FG Münster: Vermögenszurechnung bei Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3 GrEStG i. R. e. aufschiebend bedingten Grundstückskaufs
FG Münster, Urteil vom 5.6.2012 – 8 K 1667/09 GrE, Rev. eingelegt (Az. BFH II R 26/12)
LEITSÄTZE (DES KOMMENTATORS)
1. Die Zuordnung von Grundstücken zum Vermögen der Gesellschaft i. S. v. § 1 Abs. 3 GrEStG hängt von der Steuerentstehung ab. Hat die Gesellschaft ein Grundstück aufschiebend bedingt gekauft, ist ihr das Grundstück mithin erst ab Eintritt der aufschiebenden Bedingung zuzurechnen.
2. Ebenso wie die tatsächliche Durchführung eines infolge unvollständiger Beurkundung nichtigen Grundstückskaufvertrags löst auch die tatsächliche Durchführung eines noch unter einer aufschiebenden Bedingung stehenden und deshalb noch nicht unbedingt wirksamen Grundstückskaufvertrags die Zugehörigkeit des Grundstücks zum Vermögen der Gesellschaft aus.
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 14 Nr. 1
Sachverhalt
Streitig ist, ob Grundstücke im Zeitpunkt einer Anteilsvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) zum Vermögen der betreffenden Gesellschaft gehörten.
Der Kläger (Kl.) sowie Herr B D waren zunächst zu jeweils 50 % am Stammkapital der X GmbH (GmbH) von insgesamt nominal 26.000 € beteiligt. Die GmbH war - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - Eigentümerin des Gebäudes C -Straße ... sowie der Wohnung Nr. 6 im Mehrfamilienhaus ..., R-Weg ... in S.
Mit notariellen Verträgen vom 14.06.2005 (UR .../05 und .../05 des Notars T, S) kaufte die GmbH zwei Grundstücke (Gemarkung M, Flur ..., Flurstück 123, Größe: 14.711 m² und Gemarkung M, Flur ..., Flurstück 456, Größe: 4.936 m²). Der Kaufpreis betrug 1.100.000 € bzw. 470.000 €. In den Vorbemerkungen der Verträge war festgehalten, dass die GmbH beabsichtige, die Grundstücke innerlich neu zu vermessen, zu parzellieren, zu veräußern und zu bebauen. Die Verkäuferinnen erteilten der GmbH Vermessungs- und Katastervollmacht. Die GmbH sei berechtigt, mit Abverkäufen von Teilflächen aus der jeweiligen Kauffläche sofort zu beginnen. In den Verträgen wurde jeweils vereinbart, dass sie aufschiebend bedingt wirksam seien. Aufschiebende Wirksamkeitsbedingung sei:
- der für die Kauffläche 123 vorgesehene Bebauungsplan sei rechtskräftig,
- der Erteilung von Baugenehmigungen stünden keine Bedenken der Stadt S / Bauamt entgegen,
- die innere Erschließung der Bauplätze sei gegeben, so dass mit einer Bebauung begonnen werden könne und
- die Verkäuferpartei habe der Stadt S die Ausgleichsflächen durch Vertrag zur Verfügung gestellt oder bezahlt.
Weiter heißt es in den Verträgen, dass die GmbH den Notar vom Eintritt der Bedingungen informieren werde. Der Notar solle mit Dienstsiegel den Bedingungseintritt für die Beteiligten feststellen, und das Finanzamt S (den Beklagten - Bekl. -) dann über den Bedingungseintritt informieren. Zur Auflassung heißt es, dass sie erklärt werden solle, wenn die Wirksamkeit des Vertrags eingetreten sei. Die Vertragsparteien erteilten zwei Notariatsangestellen Auflassungsvollmacht sowie Durchführungsvollmacht zur Abgabe aller erforderlichen Erklärungen und Anträge.
