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Steuerrecht
15.12.2022
Steuerrecht
EuGH/GA-SA: Vermietung eines speziell ausgestatteten Stallgebäudes zur Putenaufzucht -

... als Nebenleistung für die Verpachtung eines landwirtschaftlichen Gebäudes zur Verfügung gestellte Vor-richtungen und Maschinen – einheitliche Leistung

GA Pitruzzella, Schlussanträge vom 8.12.2022 – C-516/21; Finanzamt X gegen Y

ECLI:EU:C:2022:976

Volltext BB-Online BBL2022-2965-4

Schlussanträge

Art. 135 Abs. 1 Buchst. l und Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass die Steuerbefreiung der Verpachtung eines Stallgebäudes zur Tierzucht auch für die Verpachtung von Vorrichtungen und Maschinen im Sinne von Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Richtlinie, die auf die Funktion des Gebäudes als Zuchtstall abgestimmte Ausstattungselemente darstellen, gilt, sofern diese Vorrichtungen und Maschinen als Nebenleistung zur Verpachtung des Gebäudes überlassen werden.

Aus den Gründen

Rechtssache C-516/21

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuerwesen – Mehrwertsteuer – Befreiung der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken – Vermietung eines speziell ausgestatteten Stallgebäudes zur Putenaufzucht – Als Nebenleistung für die Verpachtung eines landwirtschaftlichen Gebäudes zur Verfügung gestellte Vorrichtungen und Maschinen – Einheitliche Leistung – Geltungsbereich der Ausnahme von der Steuerbefreiung“

1.        Während der Gerichtshof zum Begriff der einheitlichen Leistung eine umfangreiche Rechtsprechung entwickelt hat, ist er jetzt aufgerufen, zu klären, ob von dieser Rechtsprechung abzuweichen und von unterschiedlichen Leistungen – und folglich unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen – auszugehen ist, wenn eine der Leistungen möglicherweise unter die allgemeine Regelung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie)(2) fällt und somit der Besteuerung unterliegt.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Mehrwertsteuerrichtlinie

2.        In Kapitel 3 („Steuerbefreiungen für andere Tätigkeiten“) der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht Art. 135 Abs. 1 Buchst. l vor:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer: …

l)      Vermietung und Verpachtung von Grundstücken.“

3.        Art. 135 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt: „Die folgenden Umsätze sind von der Befreiung nach Absatz 1 Buchstabe l ausgeschlossen:

a)      Gewährung von Unterkunft nach den gesetzlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten im Rahmen des Hotelgewerbes oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung, einschließlich der Vermietung in Ferienlagern oder auf Grundstücken, die als Campingplätze erschlossen sind;

b)      Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen;

c)      Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen;

d)      Vermietung von Schließfächern.

Die Mitgliedstaaten können weitere Ausnahmen von der Befreiung nach Absatz 1 Buchstabe l vorsehen.“

 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011

4.        Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem(3) wurde u. a. durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1042/2013 des Rates vom 7. Oktober 2013(4) geändert, mit der Art. 13b in die Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 eingefügt wurde.

5.        Nach Art. 13b Buchst. d(5) gelten für die Zwecke der Anwendung der Mehrwertsteuerrichtlinie als „Grundstück“ Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder einem Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder zu verändern.

Deutsches Recht

6.        Gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes vom 21. Februar 2005(6) (im Folgenden: UStG) sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 dieses Gesetzes fallenden Umsätzen steuerfrei

„a)      die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken …“

7.        Nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG sind „[n]icht befreit … die Vermietung und die Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind“.

Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof

8.        Y verpachtete in den Jahren 2010 bis 2014 Stallgebäude zur Putenaufzucht mit auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen. Dem vorlegenden Gericht zufolge dienten diese Vorrichtungen und Maschinen – zu denen u. a. eine Industrieförderspirale sowie Heizungs-, Lüftungs- und Beleuchtungssysteme zur Sicherung einer dem Entwicklungsstadium der Tiere entsprechenden Stalltemperatur und -ausleuchtung gehörten – der Fütterung bei der Putenhaltung. Sie sollten gewährleisten, dass die Puten unter den für die Erreichung ihrer Schlachtreife erforderlichen Bedingungen aufgezogen wurden, und waren speziell auf die vertragsgemäße Nutzung des Gebäudes als Zuchtstall für Geflügel dieser Art abgestimmt.

9.        Nach dem Pachtvertrag erhielt Y ein einheitliches Entgelt, das nicht auf die Überlassung des Zuchtstalls einerseits sowie der Vorrichtungen und Maschinen andererseits aufgeteilt war. Y ging davon aus, dass seine Leistung bei der Verpachtung insgesamt umsatzsteuerfrei sei.

10.      Das Finanzamt X (Deutschland) vertrat hingegen die Ansicht, dass die Pacht der fraglichen Vorrichtungen und Maschinen nicht steuerfrei sei und dass das einheitlich vereinbarte Pachtentgelt zu 20 % auf die Maschinen und Vorrichtungen entfalle und insoweit umsatzsteuerpflichtig sei. Es erließ daher für die streitigen Jahre Steueränderungsbescheide. Y focht diese Bescheide mit einer Klage an.

