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Steuerrecht
30.08.2024
Steuerrecht
FG Baden-Württemberg: Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.4.2024 – 10 K 1091/23

ECLI:DE:FGBW:2024:0429.10K1091.23.00

Volltext: BB-Online BBL2024-2012-1

Sachverhalt

Streitig ist die Verfassungsmäßigkeit der in § 20 Abs. 6 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des Art. 5 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen (GrenzStGestaltG) vom 21. Dezember 2019 (Bundesgesetzblatt -BGBl- I 2019, 2875, 2884), geändert durch Art. 1 Nr. 9 des Jahressteuergesetzes (JStG) 2020 vom 21. Dezember 2020 (BGBl I 2020, 3096, 3098), geregelten Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte.

Die Kläger (Ehemann geboren in 1986; Ehefrau geboren in 1987) sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger hat eine Ausbildung zum Vermögensberater bei der Firma A absolviert. Er arbeitet als (...) bei der Firma B in Stadt C.

Die Klägerin ist (…) und arbeitet als (…) in Stadt D. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2021 vom 6. Oktober 2022 erklärten sie unter anderem folgende Einkünfte des Klägers:

 

inländische Kapitalerträge

5.810 €

davon Zinsen aus Guthaben und Einlagen

19 €

ausländische Kapitalerträge

224.448 €

in den Kapitalerträgen enthaltene Gewinne aus Aktienveräußerungen

i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG

771 €

in den Kapitalerträgen enthaltene Einkünfte aus Stillhalterprämien und Gewinne aus Termingeschäften

229.468 €

Verluste aus Termingeschäften

218.880 €

private Veräußerungsgeschäfte (Gewinn aus dem Verkauf von Kryp- towährungen)

 

7.277 €

 

Die Termingeschäftsgewinne und -verluste des Klägers resultierten aus einer Vielzahl von Transaktionen, bei denen er mit Differenzkontrakten („Contracts for Differences“ -CFD) handelte (u.a. Bitcoin Swap; Tesla Motors Inc. Swap; Alibaba Swap; Solar Edge Technologies Swap; BYD Co. Ltd. Swap; SPX 500 Swap; NASDAQ 100 Swap; GER 40 Swap; Teladoc Health Inc. Swap; Team Viewer AG Swap; Varta AG Swap).

Der Kläger nutzte hierfür die digitale Trading-Plattform der Firma F Ltd. (Stadt E, südeuropäisches Land – künftig: Firma F). Der Kläger begann im Jahr 2021 mit dem Handel über Firma F. Zu Beginn musste er eine Selbsteinschätzung abgeben und ein Konto eröffnen. Die Trades schloss er unter Nutzung seines PCs ab, der auf einem Schreibtisch im Zimmer seines Kindes stand. Die Familie bewohnte eine angemietete Wohnung mit einer Wohnfläche von 77 m². Die Handelsgeschäfte, die er mit Eigenkapital finanzierte, führte er nur für sich selbst aus. Er handelte mit Hebel. Das Verlustrisiko war ihm bewusst.

Der Kläger stellte die Handelsgeschäfte ein, als ihm die gesetzliche Regelung zur steuerlichen Behandlung bei Erstellung seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr im September bzw. Oktober 2022 bewusst wurde. Eine (teilweise) Verrechnung der Verluste aus 2021 war in 2022 nach Angaben des Klägers nicht möglich. Danach entstanden in 2022 ein Termingeschäftsgewinn von 704,65 € und ein Termingeschäftsverlust von 70.898,04 €.

Der Geschäftsbeziehung lagen die „Allgemeine Geschäftsbedingungen für Kunden“ nebst Anlagen und Anhängen zugrunde (...).

CFDs können danach nur außerbörslich (over the counter -OTC-) aufgrund eines bilateralen Vertrags mit Firma F als Schuldner der Gegenposition und nicht mit Dritten abgeschlossen werden (...). Die alleinige Verantwortung für sämtliche Anlageentscheidungen und -tätigkeiten trägt der Anleger. Bei komplexen Produkten wie bei CFDs prüft Firma F, ob das Produkt für den Anleger angemessen ist.

Ein CFD ist nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Firma F ein Finanzprodukt, das den Handel mit Kursschwankungen eines zugrundeliegenden Produkts wie Aktien, Devisen, Indizes, Rohstoffen oder Kryptowerten ermöglicht. Der Anleger willigt ein, die Differenz des Preises eines zugrundeliegenden Produkts zum Zeitpunkt, zu dem die Position eröffnet wird, mit dem Preis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie geschlossen wird, zu tauschen (...). Es wird die Kursdifferenz zwischen Ein- und Ausstiegszeitpunkt gehandelt. Die Differenz aus diesen Kursen führt dann zu einem Gewinn oder Verlust auf Seiten des Investors bzw. von Firma F. Dabei können Anleger CFDs handeln, die von steigenden Kursen (Long-CFD), und solche, die von fallenden Notierungen des Basiswerts profitieren (Short-CFD).

CFDs können mit einem Hebel gehandelt werden (...). Hierbei handelt es sich um einen Faktor, der es dem Investor ermöglicht seinen Gewinn bzw. Verlust zu vervielfachen. Hierdurch kann der Investor mit einem geringen Kapitaleinsatz ein hohes Volumen in Bezug auf den Basiswert handeln. Der Anleger hinterlegt nur einen Teil der Kosten der Transaktion im Voraus (...).

Bei einem Kleinanleger ist sicherzustellen, dass dieser nicht mehr Geld verlieren kann, als er auf seinem Konto für den Handel mit CFDs hinterlegt hat („Schutz vor einem negativen Saldo"; ...). Insoweit besteht keine Nachschusspflicht bzw. kein unbegrenztes Verlustrisiko.

Bei CFDs handelt sich nach den Hinweisen von Firma F um komplexe derivative Produkte, die aufgrund des Hebels mit einem hohen Verlustrisiko (unabhängig vom Basiswert) verbunden sind (...).

Wird eine Position nach Handelsschluss offen gehalten, entsteht eine Übernachtgebühr. Es entsteht eine Wochenendgebühr, wenn eine Position über das Wochenende offen gehalten wird (...).

Nach den Feststellungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist die Zahl der Anleger, die in CFD investieren, wegen der häufig relativ kurzen Lebensspanne der Kundenkonten für CFD und der grenzüberschreitenden Dimension der Tätigkeiten nur schwer bestimmbar. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA schätzte anhand der Daten, die sie von einer Reihe von nationalen zuständigen Behörden erhalten hatte, dass die Zahl der Handelskonten von Kleinanlegern bei Anbietern von CFD und binären Optionen mit Sitz im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) von 1,5 Millionen im Jahr 2015 auf ungefähr 2,2 Millionen im Jahr 2017 angestiegen war.

Laut der im Auftrag des Contracts for Difference Verband e. V. erstellten Statistik des Research Center for Financial Services aus Juni 2017, die sich auf den deutschen Markt und in Deutschland ansässige Kunden bezieht, gab es im ersten Quartal 2017 176.393 CFD-Konten von Kunden. Laut der ebenfalls im Auftrag des Contracts for Difference Verband e. V. erstellten Statistik des Research Center for Financial Services aus Mai 2018, die sich wiederum auf den deutschen Markt und in Deutschland ansässige Kunden bezieht, gab es im ersten Quartal 2018 gegenüber dem ersten Quartal 2017 einen Anstieg um 11,5 % auf 196.757 CFD-Konten von Kunden.

Nach den Beobachtungen der BaFin sowie nach Studien anderer europäischer Aufsichtsbehörden ist die durchschnittliche Verweildauer von Kunden der CFD-Anbieter eher kurz bemessen. In dieser Zeit verliert nach Beobachtungen der BaFin sowie anderer europäischen Aufsichtsbehörden ein Großteil der Anleger das von ihnen eingesetzte Kapital. Diese aufsichtsrechtlichen Beobachtungen werden durch diverse Studien europäischer Aufsichtsbehörden bestätigt (vgl. zum Ganzen BaFin, Allgemeinverfügung bezüglich sog. Differenzgeschäfte [„Contracts for Difference / CFD"] vom 23. Juli 2019, VBS 7-Wp 5427-2018/0057, m.w.N.; abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Verfuegung/vf_190801_allgvfg_Differenzgeschaefte.html).