Mit notariellem Vertrag vom 27.04.2006 (UR .../06 des Notars T) kaufte die GmbH zudem eine in einem dem Vertrag anliegenden Plan gekennzeichnete, noch zu vermessende Teilfläche von ca. 2.530 m² aus dem Grundstück M, Flur ..., Flurstück 789 (Nachbargrundstück des Flurstücks 123). Der Kaufpreis betrug 207.000 €. Der Vertrag stand unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Vertrag über das Flurstück 123 wirksam werde. Als weitere aufschiebende Wirksamkeitsbedingung wurden auch in diesem Vertrag Rechtskraft des Bebauungsplans, fehlende Bedenken gegen die Erteilung von Baugenehmigungen und innere Erschließung der Bauplätze vereinbart. Aufschiebende Wirksamkeitsbedingung sei darüber hinaus, dass die Fortschreibungsunterlagen zur Kauffläche vorlägen, die Kauffläche also vermessen sei und das Katasteramt für die Kauffläche eine neue Flurstücknummer vergeben habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die drei Vertragsurkunden Bezug genommen.
Die Dinge entwickelten sich wie folgt: Das Flurstück 789 wurde im Juli 2006 vermessen. Am 24.08.2006 schloss die GmbH mit der Stadt S einen städtebaulichen Vertrag / Erschließungsvertrag zur Aufstellung eines Bebauungsplans für das Grundstück 123 und die Teilfläche des Grundstücks 789 (Bezeichnung des Baugebiets „Wohnpark E", Straßenbezeichnung: Y). In diesem Vertrag verpflichtete sich die GmbH zudem, einen Betrag in Höhe von 32.714 € für Ausgleichsmaßnahmen an die Stadt S zu zahlen. Der Bebauungsplan trat am 30.09.2006 in Kraft. Bauvorhaben konnten im Freistellungsverfahren nach § 67 Bauordnung NRW (BauO NW) verwirklicht werden. Am 05.10.2006 erteilte die GmbH den Auftrag für einen Entwässerungskanal und für Straßenbauarbeiten zur Erschließung des Wohnparks E an die I GmbH & Co. KG. Das Auftragsvolumen belief sich auf rd. 290.000 €. Die Bauarbeiten sollten am 30.10.2006 beginnen und 70 Arbeitstage in Anspruch nehmen. Eine 1. Teilrechnung über rd. 37.300 € für im November ausgeführte Baumaßnahmen erteilte die I GmbH & Co. KG am 24.11.2010. Die Baustraße wurde von der Stadt S am 25.01.2007 abgenommen. Bis zum 01.11.2006 hatte die GmbH von den auf den ehemaligen Grundstücken 123 und 789 bis dahin gebildeten ca. 25 Parzellen 15 Parzellen an Endabnehmer verkauft. Die betreffenden Kaufverträge waren aufschiebend bedingt wirksam. Wirksamkeitsbedingung war u.a., dass die Verträge, durch die die GmbH die Grundstücke gekauft hatte, wirksam würden. Die neu gebildeten Flurstücke wurden Mitte Oktober 2006 in das Grundbuch eingetragen. Nach Auskunft der Stadt S wurde für eine der Parzellen (Y 35) am 15.11.2006 mitgeteilt, dass kein Genehmigungsverfahren durchgeführt werden solle (§ 67 Abs. 2 BauONW). Für das weitere, von dem städtebaulichen Vertrag nicht erfasste Grundstück (456), das aus Sicht der anderen beiden Grundstücke jenseits der E-straße lag, gab es bereits seit 1991 einen Bebauungsplan. Eine Parzellierung dieses Grundstücks erfolgte erst später (ab 2007).
Am 27.10.2006 wurden die Auflassungen im Hinblick auf die in den Verträgen .../05, .../05 und .../06 verkauften Grundstücke erklärt. Der Notar stellte die erforderlichen Anträge für die Eigentumsumschreibung im Grundbuch. Die GmbH wurde am 08.11.2006 (ehemaliges Grundstück 123 und Teilfläche des ehemaligen Grundstücks 789) bzw. am 10.11.2006 (Grundstück 456) als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Mit separaten, per Fax übermittelten Schreiben vom 27.10.2006 teilte der Notar dem Bekl. (Grunderwerbsteuerstelle) mit, dass die drei Kaufverträge nunmehr rechtswirksam geworden seien. Er bat um Erlass der Grunderwerbsteuerbescheide. Die GmbH zahlte die Kaufpreise an die jeweiligen Verkäufer am 06.11.2006. Den Betrag von 32.714 € (Kosten für Ausgleichsmaßnahmen), den sie bei der Zahlung des Kaufpreises für das Grundstück 123 einbehalten hatte, überwies sie am 01.12.2006 an die Stadt S. Dass die Kaufverträge zwischen der GmbH und den Endabnehmern rechtswirksam geworden seien, teilte der Notar dem Bekl. am 06.11.2006 (in drei Fällen am 08.02.2007) mit.
