Mit Vollmacht vom 3. Mai 2010 hat Herr A die GbR mit seiner steuerlichen Vertretung beauftragt. Herr A betreibt eine Gastwirtschaft. Er ist buchführungspflichtig und ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Für die Jahre 2010 bis 2012 hat die Antragstellerin die Steuererklärungen und Gewinnermittlungen für Herrn A gefertigt. Ab dem Veranlagungszeitraum 2013 ist ein neuer Steuerberater tätig.
Der Antragsgegner ordnete mit Verfügung vom 19. November 2014 bei Herrn A eine Außenprüfung für die Jahre 2010 bis 2012 an. Im Rahmen der Prüfungsvorbereitung teilten die jetzigen Steuerberater des Herrn A dem Prüfer mit, dass die erforderlichen Unterlagen für die Prüfung sich bei der Antragstellerin befinden würden, die wegen offener Honorarforderungen ein Zurückbehaltungsrecht geltend mache.
Mit Bescheid vom 22. Mai 2015 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin schließlich auf, für den Steuerpflichtigen A einen dem GDPdU-Standard entsprechenden Datenträger mit den Buchführungsdaten zur Durchführung einer Betriebsprüfung für die Jahre 2010 bis 2012 (Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer) unverzüglich herauszugeben, hilfsweise gegenüber der DATEV E.G. unverzüglich, schriftlich die Zustimmung zur Erstellung und Übersendung eines entsprechenden Datenträgers zu erklären. Der Antragsgegner führte insoweit aus, dass die Antragstellerin als ehemalige Steuerberaterin gemäß §§ 93, 97 Abgabenordnung (AO) für den Prüfungszeitraum des durch den Antragsgegner zu prüfenden Steuerpflichtigen zur Mitwirkung verpflichtet sei. Das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechtes aus § 66 Abs. 2 Steuerberatungsgesetz (StBerG) sei durch die Antragstellerin nicht ausreichend begründet worden. Darüber hinaus greife das Zurückbehaltungsrecht gegen den ehemaligen Mandanten aus § 66 StBerG gegenüber der Finanzverwaltung nicht durch. Der etwaige Anspruch auf Ausgleich der vermeintlich ausstehenden Honorarforderungen werde auch nicht durch die Herausgabe eines vorhandenen Datenträgers konterkariert. Darüber hinaus seien die Kosten, die durch die Mitwirkung entstehen würden, zu vernachlässigen. Ein Auskunftsverweigerungsrecht als Rechtsanwalt bzw. Steuerberater i. S. der §§ 102, 104 AO stehe der Antragstellerin dann nicht zu, wenn sie wie der Steuerpflichtige selbst unter gleichen Voraussetzungen zur Vorlage – hier im Rahmen der Betriebsprüfung – verpflichtet sei. Die Verhältnismäßigkeit des Leistungsgebots ergebe sich insbesondere aus der Vielzahl der für sie zum Teil kostenneutralen Erfüllungsmöglichkeiten, der geringen Eingriffsintensität im Gegensatz zu dem übergeordneten staatlichen Interesse an einer gleichmäßigen Besteuerung, dem Anspruch des ehemaligen Mandanten auf eine zügige Betriebsprüfung und der verlängerten Frist auf zwei Wochen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides vom 22. Mai 2015 Bezug genommen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin am 12. Juni 2015 Einspruch, über den der Antragsgegner bisher nicht entschieden hat. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides lehnte der Antragsgegner mit Verfügung vom 9. Juli 2015 ab.
Nunmehr sucht die Antragstellerin um AdV bei Gericht nach. Zur Begründung führt sie Folgendes aus:
Der geltend gemachte Herausgabeanspruch stehe der Antragsgegnerin derzeit nicht zu. Das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht wirke auch gegen den Antragsgegner. Der Antragsgegner mache einen Anspruch aus §§ 93, 97 AO geltend. Tatsächlich stehe aber derzeit nicht fest, ob vorliegend Unterlagen vorhanden seien, die herausgegeben werden könnten. Hierzu werde auf das noch nicht vorliegende Ergebnis der Widerklage des Steuerpflichtigen A in dem zwischen ihnen geführten Rechtsstreit verwiesen. Für den Fall des Obsiegens müsse die Antragstellerin das erhaltene Honorar für die Anfertigung der Buchhaltung zurückzahlen. Wenn aber eine Buchhaltung nicht bezahlt sei, es also keinen Anspruch auf die Gegenleistung gebe, könne dieses nur bedeuten, dass die Leistung nicht erbracht sei. Eine nicht erbrachte Leistung könnte sie aber nicht herausgeben müssen. Wenn der Widerkläger also obsiege und eine Buchhaltung nicht honorieren müsste, so nur, weil keine gefertigt worden sei. Der Steuerpflichtige habe hernach eine digitale Buchführung erst, wenn er eine solche auch bezahle. Der Steuerpflichtige habe zum Ausdruck gebracht, dass die von der Antragstellerin gefertigte Buchführung ihm nicht zugerechnet werden solle. Hierfür habe er sich gerichtlicher Hilfe bedient. Insoweit sei die Buchführung dem Steuerpflichtigen endgültig erst als seine zuzuordnen, wenn insoweit ein richterlicher Ausspruch erfolgt sei. Derzeit stelle die Buchführung als eigentliche Urkunde i. S. der §§ 97 ff. AO jedenfalls keine Gedankenerklärung des Steuerpflichtigen dar, die zum Beweis einer rechtlich erheblichen Tatsache geeignet wäre und sei somit nicht als Beweismittel des 3. Unterabschnitts des Dritten Teils der AO anzusehen.