Zum Nachweis der Termingeschäftsverluste legte der Kläger eine Aufstellung von Firma F vom 8. Juli 2022 zum Depot Nr. XXX für den Berichtszeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2021 vor (...). Es handelte sich im Einzelnen um folgende Termingeschäfte, die zu Verlusten führten:

 

Termingeschäft

Datum

Verlust in Euro

Bitcoin Swap (Basiswert: Kryptowährung)

22.10.2021

79,34

12.11.2021

44,02

18.11.2021

5.003,08

04.12.2021

14.831,46

04.12.2021

3.631,90

Tesla Motors Inc. Swap (Basiswert: Aktie)

19.07.2021

434,79

Alibaba Swap (Basiswert: Aktie)

27.08.2021

1.753,30

14.09.2021

36.153,81

Solar Edge Technologies Swap (Basiswert: Aktie)

17.12.2021

28,92

BYD Co. Ltd. Swap (Basiswert: Aktie)

19.07.2021

477,93

16.08.2021

8.208,32

SPX 500 Swap (Basiswert: Index)

09.08.2021

29,86

22.09.2021

11.984,62

NASDAQ 100 Swap (Basiswert: Index)

24.08.2021

415,07

25.08.2021

553,33

15.09.2021

60,80

17.09.2021

8,04

17.09.2021

669,08

20.09.2021

3.040,31

20.09.2021

1.315,36

21.09.2021

859,34

21.09.2021

770,78

21.09.2021

1.340,12

21.09.2021

1.107,95

21.09.2021

951,05

21.09.2021

803,29

21.09.2021

117,25

21.09.2021

464,33

21.09.2021

2.064,80

21.09.2021

1.223,43

21.09.2021

844,38

21.09.2021

4.324,17

21.09.2021

4.695,43

22.09.2021

1.045,64

22.09.2021

25,03

28.09.2021

28.930,92

28.09.2021

53,07

28.09.2021

729,13

28.09.2021

458,88

30.09.2021

1.025,89

01.10.2021

2.803,09

01.10.2021

432,23

01.10.2021

2.054,43

04.10.2021

454,04

06.10.2021

1.291,91

06.10.2021

5.908,00

06.10.2021

1.823,54

06.10.2021

6.557,76

11.10.2021

962,85

11.10.2021

2.873,32

12.10.2021

2.520,96

12.10.2021

4.793,21

27.12.2021

259,92

27.12.2021

12,78

GER 40 Swap (Basiswert: Index)

12.05.2021

158,53

13.05.2021

1.021,98

14.05.2021

2.257,86

15.07.2021

1.498,84

04.08.2021

3.058,44

24.08.2021

4.386,33

24.08.2021

1.499,68

01.09.2021

45,05

21.09.2021

10.162,03

21.09.2021

611,83

24.09.2021

1.465,25

01.10.2021

137,20

11.10.2021

1.984,15

Teladoc Health Inc. Swap (Basiswert: Aktie)

30.09.2021

386,29

Team Viewer AG Swap (Basiswert: Aktie)

30.09.2021

578,76

Varta AG Swap (Basiswert: Aktie)

05.11.2021

3.603,84

05.11.2021

1.245,27

05.11.2021

              422,87

Zwischensumme

 

207.830,46

Übernachtgebühren (lt. Firma F: Gebühren, wenn eine Posi- tion über Nacht gehalten wird)

 

6.648,81

Wochenendgebühren (lt. Firma F: Gebühren, die für das Hal- ten von Positionen über das Wochenende erhoben werden)

 

              4.400,29

Verluste aus Termingeschäften

 

218.879,56

 

Der Beklagte ermittelte im Einkommensteuerbescheid 2021 vom 5. Dezember 2022 ein zu versteuerndes Einkommen von 51.131 €. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung -AO-). Dabei wurde der Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften wie erklärt als sonstige Einkünfte (privates Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) berücksichtigt. Freibeträge für das (...) Kind wurden nicht abgezogen, weil die steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes durch den Anspruch auf Kindergeld erreicht wurde. Unter Berücksichtigung eines Progressionsvorbehalts ergab sich hieraus eine festzusetzende Einkommensteuer von 8.181 €.

Die Einkünfte aus Kapitalvermögen der Kläger wurden nach § 32d Abs. 1 EStG wie folgt mit dem Abgeltungssteuersatz versteuert:

 

 

Ehemann

Ehefrau

Kapitalerträge

19 €

548 €

Einkünfte aus Stillhalterprämien und Gewinne aus Ter- mingeschäften

 

229.468 €

 

Gewinne aus der Veräußerung von Aktien

771 €

 

 

 

 

Zwischensumme

230.258 €

548

Verrechnung laufender Verluste aus Kapitalvermögen (Termingeschäfte i.S. des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG)

20.000 €

 

Verrechnung von Verlustvorträgen aus Kapitalvermö- gen (ohne Verluste aus der Veräußerung von Aktien)

5 €

 

abzüglich Sparer-Pauschbetrag

1.054 €

548 €

Einkünfte aus Kapitalvermögen

i.S. des § 32d Abs. 1 EStG

209.199 €

0 €

hierauf entfallende Einkommensteuer

51.274 €

 

 

Insgesamt setzte der Beklagte somit eine Einkommensteuer 2021 von (8.181 € + 51.274 € =) 59.455 € fest.

Der Beklagte stellte zudem mit Bescheid vom 5. Dezember 2022 einen verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2021 in Höhe von 198.880 € fest (Einkünfte aus Kapitalvermögen; Termingeschäfte i.S. des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG). Auch dieser Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 legten die Kläger am 28. Dezember 2022 Einspruch ein mit dem Ziel einer unbeschränkten Saldierung der Termingeschäftsgewinne und -verluste. Sie beantragten ferner das Ruhen des Verfahrens aufgrund des beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) unter dem Az. 2 BvL 3/21 anhängigen konkreten Normenkontrollverfahrens bezüglich des separaten Verlustverrechnungskreises für Aktienveräußerungsverluste.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 24. April 2023 als unbegründet zurück. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, im Streitfall lägen die Voraussetzungen für ein Ruhen des Verfahrens nicht vor, da der Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. November 2020 VIII R 11/18, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 271, 399, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2021, 562 an das BVerfG für den Streitfall keine präjudizielle Bedeutung habe. Es sei nicht zu erwarten, dass der Ausgang jenes Verfahrens unmittelbar zur Erledigung des Einspruchsverfahrens führen werde, da nicht dieselbe gesetzliche Regelung zur Prüfung anstehe. Der Beklagte sei an die Regelung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG gebunden.

Hiergegen reichten die Kläger durch ihre Prozessbevollmächtigte am 22. Mai 2023 Klage beim Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg ein. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus, die Regelung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG sei verfassungswidrig. Die Termingeschäftsverluste des Klägers seien daher vollständig mit den Termingeschäftsgewinnen zu verrechnen.

Die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG verletze das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Es könne nicht im Wege typisierender Betrachtung davon ausgegangen werden, dass Termingeschäftsverluste in der Totalperiode zu Lebzeiten des Steuerpflichtigen vollständig ausgeglichen werden könnten. Im Vergleich zu dem Verlustverrechnungskreis bzgl. Aktienveräußerungsverlusten sei die Besteuerung nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit noch stärker beeinträchtigt, da die Verlustverrechnung auf jährlich 20.000 € begrenzt sei. Eine typische Handelsstrategie im CFD-Handel, die auch der Kläger verfolgt habe, bestehe darin, durch eine große Anzahl von einzelnen Transaktionen einen Überschuss zwischen den für sich genommen betragsmäßig eher kleinen einzelnen Termingeschäftsgewinnen gegenüber den einzelnen Termingeschäftsverlusten zu erreichen. Wie auch in diesem Fall führe die Vorschrift daher bei der gebotenen typisierenden Betrachtung dazu, dass bei einem hohen Betrag der aufsummierten einzelnen Termingeschäfte mit positivem Ergebnis und einem annähernd gleich hohen Betrag der aufsummierten einzelnen Termingeschäfte mit negativem Ergebnis die aufsummierten Gewinne sofort zu besteuern seien, während die aufsummierten Verluste über eine Vielzahl von Jahren vorgetragen werden müssten.

Die Verlustverrechnungsbeschränkung könne auch nicht als Lenkungsnorm gerechtfertigt sein. Laut Gesetzesbegründung solle die Norm dazu dienen, das Investitionsvolumen und die daraus für Anleger entstehenden Verlustrisiken aus diesen spekulativen Anlagen zu begrenzen. In Wahrheit solle jedoch wohl eher der Fiskus vor den Folgen für das Steueraufkommen geschützt werden. Haushaltsrisiken dürften jedoch nicht durch eine punktuelle Überbelastung einzelner Steuerpflichtiger kompensiert werden.