Mit notariellem Vertrag vom 28.10.2006, auf den verwiesen wird, kaufte der Kl. den Anteil des Herrn D am Stammkapital der GmbH mit Wirkung vom 01.11.2006. Ein Grunderwerbsteuerbescheid wurde im Hinblick auf diesen Vorgang zunächst nicht erlassen.
Im Jahr 2008 führte der Bekl. eine Betriebsprüfung beim Kl. durch, die sich auch auf die Grunderwerbsteuer bezog. Der Prüfer gelangte zu dem Ergebnis, dass die mit den notariellen Verträgen UR .../05, .../05 und .../06 verkauften Grundstücke am Übertragungsstichtag zum Vermögen der GmbH gehört hätten und daher bei Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG einzubeziehen seien. In dem Betriebsprüfungsbericht vom 28.07.2008, auf dessen Textziffer 2.4 (nebst Untertextziffern) im Übrigen verwiesen wird, heißt es hierzu, der Notar habe dem Beklagten am 27.10.2006 mitgeteilt, dass die Kaufverträge wirksam geworden seien. Alle Beteiligten seien hiervon ausgegangen. Es könne dahinstehen, ob alle in dem Vertrag aufgeführten Wirksamkeitsbedingungen tatsächlich vorgelegen hätten. Aus § 14 GrEStG ergebe sich nichts anderes. Sinn dieser Vorschrift sei es, dass nur endgültig rechtswirksame Verpflichtungsgeschäfte der Steuer unterfielen.
Der Bekl. folgte den Feststellungen des Betriebsprüfungsberichts und setzte mit Bescheid vom 10.11.2008 Grunderwerbsteuer in Höhe von 68.345 € fest.
Der Kl. legte Einspruch ein und beantragte, die Grunderwerbsteuer herabzusetzen. Er machte geltend, die betreffenden Grundstücke hätten im Zeitpunkt der Anteilsvereinigung nicht zum Vermögen der GmbH gehört. Die Kaufverträge seien noch nicht rechtswirksam gewesen. Richtig sei, dass der Notar dem Bekl. mit Schreiben vom 27.10.2006 mitgeteilt habe, dass die Verträge wirksam geworden seien. Hintergrund hierfür sei gewesen, dass die GmbH ein Interesse daran gehabt habe, dass die Zahlungsverpflichtung aus den Kaufverträgen entstehe. Denn sie habe in der Folge Zahlungsansprüche gegen die Erwerber der verkauften Parzellen gehabt. Diese Ansprüche hätten bereits Anfang Oktober 2006 die Zahlungsverpflichtungen überstiegen. Zu dieser Zeit seien zudem die Auseinandersetzungsverhandlungen zwischen ihm, dem Kl., und dem Mitgesellschafter D geführt worden. Bis zuletzt habe einer Handlungsalternative darin bestanden, Herrn D mit Grundstücken aus dem Baugebiet abzufinden. Wenn der Bekl. meine, dass es auf die Mitteilung des Notars ankomme, sei dies unzutreffend. Dem Notar sei der Bedingungseintritt mündlich oder fernmündlich mitgeteilt worden. Hierbei sei es möglicherweise zu Missverständnissen gekommen. Jedenfalls sei die Mitteilung des Notars vom 27.10.2006 darüber, dass die Verträge wirksam seien, falsch. Der Zeitpunkt des Bedingungseintritts könne zudem nicht einseitig (irrtümlich oder absichtlich) durch eine Vertragspartei festgelegt werden. Vielmehr hätten die Vertragsparteien nur durch notariell beurkundeten Vertrag eine andere Vereinbarung hinsichtlich der Wirksamkeitsbedingungen treffen können.
