R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Steuerrecht
19.09.2024
Steuerrecht
EuGH: Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage im Fall eines Preisnachlasses nach Bewirkung des Umsatzes – Beiträge, die ein pharmazeutisches Unternehmen an den staatlichen Krankenversicherungsträger leistet

EuGH, Urteil vom 12.9.2024 – C-248/23, Novo Nordisk A/S gegen Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága

ECLI:EU:C:2024:735

Volltext BB-Online BBL2024-2798-1

 

Tenor

Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein pharmazeutisches Unternehmen, das Zahlungen zugunsten des staatlichen Krankenversicherungsträgers aus den Einnahmen zu leisten hat, die es mit öffentlich bezuschussten Arzneimitteln erzielt, deshalb nicht zur nachträglichen Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage berechtigt ist, weil die Zahlungen kraft Gesetzes erfolgen, von der Bemessungsgrundlage für die Zahlungspflicht sowohl die im Rahmen eines Zuschussvolumenvertrags geleisteten Zahlungen als auch die von dem Unternehmen getätigten Investitionen in Forschung und Entwicklung für den Gesundheitssektor abgezogen werden können und der zu zahlende Betrag von der Steuerbehörde eingezogen wird, die ihn unverzüglich an den staatlichen Krankenversicherungsträger weiterleitet.

 

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

 

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Novo Nordisk A/S und der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága (Rechtsbehelfsdirektion der nationalen Steuer- und Zollverwaltung, Ungarn) (im Folgenden: Rechtsbehelfsdirektion) wegen der Weigerung der Rechtsbehelfsdirektion, Novo Nordisk das Recht einzuräumen, von der Bemessungsgrundlage für die geschuldete Mehrwertsteuer die Beiträge abzuziehen, die diese aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung an den Nemzeti Egészségbiztosítási Alapkezelő (Staatlicher Krankenversicherungsträger, Ungarn) (im Folgenden: NEAK) gezahlt hat.

 

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3          Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.“

 

4          Art. 78 der Richtlinie lautet:

„In die Steuerbemessungsgrundlage sind folgende Elemente einzubeziehen:

a) Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst;

b) Nebenkosten wie Provisions‑, Verpackungs‑, Beförderungs- und Versicherungskosten, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger fordert.

Die Mitgliedstaaten können als Nebenkosten im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b Kosten ansehen, die Gegenstand einer gesonderten Vereinbarung sind.“

 

5          Titel VII Kapitel 5 („Verschiedene Bestimmungen“) der Richtlinie enthält Art. 90, der vorsieht:

„(1) Im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes wird die Steuerbemessungsgrundlage unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert.

 

(2) Die Mitgliedstaaten können im Falle der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung von Absatz 1 abweichen.“

 

6Art. 401 der Richtlinie lautet:

„Unbeschadet anderer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften hindert diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist.“

 

Ungarisches Recht

7          § 65 des Az általános forgalmi adóról szóló 2007. évi CXXVII. törvény (Gesetz Nr. CXXVII von 2007 über die allgemeine Umsatzsteuer) (Magyar Közlöny 2007/155. [XI.16.]) sieht vor:

„Bei der Lieferung von Gegenständen und der Erbringung von Dienstleistungen umfasst die Steuerbemessungsgrundlage – sofern dieses Gesetz nichts anderes vorsieht – den in Geld ausgedrückten Gegenwert, den der Berechtigte entweder vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Lieferungen oder Dienstleistungen zusammenhängenden Subventionen jeder Art.“

 

8          § 36 Abs. 1 des A biztonságos és gazdaságos gyógyszer- és gyógyászati segédeszköz-ellátás, valamint a gyógyszerforgalmazás általános szabályairól szóló 2006. évi XCVIII. törvény (Gesetz Nr. XCVIII von 2006 über die allgemeinen Regeln der sicheren und wirtschaftlichen Versorgung mit Arzneimitteln und medizinischen Hilfsmitteln sowie des Arzneimittelvertriebs) (Magyar Közlöny 2006/146. [XI.29.], im Folgenden: Gyftv) sieht vor:

„Der Zulassungsinhaber des Arzneimittels bzw. – wenn dieser im Inland keine Vertriebstätigkeit verrichtet – aufgrund der mit dem Vertreiber abgeschlossenen und von der staatlichen Steuerbehörde bestätigten Vereinbarung der Vertreiber sowie die einen Antrag auf Sozialversicherungsstützung für Nährmittel einreichende Person bzw. – wenn diese nicht mit dem Vertreiber der Nährmittel identisch ist – der Vertreiber … haben für alle ihre öffentlich finanzierten, in Apotheken vertriebenen Arzneimittel und Nährmittel … – mit Ausnahme der Arzneimittel laut § 38 Abs. 1 und der Nährmittel laut einer Rechtsnorm über Nährmittel als Ersatz und Ergänzung von Muttermilch – für den zum Erzeugerpreis oder Importeinkaufspreis … proportionalen Teil … der sich aufgrund der Rezeptumsatzdaten im Berichtsmonat ergebenden Sozialversicherungsstützung eine Zahlungspflicht von 20 % zu erfüllen. Die Zulassungsinhaber des Arzneimittels haben für alle ihre öffentlich finanzierten, in Apotheken vertriebenen Nährmittel laut einer Rechtsnorm über Nährmittel als Ersatz und Ergänzung von Muttermilch für den zum Erzeugerpreis proportionalen Teil (aus Erzeugerpreis und Verbraucherpreis) der sich aufgrund der Rezeptumsatzdaten im Berichtsmonat ergebenden Sozialversicherungsstützung eine Zahlungspflicht von 10 % zu erfüllen. Die Berechnung der Zahlungspflicht ist pro Erzeugnis und Rechtstitel der Stützung vorzunehmen. …“

 

9          § 37 Gyftv bestimmt:

„(1) Der für die Verwaltung des Nationalen Krankenversicherungsfonds verantwortliche Krankenversicherungsträger teilt dem Zahlungspflichtigen die zur Erfüllung der in § 36 Abs. 1 und 2 festgelegten Zahlungspflichten notwendigen Stützungs- bzw. Umsatzdaten bis zum Zehnten des zweiten Kalendermonats nach dem Berichtsmonat mit bzw. veröffentlicht diese auf seiner Internetseite.

(2) Die Zulassungsinhaber von Arzneimitteln und die Zulassungsinhaber für den Großhandel mit Arzneimitteln reichen bei der staatlichen Steuerbehörde aufgrund der in § 36 Abs. 1 und 2 festgelegten Zahlungspflicht bis zum 20. des dritten Kalendermonats nach dem Berichtsmonat auf einem von der staatlichen Steuerbehörde eingeführten Formular eine Erklärung ein und leisten gleichzeitig eine Zahlung auf das durch die staatliche Steuerbehörde beim Schatzamt extra zu diesem Zweck eröffnete Konto.“

 

10        § 40 Gyftv bestimmt:

„Die staatliche Steuerbehörde überweist die kassierte Summe

a) unverzüglich nach der Einzahlung aufgrund von § 36 Abs. 1, 2, 4 und 4a

b) [aufgehoben]

auf das beim Schatzamt geführte, in einer gesonderten Rechtsnorm festgelegte Konto des Krankenversicherungsfonds.“

 

11        § 40/A Gyftv bestimmt:

„(1) Der Zulassungsinhaber von Arzneimitteln bzw. – wenn dieser im Inland keine Vertriebstätigkeit verrichtet – aufgrund der mit dem Vertreiber abgeschlossenen und von der staatlichen Steuerbehörde bestätigten Vereinbarung der Vertreiber … hat – über die Einzahlung laut § 36 Abs. 1 hinaus – für alle seine seit wenigstens sechs Jahren öffentlich finanzierten und mit einem als Basis der öffentlichen Finanzierung akzeptierten Preis über 1 000 Forint [(etwa 2,63 Euro)] in Apotheken vertriebenen Arzneimittel für den zum Erzeugerpreis oder Importeinkaufspreis … proportionalen Teil aus Erzeugerpreis und Verbraucherpreis der sich aufgrund der Rezeptumsatzdaten im Berichtsmonat ergebenden Sozialversicherungsstützung eine Zahlungspflicht von 10 % zu erfüllen, wenn es kein öffentlich finanziertes Präparat mit demselben Wirkstoff und derselben Darreichungsform wie das betreffende Präparat gibt, das von einem anderen Zulassungsinhaber unter einem anderen Markennamen zur Zulassung angemeldet wurde. Die Berechnung der Zahlungspflicht ist pro Erzeugnis und Rechtstitel der Stützung vorzunehmen.

(5) Von der Bestätigung der Vereinbarung zwischen dem Zulassungsinhaber und dem Vertreiber laut Abs. 1 informiert die staatliche Steuerbehörde den Krankenversicherungsträger innerhalb von acht Tagen nach dem Tag der Bestätigung.