Jedenfalls fehle es der gesetzlichen Bestimmung an der Geeignetheit, diesen Lenkungszweck zu verwirklichen. Die Einschränkung der Verlustverrechnung erhöhe vielmehr die aus wirtschaftlicher Sicht nachteiligen Folgen für den Privatanleger, indem dieser die Möglichkeit, seine Verluste steuerlich geltend zu machen, verliere. In völligem Widerspruch zu dem angeblichen Lenkungszweck führe die 20.000 €-Grenze tendenziell dazu, dass Termingeschäfte ausgerechnet für Kleinstanleger attraktiv blieben.

Die Verlustverrechnungsbeschränkung verletze zudem das Prinzip der Folgerichtigkeit. Eine folgerichtige Ausgestaltung sei vom BFH bereits bei der weniger einschränkenden Regelung bezüglich des Verlustverrechnungskreises bei Aktienveräußerungsverlusten verneint worden. Insbesondere sei es nicht folgerichtig, dass „spekulationsbedingte“ hohe Gewinne bei Zufluss voll zu versteuern seien, Verluste aber in asymmetrischer Weise jährlich nur bis zu 20.000 € und unter Umständen gar nicht anerkannt würden.

Schließlich verletze die Vorschrift das Gleichheitsgrundrecht des Art. 3 des Grundgesetzes (GG), weil Privatanleger gegenüber Steuersubjekten, die gewerbliche Einkünfte beziehen, ohne hinreichenden Differenzierungsgrund durch die unterschiedlichen Regelungen der Verlustverrechnung benachteiligt würden. Die Vorschrift des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG enthalte keine betragsmäßige Begrenzung der Verlustverrechnung nach dem Verlustvortrag. Der angebliche Gesetzeszweck, entstehende Verlustrisiken aus spekulativen Anlagen zu begrenzen, könne für sämtliche Steuersubjekte relevant sein. Wenn der Gesetzgeber wirklich diesen Zweck sinnvoll hätte verwirklichen wollen, hätte er die begünstigende Regelung, d.h. die Möglichkeit der betragsmäßig uneingeschränkten Verlustverrechnung für professionelle Anleger, unabhängig von dem Steuerstatus treffen können. Solche Unterscheidungen zwischen professionellen und nicht-professionellen Anlegern existierten auch im Kapitalanlagerecht. Eine solche Differenzierung hätte daher im Wertpapierhandelsrecht und nicht im Rahmen des Steuerrechts verwirklicht werden müssen.

Insgesamt sei daher bei der Möglichkeit, eine uneingeschränkte betragsmäßige Verlustverrechnung von Termingeschäftsverlusten vorzunehmen, eine Unterscheidung zwischen den dem Abgeltungssteuerregime unterliegenden Anlegern und Anlegern, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, gleichheitswidrig und ungeeignet, dem angeblichen Gesetzeszweck zu dienen.

Die Kläger beantragen, das vorliegende Klageverfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG darüber einzuholen, ob § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG in der Fassung des JStG 2020 vom 21. Dezember 2020 (BGBl I 2020, 3096) insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, als Verluste aus Termingeschäften nur mit Gewinnen aus Termingeschäften verrechnet werden dürfen und die Verlustverrechnung zudem auf jährlich 20.000 € begrenzt ist,

den Einkommensteuerbescheid 2021 vom 15. März 2024 dahingehend abzuändern, dass im Rahmen der der Abgeltungsteuer unterliegenden Kapitaleinkünfte des Klägers der Überschuss aus Termingeschäften von 203.943 € auf 10.587 € herabgesetzt und die festzusetzende Einkommensteuer entsprechend gemindert wird,

hilfsweise die Revision zuzulassen,

die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung beruft er sich auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Der Berichterstatter führte am 8. Februar 2024 einen Erörterungstermin durch. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Der Beklagte erließ am 15. März 2024 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2021 sowie einen geänderten Bescheid über den verbleibenden Verlustvortrag zum 31. Dezember 2021 (Einkünfte aus Kapitalvermögen; Termingeschäfte i.S. des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG). Darin ordnete der Beklagte die sog. Übernachtgebühren (6.648,81 €) und Wochenendgebühren (4.400,29 €) in Übereinstimmung mit der Klägerseite (...) sowohl den Termingeschäftsgewinnen als auch den Verlusten zu. Diese Beträge waren bislang allein bei den Termingeschäftsverlusten erfasst worden. Die Termingeschäftsverluste betragen demnach 213.356 € und die Termingeschäftsgewinne 223.943 €. Der verbleibende Verlustvortrag zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2021 beläuft sich auf 193.356 €.

Die Bescheide, die an die Kläger selbst adressiert waren, wurden von diesen an die Prozessbevollmächtigte weiter gegeben und damit wirksam bekannt gegeben (...).

Der geänderte Einkommensteuerbescheid 2021 wurde gemäß § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens.

Der Senat führte am 29. April 2024 eine mündliche Verhandlung durch. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Dem Senat lagen bei seiner Entscheidung die den Streitfall betreffenden Akten des Beklagten vor (1 Bd. Rechtsbehelfsakten).

Aus den Gründen

I. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Einkommensteuerbescheid 2021 vom 5. Dezember 2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. April 2023, zuletzt geändert mit Bescheid vom 15. März 2024, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Der Beklagte hat die Verluste des Klägers aus Termingeschäften zutreffend nur in Höhe von 20.000 € mit Gewinnen aus Termingeschäften ausgeglichen und hinsichtlich der nicht verrechneten Verluste einen verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2021 in Höhe von 193.356 € gesondert festgestellt.

1. Die vom Kläger aus seinen Wertpapiergeschäften erzielten Einkünfte sind keine gewerblichen Einkünfte im Sinne des § 15 EStG. Die Einkünfte aus den Termingeschäften sind demzufolge nicht nach § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG den gewerblichen Einkünften zuzurechnen. Dies ist zwischen den Beteiligten zurecht unstreitig.

a) Ein Gewerbebetrieb erfordert nach § 15 Abs. 2 EStG eine selbständige, nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und keine land- und forstwirtschaftliche, freiberufliche oder andere selbständige Tätigkeit ist. Zudem darf es sich nicht um eine private Vermögensverwaltung handeln.

Der Handel mit Wertpapieren ist nach der Rechtsprechung des BFH regelmäßig als private Vermögensverwaltung einzuordnen. Dies ergibt sich daraus, dass der Vermögensanlage in Wertpapieren eigen ist, dass die Fruchtziehung nicht notwendigerweise im Zufluss von Zinsen und Dividenden besteht, sondern sich die Ertragserwartung des Anlegers wirtschaftlich auch aus der Kursentwicklung ergeben kann (vgl. BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 X R 1/97, BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706, unter II.2.b). Dementsprechend widerspricht die Berücksichtigung der späteren Möglichkeit günstiger Weiterveräußerung dem Begriff der privaten Vermögensverwaltung nicht. Bei Wertpapieren liegt es in der Natur der Sache, den Bestand zu verändern, schlechte Papiere abzustoßen, gute zu erwerben und Kursgewinne zu realisieren (BFH-Urteil vom 11. Juli 1968 IV 139/63, BFHE 93, 281, BStBl II 1968, 775). Die Verkehrsauffassung sieht die Umschichtung von Wertpapieren - selbst in erheblichem Umfang - daher regelmäßig als noch zur privaten Vermögensverwaltung gehörig an. Gewerblichkeit kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände, die erkennen lassen, dass der Steuerpflichtige sich wie ein Händler verhält, angenommen werden. Beweisanzeichen für eine Zuordnung zum Bild des Wertpapierhandels sind der Umfang der Geschäfte, das Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung von Geschäften, das Ausnutzen eines Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrungen, das Anbieten von Wertpapiergeschäften gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit und andere für eine private Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen (BFH-Urteile vom 24. August 2011 I R 46/10, BFHE 234, 339, BStBl II 2014, 764; in BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706).