11.      Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs sowie des Bundesfinanzhofs (Deutschland) gab das Niedersächsische Finanzgericht (Deutschland) der Klage des Y gegen diese Bescheide mit der Begründung statt, es handle sich um eine insgesamt steuerfreie Leistung. Die Überlassung derartiger Vorrichtungen und Maschinen sei nämlich eine Nebenleistung zur Überlassung eines Zuchtstalls, da diese speziell abgestimmten Ausstattungselemente nur dazu dienten, die vertragsgemäße Nutzung des Putenstalls unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Daher sei auch die auf die Überlassung dieser Elemente entfallende Pacht, mithin die gesamte Pacht, von der Umsatzsteuer befreit.

12.      Das Finanzamt X legte gegen dieses Urteil Revision zum vorlegenden Gericht, dem Bundesfinanzhof (Deutschland), ein. Dieser hat Zweifel hinsichtlich der Auslegung von Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie.

13.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts, das sich auf das Urteil Mailat(7) stützt, ist die Verpachtung der Industrieförderspirale sowie der Heizungs-, Lüftungs- und Beleuchtungssysteme nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie mehrwertsteuerfrei. Diese Auslegung werde auch durch Art. 13b Buchst. d der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 in der durch die Durchführungsverordnung Nr. 1042/2013 geänderten Fassung sowie durch das deutsche Zivilrecht bestätigt, wonach mit dem Zuchtstall fest verbundene Gegenstände wesentliche Grundstücksbestandteile seien(8).

14.      Das vorlegende Gericht führt zunächst aus, für die Auslegung von Art. 135 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie sei es ohne Bedeutung, dass dessen deutsche Fassung im Unterschied zu anderen Sprachfassungen von Art. 135 nur die Vermietung von Vorrichtungen und Maschinen erwähne, da beide Begriffe – Vermietung und Verpachtung – als weitgehend gleichbedeutend anzusehen seien.

15.      Das vorlegende Gericht verweist auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs(9), wonach bei einem wirtschaftlichen Vorgang, der ein Leistungsbündel darstelle, eine Gesamtbetrachtung erforderlich sei, um zu ermitteln, ob sich ihm eine oder mehrere Leistungen entnehmen ließen, wobei jede Leistung in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten sei. Ein Umsatz dürfe nicht künstlich aufgespalten werden, und eine einheitliche Leistung liege dann vor, wenn mehrere Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden seien, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bildeten, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Ein wirtschaftlicher Vorgang stelle eine einheitliche Leistung dar, wenn ein oder mehrere Teile als die Hauptleistung, andere Teile dagegen als Nebenleistungen anzusehen seien, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilten. Als erstes Kriterium sei hierbei zu berücksichtigen, dass es aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers an einem eigenständigen Zweck der Leistung fehle. Als zweites Kriterium sei der jeweilige Wert jeder der Leistungen zu berücksichtigen, aus denen der wirtschaftliche Vorgang bestehe, wobei sich der eine im Verhältnis zum anderen als gering oder gar marginal erweise.

16.      Das erstinstanzliche Gericht habe entschieden, dass die Überlassung der Vorrichtungen und Maschinen, die als speziell abgestimmte Ausstattungselemente nur der Nutzung des Putenstalls unter optimalen Bedingungen gedient hätten, eine Nebenleistung zur Gebäudeverpachtung als Hauptleistung gewesen sei. Diese Würdigung der Einheitlichkeit der Leistung stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs(10).

17.      Das vorlegende Gericht hält zwei Auslegungen von Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie für möglich.

18.      Zum einen könnte den Grundsätzen, die der Gerichtshof zur Bestimmung eines einheitlichen Umsatzes entwickelt habe, Vorrang vor Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie zukommen, wofür die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie spreche, vor allem die Urteile Henriksen(11), Mailat(12) und Stadion Amsterdam(13). Aus diesen Urteilen gehe hervor, dass sich die Anwendung von Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie auf Fälle beschränke, in denen die Überlassung der Vorrichtungen und Maschinen eigenständig und damit ohne Zusammenhang mit einer weitergehenden Gebäude- oder Grundstücksüberlassung erfolge.

19.      Zum anderen könnte aus Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie ein Aufteilungsgebot abzuleiten sein, so dass einheitliche Umsätze in einen (nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Richtlinie) steuerfreien und einen (nach Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Richtlinie) steuerpflichtigen Teil aufzuspalten seien. Eine solche Auslegung werde durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs(14) gestützt, wonach die für eine Grundstücksvermietung gewährte Steuerfreiheit, die darauf beruhe, dass der bloßen Vermietung passiver Charakter zukomme, nicht mehr gerechtfertigt sei, sofern die Vermietung mit anderen, gegebenenfalls geschäftlichen Tätigkeiten oder mit der Zurverfügungstellung anderer Anlagen einhergehe und somit nicht mehr die ausschlaggebende Dienstleistung darstellen könne. Die in Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie genannte Überlassung von Vorrichtungen und Maschinen erfolge daher nicht passiv, sondern sei wesentlich dadurch geprägt, dass sie in betriebsbereitem Zustand gehalten würden.

20.      Zwar sei der Gerichtshof im Urteil Mailat(15) von einer Nebenleistung zu einer steuerfreien Grundstücksverpachtung in Bezug auf bewegliche, mit dem Grundstück fest verbundene Gegenstände als dessen wesentliche Bestandteile ausgegangen, habe sich dabei aber nicht zur Anwendbarkeit von Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie geäußert.

21.      Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Erfasst die Steuerpflicht der Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen gemäß Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie

–        nur die isolierte (eigenständige) Vermietung derartiger Vorrichtungen und Maschinen oder auch

–        die Vermietung (Verpachtung) derartiger Vorrichtungen und Maschinen, die aufgrund einer zwischen denselben Parteien erfolgenden Gebäudeverpachtung (und als Nebenleistung zu dieser) nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie steuerfrei ist?