Der Bekl. wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 21.04.2009 als unbegründet zurück. Er führte aus, dass die Bedingungen im Interesse der GmbH in die Kaufverträge aufgenommen worden seien. Die GmbH habe sicher stellen wollen, dass sie die Grundstücke für ihre gewerblichen Zwecke nutzen könne. Für die Veräußerer sei der Bedingungseintritt nur insoweit von Bedeutung gewesen, als hiervon die Zahlung des Kaufpreises abhängig gewesen sei. Wie sich aus der Einspruchsbegründung ergebe, habe es im Interesse der GmbH gelegen, dass die Kaufverträge wirksam würden. Insofern seien die Interessen beider Vertragsparteien gleich gerichtet gewesen. Darauf, ob die Voraussetzungen des § 14 GrEStG erfüllt seien, komme es nicht an. Die Vertragsparteien hätten durch die Mitteilung des Notars zum Ausdruck gebracht, dass sie die Kaufverträge hätten durchführen wollen. Jedenfalls habe eine Verwertungsbefugnis der GmbH nach § 1 Abs. 2 GrEStG bestanden.
Zur Begründung seiner Klage nimmt der Kl. auf seinen Vortrag im Einspruchsverfahren Bezug. Ergänzend macht er geltend, zwischen den Beteiligten sei bisher unstreitig gewesen, dass zum Übertragungszeitpunkt noch nicht alle Wirksamkeitsbedingungen vorgelegen hätten. Soweit der Bekl. im Rahmen des Klageverfahrens nunmehr den gegenteiligen Standpunkt einnehme, sei dies im Hinblick auf die aufschiebenden Wirksamkeitsbedingungen (Rechtskraft des Bebauungsplans, fehlende Bedenken gegen die Erteilung von Baugenehmigungen, innere Erschließung der Bauplätze und Zahlung für Ausgleichsmaßnahmen) unzutreffend. Aus der unrichtigen Mitteilung des Notars vom 27.10.2006 könne der Bekl. nichts herleiten. Im Übrigen habe die Feststellung des Notars über den Bedingungseintritt „mit Dienstsiegel" erfolgen sollen. Diese formelle Voraussetzung sei nicht erfüllt. § 1 Abs. 2 GrEStG greife nicht ein.
Der Kl. beantragt, den Bescheid über Grunderwerbsteuer vom 10.11.2008 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 21.04.2009 dahin zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer auf 6.160 € festgesetzt wird, hilfsweise, die Revision zuzulassen,
sowie, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen sowie hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er hält an seiner in seiner Einspruchsentscheidung dargelegten Rechtsauffassung fest. Ergänzend macht er - unter Auseinandersetzung mit den einzelnen Bedingungen - geltend, dass die Kaufverträge im Zeitpunkt der Anteilsvereinigung zivilrechtlich wirksam gewesen seien. Selbst wenn man jedoch davon ausgehe, dass noch nicht alle Bedingungen vorgelegen hätten, sei zu berücksichtigen, dass die GmbH den Eintritt der Bedingungen in der Hand gehabt habe: Sie habe die Erschließung des Baugebiets beauftragen und die Ausgleichszahlungen erbringen müssen. Zudem sei die Mitteilung des Notars über die Wirksamkeit der Kaufverträge von der GmbH initiiert worden.
Aus den Gründen
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen den Kl. nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Bekl. hat zu Recht angenommen, dass die in den notariellen Verträgen UR .../05, .../05 und .../06 als Kaufgegenstand aufgeführten Grundstücke im Zeitpunkt der Anteilsvereinigung grunderwerbsteuerlich der GmbH zuzurechnen waren und daher i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zu deren Vermögen gehörten. Dementsprechend waren sie bei Festsetzung der Grunderwerbsteuer in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.
Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf die Übertragung eines Anteils der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden, der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind - was zwischen den Beteiligten dem Grunde nach zu Recht unstreitig ist - erfüllt. Der Kl., der zuvor zu ½ am Stammkapital der GmbH beteiligt war, hat den hälftigen Anteil des anderen Gesellschafters mit notariellem Vertrag vom 28.10.2006 mit Wirkung auf den 01.11.2006 gekauft.
Die Grundstücke gehörten im Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zum Vermögen der GmbH. Für die Frage der Vermögenszugehörigkeit ist auf die grunderwerbsteuerliche Zuordnung abzustellen. Entscheidend ist, ob ein Tatbestand erfüllt ist, der unter § 1 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 3 GrEStG fällt (Fischer in Boruttau, GrEStG, 17. Aufl. 2011, § 1 Rn. 990 mit weiteren Nachweisen). Vorliegend wurde durch den Abschluss der Kaufverträge UR .../05, .../05 und .../06 der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Allerdings ist für die grunderwerbsteuerliche Zuordnung § 14 Nr. 1 GrEStG zu beachten (Viskorf in Boruttau, GrEStG, 17. Aufl. 2011, § 14 Rn. 22). Hiernach entsteht die Steuer, wenn die Wirksamkeit eines Erwerbsvorgangs von dem Eintritt einer Bedingung abhängig ist, mit dem Eintritt der Bedingung.