Die für einen Händler am Kapitalmarkt bedeutsamen Merkmale der Professionalität haben sich im Gesetz über das Kreditwesen (KWG) niedergeschlagen. So ist für das Wertpapierhandelsunternehmen ein Tätigwerden „für andere“ (vgl. § 1 Abs. 1a Satz 1 KWG) und vor allem ein Tätigwerden „für fremde Rechnung“ (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG) kennzeichnend, wobei dem Merkmal des Tätigwerdens „für fremde Rechnung“ ein besonderes Gewicht im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung beizumessen ist (vgl. BFH-Urteil vom 2. September 2008 X R 14/07, BFH/NV 2008, 2012). Ein Tätigwerden ausschließlich „für eigene Rechnung“ deutet darauf hin, dass der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten wird (vgl. BFH-Urteile vom 2. September 2008 X R 14/07, BFH/NV 2008, 2012 und vom 19. Februar 1997 XI R 1/96, BFHE 182, 567, BStBl II 1997, 399). Soweit Finanzunternehmen (vgl. § 1 Abs. 3 KWG) nicht anders als private Anleger für eigene Rechnung tätig werden, zeichnet sich ihre Tätigkeit dadurch aus, dass sie den Handel mit institutionellen Partnern selbst betreiben und nicht lediglich über eine Depotbank am Marktgeschehen teilnehmen. Die Abwicklung von Geschäften über eine depotführende Bank, ohne selbst Kontrahenten zu suchen, ist dagegen kennzeichnend für Transaktionen, die den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschreiten (vgl. BFH-Urteil vom 19. August 2009 III R 31/07, BFH/NV 2010, 844). Ferner muss der Wertpapierhandel nach der gesetzlichen Definition in § 1 Abs. 3 KWG die Haupttätigkeit eines Finanzunternehmens darstellen. Privatanleger, die ihre An- und Verkaufstätigkeit neben einer Hauptbeschäftigung oder außerhalb der üblichen Arbeitszeiten in ihrer Freizeit ausüben bzw. sie durch ein Finanzunternehmen ausüben lassen, entsprechen daher nicht dem Bild eines „Finanzunternehmens“ (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 844). Schließlich ist bei dem Vergleich des An- und Verkaufs von Wertpapieren mit dem Bild des „Gewerbebetriebes“ der Entwicklung der Verhältnisse Rechnung zu tragen. So hat unter anderem auch der technologische Fortschritt Auswirkungen auf die kurzfristige Handelbarkeit von Kapitalanlagen, auf die Technik der Geschäftsabschlüsse und auf die Möglichkeiten zur Erlangung geschäftsrelevanter Informationen, die zunehmend auch Privatanlegern ohne Weiteres zugänglich sind. Die zunehmende Größe der Privatvermögen führt ebenfalls dazu, dass sich die Anzahl der vermögensverwaltenden Geschäfte - insbesondere bei der Pflege von Wertpapierdepots - erhöht (vgl. zum Ganzen auch BFH-Urteil in BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706). Kein ausreichendes Indiz ist dagegen die bloße Anzahl von An- und Verkäufen (Umschlagshäufigkeit). Dem Kriterium einer Kreditfinanzierung kommt keine, dem Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung der Geschäfte sowie dem Einsatz von beruflicher Erfahrung nur eine eingeschränkte Bedeutung zu (vgl. BFH-Urteile vom 30. Juli 2003 X R 7/99, BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408 und in BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war der Kläger unter Abwägung aller Umstände nicht gewerblich tätig. Denn er trat nicht am Markt als Finanzdienstleister „für andere“ bzw. „für fremde Rechnung“ in Erscheinung, sondern tätigte die Wertpapiergeschäfte nur für sich selbst im eigenen Namen. Zudem handelte er über die digitale Trading-Plattform von Firma F. Seine Handelsaufträge wurden durch Firma F für seine Rechnung ausgeführt. Solche Transaktionen überschreiten nicht den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung. Der bloße An- und Verkauf zum Ausnutzen von Kursbewegungen führt auch dann nicht zwingend zu einer Gewerblichkeit der hieraus erzielten Einkünfte, wenn das Handelsvolumen betragsmäßig erhebliche Summen erreicht (vgl. auch BFH-Urteile in BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408 und in BFH/NV 2008, 2012). Die vom Kläger für seine eigene Rechnung neben seinem Hauptberuf als Systembetreuer getätigten Wertpapiergeschäfte erforderten weder von ihrer Art noch von ihrem Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706).Die Trades schloss er unter Nutzung seines PCs ab, der auf einem Schreibtisch im Zimmer seines Kindes stand. Die Handelsgeschäfte finanzierte er - abgesehen von der Hebelwirkung - mit Eigenkapital.

2. Nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG in der Fassung des Art. 5 GrenzStGestaltG, geändert durch Art. 1 Nr. 9 JStG 2020, dürfen Verluste aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG nur in Höhe von 20.000 € mit Gewinnen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG und mit Einkünften im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG (Stillhalterprämien) ausgeglichen werden. Die Regelungen in § 20 Abs. 6 Sätze 2 und 3 EStG gelten sinngemäß mit der Maßgabe, dass nicht verrechnete Verluste je Folgejahr nur bis zur Höhe von 20.000 € mit Gewinnen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG und mit Einkünften im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG verrechnet werden dürfen. Diese Vorschrift ist auf Verluste anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2020 entstehen (§ 52 Abs. 28 Satz 25 EStG). Die Norm begründet einen zusätzlichen besonderen Verlustverrechnungskreis, durch den eine Verlustnutzung zeitlich gestreckt und veranlagungsübergreifend ermöglicht werden soll.

Der Kläger erzielte im Streitjahr 2021 Gewinne aus Termingeschäften i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG in Höhe von 223.943 €. Zudem erlitt er Verluste aus Termingeschäften in Höhe von 213.356 €. Dies ist zwischen den Beteiligten aufgrund der vorgelegten Aufstellung von Firma F unstreitig. Steuerliche Jahresbescheinigungen oder Erträgnisaufstellungen nach deutschem Steuerrecht werden bei CFDs nicht erstellt, da die Broker in aller Regel - wie auch im Streitfall - im Ausland ansässig sind. Die Erfassung von CFDs an der Quelle (Kapitalertragsteuer) scheidet daher regelmäßig aus (vgl. Stiegler, Neue Wirtschaftsbriefe -NWB- 2022, 391, 392, 396).

a) Unter die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG fällt der Gewinn bei Termingeschäften, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt.

aa) Das Termingeschäft ist in § 20 Abs. 2 EStG nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des BFH folgt der Begriff des Termingeschäftes den Regelungen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG); Termingeschäfte in diesem Sinne sind nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpHG u.a. Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind (zeitliches Auseinanderfallen von Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft) und deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines bestimmten Basiswertes ableitet (BFH-Urteil vom 12. Mai 2015 VIII R 4/15, BFHE 250, 75, BStBl II 2015, 835, unter Verweis auf BFH-Urteil vom 13. Januar 2015 IX R 13/14, BFHE 248, 340, BStBl II 2015, 827).

Als Wert einer veränderlichen Bezugsgröße kommt z. B. der Börsen- oder Marktpreis von Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten, der Kurs von Devisen oder Rechnungseinheiten (Indizes), Zinssätze oder andere Erträge oder der Börsen- oder Marktpreis von Waren, Rohstoffen oder Edelmetallen in Betracht (Bundesministerium der Finanzen -BMF-, Schreiben vom 19. Mai 2022, BStBl I 2022, 742, Rn. 9). Ohne Bedeutung ist, ob das Termingeschäft in einem Wertpapier verbrieft ist oder ob es an einer amtlichen Börse oder außerbörslich (over the counter -OTC-) abgeschlossen wird (BT-Drucksache 16/4841, 55).

Entsprechend seinem Wortlaut erfasst § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich erlangt. Maßgeblich ist insoweit die Zweckbestimmung des Termingeschäftes, die von dem anhand objektiver Umstände nachvollziehbaren Willen der Vertragsbeteiligten abhängt. Erfasst sind demnach Termingeschäfte, die auf die Erzielung eines Differenzausgleiches gerichtet sind, nicht aber Termingeschäfte, die auf die tatsächliche („physische") Lieferung des Basiswertes am Ende der Laufzeit gerichtet sind (vgl. BFH-Urteil vom 24. Oktober 2017 VIII R 35/15, BFHE 259, 540, BStBl II 2018, 189, Rn. 13 - 14).Die Durchführung des Basisgeschäfts muss aber nicht ausgeschlossen sein. Erfasst werden bei wirtschaftlicher Betrachtung auch Gegengeschäfte, wenn beide Geschäfte derart miteinander verknüpft sind, dass der auf die Realisierung einer Differenz aus Eröffnungs- und Gegengeschäft gerichtete Wille der Vertragsbeteiligten erkennbar ist (BFH-Urteil vom 20. November 2018 VIII R 37/15, BFHE 263, 169, BStBl II 2019, 507).