22.      Die deutsche Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht.

Rechtliche Würdigung

23.      Mit seiner einzigen Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof im Kern wissen, unter welchen Voraussetzungen die Steuerpflicht gemäß Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie entsteht. Konkret wirft es die Frage auf, ob in dem Fall, dass ein Vertrag über die Verpachtung eines Gebäudes zur Aufzucht von Puten vorliegt und dieses Gebäude mit auf seine Funktion als Zuchtstall abgestimmten Lüftungs-, Heizungs-, Beleuchtungs- und Fütterungssystemen ausgestattet ist, nach Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Richtlinie die Verpachtung des Gebäudes einerseits und die Vermietung dieser Systeme als Vorrichtungen und Maschinen andererseits mehrwertsteuerrechtlich getrennt zu betrachten sind(16).

24.      In der folgenden Erörterung werde ich darzulegen versuchen, dass der im Ausgangsverfahren umstrittene Umsatz, den das vorlegende Gericht selbst als „einheitliche Leistung“ qualifiziert hat, nicht zwei unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen unterworfen werden kann und dass sich seine steuerliche Behandlung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie richtet, es sei denn, man wollte eine gefestigte Rechtsprechung aufgeben.

25.      Da die in der Vorlagefrage angesprochene Bestimmung eine Ausnahme von Art. 135 Abs. 1 Buchst. l ist, muss ich mich zwangsläufig mit dessen Auslegung in der Rechtsprechung des Gerichtshofs befassen.

26.      Zuvor erscheint mir eine Darstellung der Rechtsprechung zum Begriff des einheitlichen Umsatzes angebracht.

Bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff des einheitlichen Umsatzes

27.      Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden(17), dass im Hinblick auf die Mehrwertsteuer jede Leistung in der Regel als eigene und selbständige Leistung zu betrachten ist, wie sich aus Art. 1 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie ergibt(18). Allerdings sind mehrere formal eigenständige Leistungen, die getrennt erbracht werden und damit jede für sich zu einer Besteuerung oder Befreiung führen könnten, unter bestimmten Umständen als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht voneinander unabhängig sind. Ein einheitlicher Umsatz liegt namentlich vor, wenn die Leistung des Steuerpflichtigen aus zwei oder mehreren Elementen oder Handlungen besteht, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre und die Funktionalität des Mehrwertsteuersystems beeinträchtigen könnte(19). Dies ist auch dann der Fall, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere(n) Einzelleistung(en) eine oder mehrere steuerlich wie die Hauptleistung behandelte Nebenleistungen bilden. Eine Leistung ist insbesondere dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen(20).

28.      Zur Klärung der Frage, ob bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, die erbrachten Leistungen mehrere voneinander unabhängige Leistungen oder eine einheitliche Leistung darstellen, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen(21), wobei die charakteristischen Merkmale des betreffenden Umsatzes zu ermitteln sind(22). Gerade aus der Einstufung eines aus mehreren Teilen bestehenden Umsatzes als einheitliche Leistung leitet sich ab, dass dieser Umsatz ein und demselben Mehrwertsteuersatz unterliegen muss(23).

Anwendungsbereich von Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie

29.      Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung besteht das grundlegende Merkmal der Begriffe „Verpachtung und Vermietung von Grundstücken“(24) im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie, die dort nicht definiert werden, darin, dass dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück wie ein Eigentümer in Besitz zu nehmen und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen(25). Für die Beurteilung, ob eine bestimmte Vereinbarung dieser Definition entspricht, sind alle Merkmale des Umsatzes sowie die Umstände zu berücksichtigen, unter denen er erfolgt. Maßgebend ist insoweit der objektive Inhalt des Umsatzes, unabhängig von der Bezeichnung, die die Parteien ihm gegeben haben(26).

30.      Außerdem stellt Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz dar, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt; daher sind die in dieser Vorschrift verwendeten Begriffe eng auszulegen(27). Grundsätzlich ist es Sache der allein für die Würdigung des Sachverhalts zuständigen nationalen Gerichte, in Anbetracht der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls die wesentlichen Merkmale des in Rede stehenden Umsatzes zum Zweck seiner Einstufung nach der Mehrwertsteuerrichtlinie festzustellen(28). Der Gerichtshof kann diesen Gerichten jedoch Auslegungshinweise an die Hand geben, die für die Entscheidung über den Rechtsstreit zweckdienlich erscheinen(29).

31.      Im Übrigen hat der Gerichtshof zu Sinn und Zweck von Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie ausgeführt, dass sich die Befreiung nach dieser Bestimmung „daraus erklärt, dass die Vermietung von Grundstücken, auch wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit ist, normalerweise eine verhältnismäßig passive Tätigkeit darstellt, die nicht zu einer signifikanten Wertschöpfung führt. Eine solche Tätigkeit ist daher von anderen Tätigkeiten zu unterscheiden, die entweder gewerblichen Zwecken dienen, wie die in [Art. 135 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie] vorgesehenen Ausnahmen, oder einen Gegenstand haben, der eher durch die Erbringung einer Dienstleistung als durch die bloße Bereitstellung einer Sache charakterisiert wird, wie etwa das Recht, einen Golfplatz oder – gegen Zahlung einer Maut – eine Brücke zu nutzen, oder das Recht, in Geschäftsräumen Zigarettenautomaten aufzustellen“(30). So liegt dem Gerichtshof zufolge der passive Charakter der Verpachtung oder Vermietung eines Grundstücks, der die Mehrwertsteuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie rechtfertigt, „in der Natur des Umsatzes selbst … und nicht in der Art und Weise, wie der Mieter das betreffende Gut benutzt“(31). Mit anderen Worten: Der Umstand, dass ein Mieter ein Grundstück gemäß den Bestimmungen des Mietvertrags zu gewerblichen Zwecken nutzt, ist für sich allein nicht dazu angetan, dem Eigentümer dieses Grundstücks die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung vorzuenthalten(32).