§ 14 Nr. 1 GrEStG steht einer grunderwerbsteuerlichen Zuordnung der Grundstücke zum Vermögen der GmbH nicht entgegen. Denn die Vertragsparteien haben die (zivilrechtlich schwebend unwirksamen) Kaufverträge durchgeführt. Indem sie die Auflassungen erklärt und die für die Eigentumsumschreibung erforderlichen Anträge gestellt haben, haben sie den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 41 Satz 1 Abgabenordnung (AO) verwirklicht, mit der Folge, dass die Grundstücke ab diesem Zeitpunkt der GmbH zuzurechnen waren.
Der Senat muss nicht entscheiden, ob es sich bei allen in den Verträgen aufgeführten und so bezeichneten Bedingungen um Bedingungen im Sinne des § 14 Nr. 1 GrEStG handelte. Bedingung in diesem Sinne ist die aufschiebende Bedingung gemäß § 158 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - (Viskorf in Boruttau, GrEStG, 17. Aufl. 2011, § 14 Rn. 45), also die durch den Parteiwillen in ein Rechtsgeschäft eingefügte Bestimmung, die die Rechtswirkung des Geschäfts von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig macht (Palandt/Ellenberger, 71. Aufl. 2012, Vor § 158 Rn. 1). Zweifel hat der Senat insoweit insbesondere im Hinblick auf die Vereinbarung, dass der Kaufvertrag UR .../05 erst wirksam werden sollte, wenn die Verkäuferinnen der Stadt S die Ausgleichsflächen durch Vertrag zur Verfügung gestellt oder (den für die Ausgleichsmaßnahmen erforderlichen Betrag) bezahlt haben. Hierbei handelt es sich eher um eine sog. Vertragsbedingung, durch die eine Pflicht der Verkäuferseite festgelegt wurde, nämlich die Ausgleichsflächen zu stellen oder die Kosten von Ausgleichsmaßnahmen wirtschaftlich zu tragen.
Jedenfalls ist die in allen Kaufverträgen enthaltene Bestimmung, dass die innere Erschließung der Bauplätze „gegeben ist", so dass „mit einer Bebauung begonnen werden kann", als aufschiebende Bedingung i.S.d. § 158 Abs. 1 BGB zu qualifizieren. Denn die Wirksamkeit der Verträge sollte nach dem damaligen Willen der Vertragsparteien von dem ungewissen Ereignis abhängig gemacht werden, dass die für die „innere Erschließung" erforderlichen Baumaßnahmen tatsächlich abgeschlossen waren. Diese Bedingung war bei Kauf und Abtretung der GmbH-Anteile am 28.10.2006 noch nicht erfüllt. Nach dem mit der I GmbH & Co. KG abgeschlossenen Vertrag sollten die Erschließungsarbeiten für den „Wohnpark E" (Grundstück 123 und Teilfläche des Grundstücks 789) am 30.10.2006 beginnen. Tatsächlich erfolgten diese Arbeiten erst ab November 2006. Dies ergibt sich aus der 1. Teilrechnung der I GmbH & Co. KG vom 24.11.2010. Mit der Parzellierung und der Erschließung des Grundstücks 456 wurde erst deutlich später, im Jahr 2007 begonnen.