Termingeschäfte lassen sich klassifizieren in bedingte Termingeschäfte (Optionsgeschäfte) und Festgeschäfte (Futures oder Forwards). Bei einem Termingeschäft, das als Festgeschäft ausgestaltet ist, gehen der Käufer und der Verkäufer die feste Verpflichtung ein, einen Basiswert in der Zukunft zu einem von vornherein festgelegten Preis abzunehmen oder zu liefern. Futures sind an der Börse gehandelte, standardisierte Terminfestgeschäfte; Forwards sind außerbörslich gehandelte, individuell gestaltete Festgeschäfte (BMF-Schreiben vom 19. Mai 2022, BStBl I 2022, 742, Rn. 36).Anstelle der Lieferung kann die Zahlung eines Differenzausgleichs in bar vereinbart werden (Barausgleich; Ratschow in: Brandis/Heuermann, 170. EL Dezember 2023, EStG § 20 Rn. 372).

Die Durchführung des Basisgeschäfts unterliegt bei Festgeschäften - wie bei Optionsgeschäften - nicht der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG. Die Veräußerung der erworbenen Position vor Fälligkeit führt beim Veräußernden zu einem Gewinn oder Verlust gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b EStG. Wird bei Beendigung des Kontrakts ein Differenzausgleich gezahlt, erzielt der Empfänger der Zahlung einen Gewinn und der Leistende einen Verlust gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG. Dasselbe gilt auch im Fall der Glattstellung (Veräußerungsgeschäft gemäß. Buchst. a; vgl. Ratschow, a.a.O., EStG § 20 Rn. 372a).

bb) Einkommensteuerlich sind CFDs - wie auch Swaps - als Termingeschäfte i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG bzw. als Termingeschäfte ausgestaltete Finanzinstrumente i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b EStG zu qualifizieren. Denn bei CFDs handelt es sich um Festgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basiswerts ableitet (Haisch in: Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 1. Auflage 2011, § 6. Besteuerung von Finanzinstrumenten im Privatvermögen Rn. 207; m.w.N.; BeckOK EStG/Schmidt, 18. Ed. 15.03.2024, EStG § 20 Rn. 1220.2; Stiegler, NWB 2022, 391, 393; Moritz/Strohm in: Frotscher/Geurts, EStG, Stand: 05.07.2016, § 20 Rn. 234; BMF-Schreiben vom 19. Mai 2022, BStBl I 2022, 742, Rn. 9; zu Swaps vgl. Schmidt/Levedag, 43. Auflage 2024, EStG § 20 Rn. 168, m.w.N.). Eine Lieferung des Basiswerts ist ausgeschlossen. Basiswerte können beispielsweise Aktien, Indizes, Währungspaare oder Zinssätze sein. In der Grundstruktur von CFDs wird hierbei der Einstandskurs des Basiswerts bei Abschluss des CFD mit dem Ausstiegskurs des Basiswerts bei Beendigung des CFD verglichen. Der Broker begibt sich selbst als Schuldner des CFD als Inhaberschuldverschreibung in die Gegenposition des Anlegers (vgl. Wendelstein, GPR - Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union - 2021, 7). Die Differenz aus diesen Kursen führt dann zu einem Gewinn oder Verlust auf Seiten des Investors bzw. des Brokers. Ein weiteres Kennzeichen von CFD ist der Hebeleffekt (vgl. zum Ganzen Dehio/Storck in: Zerey, Finanzderivate, 5. Auflage 2023, § 22 Contracts for Difference, Rn. 2-13).

Der Kläger tätigte derartige Geschäfte. Nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen von Firma F willigt der Anleger ein, die Differenz des Preises eines zugrundeliegenden Produkts zum Zeitpunkt, zu dem die Position eröffnet wird, mit dem Preis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie geschlossen wird, zu tauschen (...). Dabei handelt es sich um Termingeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basiswerts ableitet. Den Geschäften des Klägers lagen dabei unterschiedliche Basiswerte zugrunde (Kryptowährungen, Aktien, Indizes).

b) Gewinn bei einem Termingeschäft ist gemäß § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG der Differenzausgleich oder der durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmte Geldbetrag oder Vorteil abzüglich der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Termingeschäft stehen.

Einen solchen „Vorteil“ erlangt derjenige, der mit dem Abschluss des Termingeschäfts das Recht auf einen Differenzausgleich in bar erwirbt, egal ob er diesen durchführt oder im Falle einer für ihn ungünstigen Wertentwicklung verfallen lässt. Denn die Anschaffung des Termingeschäfts und der Ausgang des Termingeschäfts sind nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG als Einheit zu betrachten (vgl. BFH-Urteil vom 12. Januar 2016 IX R 48/14, BFHE 252, 423, BStBl II 2016, 456). Zu den Aufwendungen zählen Transaktionskosten der Bank, ebenso wie Schuldzinsen, die für einen der Finanzierung des Termingeschäfts dienenden Kredit zu zahlen sind. Ferner gehören zu den abzugsfähigen Aufwendungen auch die Anschaffungskosten für ein Optionsrecht (Optionsprämie), wenn bei Ausübung der Option statt der Lieferung des Basiswerts ein Barausgleich stattfindet oder wenn die Option verfallen lassen wird. Damit enthält § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG in Bezug auf die bei einem Termingeschäft angefallenen Aufwendungen eine der Regelung des § 20 Abs. 9 EStG vorgehende Sondervorschrift (BFH-Urteil vom 12. Januar 2016 IX R 49/14, BFHE 252, 430, BStBl II 2016, 459).

Der Kläger erzielte aus seinen CFDs sowohl Gewinne als auch Verluste aus Termingeschäften. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Termingeschäften berücksichtigte der Kläger als Transaktionskosten sog. Übernachtgebühren (eine Position wird über Nacht gehalten) von 6.648,81 € und Wochenendgebühren (eine Position wird über das Wochenende gehalten) von 4.400,29 €. Hierbei handelt es sich um Aufwendungen, die in unmittelbarem sachlichen Zusammenhang mit den Termingeschäften stehen (vgl. auch Haisch, Deutsche Steuerzeitung -DStZ- 2010, 61, 65).

II. Das Klageverfahren war nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V. mit § 80 Abs. 1 des Gesetzes über das BVerfG (BVerfGG) auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen. Der Senat ist trotz Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG nicht davon überzeugt, dass der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum überschritten hat und der allgemeine Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist. Gerade dies ist jedoch zwingende Voraussetzung für die Zulässigkeit eines konkreten Normenkontrollverfahrens.

1. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen ebenso wie für ungleiche Begünstigungen. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, die er mit gleichen Rechtsfolgen belegt und damit als „wesentlich gleich" qualifiziert. Diese Auswahl muss jedoch sachgerecht in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche erfolgen (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 12. Februar 2003 2 BvL 3/00, Entscheidungen des BVerfG -BVerfGE- 107, 218). Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 29. März 2017 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106).

2. Art. 3 Abs. 1 GG bindet den Steuergesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit, der es erfordert, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Das gilt insbesondere im Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Steuerpflichtigen hin angelegt ist. Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen muss (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210). Abweichungen vom Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit im Einkommensteuerrecht bedürfen nach Art. 3 Abs. 1 GG der Rechtfertigung (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 145, 106, Rn. 100).

Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 18. Juli 2005 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, 167, Rn. 126). Willkür des Gesetzgebers liegt zwar nicht schon dann vor, wenn er unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste gewählt hat. Es genügt aber Willkür im objektiven Sinn, das heißt die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der Regelung in Bezug auf den zu ordnenden Gesetzgebungsgegenstand. Der Spielraum des Gesetzgebers endet dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt. Willkür in diesem Sinne kann erst festgestellt werden, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident ist (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 145, 106, Rn. 101, m.w.N.).

Die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen steigen bis hin zu einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung, insbesondere wenn und soweit sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 8. April 1997 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267).

3. Nach diesen Maßstäben ist nach Auffassung des Senats die in § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG geregelte Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte mit Art. 3 Abs. 1 GG trotz bestehender Bedenken noch vereinbar.

a) Steuerpflichtige, die Verluste aus Termingeschäften erzielt haben, werden durch § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG gegenüber Steuerpflichtigen mit Verlusten aus der Veräußerung anderer Kapitalanlagen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG insoweit ungleich behandelt, als die Termingeschäftsverluste nur in Höhe von 20.000 € mit Termingeschäftsgewinnen und mit Einkünften im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG (Stillhalterprämien) ausgeglichen werden und nicht mit anderen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden können, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede in deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit bestehen.