Anwendung auf den Ausgangsrechtsstreit

32.      Aus dieser Rechtsprechungsübersicht ergibt sich, dass, sofern mehrere Leistungen für ein und denselben Umsatz erbracht werden, bei der Ermittlung des hierauf anwendbaren Mehrwertsteuersatzes(33) geprüft werden muss, ob dieser Umsatz als ein einheitlicher anzusehen ist, was der Fall ist, wenn a) zwei oder mehr seiner Elemente so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, während es wirklichkeitsfremd wäre, sie getrennt zu betrachten, oder b) der betreffende Umsatz in eine Hauptleistung und eine oder mehrere Nebenleistungen aufgeteilt werden kann, wobei sich die steuerliche Behandlung des Gesamtumsatzes nach der für die Hauptleistung geltenden Behandlung richtet.

33.      Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Methode bei Leistungen zur Anwendung kommt, die für sich allein betrachtet jeweils unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen unterliegen würden. So verfährt auch der Gerichtshof bei einem Umsatz, der aus einer steuerfreien Hauptleistung und einer mehrwertsteuerpflichtigen Nebenleistung besteht(34). Wie Generalanwältin Kokott erst kürzlich hervorgehoben hat, ist „[c]harakteristisch für eine einheitlich komplexe Leistung … die Untrennbarkeit der Leistungselemente. Bei einer einheitlich komplexen Leistung verschmelzen die einzelnen Leistungselemente zu einer neuen eigenständigen Leistung, so dass nach der Verkehrsanschauung nur eine einzige Leistung vorliegt.“(35)

34.      Mit anderen Worten: Entgegen der von der deutschen Regierung offenbar vertretenen Auffassung schließt das in den Abs. 1 und 2 des Art. 135 der Mehrwertsteuerrichtlinie manifestierte Verhältnis zwischen Steuerbefreiung und Ausnahme von der Befreiung es grundsätzlich nicht aus, einen Umsatz als „einheitlich“ zu qualifizieren, auch wenn er sich aus einem nach Art. 135 Abs. 1 steuerfreien und einem nach Art. 135 Abs. 2 mehrwertsteuerpflichtigen Element zusammensetzen sollte.

35.      Das wird im Übrigen durch das Urteil Henriksen(36) bestätigt, in dem der Gerichtshof mit der Frage befasst war, ob Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass der Begriff „Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen“ auch die Vermietung von geschlossenen Garagen umfasst, die mit Grundstücken in Verbindung stehen, deren Vermietung von der Mehrwertsteuer befreit ist. Im Anschluss an die Feststellung, dass die in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausnahmen von der Steuerbefreiung nicht einschränkend auszulegen sind, da sie gerade darauf abzielen, die betreffenden Umsätze wieder der allgemeinen Regelung der Richtlinie zuzuführen – und sie somit der Mehrwertsteuer zu unterwerfen(37) –, hat der Gerichtshof klargestellt, dass der Begriff der nach Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreiten Vermietung von Grundstücken „neben den Gegenständen, die den Hauptgegenstand dieser Vermietung bilden, notwendigerweise auch deren Zubehör umfasst“(38). Der Gerichtshof hat daraus geschlossen, dass die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen nicht von diesem Befreiungstatbestand ausgenommen werden kann, wenn sie mit der steuerfreien Vermietung für einen anderen Gebrauch bestimmter Grundstücke, z. B. von Grundstücken für Wohnzwecke oder für gewerbliche Zwecke, eng verbunden ist, so dass beide Vermietungen einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang darstellen(39). Deshalb hat der Gerichtshof entschieden, dass der Begriff der Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen die Vermietung aller für das Abstellen von Fahrzeugen bestimmten Flächen einschließlich geschlossener Garagen umfasst und dass diese Vermietung nicht von der Steuerbefreiung für die Grundstücksvermietung ausgeschlossen werden kann, wenn sie mit der steuerfreien Vermietung für einen anderen Gebrauch bestimmter Grundstücke eng verbunden ist(40).

36.      Dieses Urteil ist somit ein weiteres Beispiel für einen Präzedenzfall zur Anwendung der Theorie der einheitlichen Leistung, bei dem der betreffende Umsatz aus einer von der Steuer befreiten Hauptleistung (Vermietung des Wohnhauses) und einer Nebenleistung bestand, hinsichtlich deren ausdrücklich vorgesehen war, dass sie nicht unter die Steuerbefreiung fiel. Der Gerichtshof hat Art. 13 Teil B Buchst. b Nrn. 1 bis 4 der Sechsten Richtlinie also nicht im Sinne einer Aufteilungsklausel ausgelegt, die Vorrang vor der Verwendung des Begriffs der einheitlichen Leistung hätte oder dieser entgegenstünde.