(6) Der für die Verwaltung des Nationalen Krankenversicherungsfonds verantwortliche Krankenversicherungsträger teilt dem Zahlungspflichtigen die zur Erfüllung der in Abs. 1 festgelegten Zahlungspflicht notwendigen Stützungs- bzw. Umsatzdaten bis zum Zehnten des zweiten Kalendermonats nach dem Berichtsmonat mit bzw. veröffentlicht diese auf seiner Internetseite.

(7) Die Zulassungsinhaber von Arzneimitteln reichen bei der staatlichen Steuerbehörde aufgrund der in Abs. 1 festgelegten Zahlungspflicht bis zum 20. des dritten Kalendermonats nach dem Berichtsmonat auf einem von der staatlichen Steuerbehörde eingeführten Formular eine Erklärung ein und leisten gleichzeitig eine Zahlung auf das durch die staatliche Steuerbehörde beim Schatzamt extra zu diesem Zweck eröffnete Konto.

(8) Der für die Verwaltung des Nationalen Krankenversicherungsfonds verantwortliche Krankenversicherungsträger übermittelt der staatlichen Steuerbehörde gleichzeitig mit der in Abs. 6 festgelegten Datenübermittlung auf elektronischem Wege die für die Kontrolle der Zahlungspflichtigen erforderlichen Daten.

(9) Die staatliche Steuerbehörde überweist den gemäß Abs. 1 erhobenen Betrag nach der Einzahlung unverzüglich auf das beim Schatzamt geführte, in einer gesonderten Rechtsnorm festgelegte Konto des Nationalen Krankenversicherungsfonds.“

 

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

12        Novo Nordisk ist eine Gesellschaft dänischen Rechts, die Arzneimittel herstellt und vertreibt. Im Rahmen ihrer Tätigkeiten verkauft diese Gesellschaft ihre Arzneimittel in Ungarn.

 

13        Der Einzelhandel mit Arzneimitteln in diesem Mitgliedstaat erfolgt mit Ausnahme der Krankenhäuser über Apotheken. Die Apotheken versorgen sich bei Großhändlern, und die Großhändler versorgen sich bei Arzneimittelvertriebsunternehmen wie Novo Nordisk.

 

14        Bestimmte Arzneimittel können vom NEAK über ein sogenanntes „Preiszuschusssystem“ bezuschusst werden. Nach diesem System gewährt der NEAK einen Kaufpreiszuschuss für rezeptpflichtige Arzneimittel, die im Rahmen ambulanter Behandlungen von der Sozialversicherung erstattet werden (im Folgenden: Sozialversicherungszuschuss). Die Zahlung des Kaufpreises für das bezuschusste Arzneimittel wird zwischen dem NEAK und dem Patienten aufgeteilt. Letzterer zahlt an die Apotheke einen Betrag, die „Erstattungsgebühr“, der der Differenz zwischen dem Preis des Arzneimittels und dem Betrag des Sozialversicherungszuschusses entspricht. Der NEAK vergütet der Apotheke nachträglich diesen Zuschussbetrag. Der Arzneimittelpreis, den die Apotheken erhalten und der die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ist, hat somit zwei Komponenten, nämlich den Sozialversicherungszuschuss und die vom Patienten gezahlte „Erstattungsgebühr“. Die Apotheke hat also sowohl auf den vom Patienten als auch auf den vom NEAK gezahlten Betrag Umsatzsteuer zu entrichten.

 

15        Novo Nordisk gehört einer Unternehmensgruppe an, die mit dem NEAK in eigenem Namen und für Novo Nordisk Verträge über das Sortiment bezuschusster Produkte und das Zuschussvolumen (im Folgenden: Zuschussvolumenverträge) schloss. Auf der Grundlage der Zuschussvolumenverträge verpflichtete sich Novo Nordisk, an den NEAK für die Menge der von ihr vertriebenen bezuschussten Arzneimittel Zahlungen in Höhe des in diesen Verträgen festgelegten Betrags zu leisten, wofür sie einen Teil der Einnahmen aus dem Verkauf dieser Arzneimittel verwendete.

 

16        Darüber hinaus unterliegt Novo Nordisk nach § 36 Abs. 1 und § 40/A Abs. 1 Gyftv einer gesetzlichen Verpflichtung, einen Betrag in Höhe von 20 % bzw. von 10 % eines Teils des Sozialversicherungszuschusses für alle von ihr verkauften, in Apotheken vertriebenen und aus öffentlichen Mitteln finanzierten Arzneimittel zu zahlen (im Folgenden: gesetzliche Verpflichtung).