Überdies bestünde sodann ein Zurückbehaltungsrecht, das gegen den Steuerpflichtigen wirke. Dieser und nicht die Antragstellerin sei zur Buchführung verpflichtet oder führe freiwillig Bücher. Eine Herausgabe an den Antragsgegner sei eine Herausgabe an den Steuerpflichtigen. Gegenüber dem vormaligen Auftraggeber bestehe aber ein Zurückbehaltungsrecht. Das in § 66 StBerG und § 273 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) normierte Zurückbehaltungsrecht gelte folglich auch gegen den Antragsgegner als derzeitig alleiniger Adressat einer Buchführung. Die Antragstellerin mache nochmals ausdrücklich ihr Zurückbehaltungsrecht nicht nur aus § 66 StBerG, sondern auch aus § 273 BGB geltend. Das vom Antragsgegner angeführte Urteil des OLG München sei auf den Streitfall nicht übertragbar. Sollte in der Honorarklage überdies der Fall eintreten, dass ihr vormaliger Mandant weiterhin behaupte, keine Aufträge an sie erteilt zu haben, so würde sie eine Betrugsanzeige fertigen. Hierzu sei die Buchführung Beweisstück und somit von § 104 AO geschützt und müsse – derzeit – nicht herausgegeben werden. Insoweit werde die Buchhaltung also gegen ihren Mandanten zurückbehalten und nicht für ihn.
Des Weiteren habe der Antragsgegner nicht dargelegt, aus welcher Ermächtigungsgrundlage heraus er einen Datenträger mit einem bestimmten Standard anfordere bzw. auf welcher Ermächtigungsgrundlage er eine Zustimmung zu einer Datenübertragung stützen möchte. §§ 93, 97 AO würden lediglich bestimmen, dass auf Verlangen Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere u. a. Urkunden vorgelegt werden müssten. Alle Unterlagen, die ihr vormaliger Mandant überlassen habe, habe er zurückerhalten. Alle für die Besteuerung relevanten Unterlagen, die sie für ihn gefertigt habe, hätte er ausgehändigt erhalten. Eine ordnungsgemäße Buchhaltung jedoch habe die anwaltliche Vertretung ihres ehemaligen Mandanten in dem schon angeführten Honorarrechtsstreit bestritten.
Der Antragsgegner sei nicht gehindert, mit den vorhandenen Unterlagen eine Betriebsprüfung durchzuführen. Der Antragsgegner sei auch nicht gehindert, gegen den zu prüfenden Steuerpflichtigen ein Verzögerungs- und/oder Zwangsgeld festzusetzen.
Jedenfalls bestimme § 200 Abs. 2 AO, dass der Steuerpflichtige die Bücher vorzulegen habe. Einen Verweis auf § 97 Abs. 1 AO finde nicht statt und § 200 AO entfalte insoweit eine Sperrwirkung gegenüber § 97 Abs. 1 AO. Insoweit wäre auch dieses Verfahren bereits erledigt, wenn der Steuerpflichtige als Vorlagepflichtiger aus § 200 Abs. 1 AO von dem Antragsgegner auf seine steuerlichen Pflichten hingewiesen und auf Herausgabe in Anspruch genommen worden wäre. Der Antragsgegner habe nicht vorgetragen, was ihn bisher gehindert habe, seine Rechte gegen den Steuerpflichtigen geltend zu machen.
Es sei auch nicht ersichtlich, woher der Antragsgegner eine Ermächtigungsgrundlage herleite, die das Zurückbehaltungsrecht ihrerseits an der Handakte, zu der die Buchhaltung unstreitig gehöre, hinter das behauptete Herausgaberecht der Antragstellerin stelle. Jedenfalls die §§ 93, 97 AO würden einen solchen Vorrang nicht bestimmen. Es sei auch nicht anderweitig ersichtlich, woraus sich ein gesetzlicher Vorrang des Herausgabeanspruchs des Antragsgegners gegen das gesetzlich normierte Zurückbehaltungsrecht an der Handakte der Antragstellerin ergeben solle.
Sie könnte nur deshalb andere Person i. S. der §§ 93, 97 AO sein, weil der Steuerpflichtige einen Steuerberatungsvertrag mit ihr geschlossen habe. Dieser sei nunmehr durch den vormaligen Mandanten gekündigt worden und es würden erhebliche Rückforderungsansprüche geltend gemacht. Es sei aus den §§ 93,97 AO nicht ersichtlich, dass sie für die Steuerberatungsleistung in Vorleistung treten oder dem Antragsteller Daten liefern müsse, die nicht honoriert worden seien. Insoweit sei die zivilrechtliche Verknüpfung ausschlaggebend für einen möglichen Herausgabeanspruch des Antragsgegners.