37.      Im Übrigen ist es nicht Sache des Gerichtshofs, den Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits zu beurteilen, da diese Beurteilung in die alleinige Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts fällt. Die Aufgabe des Gerichtshofs ist darauf beschränkt, diesem Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Auslegung des Unionsrechts zu geben(41). Es ist also Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob der Steuerpflichtige in einem konkreten Fall eine einheitliche Leistung erbringt, und dazu alle endgültigen Tatsachenbeurteilungen vorzunehmen(42). Aus den Akten geht aber klar hervor, dass das vorlegende Gericht diese Beurteilung bereits selbst vorgenommen hat. Es teilt nämlich die Einschätzung des erstinstanzlichen Gerichts, das in Anwendung der vorerwähnten Rechtsprechungsgrundsätze von einem einheitlichen, aus einer Hauptleistung (Verpachtung des Zuchtstalls) und einer Nebenleistung (Verpachtung der auf dessen Funktion als Zuchtstall abgestimmten Ausstattungselemente) bestehenden Umsatz ausgegangen ist(43).

38.      Wie oben ausgeführt, ist die Feststellung, dass eine einheitliche Leistung vorliegt, mit der Anwendung einer differenzierenden Steuerpflicht unvereinbar, was der Gerichtshof mit der Entscheidung klargestellt hat, wonach „sich gerade aus der Einstufung eines aus mehreren Bestandteilen bestehenden Umsatzes als einheitliche Leistung ab[leitet], dass dieser Umsatz ein und demselben Mehrwertsteuersatz unterliegen muss“(44). Indem das vorlegende Gericht in Anwendung der von mir soeben angeführten Rechtsprechung die Prämisse aufstellte, dass der Ausgangsrechtsstreit durch das Vorliegen einer einheitlichen Leistung gekennzeichnet war, hat es zugleich zwangsläufig festgestellt, dass das Finanzamt X auf eine derartige Leistung keine unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze anwenden durfte.

39.      Meines Erachtens handelt es sich bei Art. 135 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie entgegen dem Vorbringen der deutschen Regierung eindeutig um keine zwingende Aufteilungsklausel. Zwar hat der Gerichtshof im Urteil Sequeira Mesquita(45) auch nach der Feststellung, dass eine einheitliche Leistung vorlag, die offenbar unter Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie fiel, geprüft, ob der fragliche Umsatz nicht von einer der in Art. 135 Abs. 2 der Richtlinie aufgeführten Ausnahmen von der Steuerbefreiung erfasst wurde; er hat aber lediglich befunden, dass dies nicht der Fall war, wobei er darauf hinwies, dass ihm diese Frage nicht vorgelegt worden war, und sich zu den etwaigen Konsequenzen eines solchen Befunds nicht äußerte(46). Es kann daher entgegen der Ansicht der deutschen Regierung nicht geltend gemacht werden, dass dieses Urteil eine auf Art. 135 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie gestützte Pflicht zur Aufteilung der Leistungen statuiert hätte, der systematisch Vorrang vor der Anwendung der Theorie der einheitlichen Leistung einzuräumen wäre.

40.      Die deutsche Regierung trägt in ihren Erklärungen weiter vor, der Unionsgesetzgeber habe die Vermietung von Grundstücken gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie deshalb von der Steuer befreit, weil es sich dabei um eine verhältnismäßig passive, allein an den Zeitablauf gebundene Tätigkeit handle, die nicht zu einer signifikanten Wertschöpfung führe(47), im Gegensatz zu anderen Tätigkeiten(48), die gewerblichen Zwecken dienten oder einen Gegenstand hätten, der eher durch die Erbringung einer Dienstleistung als durch die bloße Bereitstellung einer Sache charakterisiert werde. Ich vermag den Akten jedoch nichts zu entnehmen, was dieses Erfordernis eines passiven Vorgangs in Frage stellen könnte, sofern festgestellt werden sollte, dass nach der Theorie der einheitlichen Leistung der gesamte Umsatz, um den es im Ausgangsrechtsstreit geht, nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Steuer zu befreien wäre. Insbesondere enthalten die Akten keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Vermieter eigens zur Wartung der verschiedenen auf die vertragsgemäße Nutzung des betreffenden Gebäudes speziell abgestimmten Ausstattungselemente verpflichtet wäre(49).

41.      Im Übrigen lässt sich die Situation, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, mit derjenigen vergleichen, die der Gerichtshof in seinem Urteil Mailat(50) zu beurteilen hatte. Zu klären war in diesem Fall, ob ein Pachtvertrag über eine Immobilie, die dem Betrieb eines Restaurants diente, sowie über alle hierfür erforderlichen Sachanlagen und Inventargegenstände eine „Verpachtung von Grundstücken“ im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie oder eine komplexe Dienstleistung darstellte. Aufgrund der Aktenlage hat der Gerichtshof festgestellt, dass sich die Verpachtung der beweglichen Gegenstände, die Gegenstand des Pachtvertrags waren, nicht von der Verpachtung der Immobilie trennen lassen dürfte. Einige dieser Gegenstände (wie etwa die Küchenausstattung und -geräte) waren mit dieser Immobilie fest verbunden und als deren wesentliche Bestandteile anzusehen(51). Die mit der Immobilie gleichzeitig vermieteten (bzw. übereigneten) Inventargegenstände waren ebenso wie die Immobilie für den Betrieb des Restaurants bestimmt, weshalb nicht angenommen werden konnte, dass mit dieser Vermietung/Übereignung ein eigener Zweck verfolgt wurde; sie stellte sich vielmehr als Mittel dar, um die in der Verpachtung der Immobilie bestehende Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen(52). Der Gerichtshof hat daher entschieden, dass in einem solchen Fall die Verpachtung der Immobilie gegenüber der Vermietung von Sachanlagen und Inventargegenständen – auch wenn diese mit der Immobilie fest verbunden sind – als Hauptleistung anzusehen ist(53).