 

17        Die aufgrund dieser Verpflichtung geschuldeten Beträge werden auf das Konto der Steuerbehörde überwiesen, die sie unverzüglich auf das vom NEAK verwaltete Konto des Krankenversicherungsfonds überweist.

 

18        Novo Nordisk verzichtet mit der Erfüllung der genannten Verpflichtung auf einen Teil der Gegenleistung, die sie für den Arzneimittelverkauf von den Großhändlern erhalten hat, und verringert damit ihren Umsatz um einen in der nationalen Regelung vorab festgelegten Prozentsatz. Ob die gesetzliche Verpflichtung einschlägig ist und wie hoch gegebenenfalls der insoweit geschuldete Gesamtbetrag ausfällt, hängt von der Menge der verkauften Arzneimittel und der Höhe des Sozialversicherungszuschusses ab.

 

19        Novo Nordisk reichte in ihrer Eigenschaft als Arzneimittelhändlerin bei der erstinstanzlichen Steuerbehörde eine Eigenrevisionserklärung in Bezug auf die Umsatzsteuer für Januar 2016 ein, die eine Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage für den betreffenden Zeitraum enthielt. Die Verminderung entsprach den Zahlungen, die Novo Nordisk gemäß den Zuschussvolumenverträgen und der gesetzlichen Verpflichtung geleistet hatte.

 

20        Die erstinstanzliche Steuerbehörde wies die Eigenrevisionserklärung mit der Begründung zurück, diese ermögliche keine nachträgliche Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage.

 

21        Die Rechtsbehelfsdirektion, bei der Novo Nordisk Einspruch gegen diesen Bescheid einlegte, vertrat unter Berufung auf das Urteil vom 6. Oktober 2021, Boehringer Ingelheim (C‑717/19, EU:C:2021:818), die Auffassung, Novo Nordisk könne von der Steuerbemessungsgrundlage die von ihr aufgrund der Zuschussvolumenverträge gezahlten Beträge abziehen.

 

22        Allerdings lehnte es die Rechtsbehelfsdirektion ab, die von Novo Nordisk aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung geleisteten Zahlungen (im Folgenden: streitige Zahlungen) von der Steuerbemessungsgrundlage abzuziehen. Die Rechtsbehelfsdirektion war der Ansicht, dass diese Zahlungen, die aufgrund einer gesetzlich vorgesehenen Verpflichtung geleistet worden seien, keinen von der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer abziehbaren Preisnachlass darstellten. Die nach § 36 Abs. 1 und § 40/A Abs. 1 Gyftv geleisteten Zahlungen seien als Steuer anzusehen, da sie nicht den Endverbrauchern, sondern der staatlichen Steuerbehörde zugutekämen und im Wesentlichen ein Mittel zur Erreichung der Haushalts- und Gesundheitsziele seien.

 

23        Novo Nordisk erhob gegen den Bescheid der Rechtsbehelfsdirektion Klage beim Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtisches Stuhlgericht, Ungarn), dem vorlegenden Gericht.

 

24        Unter Berufung auf die Rechtsprechung aus den Urteilen vom 24. Oktober 1996, Elida Gibbs (C‑317/94, EU:C:1996:400), und vom 20. Dezember 2017, Boehringer Ingelheim Pharma (C‑462/16, EU:C:2017:1006), führt das vorlegende Gericht zunächst aus, dass der NEAK als Endverbraucher der von Novo Nordisk erbrachten Arzneimittellieferungen anzusehen sei. Der Umstand, dass der unmittelbare Empfänger dieser Lieferungen nicht der NEAK sei, der den Zuschuss an die Apotheke nachträglich erstatte, sondern die Versicherten selbst, die die Erstattungsgebühr an die Apotheke zahlten, sei nämlich nicht geeignet, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen den genannten Lieferungen und der empfangenen Gegenleistung zu unterbrechen, so dass der von der Finanzverwaltung erhobene Betrag den vom Endverbraucher gezahlten nicht übersteigen dürfe.

 

25        Sodann weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die streitigen Zahlungen in der Begründung des Gesetzentwurfs zur Einführung der gesetzlichen Verpflichtung als Abschlag bezeichnet würden.