Weiterhin habe sich die Finanzbehörde als Teil der Verwaltung an das in Art. 20 Abs. 3 GG normierte Gebot der Bindung an das Gesetz zu halten. Und mit Gesetz seien alle geschriebenen Rechtssätze gemeint, also auch § 273 BGB und § 66 Abs. 2 StBerG. Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) führe daher dazu, dass der Antragsgegner keineswegs ein über die gesetzlich normierten Zurückbehaltungsrechte der Antragstellerin stehendes Recht habe, die geltend gemachten Zurückbehaltungsrechte nicht beachten zu müssen.
In dem Betriebsprüfungsverfahren stehe zu befürchten, dass das gegenüber dem vormaligen Mandanten geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht überdies konterkariert werde. Sobald die Betriebsprüfung zu ersten Ergebnissen komme, die mit dem Steuerpflichtigen oder seinem steuerlichen Vertreter diskutiert werden müssten, sei dem Steuerpflichtigen Akteneinsicht aus den Gründen eines fairen Verfahrens schwerlich zu verweigern, zumal er ohne Unterlagen die Anforderungen des Antragsgegners werde nicht erfüllen können. Sobald aber die Akteneinsicht gewährt worden sei, sei das einzige Druckmittel gegen den säumigen Mandanten obsolet und eine Herausgabe an ihn physisch erfolgt.
Der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung des Steuerpflichtigen gegenüber dem Finanzamt komme im Hinblick auf das Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters nur eine sekundäre Bedeutung zu, weil der Steuerpflichtige seine Verpflichtungen gegenüber dem Antragsgegner ohne Weiteres erfüllen könnte, wenn er die Honoraransprüche befriedige oder durch Hinterlegung sichere und dadurch in den Besitz der begehrten Unterlagen, vorliegend die Buchhaltung, gelange.
Die durch den Antragsgegner in Bezug genommenen Verlautbarungen der Bundessteuerberaterkammer gehen insoweit von einer tatsächlich fehlenden gesetzlichen Grundlage aus, würden aber verkennen, dass grundsätzlich der Steuerpflichtige die Anforderungen der Finanzverwaltung erfüllen müsse und nicht vordergründig ein vormals Bevollmächtigter. Insoweit differenziere auch die Bundessteuerberaterkammer in ihrem Hinweis nicht zwischen einem laufenden Mandat und einem beendeten Steuerberatungsvertragsverhältnis. Überdies werde dort verkannt, dass vertragliche Verbindungen gleichwohl Drittwirkung haben könnten. Richtigerweise werde freilich von der Bundessteuerberaterkammer gesehen, dass ein Zurückbehaltungsrecht nach § 104 Abs. 2 AO eben die Arbeitsergebnisse des Steuerberaters umfasse. Der Steuerpflichtige sei noch nie Eigentümer der Buchhaltung gewesen und wäre dementsprechend auch nicht Verpflichteter, anders als bei den zurückgegebenen Buchungsbelegen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung der Herausgabeanordnung vom 22. Mai 2015 ab sofort bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Der Antragsgegner erwidert wie folgt:
1. Er könne für die Durchführung der Betriebsprüfung die Vorlage eines den Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) entsprechenden Datenträgers verlangen. Zur Vorlage sei auch ein ehemaliger Steuerberater verpflichtet, wenn sich der Datenträger in seinem Besitz befinde.
a) Zu den im Rahmen einer Außenprüfung vorzulegenden Unterlagen gehöre auch ein Datenträger mit den gespeicherten Daten der Finanzbuchhaltung des Prüfungszeitraums. Im Rahmen einer Betriebsprüfung habe der Steuerpflichtige insbesondere Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere u. a. Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die Finanzbehörde bei der Ausübung ihrer Befugnisse nach § 147 Abs. 6 AO zu unterstützen (§ 200 Abs. 1 Satz 2 AO). Die Bestimmung des Umfangs der Mitwirkung des Steuerpflichtigen liege im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde. Auf Anforderung habe der Steuerpflichtige vorhandene Aufzeichnungen und Unterlagen vorzulegen, die nach Einschätzung der Finanzbehörde für eine ordnungsgemäße und effiziente Abwicklung der Außenprüfung erforderlich seien, ohne dass es ihm gegenüber einer zusätzlichen Begründung hinsichtlich der steuerlichen Bedeutung bedürfe. Seien Unterlagen nach § 147 Abs. 1 AO mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden, habe die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen. Sie könne gemäß § 147 Abs. 6 Satz 2 AO im Rahmen einer Außenprüfung auch verlangen, dass ihr die gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung gestellt würden. Bei der Datenträgerüberlassung seien der Finanzbehörde mit den gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen alle zur Auswertung der Daten notwendigen Informationen in maschinell auswertbarer Form zur Verfügung zu stellen.