42.      Ich bin daher auch der Ansicht, dass im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits ein solcher Pachtvertrag, bei dem die Leistung des Eigentümers stets passiv, durch bloßen Zeitablauf, zu erfolgen scheint, keine andere Leistung beinhaltet, als die verpachtete Immobilie dem Pächter zu überlassen, selbst wenn sie mit mehreren für ihren Verwendungszweck nützlichen Anlagen ausgestattet ist.

43.      Infolgedessen kommt die in Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Besteuerung nicht zur Anwendung, wenn die Vermietung oder Verpachtung von Vorrichtungen und Maschinen nur eine Nebenleistung zu der in der Vermietung oder Verpachtung eines Gebäudes bestehenden Hauptleistung darstellt.

44.      Die deutsche Regierung gibt zu bedenken, bei einer solchen Sichtweise werde der Anwendungsbereich von Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie – entgegen dem Grundsatz, dass die unter die allgemeine Regelung dieser Richtlinie fallenden Bestimmungen nicht restriktiv auszulegen seien – drastisch eingeschränkt.

45.      Diese Bedenken teile ich nicht.

46.      Zum einen lassen sich nach meiner Ansicht keine endgültigen Schlüsse zum Anwendungsbereich von Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie ziehen, da er letztlich in hohem Maße von der konkreten Beurteilung jedes einzelnen Umsatzes abhängen wird. Ich kann mir zum Beispiel durchaus vorstellen, dass die Vermietung von Vorrichtungen oder Maschinen, obwohl sie auch mit der Vermietung oder Verpachtung eines Gebäudes einhergeht, in anderen Situationen die Hauptleistung bildet. Desgleichen wird die Vermietung oder Verpachtung von als unbewegliche Sachen geltenden Vorrichtungen und Maschinen(54) – die zumindest teilweise getrennt von der Immobilie oder Anlage in Betracht kommen mag, mit der sie verbunden sind – gemäß Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie mehrwertsteuerpflichtig sein können.

47.      Zum anderen ist nach wie vor eine weite Auslegung der Begriffe in Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie möglich, so dass extensiv zu verstehen ist, was eine „Vorrichtung“ oder eine „Maschine“ im Sinne dieser Bestimmung sein kann. Hingegen dürften die Auslegungsgrundsätze für die Anwendung von Bestimmungen, die eine Steuerbefreiung ausschließen, es aus den von mir dargelegten Gründen nicht per se gebieten, von der Anwendung der Rechtsprechung zu einheitlichen Leistungen Abstand zu nehmen.

48.      Unter diesen Umständen ist Art. 135 Abs. 1 Buchst. l und Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie nach meiner Meinung dahin auszulegen, dass die Steuerbefreiung für die Verpachtung eines Stallgebäudes zur Tierzucht auch für die Verpachtung von Vorrichtungen und Maschinen im Sinne der letztgenannten Bestimmung, die auf die Funktion des Gebäudes als Zuchtstall abgestimmte Ausstattungselemente darstellen, gilt, sofern diese Vorrichtungen und Maschinen als Nebenleistung zur Verpachtung des Gebäudes überlassen werden.

Auslegung von Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie

49.      Sollte der Gerichtshof die Vorlagefrage dahin beantworten, dass Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie im Ausgangsverfahren nicht anwendbar ist, weil eine hauptsächlich durch die Verpachtung des Gebäudes geprägte einheitliche Leistung mit der Folge einer Steuerbefreiung des Umsatzes gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Richtlinie vorliegt, würde dies nach Ansicht der deutschen Regierung nicht automatisch bedeuten, dass eine nationale Vorschrift wie § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG mit der Mehrwertsteuerrichtlinie unvereinbar wäre. Vielmehr stellte sich dann die Frage – um deren Beantwortung die deutsche Regierung den Gerichtshof ersucht –, ob die Verpachtung der mit dem Gebäude verbundenen Vorrichtungen und Maschinen gemäß Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie der Mehrwertsteuer unterworfen werden könnte.

50.      Aus den Akten geht jedoch eindeutig hervor, dass das vorlegende Gericht dem Gerichtshof offensichtlich und ausdrücklich keine Frage nach der Auslegung der letztgenannten Bestimmung gestellt hat(55). Obwohl es sich hierbei zugegebenermaßen um eine Frage handelt, die in einer späteren Prüfungsphase des Ausgangsverfahrens relevant werden könnte, ist doch festzustellen, dass der Gerichtshof diese allein von der deutschen Regierung aufgeworfene Frage nicht beantworten kann.

Ergebnis

51.      …


1      Originalsprache: Französisch.


2      ABl. 2006, L 347, S. 1.


3      ABl. 2011, L 77, S. 1.


4      ABl. 2013, L 284, S. 1.


5      Nach Art. 3 Abs. 3 der Durchführungsverordnung Nr. 1042/2013 galt der durch sie in die Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 eingefügte Art. 13b erst ab dem 1. Januar 2017.


6      BGBl. 2005 I S. 386.


7      Urteil vom 19. Dezember 2018 (C-17/18, EU:C:2018:1038).


8      Das vorlegende Gericht verweist hier auf die zu einer Fütterungs- und Lüftungsanlage in einem Schweinestall ergangene nationale Rechtsprechung.