 

26        Schließlich komme die gesetzliche Verpflichtung einem Preisnachlass im Sinne von Art. 90 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie gleich, da Novo Nordisk unter den Umständen des Ausgangsverfahrens nicht die vollständige Gegenleistung für die von ihr verkauften Waren erhalten habe.

 

27        Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass sich der Gerichtshof noch nicht zu der Frage geäußert habe, ob der Umstand, dass die streitigen Zahlungen aufgrund einer gesetzlich vorgesehenen Verpflichtung geleistet würden, ihrer Einstufung als Preisnachlass im Sinne von Art. 90 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie entgegenstehe.

 

28        Unter diesen Umständen hat das Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtisches Stuhlgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 90 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, nach der ein pharmazeutisches Unternehmen, das an den staatlichen Krankenversicherungsträger gesetzlich vorgeschriebene Zahlungen aus den Einnahmen leistet, die es mit öffentlich bezuschussten Arzneimitteln erzielt, deshalb nicht zur nachträglichen Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage berechtigt ist, weil die Zahlungen kraft Gesetzes erfolgen, von der Bemessungsgrundlage für die Zahlungspflicht sowohl die im Rahmen eines Zuschussvolumenvertrags geleisteten Zahlungen als auch die vom Unternehmen getätigten Investitionen in Forschung und Entwicklung für den Gesundheitssektor abgezogen werden können und der zu zahlende Betrag von der staatlichen Steuerbehörde eingezogen wird, die ihn unverzüglich an den staatlichen Krankenversicherungsträger weiterleitet?

 

Zur Vorlagefrage

29        Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 90 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein pharmazeutisches Unternehmen, das Zahlungen zugunsten des staatlichen Krankenversicherungsträgers aus den Einnahmen zu leisten hat, die es mit öffentlich bezuschussten Arzneimitteln erzielt, deshalb nicht zur nachträglichen Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage berechtigt ist, weil die Zahlungen kraft Gesetzes erfolgen, von der Bemessungsgrundlage für die Zahlungspflicht sowohl die im Rahmen eines Zuschussvolumenvertrags geleisteten Zahlungen als auch die von dem Unternehmen getätigten Investitionen in Forschung und Entwicklung für den Gesundheitssektor abgezogen werden können und der zu zahlende Betrag von der Steuerbehörde eingezogen wird, die ihn unverzüglich an den staatlichen Krankenversicherungsträger weiterleitet.

 

30        Nach Art. 90 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie sind die Mitgliedstaaten im Fall der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes verpflichtet, die Steuerbemessungsgrundlage und mithin den Betrag der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Mehrwertsteuer immer dann zu vermindern, wenn der Steuerpflichtige nach der Bewirkung eines Umsatzes die gesamte Gegenleistung oder einen Teil davon nicht erhält. Diese Bestimmung ist Ausdruck eines fundamentalen Grundsatzes der Mehrwertsteuerrichtlinie, nach dem die tatsächlich erhaltene Gegenleistung als Bemessungsgrundlage dient und aus dem folgt, dass die Steuerverwaltung als Mehrwertsteuer keinen Betrag erheben darf, der den dem Steuerpflichtigen gezahlten übersteigt (Urteil vom 6. Oktober 2021, Boehringer Ingelheim, C‑717/19, EU:C:2021:818, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

31        Zum Kontext dieser Bestimmung ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie bei der Lieferung von Gegenständen und bei Dienstleistungen die Steuerbemessungsgrundlage alles umfasst, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber, vom Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.

 

32        Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Grundprinzip des Mehrwertsteuersystems darauf beruht, dass die Mehrwertsteuer nur den Endverbraucher belasten soll und für die Steuerpflichtigen, die auf den Produktions- und Vertriebsstufen vor dem Stadium der endgültigen Besteuerung tätig sind, unabhängig von der Zahl der Umsätze völlig neutral sein soll (Urteil vom 6. Oktober 2021, Boehringer Ingelheim, C‑717/19, EU:C:2021:818, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

33        Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass Novo Nordisk auf dem ungarischen Markt Arzneimittel, die vom NEAK bezuschusst werden, über Großhändler an Apotheken verkauft, die diese an beim staatlichen Krankenversicherungsträger versicherte Personen weiterverkaufen; dabei zahlen die Versicherten den Apotheken die Differenz zwischen dem Preis des Arzneimittels und dem vom NEAK direkt an die Apotheken gezahlten Betrag des Sozialversicherungszuschusses. Gemäß der gesetzlichen Verpflichtung zahlt Novo Nordisk an die NEAK über die Steuerbehörde Beträge in Höhe von 20 % bzw. 10 % eines Teils der Sozialversicherungszuschüsse für alle von ihr verkauften Arzneimittel, die in Apotheken vertrieben und mit öffentlichen Mitteln finanziert wurden. Diese Beträge stammen aus den Einkünften aus dem Verkauf der genannten Arzneimittel. Die Steuerbehörde ist zwar formal Empfängerin der streitigen Zahlungen, sie ist jedoch verpflichtet, die gezahlten Beträge unverzüglich an den NEAK zu überweisen.