b) Zur Vorlage des Datenträgers sei auch ein ehemaliger Steuerberater verpflichtet, wenn sich der Datenträger in seinem Besitz, nicht aber im Besitz des Steuerpflichtigen befinde. Der von einer Außenprüfung Betroffene müsse nach § 200 Abs. 1 Satz 1 und 2 AO bei der Ermittlung der für die Besteuerung erheblichen Sachverhalte mitwirken. § 200 AO gehe den allgemeinen Auskunftspflichten (§§ 93,97 u. a. AO) nur insoweit vor, als der Außenprüfer zunächst versuchen müsse, die begehrten Informationen über entsprechende Mitwirkungsverlangen vom Steuerpflichtigen selbst, der von ihm benannten Person oder von anderen Betriebsangehörigen zu erlangen, ehe er sich aufgrund der allgemeinen Vorschriften an andere Personen, die nicht Betriebsangehörige seien, wenden könne. Diese Personen sollten nur dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führe oder keinen Erfolg verspreche. Die Inanspruchnahme anderer Personen zur Auskunftserteilung bedürfe einer Interessenabwägung zwischen den besonderen Belastungen, denen ein Auskunftspflichtiger ausgesetzt sei, und den Interessen der Allgemeinheit an einer möglichst gleichmäßigen Festsetzung und Verwirklichung der Steueransprüche. Die Vorlage von Urkunden durch andere Personen könne auch im Rahmen einer Betriebsprüfung nach Maßgabe des § 97 AO verlangt werden. Die vorlagepflichtige Person müsse die verlangten Urkunden vorlegen können; die Pflichterfüllung müsse objektiv und subjektiv möglich sein. Deshalb müsse der Aufgeforderte die Urkunde entweder selbst besitzen oder einen jederzeit durchsetzbaren Herausgabeanspruch gegen den unmittelbaren Besitzer der Urkunde haben. Auch eine Auskunft über den Inhalt elektronisch gespeicherter personenbezogener Daten sei möglich, wenn der um Auskunft ersuchte tatsächlich über die Speichermedien, auf denen die Daten gespeichert seien, verfügen könne. Dies gelte sowohl für Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 3 Satz 2 AO als für die Vorlage von Urkunden nach § 97 AO. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden könne auch nicht durch zivilrechtliche Verträge wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 II R 15/12, BStBl. II 2014, 225).
Im Streitfall sei die Vorlage des Datenträgers für die beabsichtigte Außenprüfung unverzichtbar. Zum einen existiere die Finanzbuchhaltung des zu prüfenden Steuerpflichtigen ausschließlich in digitalisierter Form, sodass eine Prüfung ohne die elektronisch gespeicherten Daten unmöglich wäre. Zum anderen würde auch die Komplexität der Prüfungsmethoden wie z. B. der Abgleich über die summarische Risikoprüfung, EDV unterstützte Verprobungen und Nachkalkulationen sowie die Datenvielfalt der Buchhaltungssysteme die Vorlage eines dem GDPdU-Standards entsprechenden Datenträgers unerlässlich machen, um einen zeitnahen und effizienten Abschluss der Betriebsprüfung überhaupt zu ermöglichen. Die Prüfung einzelner Papierbelege reiche hierfür nicht aus. Die Pflicht zur Überlassung eines dem GDPdU-Standard entsprechenden Datenträgers für Zwecke der Betriebsprüfung gelte auch in den Fällen, in denen sich die Daten bei Dritten befinden würden. Weil weder der Steuerpflichtige selbst noch sein jetziger Steuerberater im Besitz des Datenträgers mit den Buchhaltungsdaten für den Prüfungszeitraum seien und sie diesen auch nicht bei der DATEV e.G. anfordern könnten, sei das Finanzamt berechtigt, die Antragstellerin als „andere Person“ im Sinne des § 97 Abs. 1 AO zur Vorlage des Datenträgers aufzufordern. Denn die Antragstellerin ist die einzige Person, die im Besitz des Datenträgers sei oder diesen bei der DATEV e.G. anfordern könne.
c) An der Pflicht zur Herausgabe zum jetzigen Zeitpunkt würde sich auch dann nichts ändern, wenn die Antragstellerin in dem Prozess wegen Honorarforderungen unterliegen würde. Die insoweit angestellten hypothetischen Erwägungen hätten keine Auswirkung auf das vorliegende Herausgabeverlangen. Denn das die Daten tatsächlich vorliegen würden, bei der DATEV e.G. gespeichert seien und sich ein entsprechender Datenträger entweder bereits in Besitz der Antragstellerin befinde oder aber zumindest auf entsprechende Anforderung von der DATEV e.G. gefertigt werden könnte, werde von der Antragstellerin nicht bestritten. Nur dies sei für die Rechtmäßigkeit der Herausgabeanordnung entscheidungserheblich.
2. Das von der Antragstellerin gegenüber dem zu prüfenden Steuerpflichtigen geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht wirke nicht gegen das Finanzamt.