Zudem dürfen nicht verrechnete Verluste je Folgejahr nur bis zur Höhe von 20.000 € mit Gewinnen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG und mit Einkünften im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG verrechnet werden.

b) Nach Auffassung des Senats ist diese Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt.

Der Senat konnte sich trotz der in der Rechtsprechung und in der überwiegenden Literatur geäußerten erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht die erforderliche Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der betragsmäßig beschränkten Verlustverrechnung bei Termingeschäften bilden.

aa) Kritisiert wird dabei die asymmetrische Besteuerung von Gewinnen und Verlusten. Im Hinblick auf das objektive Nettoprinzip sei es nicht folgerichtig, dass der Steuerpflichtige den Gewinn vollumfänglich im Zeitpunkt des Zuflusses versteuern solle, die Anerkennung seiner Verluste aber betragsmäßig begrenzt werde. Es sei gerade Ausfluss des objektiven Nettoprinzips, dass Gewinne und Verluste steuerlich gleichbehandelt werden müssten. Die Gesetzesbegründung für die Schaffung eines besonderen Verlustverrechnungskreises für Termingeschäfte (Begrenzung des Investitionsvolumens und der daraus für Anleger resultierenden Verlustrisiken) sei auch nicht überzeugend. Es erschließe sich nicht, auf welche Weise diese Maßnahme dazu beitragen könne, das Investitionsvolumen und die darauf für Anleger entstehenden Verlustrisiken aus diesen spekulativen Anlagen zu begrenzen. Bei Festlegung der Verrechnungsgrenze sei eine verfassungsrechtlich tragfähige Begründung nicht ersichtlich, weshalb „Kleinanlegern“ im Gegensatz zu „größeren“ Anlegern eine vollständige Verlustverrechnung möglich sein solle. Die Verlustverrechnungsbeschränkung gehe mit der Gefahr einher, dass eine Verlustberücksichtigung faktisch ganz ausgeschlossen sein könne (Lebenserwartung bzw. Ableben des Steuerpflichtigen, Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland, keine Erzielung von positiven Einkünften aus Termingeschäften oder Stillhalterprämien mehr). Es sei auch nicht überzeugend, dass bei Termingeschäften der Eintritt von Verlusten deutlich wahrscheinlicher sei als bei sonstigen betrieblichen Tätigkeiten. Der spekulative Charakter von Termingeschäften rechtfertige eine Sofortversteuerung von Gewinnen nicht (vgl. zum Meinungsstand FG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. Dezember 2023 1 V 1674/23, Entscheidungen der FG -EFG- 2024, 378, mit Anm. Nitzsche; Beschwerde zugelassen, Az. BFH: VIII B 113/23 [AdV]; Jachmann-Michel, juris - Die Monatszeitschrift -jM- 2020, 120, 122; dies., BB 2020, 727, 728; Drüen, Finanz-Rundschau -FR- 2020, 663, 668; Bleschick in: Kirchhof/Seer, EStG, 23. Auflage 2024, V. Besonderer Verlustverrechnungskreis für Termingeschäfte [Abs. 6 S. 5] Rn. 177b, m.w.N.; Dahm/Hoffmann, DStR 2020, 81, 84; Dorn, Der Betrieb -DB- 2021, 1366; Bron, Betriebsberater -BB- 2020, 535).

bb) Nach Auffassung des Senats bewegt sich der Gesetzgeber noch innerhalb des ihm eingeräumten Gestaltungspielraums.

(1) Bei der Auswahl des Steuergegenstandes belässt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber ebenso wie bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung der betroffenen Steuerpflichtigen muss die Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes folgerichtig im Sinne von belastungsgleich erfolgen (BVerfG-Beschluss vom 11. November 1998 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280). Ausnahmen von einer belastungsgleichen Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung (folgerichtigen Umsetzung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes) bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß zu rechtfertigen vermag. Als besondere sachliche Gründe kommen neben außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszwecken auch die Bekämpfung missbräuchlicher Gestaltungen sowie Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse in Betracht (BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268). Der rein fiskalische Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung ist nicht als besonderer sachlicher Grund in diesem Sinne anzuerkennen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 145, 106, Rn. 150, m.w.N.).

Der Gesetzgeber darf bei der Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen Belastungsentscheidung generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (BVerfG-Beschluss vom 7. Mai 2013 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerfGE 133, 377). Er darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen. Insbesondere darf der Gesetzgeber keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen. Die Vorteile der Typisierung müssen im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 145, 106, Rn. 108).

Der Gesetzgeber darf nicht nur durch Ge- und Verbote, sondern ebenso durch mittelbare Verhaltenssteuerung auf Wirtschaft und Gesellschaft gestaltend Einfluss nehmen. In der Entscheidung darüber, welche Sachverhalte, Personen oder Unternehmen gefördert werden sollen, ist der Gesetzgeber weitgehend frei. Förderungs- und Lenkungsziele sind allerdings nur dann geeignet, rechtfertigende Gründe für steuerliche Be- und Entlastungen zu liefern, wenn entweder Ziel und Grenze der Lenkung mit hinreichender Bestimmtheit tatbestandlich vorbezeichnet sind oder das angestrebte Förderungs- und Lenkungsziel jedenfalls von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen wird. Zudem muss der Förderungs- und Lenkungszweck gleichheitsgerecht ausgestaltet sein. (vgl. BVerfG-Beschluss vom 28. November 2023 2 BvL 8/13, Deutsches Steuerrecht 2024, 155, Rn. 151).

Die dem Steuergesetzgeber zustehende Gestaltungsfreiheit umfasst von Verfassungs wegen die Befugnis, neue Regeln einzuführen, ohne durch die Grundsätze der Folgerichtigkeit an frühere Belastungsentscheidungen gebunden zu sein. Auf diese Weise kann der Gesetzgeber die Maßstabsfunktion der Belastungsgrundentscheidung aufheben und sich von den gleichheitsrechtlichen Bindungen befreien. Die umfassende Gestaltungsfreiheit bei Entscheidungen für neue Regeln kann vom Gesetzgeber allerdings nur in Anspruch genommen werden, soweit diese nach Ziel und Wirkung die Orientierung an alternativen Prinzipien erkennen lassen. Anderenfalls ließe sich jede Ausnahmeregelung als (Anfang einer) Neukonzeption deklarieren (BVerfG-Beschluss vom 28. November 2023 in DStR 2024, 155, Rn. 145).

(2) Die Vorschrift des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG wurde auf Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT-Drucksache 19/15876) mit dem GrenzStGestaltG vom 21. Dezember 2019 (BGBl I 2019, 2875, 2884), geändert durch das JStG 2020 vom 21. Dezember 2020 (BGBl I 2020, 3096, 3098), eingeführt. Die Regelung ging aus nicht umgesetzten gesetzgeberischen Überlegungen hervor, derartigen Verlusten insbesondere aus dem Verfall von Optionen mit einer Einschränkung des Veräußerungsbegriffs gänzlich die Anerkennung zu versagen (vgl. BT-Drucksache 19/13436, 16 und 112 ff.).

Der Gesetzgeber begründete die Einführung von § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG damit, dass Termingeschäfte durch ihre begrenzte Laufzeit und durch Hebeleffekte in wesentlichem Umfang spekulativ seien. Es könnten einerseits hohe Gewinn und andererseits der Totalverlust der Anlage eintreten. Diese Effekte träten bei anderen Kapitalanlagen nicht in vergleichbarem Ausmaß auf. Durch die Neuregelung solle das Investitionsvolumen und die daraus für Anleger entstehenden Verlustrisiken aus diesen spekulativen Anlagen begrenzt werden. Die Berücksichtigung der Verluste werde nicht generell versagt. Die Verlustnutzung werde zeitlich gestreckt und die Verluste würden veranlagungsübergreifend berücksichtigt. Verluste bis zu 10.000 € (mit dem JStG 2020 wurde die Verrechnungsbeschränkung von 10.000 € auf 20.000 € angehoben; vgl. BT-Drucksache 19/25160, 190 f.) könnten dabei im Jahr der Entstehung bereits vollständig mit anderen Kapitalerträgen ausgeglichen werden. Damit werde Kleinanlegern typischerweise die steuerliche Berücksichtigung der Verluste sofort gewährt. Anleger mit höheren Vermögenswerten erzielten typischerweise auch in größerem Umfang laufende Erträge und seien durch den für Kapitaleinkünfte einschlägigen Steuersatz von 25 % begünstigt. Eine Begrenzung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten für diese Anlegergruppe sei vor diesem Hintergrund gerechtfertigt (vgl. BT-Drucksache 19/15876, 61).