 

34        Sowohl die Steuerbehörde als auch die ungarische Regierung sind der Ansicht, dass die Art und Weise, in der die streitigen Zahlungen von Novo Nordisk geleistet worden seien, es rechtfertige, sie als Steuer im Sinne von Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie einzustufen, und dass diese Zahlungen folglich in die Steuerbemessungsgrundlage für die Lieferung der Arzneimittel einzubeziehen seien.

 

35        Insoweit hat der Gerichtshof bereits klargestellt, dass Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben, damit sie in die Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer eingehen können, obwohl sie keinen Mehrwert darstellen und nicht die wirtschaftliche Gegenleistung für die Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienstleistungen sind, in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Lieferung oder Erbringung stehen müssen und dass die Frage, ob der Entstehungstatbestand der Steuer, des Zolls, der Abschöpfung oder der Abgabe jeweils mit dem der Mehrwertsteuer zusammenfällt, ein maßgeblicher Aspekt für die Annahme eines solchen Zusammenhangs ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. Mai 2010, Kommission/Polen, C‑228/09, EU:C:2010:295, Rn. 30, und vom 11. Juni 2015, Lisboagás GDL, C‑256/14, EU:C:2015:387, Rn. 29 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

 

36        Zunächst stellen die streitigen Zahlungen, vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht, keinen Mehrwert dar.

 

37        Sodann ist festzustellen, dass der Teil des Verkaufspreises der bezuschussten Arzneimittel, der von Novo Nordisk über die Steuerbehörde an den NEAK gezahlt wird, da er im Vorhinein feststeht und zwingend ist, nicht als Bestandteil der wirtschaftlichen Gegenleistung für die Lieferung dieser Arzneimittel angesehen werden kann, die Novo Nordisk tatsächlich erhält (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juli 2012, International Bingo Technology, C‑377/11, EU:C:2012:503, Rn. 28).

 

38        Schließlich geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass das Ereignis, aufgrund dessen den Steuerpflichtigen die in § 36 Abs. 1 und § 40/A Abs. 1 Gyftv vorgesehene gesetzliche Verpflichtung trifft, der Verkauf von Arzneimitteln ist, und dass sich der aufgrund dieser Pflicht geschuldete Gesamtbetrag nach der Menge der verkauften Arzneimittel und der Höhe des Sozialversicherungszuschusses bemisst.

 

39        Was die den pharmazeutischen Unternehmen durch die nationalen Rechtsvorschriften eingeräumte Möglichkeit betrifft, vom Betrag der streitigen Zahlungen die aufgrund der den Bezugszeitraum betreffenden Zuschussvolumenverträge gezahlten Beiträge abzüglich der Mehrwertsteuer sowie die Investitionen in Forschung und Entwicklung abzuziehen, kann durch die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit zwar gegebenenfalls der Betrag der Zahlungen verringert werden, doch ändert dies nichts daran, dass die Zahlungen in Anbetracht der Erwägungen in den Rn. 36 bis 38 des vorliegenden Urteils als Steuer im Sinne von Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie eingestuft werden können.

 

40        Zum einen ist der NEAK Endbegünstigter sowohl der aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung geleisteten Zahlungen als auch der aufgrund der Zuschussvolumenverträge geleisteten Zahlungen.

 

41        Zum anderen hat die ungarische Regierung nicht erklärt, wie der Mechanismus zum Abzug der Investitionen in Forschung und Entwicklung für den Gesundheitssektor von den Zahlungen funktioniert, die sich aus der gesetzlichen Verpflichtung ergeben, so dass aus dieser Möglichkeit nicht abgeleitet werden kann, dass sie für die Annahme relevant wäre, dass die streitigen Zahlungen Steuern sind, die gemäß Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie in die Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer einzubeziehen sind.

 

42        Unter diesen Umständen kann der Entstehungstatbestand der streitigen Zahlungen mit dem der Mehrwertsteuer übereinstimmen, die für die vertriebenen bezuschussten Arzneimittel geschuldet wird. Diese Zahlungen können daher nach Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer einbezogen werden.