Nach § 66 Abs. 2 StBerG könne der Steuerberater seinem Auftraggeber die Herausgabe der Handakten verweigern, bis er wegen seiner Gebühren und Auslagen befriedigt sei. Handakten i. S. dieser Vorschrift seien die Schriftstücke, die der Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte aus Anlass seiner beruflichen Tätigkeit von dem Auftraggeber oder für ihn erhalten habe, auch wenn sich der Steuerberater zum Führen von Handakten der elektronischen Datenverarbeitung bediene. Der vom Finanzamt angeforderte Datenträger mit den Buchführungsdaten sei unstreitig Teil der Handakte des Steuerberaters (BGH-Urteil vom 11. März 2004 IX ZR 178/03, juris). Ein Zurückbehaltungsrecht für Arbeitsergebnisse des Steuerberaters könne sich aus § 273 BGB ergeben. Im Streitfall sei für die Beurteilung der Wirkweise des Zurückbehaltungsrechts allein auf § 66 Abs. 2 StBerG abzustellen. Denn weil § 66 StBerG ein Zurückbehaltungs- und Leistungsverweigerungsrecht speziell in Bezug auf die Handakten normiere und diese vorliegend betroffen seien, sei nicht auf die außerhalb des Anwendungsbereichs des § 66 StBerG heranzuziehenden allgemeinen Vorschriften der §§ 273, 320 BGB zurückzugreifen (vgl. OLG München Urteil vom 14. Mai 2012 15 W 813/12, DStR 2012, 1939). Das Zurückbehaltungsrecht des § 66 StBerG wirke nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes in dem Verhältnis zwischen Steuerberater und seinem Auftraggeber, also dem Mandanten. Das Finanzamt fordere den Datenträger von der Antragstellerin aber nicht in deren Eigenschaft als den Steuerpflichtigen vertretenden Steuerberater, sondern als „andere Person“. Von der Herausgabeanordnung sei somit nicht das direkte Verhältnis zwischen Steuerberater und (ehemaligen) Mandanten betroffen, sondern ein eigenes Recht des Finanzamtes gegenüber der Antragstellerin als dritte Person. Das Finanzamt habe ein eigenes, aus § 97 AO resultierendes Recht auf Herausgabe gegen die Antragstellerin.
3. Die Vorlage des Datenträgers könne nicht deshalb unter Hinweis auf §§ 102, 104 AO verweigert werden, weil die Buchführung Beweisstück in dem Verfahren beim Landgericht wegen Honoraransprüchen sei.
Nach § 102 Abs. 1 Nr. 3 AO könnten u. a. Rechtsanwälte, Notare und Steuerberater die Auskunft über das verweigern, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden ist. Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 AO könnten diejenigen Personen, die die Auskunft verweigern dürften, auch die Vorlage von Urkunden verweigern. Diese Grundsätze würde jedoch nicht im Hinblick auf diejenigen Mandanten greifen, die auf eine Geheimhaltung ihrer Identität verzichtet hätten; ein solcher Verzicht werde in aller Regel dort angenommen werden können, wo ein Berufsgeheimnisträger an der Erstellung von Steuererklärungen seiner Mandanten mitgewirkt und dies der Finanzbehörde gegenüber kenntlich gemacht habe (BFH-Urteil vom 8. April 2008, BStBl. II 2009, 579). Deshalb seien die Angehörigen der steuerberatenden Berufe trotz ihres Auskunftsverweigerungsrechts verpflichtet, alle Urkunden, insbesondere Geschäftsbücher und sonstige Aufzeichnungen, die sie für den Steuerpflichtigen aufbewahren oder führen, auf Verlangen der Finanzbehörde unter den gleichen Voraussetzungen vorzulegen wie der Steuerpflichtige selbst (§ 104 Abs. 2 AO). Die Antragstellerin bewahre den Datenträger auch „für“ den Steuerpflichtigen auf. Für den Beteiligten geführte Geschäftsbücher und sonstige Aufzeichnungen gelten als „für diesen aufbewahrt“ (§ 104 Abs. 2 Satz 2 AO), sofern sie sich im Besitz des Steuerberaters befinden würden. Die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen, bei dem die Außenprüfung durchgeführt werden solle, und seinem steuerlichen Berater, gegenüber dem das Finanzamt das Herausgabeverlangen äußere, seien abgabenrechtlich irrelevant (FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 13. April 2007 6 K 2012/06 B, EFG 2007 Seite 1658). Der Anlass, aus dem die Antragstellerin noch im Besitz des Datenträgers sei und diesen nicht an den ehemaligen Mandanten herausgegeben habe, sei folglich für die Frage, ob sie die Unterlagen „für“ den Steuerpflichtigen aufbewahre, unerheblich. Etwas anderes ergebe sich auch nicht im Hinblick auf den Rechtsstreit der Antragstellerin mit dem Steuerpflichtigen wegen streitiger Honorarforderungen. Es möge zwar sein, dass die Antragstellerin die elektronisch gespeicherte Buchführung als Beweismittel benötige, um in dem Gerichtsverfahren nachzuweisen, dass sie ihre Verpflichtungen aus dem Steuerberatungsvertrag ordnungsgemäß erfüllt habe. Bei dem vom Finanzamt geforderten Datenträger handele es sich jedoch um ein jederzeit reproduzierbares Objekt, sodass der Antragstellerin durch die Herausgabe eines Exemplars dieses Datenträgers die Beweismöglichkeit in dem Gerichtsverfahren nicht abgeschnitten würde.