9      Das vorlegende Gericht erwähnt hier das Urteil vom 4. März 2021, Frenetikexito (C-581/19, EU:C:2021:167).


10      Das vorlegende Gericht erwähnt hier das Urteil vom 19. Dezember 2018, Mailat (C-17/18, EU:C:2018:1038).


11      Urteil vom 13. Juli 1989 (173/88, EU:C:1989:329).


12      Urteil vom 19. Dezember 2018 (C-17/18, EU:C:2018:1038).


13      Urteil vom 18. Januar 2018 (C-463/16, EU:C:2018:22).


14      Das vorlegende Gericht bezieht sich hier auf Rn. 43 des Urteils vom 2. Juli 2020, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Hostingdienste in einem Rechenzentrum) (C-215/19, EU:C:2020:518).


15      Urteil vom 19. Dezember 2018 (C-17/18, EU:C:2018:1038).


16      Vorweg möchte ich klarstellen, dass sich weder der Richtlinie noch der Rechtsprechung des Gerichtshofs entnehmen lässt, dass eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Begriffen zu machen wäre, die somit als weitgehend gleichbedeutend anzusehen sind (vgl. u. a. Urteil vom 19. Dezember 2018, Mailat, C-17/18, EU:C:2018:1038, Rn. 36).


17      Art. 135 Abs. 1 Buchst. l und Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie entsprechen Art. 13 Teil B Buchst. b bzw. Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 3 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie), so dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den letztgenannten Bestimmungen sinngemäß auf die jeweiligen Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie übertragbar ist.


18      Vgl. u. a. Urteile vom 16. April 2015, Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie (C-42/14, EU:C:2015:229, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 28. Juni 2017, Leventis und Vafeias (C-436/16, EU:C:2017:497 Rn. 18), und vom 4. März 2021, Frenetikexito (C-581/19, EU:C:2021:167, Rn. 37).


19      Vgl. Urteil vom 18. Januar 2018, Stadion Amsterdam (C-463/16, EU:C:2018:22, Rn. 22 und 26).


20      Vgl. u. a. Urteile vom 16. April 2015, Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie (C-42/14, EU:C:2015:229, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 18. Januar 2018, Stadion Amsterdam (C-463/16, EU:C:2018:22, Rn. 23), und vom 19. Dezember 2018, Mailat (C-17/18, EU:C:2018:1038, Rn. 32 bis 34).


21      Vgl. Urteil vom 2. Juli 2020, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Hostingdienste in einem Rechenzentrum) (C-215/19, EU:C:2020:518, Rn. 28).


22      Vgl. Urteil vom 16. April 2015, Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie (C-42/14, EU:C:2015:229, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).


23      Vgl. Urteil vom 18. Januar 2018, Stadion Amsterdam (C-463/16, EU:C:2018:22, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das gilt auch dann, wenn der Preis für jeden einzelnen Bestandteil der einheitlichen Leistung bestimmt werden kann (vgl. Urteil vom 3. September 2015, Asparuhovo Lake Investment Company, C-463/14, EU:C:2015:542, Rn. 27).


24      Zum autonomen Charakter der Begriffe in Art. 135 vgl. entsprechend Urteil vom 28. Februar 2019, Sequeira Mesquita (C-278/18, EU:C:2019:160, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).


25      Vgl. Urteil vom 22. Januar 2015, Régie communale autonome du stade Luc Varenne (C-55/14, EU:C:2015:29, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteile vom 19. Dezember 2018, Mailat (C-17/18, EU:C:2018:1038, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 28. Februar 2019, Sequeira Mesquita (C-278/18, EU:C:2019:160, Rn. 18), und vom 2. Juli 2020, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Hostingdienste in einem Rechenzentrum) (C-215/19, EU:C:2020:518, Rn. 40).


26      Vgl. Urteil vom 22. Januar 2015, Régie communale autonome du stade Luc Varenne (C-55/14, EU:C:2015:29, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).


27      Vgl. aus der umfangreichen Rechtsprechung Urteile vom 22. Januar 2015, Régie communale autonome du stade Luc Varenne (C-55/14, EU:C:2015:29, Rn. 23), vom 19. Dezember 2018, Mailat (C-17/18, EU:C:2018:1038, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 2. Juli 2020, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Hostingdienste in einem Rechenzentrum) (C-215/19, EU:C:2020:518, Rn. 38), sowie Beschluss vom 1. Dezember 2021, Pilsētas zemes dienests (C-598/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:971, Rn. 29). Das hat den Gerichtshof aber nicht davon abgehalten, die Bedeutung dieser Begriffe weiter zu entwickeln: vgl. u. a. Urteil vom 4. Oktober 2001, „Goed Wonen“ (C-326/99, EU:C:2001:506).


28      Vgl. Urteil vom 22. Januar 2015, Régie communale autonome du stade Luc Varenne (C-55/14, EU:C:2015:29, Rn. 24).


29      Vgl. Urteil vom 19. Dezember 2018, Mailat (C-17/18, EU:C:2018:1038, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).


30      Vgl. entsprechend Urteil vom 28. Februar 2019, Sequeira Mesquita (C-278/18, EU:C:2019:160, Rn. 19). Vgl. auch Urteil vom 2. Juli 2020, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Hostingdienste in einem Rechenzentrum) (C-215/19, EU:C:2020:518, Rn. 41).