 

43        Was die Frage betrifft, ob die von pharmazeutischen Unternehmen anlässlich eines Verkaufs bezuschusster Arzneimittel an die Sozialversicherungsträger gezahlten Beträge gleichwohl unter Art. 90 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie fallen können, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass der Abschlag, den ein pharmazeutisches Unternehmen aufgrund einer nationalen Gesetzesregelung einem Unternehmen der privaten Krankenversicherung gewährt, im Sinne von Art. 90 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie zu einer Minderung der Steuerbemessungsgrundlage für dieses pharmazeutische Unternehmen führt, wenn es Arzneimittel über Großhändler an Apotheken liefert, die die Arzneimittel an privat Krankenversicherte liefern, denen von der privaten Krankenversicherung die Kosten für den Bezug der Arzneimittel erstattet werden (Urteil vom 20. Dezember 2017, Boehringer Ingelheim Pharma, C‑462/16, EU:C:2017:1006, Rn. 46).

 

44        Insoweit ist das Vorbringen der ungarischen Regierung unerheblich, wonach der private Charakter des Krankenversicherungsunternehmens in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, einen entscheidenden Unterschied darstelle, wohingegen die streitigen Zahlungen im vorliegenden Fall den Charakter von Steuereinnahmen hätten. Wie sich nämlich aus Rn. 33 des vorliegenden Urteils ergibt, ist tatsächlicher Empfänger der streitigen Zahlungen nicht die Steuerbehörde, sondern der NEAK, der diese zur Bezuschussung des Kaufpreises der Arzneimittel verwendet, und zwar in gleicher Weise wie in der genannten Rechtssache.

 

45        Zudem hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 90 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein pharmazeutisches Unternehmen von seiner Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer deshalb nicht den Teil seines Umsatzes aus dem Verkauf von Arzneimitteln, die von dem staatlichen Krankenversicherungsträger bezuschusst werden, abziehen kann, den es aufgrund eines zwischen diesem Träger und dem genannten Unternehmen geschlossenen Vertrags an diesen Träger zahlt, weil die danach gezahlten Beträge nicht auf der Grundlage von zuvor von diesem Unternehmen im Rahmen seiner Geschäftspolitik festgelegten Bedingungen bestimmt worden sind und diese Zahlungen nicht zur Absatzförderung geleistet worden sind (Urteil vom 6. Oktober 2021, Boehringer Ingelheim , C‑717/19, EU:C:2021:818, Rn. 55).

 

46        Die Art und Weise, in der im vorliegenden Fall die streitigen Zahlungen aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung geleistet wurden, kann die Einstufung dieser Zahlungen als Preisnachlass im Sinne von Art. 90 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht in Frage stellen.

 

47        Erstens hat der Gerichtshof nämlich bereits klargestellt, dass der Anwendungsbereich von Art. 90 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie sowohl Preisnachlässe umfasst, die sich aus Verträgen zwischen einem pharmazeutischen Unternehmen und einem staatlichen Krankenversicherungsträger ergeben, als auch solche, die sich aus gesetzlichen Verpflichtungen wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2021, Boehringer Ingelheim, C‑717/19, EU:C:2021:818, Rn. 48 und 49).

 

48        Außerdem haben die Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass die aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung geleisteten Zahlungen den gleichen Zweck haben wie die Zahlungen, die auf der Grundlage der zwischen dem Sozialversicherungsträger und den pharmazeutischen Unternehmen geschlossenen Zuschussvolumenverträge geleistet werden, nämlich den Kaufpreis für rezeptpflichtige Arzneimittel zu bezuschussen, die im Rahmen ambulanter Behandlungen von der Sozialversicherung erstattet werden.

 

49        Zweitens kann der Umstand, dass im Ausgangsverfahren nicht der staatliche Krankenversicherungsträger, der der Apotheke nachträglich den Zuschussbetrag erstattet, sondern die Versicherten selbst, die der Apotheke die Erstattungsgebühr zahlen, unmittelbare Empfänger der fraglichen Arzneimittellieferungen sind, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der getätigten Lieferung von Gegenständen und der empfangenen Gegenleistung nicht beseitigen (Urteil vom 6. Oktober 2021, Boehringer Ingelheim, C‑717/19, EU:C:2021:818, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