(3) Der Gesetzgeber konnte sich bei der Einschränkung des Verlustabzugs durch § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG auf den im Gesetzgebungsverfahren erteilten Hinweis auf eine Verhinderung von Spekulationsgeschäften als rechtfertigenden Grund für die Ungleichbehandlung grundsätzlich berufen. Es ist dem Gesetzgeber zuzugestehen, dass er eine Einschätzungsprärogative hat und zur Typisierung und Pauschalierung befugt ist und aus Sicht des Senats die Unsachlichkeit der gewählten Differenzierung hier jedenfalls nicht evident ist. Dabei ist grundsätzlich die in die Gesetzesmaterialien eingegangene Begründung heranzuziehen (vgl. auch Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 28. Februar 2018 5 K 69/15, Rn. 55 - 57, juris).

Im Gegensatz zu Investitionen in Aktien erweisen sich Termingeschäfte wie die im vorliegenden Streitfall vorgenommenen Termingeschäfte (CFD) als spekulativ (Dehio/Storck in: Zerey, Finanzderivate, 5. Auflage 2023, § 22 Contracts for Difference (CFD) Rn. 9). Sie dienen regelmäßig der kurzfristigen Spekulation. Typischerweise werden CFD-Positionen noch am selben Tag geschlossen. Anders als bei Aktien wird der CFD-Anleger ausschließlich an der Kursentwicklung des Finanzinstruments beteiligt (Wendelstein, GPR 2021, 7). Demzufolge hat die BaFin durch die Allgemeinverfügung gemäß Art. 42 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (MiFIR) vom 23. Juli 2019 (VBS 7-Wp 5427-2018/0057) die die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von CFDs an Kleinanleger beschränkt und hierzu am 1. September 2020 Leitlinien veröffentlicht (VBS 7-Wp 2000-2020/0026). Auch der CFD-Verband e.V. hat in einem Schreiben an das BMF vom 9. Mai 2023 (Seite 4) darauf hingewiesen, dass es sich bei CFDs um ein spezialisiertes Finanzinstrument für erfahrene Anleger handelt, welches insbesondere für Anlage-Einsteiger das Risiko hoher Verluste berge (abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_VII/20_Legislaturperiode/2023-04-12-ZuFinG/Stellungnahme-cfd.pdf?__blob=publicationFile&v=2). Nach den Hinweisen von Firma F handelt es sich um komplexe derivative Produkte, die aufgrund des Hebels mit einem hohen Verlustrisiko verbunden sind (...). Das Risikoprofil des CFD erhöht sich dadurch signifikant, da der Hebel nicht nur im Falle eines positiven Ergebnisses zutrifft, sondern eben auch bei einem negativen Verlauf des CFD einschlägig wird (Dehio/Storck, a.a.O., § 22 Contracts for Difference (CFD) Rn. 4).

Jedenfalls hat der Gesetzgeber die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nicht willkürlich überschritten. Die Einführung eines besonderen Verlustverrechnungskreises und dessen Ausgestaltung erscheint sachlich gerechtfertigt. Der Senat erkennt einen sachlich rechtfertigenden Grund für die mit der Einschränkung der Verlustverrechnung verbundene Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Dem Gesetzgeber steht es grundsätzlich frei, spekulative Finanzgeschäfte steuerlich unattraktiv zu machen (Lenkungsziel). Für diesen Zweck ist es zulässig, die Gewinne aus Termingeschäften sofort in voller Höhe zu versteuern, aber die jährliche Abziehbarkeit von Verlusten durch einen Höchstbetrag zu begrenzen (Redert in: EStG - eKommentar, § 20 EStG, Rn. 725_2; vgl. auch Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags, Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Beschränkungen der Verlustverrechnung bei Termingeschäften und Ausfällen von Kapitalforderungen, Gutachten vom 26. Juni 2020, WD 4 – 30000 – 066/20, Seite 7). Die Begrenzung des Verlustausgleichs auf 20.000 € bewirkt innerhalb des Verrechnungskreises eine Mindestbesteuerung, deren Effekte hinzunehmen sind, solange finale Effekte im Rahmen zulässiger Typisierung vernachlässigt werden können. Die Betragsgrenze, ab der die Mindestbesteuerung einsetzt, ist einer sachlichen Rechtfertigung nicht zugänglich. Die Vorschrift ist das Ergebnis eines politischen Kompromisses (Ratschow in: Brandis/Heuermann, 170. EL Dezember 2023, EStG § 20 Rn. 469a).

Die Regelung verstößt auch nicht gegen das Übermaßverbot, da der Verlustabzug nicht vollständig versagt wird, sondern eine Vortragsmöglichkeit in Folgejahre besteht (vgl. Redert in: EStG - eKommentar, § 20 EStG, Rn. 725_2). Der BFH hat in seinem Urteil vom 6. Dezember 2016 IX R 48/15, BFHE 256, 136, BStBl II 2017, 213 entschieden, dass die auf fünf Jahre befristete Übergangsregelung zur Verrechnung von sog. Altverlusten mit Aktiengewinnen, die der Abgeltungsteuer unterliegen, verfassungsgemäß ist. Er begründete dies damit, dass die nicht bloß theoretische Möglichkeit der Verrechnung mit steuerbaren Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften mit anderen Wirtschaftsgütern verbleibe. Das FG habe im dortigen Streitfall nicht festgestellt, dass oder weshalb die Kläger Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften in Zukunft nicht mehr erzielen können. Die Frage, ob auch eine faktische Verlustvernichtung („Definitiveffekt") rechtlich beachtlich sein könne (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 2012 I R 9/11, BFHE 238, 419, BStBl II 2013, 512, und BFH-Beschluss vom 26. Februar 2014 I R 59/12, BFHE 246, 27, BStBl II 2014, 1016; Az. des BVerfG 2 BvL 19/14), habe sich deshalb im Streitfall nicht gestellt.

Auch im vorliegenden Fall ist es nach Auffassung des Senats nicht ausgeschlossen, dass der Kläger zukünftig Gewinne aus Termingeschäften erzielen könnte, zumal die Verluste hier zeitlich unbegrenzt vorgetragen und mit zukünftigen Gewinnen aus Termingeschäften verrechnet werden können. Die gesetzliche Regelung sieht vor allem keinen vollständigen Ausschluss der Verlustverrechnung vor, der nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfG-Beschluss vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88) nicht zulässig wäre.

Das objektive Nettoprinzip gebietet zwar den Abzug von Aufwendungen, die mit der Einkunftserzielung in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehen, allerdings von Verfassungs wegen nicht notwendigerweise in jedem einzelnen - aus rein erhebungstechnischen Gründen gewählten - Veranlagungszeitraum. Danach wird eine Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs durch das allgemeine Leistungsfähigkeitsprinzip nicht grundsätzlich ausgeschlossen, solange nur tatsächlich entstandene Verluste überhaupt, ggf. in einem anderen Veranlagungszeitraum, und wenn auch beschränkt auf die gleiche Einkunftsart, steuerlich berücksichtigt werden. Denn Art. 3 Abs. 1 GG entfaltet seine Wirkung grundsätzlich Veranlagungszeitraum übergreifend (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 28. April 2016 IV R 20/13, BFHE 253, 260, BStBl II 2016, 739, zu § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG; vom 12. Juli 2016 IX R 11/14, BFH/NV 2016, 1691, zu § 23 Abs. 3 EStG; BFH-Beschluss vom 24. April 2012 IV B 84/11, BFH/NV 2012, 1313). Im vorliegenden Streitfall geht es nicht um die endgültige Versagung eines Verlustabzugs.

cc) Nach Auffassung des Senats steht der Vorlagebeschluss des BFH vom 17. November 2020 VIII R 11/18, BFHE 271, 399, BStBl II 2021, 562 diesem Ergebnis nicht entgegen.

Der BFH hat mit diesem Beschluss eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (UntStRefG) vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912) insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, als Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien verrechnet werden dürfen. Das Verfahren ist beim BVerfG unter dem Az. 2 BvL 3/21 anhängig.