31      Vgl. entsprechend Urteile vom 28. Februar 2019, Sequeira Mesquita (C-278/18, EU:C:2019:160, Rn. 20), und vom 2. Juli 2020, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Hostingdienste in einem Rechenzentrum) (C-215/19, EU:C:2020:518, Rn. 42). Der Gerichtshof weist darauf hin, dass „diese Steuerbefreiung nicht für eine Tätigkeit gilt, die nicht nur eine passive Zurverfügungstellung eines Grundstücks, sondern außerdem seitens des Eigentümers eine ganze Reihe geschäftlicher Tätigkeiten wie Aufsicht, Verwaltung und ständige Unterhaltung sowie Zurverfügungstellung anderer Anlagen mit sich bringt, so dass, sofern nicht ganz besondere Umstände vorliegen, die Vermietung dieses Grundstücks keine ausschlaggebende Dienstleistung darstellen kann“ (Urteile vom 28. Februar 2019, Sequeira Mesquita, C-278/18, EU:C:2019:160, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 2. Juli 2020, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö [Hostingdienste in einem Rechenzentrum], C-215/19, EU:C:2020:518, Rn. 43).


32      Vgl. entsprechend Urteil vom 28. Februar 2019, Sequeira Mesquita (C-278/18, EU:C:2019:160, Rn. 22).


33      Für eine ausführliche und systematische Analyse verweise ich hier auf die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Frenetikexito (C-581/19, EU:C:2020:855, Nrn. 20 ff.).


34      Vgl. die von der Kommission in ihren Erklärungen erwähnten Urteile vom 25. Februar 1999, CPP (C-349/96, EU:C:1999:93, Rn. 32), vom 21. Juni 2007, Ludwig (C-453/05, EU:C:2007:369, Rn. 20), und vom 27. September 2012, Field Fisher Waterhouse (C-392/11, EU:C:2012:597, Rn. 28).


35      Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Frenetikexito (C-581/19, EU:C:2020:855, Nr. 25).


36      Urteil vom 13. Juli 1989 (173/88, EU:C:1989:329).


37      Vgl. Urteil vom 13. Juli 1989, Henriksen (173/88, EU:C:1989:329, Rn. 12).


38      Urteil vom 13. Juli 1989, Henriksen (173/88, EU:C:1989:329, Rn. 14).


39      Vgl. Urteil vom 13. Juli 1989, Henriksen (173/88, EU:C:1989:329, Rn. 15).


40      Vgl. Urteil vom 13. Juli 1989, Henriksen (173/88, EU:C:1989:329, Rn. 17).


41      Vgl. Urteil vom 2. Juli 2020, Blackrock Investment Management (UK) (C-231/19, EU:C:2020:513, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).


42      Vgl. Urteil vom 19. Dezember 2018, Mailat (C-17/18, EU:C:2018:1038, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. in gleichem Sinne auch Urteil vom 2. Juli 2020, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö (Hostingdienste in einem Rechenzentrum) (C-215/19, EU:C:2020:518, Rn. 30 bis 32).


43      Ich verweise hier insbesondere auf die Rn. 46, 48 und 50 des Vorabentscheidungsersuchens.


44      Urteil vom 18. Januar 2018, Stadion Amsterdam (C-463/16, EU:C:2018:22, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Rn. 36 dieses Urteils.


45      Urteil vom 28. Februar 2019 (C-278/18, EU:C:2019:160).


46      Vgl. Urteil vom 28. Februar 2019, Sequeira Mesquita (C-278/18, EU:C:2019:160, Rn. 32 und 33).


47      Was auch der Gerichtshof anerkannt hat: vgl. u. a. Urteil vom 18. November 2004, Temco Europe (C-284/03, EU:C:2004:730, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).


48      Siehe Nr. 31 der vorliegenden Schlussanträge.


49      Auch hier hat das vorlegende Gericht mit der Annahme, dass eine einheitliche Leistung vorliege, zugleich festgestellt, dass die Miete der Vorrichtungen, mit denen der Zuchtstall ausgestattet sei, für den Mieter keinen eigenen Zweck, sondern lediglich ein Mittel darstelle, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.


50      Urteil vom 19. Dezember 2018 (C-17/18, EU:C:2018:1038).


51      Wenn diese Gegenstände mit dem betreffenden Gebäude fest verbunden und als dessen integraler Bestandteil zu betrachten sind, erscheint es fraglich, ob sie noch als beweglich bezeichnet werden können. Es lässt sich eventuell auch nicht ganz ausschließen, dass es der Gerichtshof dann mit Gegenständen zu tun hätte, die als „Vorrichtungen“ oder „Maschinen“ im Sinne von Art. 135 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie einzustufen wären.


52      Vgl. Urteil vom 19. Dezember 2018, Mailat (C-17/18, EU:C:2018:1038, Rn. 39).


53      Vgl. Urteil vom 19. Dezember 2018, Mailat (C-17/18, EU:C:2018:1038, Rn. 41).


54      Dies geht meines Erachtens bereits aus Art. 135 Abs. 1 Buchst. l in Verbindung mit Art. 135 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie hervor und wird durch die Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 in der durch die Durchführungsverordnung Nr. 1042/2013 geänderten Fassung bestätigt (siehe Nr. 4 der vorliegenden Schlussanträge).


55      Vgl. namentlich die am 1. Dezember 2021 beim Gerichtshof eingegangene Antwort des vorlegenden Gerichts auf das Auskunftsersuchen des Gerichtshofs vom 20. Oktober 2021.

 

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