50        Da nämlich die Apotheke die Mehrwertsteuer auf den vom Patienten gezahlten Betrag, aber auch auf den Betrag zu entrichten hat, der ihr vom staatlichen Krankenversicherungsträger für die bezuschussten Arzneimittel gezahlt wird, ist Letzterer als Endverbraucher einer Lieferung eines mehrwertsteuerpflichtigen pharmazeutischen Unternehmens anzusehen, so dass der von der Finanzverwaltung erhobene Betrag den vom Endverbraucher gezahlten Betrag nicht übersteigen darf (Urteil vom 6. Oktober 2021, Boehringer Ingelheim, C‑717/19, EU:C:2021:818, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

51        Insoweit ist das Vorbringen der ungarischen Regierung, wonach die aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung geschuldeten Beträge von der Steuerbehörde erhoben würden, in Bezug auf die Bestimmung des Endverbrauchers unerheblich. Wie in Rn. 44 des vorliegenden Urteils ausgeführt, leitet die Steuerbehörde diese Beträge nämlich sofort an den NEAK weiter, der einen Kaufpreiszuschuss für rezeptpflichtige Arzneimittel gewährt, die im Rahmen ambulanter Behandlungen von der Sozialversicherung erstattet werden.

 

52        Der Mechanismus dieser unmittelbaren Übertragung spricht für die Einstufung der streitigen Zahlungen als Preisnachlass im Sinne von Art. 90 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie.

 

53        Entgegen dem Vorbringen der ungarischen Regierung steht Art. 401 der Richtlinie dieser Auslegung in Anbetracht seines Kontexts nicht entgegen. Der Umstand, dass die Mitgliedstaaten unter den in dieser Vorschrift vorgesehenen Voraussetzungen bestimmte Steuern, Abgaben oder Gebühren beibehalten oder einführen können, steht nämlich keineswegs dem entgegen, dass solche Steuern, Abgaben oder Gebühren nach Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer zu berücksichtigen sind, und zwar als Preisnachlass im Sinne von Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie.

 

54        Außerdem geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass Novo Nordisk mit den streitigen Zahlungen auf einen Teil der vom Großhändler gezahlten Gegenleistung verzichtet.

 

55        Es stünde nicht in Einklang mit dem in Rn. 32 des vorliegenden Urteils angeführten Grundsatz der steuerlichen Neutralität, wenn der Betrag, der als Bemessungsgrundlage für die von dem pharmazeutischen Unternehmen als Steuerpflichtigem geschuldete Mehrwertsteuer dient, höher wäre als der Betrag, den es letztlich erhalten hat. In diesem Fall wäre der genannte Grundsatz nicht gewahrt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2021, Boehringer Ingelheim, C‑717/19, EU:C:2021:818, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

56        Da das pharmazeutische Unternehmen somit einen Teil der durch den Verkauf der Arzneimittel erzielten Gegenleistung wegen der Zahlung, die es an den staatlichen Krankenversicherungsträger leistet, der einen Teil des Preises dieser Arzneimittel an die Apotheken abführt, nicht erhält, ist von einem Preisnachlass für diese Arzneimittel nach der Bewirkung des Umsatzes im Sinne von Art. 90 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie auszugehen (Urteil vom 6. Oktober 2021, Boehringer Ingelheim , C‑717/19, EU:C:2021:818, Rn. 47).

 

57        Das pharmazeutische Unternehmen konnte nämlich über den beim Verkauf seiner Erzeugnisse an die Großhändler eingenommenen Gesamtpreis nicht frei verfügen (vgl. entsprechend Urteil vom 20. Dezember 2017, Boehringer Ingelheim Pharma, C‑462/16, EU:C:2017:1006, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

58        Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 90 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein pharmazeutisches Unternehmen, das Zahlungen zugunsten des staatlichen Krankenversicherungsträgers aus den Einnahmen zu leisten hat, die es mit öffentlich bezuschussten Arzneimitteln erzielt, deshalb nicht zur nachträglichen Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage berechtigt ist, weil die Zahlungen kraft Gesetzes erfolgen, von der Bemessungsgrundlage für die Zahlungspflicht sowohl die im Rahmen eines Zuschussvolumenvertrags geleisteten Zahlungen als auch die von dem Unternehmen getätigten Investitionen in Forschung und Entwicklung für den Gesundheitssektor abgezogen werden können und der zu zahlende Betrag von der Steuerbehörde eingezogen wird, die ihn unverzüglich an den staatlichen Krankenversicherungsträger weiterleitet.

 

Kosten

59        Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

stats