Der Umstand, dass die Kaufverträge (mangels Eintritts sämtlicher aufschiebender Bedingungen) Ende Oktober/Anfang November zivilrechtlich noch nicht wirksam waren, steht indes der grunderwerbsteuerlichen Zurechnung der Grundstücke zum Vermögen der GmbH nicht entgegen. Zwar hatte allein die Mitteilung des Notars über den Wirksamkeitseintritt weder zur Folge, dass die Kaufverträge zivilrechtlich wirksam wurden, noch, dass sich die grunderwerbsteuerliche Zuordnung entgegen § 14 Nr. 1 GrEStG änderte. Der Senat teilt jedoch die Einschätzung des Bekl., dass maßgeblich auf den Vollzug der Kaufverträge durch die Vertragsparteien abzustellen ist. Die Vertragsparteien haben nämlich, obwohl die aufschiebenden Bedingungen nicht vorlagen, die Auflassungen erklärt und den Notar angewiesen, die für die Eigentumsumschreibungen erforderlichen Anträge zu stellen. Die Vertragsparteien waren darüber einig, dass die Kaufverträge vollzogen werden sollten, obwohl die aufschiebenden Wirksamkeitsbedingungen noch nicht erfüllt waren. In diesen Zusammenhang ist die Mitteilung des Notars vom 27.10.2006 einzuordnen. Denn die Festsetzung und Zahlung der Grunderwerbsteuer war Voraussetzung für die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung, die wiederum für die Eintragung der GmbH als Eigentümerin im Grundbuch erforderlich war. Die Mitteilungen des Notars über die Wirksamkeit der Kaufverträge beruhten ebensowenig wie die Auflassungen und die an das Grundbuchamt gerichteten Anträge auf einem Missverständnis. Der Kl. hat im Einspruchsverfahren selbst vorgetragen, dass es ihm insbesondere vor dem Hintergrund des Erwerbs der GmbH-Anteile von seinem Mitgesellschafter auf die Eigentumsumschreibung ankam.
Gemäß § 41 Satz 1 AO ist es für die Besteuerung unerheblich, wenn ein Rechtsgeschäft unwirksam ist, soweit die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten lassen. So verhält es sich hier. Indem die Vertragsparteien die Kaufverträge, abweichend von den darin getroffenen Bestimmungen, durchgeführt und dadurch eine nach § 311b BGB unvollständig beurkundete Vereinbarung umgesetzt haben, haben sie den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 41 Satz 1 AO verwirklicht. § 14 Nr. 1 GrEStG steht diesem Befund nicht entgegen. Denn den ursprünglich vereinbarten Bedingungen sollten nach dem Willen der Vertragsparteien keine Bedeutung mehr zukommen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Auflassung nach der Rechtsprechung des BFH nicht (nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterliegt, wenn diese die Übertragung von Grundstücken auf Personen bewirkt, denen die Grundstücke grunderwerbsteuerlich bereits - wenn auch aufgrund eines noch schwebend unwirksamen Kaufvertrags - nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zuzurechnen waren (so z.B. wenn mit dem unter einer aufschiebenden Bedingung stehenden Kaufvertrag zugleich die - zwingend - unbedingte Auflassung erklärt wird und sichergestellt ist, dass von der Auflassung erst nach Bedingungseintritt Gebrauch gemacht werden kann, BFH Beschluss vom 10.02.2005 II B 115/04, BFH/NV 2005, 427). Denn so liegt der Fall hier nicht. Vielmehr haben die Vertragsparteien in Kenntnis des fehlenden Bedingungseintritts bewusst die Auflassungen erklärt und alles getan, um die Eintragung der GmbH als Eigentümerin im Grundbuch herbeizuführen (vgl. zu der ähnlichen Konstellation, dass abweichend von dem Kaufvertrag von der bereits abgegebenen Auflassungserklärung trotz fehlenden Bedingungseintritts einvernehmlich Gebrauch gemacht wird, Pahlke in Pahlke/Franz, GrEStG, 4. Aufl. 2010, § 14 Rn. 159).
Im Zeitpunkt der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG befanden sich die Grundstücke auch noch im Vermögen der GmbH und zwar auch, soweit die GmbH einzelne Parzellen bereits an Dritte weiterverkauft hatte. Grunderwerbsteuerlich waren diese Parzellen am 28.10.2006 (und auch am 01.11.2006) der GmbH zuzurechnen. Die zwischen der GmbH und den Dritten abgeschlossenen Kaufverträge standen unter der Bedingung, dass die Kaufverträge UR .../05 bzw. .../06 - zivilrechtlich - wirksam werden würden. Hieran fehlte es. Im Gegensatz zu diesen Kaufverträgen wurden die zwischen der GmbH und den Dritten abgeschlossenen Kaufverträge auch nicht (trotz fehlender Wirksamkeit) umgesetzt, so dass eine Zurechnung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 41 Satz 1 AO ausscheidet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat lässt die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
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