4. Die Finanzbehörde verstoße mit der Herausgabeanordnung nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG.
Die Verwaltung sei verpflichtet, ihrer Entscheidung die objektiv richtige Rechtslage zugrunde zu legen. Dies ergebe sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem in Art. 20 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG verfassungsrechtlich garantierten Rechtsstaatsprinzip. An der gesetzmäßigen, d. h. insbesondere gleichmäßigen Besteuerung bestehe ein hohes öffentliches Interesse, das in diesen grundlegenden verfassungsrechtlichen Garantien verankert sei und deshalb einen Rang habe, der über das nur fiskalische Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens hinausgehe. Im Steuerrecht müssten von Verfassung wegen die steuerbegründenden Vorschriften im Prinzip einer möglichst gleichmäßigen Belastung der Steuerpflichtigen besonders sorgfältig Rechnung tragen. Dies sei auch bei der Auslegung steuerrechtlicher Vorschriften zu beachten. Für die Besteuerung sei danach – abgesehen von dem Einzelfall gebotenen Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) – generell die objektive Rechtslage maßgebend. Die Besteuerung knüpfe an den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt an (§ 38 AO), nicht aber an Rechtsansichten des Steuerpflichtigen, und erfolge materiell rechtlich ohne Prüfung auf deren Vertretbarkeit oder Verschulden des Steuerpflichtigen. Mit der Entscheidung, die Herausgabeanordnung zu erlassen, knüpfe der Antragsgegner an die sich aus den §§ 97, 147 Abs. 1 und 147 Abs. 6 AO ergebenden Mitwirkungspflichten der Antragstellerin an und erachte die gesetzlichen Regelungen, nach denen die Antragstellerin ein Zurückbehaltungsrecht auch gegenüber der Finanzbehörde geltend mache, für im Streitfall nicht einschlägig bzw. für durch die Antragstellerin nicht zutreffend ausgelegt.
5. Das gegenüber seinem Auftraggeber wirkende Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters werde nicht durch die Herausgabeanordnung konterkariert.
Die Antragstellerin hätte ihre diesbezügliche Einwendung damit begründet, im Betriebsprüfungsverfahren bestünde ein Recht des Steuerpflichtigen bzw. seines Steuerberaters auf Akteneinsicht. Es stehe zu befürchten, dass das Finanzamt den Datenträger bzw. die gespeicherten Daten an den Steuerpflichtigen weitergebe, sodass ihr einziges Druckmittel gegen den säumigen Mandanten dann obsolet sei. Dieser Einwand gehe schon aus dem Grunde fehl, weil ausgeschlossen werden könne, dass dem Steuerpflichtigen im Rahmen der Betriebsprüfung der Datenträger oder eine Kopie davon ausgehändigt werde. Allenfalls könnten dem Steuerpflichtigen im Laufe der Betriebsprüfung Daten bekannt werden, die sich aus der Auswertung des Datenträgers ergeben hätten. Hierbei handele es sich allerdings nur um solche Daten, die dem Steuerpflichtigen – da es sich um die Buchhaltung seines eigenen Betriebes handele – ohnehin bekannt seien, die ihm nur nicht in der vom Finanzamt für die Betriebsprüfung benötigten digitalisierten Form vorliegen. In dieser digitalisierten Form werde das Finanzamt die Daten dem Steuerpflichtigen aber auf keinen Fall zur Verfügung stellen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorbereitenden Schrift-sätze sowie 1 Bd. Arbeitsbogen und 1 Bd. RB-Akte Bezug genommen. Diese waren beigezogen und Gegenstand der Entscheidung.
Aus den Gründen
II. Der Antrag ist ohne Erfolg.
Nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Bescheides auf Antrag ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Ernstliche Zweifel i. S. des § 69 FGO liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. März 1979, GrS 5/77, BFHE 127, 140, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 1979, 570). Da das Aussetzungsverfahren wegen seiner Eilbedürftigkeit und seines vorläufigen Charakters ein summarisches Verfahren ist, beschränkt sich die Überprüfung des Prozessstoffes auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen (insbesondere die Akten der Finanzbehörde) sowie auf die präsenten Beweismittel. Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das Gericht sind nicht erforderlich (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Beschluss vom 21. Juli 1994, IX B 78/94, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1995, 116). Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen. Glaubhaftmachung ist eine Beweisführung, die dem Richter nicht die volle Überzeugung, sondern nur einen geringeren Grad von Wahrscheinlichkeit vermitteln soll. Die im Hauptsacheverfahren geltenden Regeln zur Feststellungslast gelten auch für das Aussetzungsverfahren (vgl. Gräber/Koch, FGO, 7. Aufl. 2010, § 69 Rz. 121 m. w. N.). Die Tat- und Rechtsfragen brauchen nicht abschließend geprüft zu werden. Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Irgendeine vage Erfolgsaussicht genügt jedoch nicht. Andererseits ist nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechenden Gründe überwiegen (BFH-Beschlüsse vom 20. Mai 1997, VIII B 108/96, BFHE 183, 174, BFH/NV BFH/R 1997, 462 und vom 23. August 2004, IV S 7/04, BFH/NV 2005, 9).
Derartige Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Herausgabeverlangens des Antragsgegners im Bescheid vom 22. Mai 2015 sind nicht gegeben.
Der Antragsgegner kann gemäß §§ 147 Abs. 6 Satz 2, 97 i. V. m. § 104 Abs. 2 AO von der Antragstellerin die Herausgabe eines dem GDPdU-Standard entsprechenden Datenträgers mit den Buchführungsdaten zur Durchführung einer Betriebsprüfung für die Jahre 2010 bis 2012 (Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer) verlangen. Die entsprechende Ermessensentscheidung des Antragsgegners ist rechtmäßig (§ 102 FGO).
1. Die Antragstellerin ist als sog. „andere Person“ im Sinne von § 97 Abs. 1 Satz 1 AO mit Auskunftsverweigerungsrecht als Steuerberater und Rechtsanwalt (§ 102 Abs. 1 Nr. 3 b AO) in dem Umfang herausgabepflichtig wie es Herr A als „Beteiligter“ im Sinne dieser Vorschrift wäre, wenn sich die betreffenden Unterlagen in seinem Besitz befänden (§ 104 Abs. 2 AO). Zweck der Bestimmung des § 104 Abs. 2 AO ist es, zu verhindern, dass der Steuerpflichtige an sich vorlagepflichtige Unterlagen dem Zugriff des Finanzamtes dadurch entziehen kann, dass er sie in die Obhut eines auskunftsverweigerungsberechtigten sog. Berufsträgers i. S. von § 102 AO gibt (vgl. BT-Drucks. VI/1982,138; Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 104 AO Rz. 16; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 104 AO Tz. 3 m. w. N.). Das Herausgabeverlangen kann der Antragsgegner gegenüber Herrn A als Steuerpflichtigem auch auf § 200 Abs. 1 Satz 2 AO stützen, weil im Rahmen dieser Vorschrift derselbe Urkundenbegriff wie in § 97 Abs. 1 AO verwendet wird (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 200 AO Tz. 8).
Für Herrn A als Steuerpflichtigen ergäbe sich eine Herausgabepflicht hinsichtlich vom Antragsgegner angeforderter schriftlicher Unterlagen aus § 97 Abs. 1 Satz 1 AO. Danach hat der Steuerpflichtige auf Verlangen des Finanzamts „Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden“ zur Einsicht und zur Prüfung vorzulegen. Der Begriff „Urkunde“ ist dabei der Oberbegriff. Bücher, Aufzeichnungen und Geschäftspapiere sind beispielhaft aufgeführte Unterarten. Damit kommt zum Ausdruck, dass nicht nur notarielle Urkunden und nicht nur nach § 147 Abs. 5 AO aufbewahrungspflichtige Unterlagen von § 97 AO erfasst sind. „Urkunden“ in diesem Sinne sind vielmehr schriftlich oder auf Daten- und Bildträgern festgehaltene Gedankenerklärungen. Eine Gedankenerklärung liegt nur dann vor, wenn das Schriftstück eine eigene Aussage enthält (keine bloße Wiedergabe von Tatsachen, vgl. dazu Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung, § 97 AO Rz. 4 und 5). In diesem Sinne stellen die Ausdrucke der Konten der Finanzbuchführung, die Journale, die Primanoten und die Summen- und Saldenlisten allesamt „Urkunden“ im Sinne von § 97 Abs. 1 AO dar (vgl. dazu auch Sauer in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 200 AO Rz. 21, wonach auch alle internen Rechenwerke, elektronische Daten und EDV-Aufbereitungen unter den Urkundenbegriff im Sinne von § 97 AO fallen).
Die Ermächtigungsgrundlage für das Verlangen des Antragsgegners auf Herausgabe eines Datenträgers mit den entsprechenden Werten für den Betrieb des Steuerpflichtigen ergibt sich aus § 147 Abs. 6 Satz 2 AO. Danach hat die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen, wenn die Unterlagen nach Absatz 1 mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden sind. Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung auch verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet oder ihr die gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung gestellt werden.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin bewahrt sie die Unterlagen auch „für“ den Steuerpflichtigen auf. Der Umstand, dass es zwischen ihr und dem Steuerpflichtigen zivilrechtliche Streitigkeiten über die jeweilige Erfüllung der Vertragspflichten gibt und ggf. die Antragstellerin auch eine Betrugsanzeige gegen den Steuerpflichtigen erhebt, ändert nichts daran, dass im Verhältnis zum Antragsgegner die Unterlagen „für“ den Steuerpflichtigen aufbewahrt werden. Denn dies ist die Folge der – nach eigener Auffassung der Antragstellerin – bestehenden vertraglichen Verbindungen zwischen ihr und dem Steuerpflichtigen. Die Antragstellerin hatte – nach ihrer Darstellung – den Auftrag, die Buchführung „für“ den Steuerpflichtigen zu fertigen. Die Verwendbarkeit der erstellten Buchführung als Beweismittel in anderen Verfahren hat insoweit keine Auswirkung.
2. Dem Herausgabeverlangen des Antragsgegners steht auch nicht ein Zurückbehaltungsrecht entgegen. Nach § 66 Abs. 2 StBerG kann der Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte seinem Auftraggeber die Herausgabe der Handakten verweigern, bis er wegen seiner Gebühren und Auslagen befriedigt ist. Dies gilt nicht, soweit die Vorenthaltung der Handakten und der einzelnen Schriftstücke nach den Umständen unangemessen ist. Ob und inwieweit danach die Antragstellerin gegenüber dem Steuerpflichtigen im Streitfall die Herausgabe verweigern darf, kann vorliegend offen bleiben. Denn der Steuerberater ist nicht berechtigt, sich gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Vorlageanspruch der Finanzverwaltung auf sein Zurückbehaltungsrecht zu berufen. Insoweit fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage (Gehrke/Koslowski, StBerG, 6. Auflage 2009, § 66 RNr. 13).
Gleiches gilt auch für das von der Antragstellerin geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB. Hierbei handelt es sich ebenfalls um ein schuldrechtliches Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Mandanten als Auftraggeber. Die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und der Antragstellerin sind jedoch im Verhältnis zum Antragsgegner irrelevant (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 104 AO Tz. 3; Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 104 AO RNr. 16; Dumke in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 104 RNr. 7, Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 13. April 2007 6 K 2012/06 B, EFG 2007, 1658).
3. Angesichts der geringen Belastung der Antragstellerin durch die Herausgabe des angeforderten Datenspeichersticks bzw. der vom Antragsgegner wahlweise geforderten Freigabeerklärung gegenüber der DATEV bestehen auch keine Bedenken gegenüber dem angefochtenen Verwaltungsakt im Hinblick auf den insbesondere auch im Rahmen einer Außenprüfung von der Finanzverwaltung zu beachtenden verfassungsrechtlich verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Das Herausgabeverlangen ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil der Steuerpflichtige in dem Zivilverfahren gegenüber der Antragstellerin eine nicht oder nicht ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Pflichten behauptet und deshalb die Leistung verweigert sowie bereits geleistete Zahlungen zurückfordert. Denn die Antragstellerin trägt selber hier nicht vor, dass sie die Buchführung für den Steuerpflichtigen nicht erstellt habe. Insoweit verlangt der Antragsgegner also nach eigenem Vorbringen der Antragstellerin nichts Unmögliches. Inwieweit zivilrechtlich Erfüllungsansprüche bestehen oder nicht bestehen und eine Leistung ordnungsgemäß erbracht ist oder nicht, spielt für das vorliegend streitige öffentlich-rechtliche Verlangen des Antragsgegners keine Rolle. Die Antragstellerin hat das herauszugeben, was an Unterlagen vorhanden ist. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Schließlich ist das Herausgabeverlangen auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil durch dessen Erfüllung das Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Steuerpflichtigen konterkariert werden würde. Denn wie der Antragsgegner zu Recht ausführt, würde der Datenspeicherstick nicht an den Steuerpflichtigen herausgegeben und nach Abschluss der Prüfung vielmehr wieder an die Antragstellerin zurückgegeben. Die Möglichkeit, dass der Steuerpflichtige durch Akteneinsicht Teile der – möglicherweise dann ausgedruckten – Buchführung einsehen kann, um zu Feststellungen der Betriebsprüfung Stellung nehmen zu können, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn damit erhält der Steuerpflichtige nicht den gesamten Datenbestand in digitalisierter Form.
4. Ermessensfehler im Sinne von § 5 AO hinsichtlich des Ob und des Wie der Inanspruchnahme der Antragstellerin als Herausgabeschuldnerin sind ebenfalls nicht ersichtlich. Der Antragsgegner hat in der angefochtenen Entscheidung sämtliche Aspekte des Herausgabeverlangens abgewogen und die bisherigen Einwendungen der Antragstellerin gewürdigt.
Im gerichtlichen Aussetzungsverfahren hat der Antragsgegner auch ausdrücklich dazu Stellung genommen, aus welchem Grund die Erfüllung des Herausgabebegehrens nicht vom Steuerschuldner verlangt wird. Denn die Vorlage des Datenträgers ist nur der Antragstellerin möglich. Da die Finanzbuchhaltung des Steuerpflichtigen nur in digitalisierter Form besteht und bisher nur die Antragstellerin im Besitz des Datenträgers ist bzw. die entsprechende Erstellung durch die DATEV e.G. verlangen kann, kommt ein anderer Herausgabepflichtiger nicht in Betracht. Die Vorlage der Belege und sonstiger Unterlagen in Papierform, die sich im Besitz des Steuerpflichtigen befinden, stellt keine Alternative dar. Denn die Prüfungsmethoden erfordern die Daten in digitalisierter Form.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
6. Die Beschwerde war gem. § 128 Abs. 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.