Danach halte 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des UntStRefG bereits einer Prüfung am Maßstab des Willkürverbots nicht stand. Förderungs- oder Lenkungszwecke kämen als Grundlage sachlicher Rechtfertigung der Regelung in § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG nicht in Betracht. Zwar könne der Gesetzesbegründung das Lenkungsziel entnommen werden, dass mit der Verlustverrechnungsbeschränkung gesamtwirtschaftlich unerwünschten Fehlanreizen zur Durchführung von Spekulationsgeschäften, die mit erheblichen wirtschaftlichen Risiken für die Allgemeinheit verbunden seien, entgegengewirkt werden sollte (BT-Drucksache 16/5491, 19). Spekulationen auf Kosten der Allgemeinheit zu verhindern, stelle auch grundsätzlich einen legitimen Grund für eine Durchbrechung des einkommensteuerrechtlichen Grundsatzes dar, wonach Verluste eines Veranlagungszeitraums mit anderen vom Steuerpflichtigen erzielten positiven Einkünften ausgeglichen werden können (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 1990 I R 182/87, BFHE 162, 307, BStBl II 1991, 136, unter II.B.III.1.b [Rn. 23]; BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1975 1 BvR 141/75, HFR 1975, 581). Aufgrund der generellen Einbeziehung von Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien in die Steuerbarkeit unabhängig von einer Mindesthaltedauer könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Ausgestaltung der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStGi.d.F. des UntStRefG vom Gesetzgeber hinreichend auf diesen Zweck abgestimmt worden sei. Denn die Einschränkung der Verlustverrechnung beträfe sämtliche Fälle der Entstehung von Aktienveräußerungsverlusten und damit auch Verluste aus der Veräußerung von langfristigen (nicht-spekulativen) Aktienanlagen. Die Regelung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des UntStRefG sei im Hinblick auf den Lenkungszweck der Verhinderung von Spekulationen auf Kosten der Allgemeinheit aber auch zu eng gefasst. Nicht in die Verlustverrechnungsbeschränkung einbezogen seien nämlich solche Kapitalanlagen, die deutlich höhere Gewinnchancen und Verlustrisiken als Aktien beinhalteten und sich deshalb besser für Spekulationszwecke eigneten. Vor diesem Hintergrund vermöge der Rechtfertigungsgrund der Vermeidung der Spekulation auf Kosten der Allgemeinheit die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des UntStRefG nicht zu tragen (vgl. BFH, Vorlagebeschluss vom 17. November 2020 VIII R 11/18, BFHE 271, 399, BStBl II 2021, 562, Rn. 69 - 71).

Im Gegensatz zu Investitionen in Aktien erweisen sich die im vorliegenden Streitfall zu beurteilenden Termingeschäfte vielfach als spekulativ, auch wenn sie zu Sicherungszwecken eingesetzt werden können. Nach Auffassung des Senats hat der Gesetzgeber damit den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum bei der Regelung einer Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften nicht überschritten, indem er das Investitionsvolumen und die daraus für Anleger entstehenden Verlustrisiken aus diesen regelmäßig spekulativen Anlagen begrenzen wollte.

III. Das Verfahren war nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen.

Nach § 74 FGO kann das Gericht das Klageverfahren aussetzen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist.

Die Entscheidung darüber ist eine Ermessensentscheidung, bei der insbesondere prozessökonomische Gesichtspunkte und die Interessen der Beteiligten abzuwägen sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. November 2007 VIII B 170/06, BFH/NV 2008, 580; vom 18. September 2002 XI B 126/01, BFH/NV 2003, 189).

1. Das Verfahren über einen Folgebescheid ist grundsätzlich auszusetzen, um den Erlass eines Grundlagenbescheids herbeizuführen (BFH-Urteil vom 7. November 1996 IV R 72/95, BFH/NV 1997, 574). Auch eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO kann Grundlagenbescheid sein und damit eine Verfahrensaussetzung gebieten (u.a. BFH-Urteil vom 8. September 1993 I R 30/93, BFHE 172, 304, BStBl II 1994, 81, unter II.4. der Gründe; BFH-Beschluss vom 31. Juli 1997 IX B 13/97, BFH/NV 1998, 201, unter II.1.a der Gründe; Gräber/Herbert, 9. Auflage 2019, FGO § 74 Rn. 31). Die ermessenswidrige Unterlassung der Aussetzung des Verfahrens stellt einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt (BFH-Urteil vom 20. September 2007 IV R 32/06, BFH/NV 2008, 569 Rn. 25).In der Ermessensentscheidung über die Aussetzung des Verfahrens ist auch zu berücksichtigen, ob ein Interesse der Beteiligten an der Aussetzung besteht (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juli 1990 I R 12/90, BFHE 161, 409, BStBl II 1990, 986).

Nach diesen Grundsätzen war das vorliegende Klageverfahren nicht wegen einer möglichen Billigkeitsmaßnahme auszusetzen.

Der Berichterstatter hatte die Beteiligten mit Schreiben vom 14. August 2023 darauf hingewiesen, dass nach einem Urteil des FG Köln die Erhebung von Einkommensteuern sachlich unbillig sein könne, wenn die festgesetzte Steuer bei Einbezug tatsächlich abgeflossener, aber aufgrund von Ausgleichsbeschränkungen steuerlich nicht zu berücksichtigender Aktienverluste das jährlich steuerfrei zu belassende Existenzminimum übersteige (FG Köln, Urteil vom 26. April 2023 5 K 1403/21; EFG 2023, 1357; Revision anhängig, Az. des BFH: IX R 18/23; vgl. hierzu Jochum, DStZ 2024, 205).

Die Prozessbevollmächtigte der Kläger führte hierzu im vorliegenden Finanzrechtsstreit aus, dass eine Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht komme, weil kein Verwaltungsverfahren hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbestehens des vorgreiflichen Rechtsverhältnisses (Billigkeitsmaßnahme) anhängig sei. Ein Antrag auf eine Billigkeitsmaßnahme gemäß §§ 163 oder 227 AO sei nicht gestellt worden. Es sei auch nicht beabsichtigt, eine solche Billigkeitsmaßnahme zu beantragen. Mit der in Frage stehenden Regelung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG habe der Gesetzgeber ganz bewusst eine Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäftsverluste geschaffen, die zu den für die Kläger nachteiligen Rechtsfolgen führe. Die angegriffene Steuerfestsetzung, die u.a. zu einer Verletzung des Prinzips der Besteuerung nach steuerlicher Leistungsfähigkeit führe, sei eine typische Folge der gesetzlichen Regelung, die der Gesetzgeber auch intendiert habe.

Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass eine Billigkeitsmaßnahme nicht geboten sei. Das FG Köln sei im Urteilsfall zum Ergebnis gekommen, dass das Existenzminimum nicht steuerfrei gewesen sei, ohne sich zur Berechnung dieses Existenzminimums zu äußern.

Das FG Köln habe auch keine Aussagen zum Definitiveffekt getroffen. Die Verluste könnten in den Folgejahren berücksichtigt werden, sodass kein Definitiveffekt der Verluste eintrete.

Das FG Köln gehe in seiner Urteilsbegründung zudem davon aus, dass das Existenzminimum dem Steuerpflichtigen für jedes Jahr steuerfrei zu belassen sei. Eine derartige Sichtweise hätten bisher weder der BFH noch das BVerfG vertreten. Im Urteil vom 10. Februar 2015 IX R 8/14, BFH/NV 2015, 830 habe der BFH keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Verlustausgleichsbeschränkung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG a. F. erkannt.

Angesichts dieser Einlassungen der Beteiligten war es nicht angezeigt, das Verfahren auszusetzen. Selbst bei Anwendung der vom FG Köln für richtig gehaltenen Berechnungsmethode des Existenzminimums würde die Beschwer der Kläger durch eine solche Billigkeitsmaßnahme im konkreten Fall nur teilweise entfallen.

2. Das Verfahren war auch nicht im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des BFH in BFHE 271, 399, BStBl II 2021, 562 an das BVerfG (BVerfG; Az. 2 BvL 3/21) auszusetzen.

Eine Aussetzung des Klageverfahrens nach § 74 FGO kann geboten sein, wenn vor dem BVerfG bereits ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist, den FG zahlreiche Parallelverfahren (Massenverfahren) vorliegen und keiner der Beteiligten des Klageverfahrens ein besonderes berechtigtes Interesse an einer Entscheidung des FG über die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen gesetzlichen Regelung trotz des beim BVerfG anhängigen Verfahrens hat (BFH-Beschluss vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408).Die Aussetzung eines Klageverfahrens ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Musterverfahren und das Klageverfahren hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Streitfrage im Wesentlichen gleichgelagert sind (BFH-Beschluss vom 27. November 1992 III B 133/91, BFHE 169, 498, BStBl II 1993, 240).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Im Vorlagebeschluss des BFH geht es um die Frage, ob § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, als Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien verrechnet werden dürfen.

Im vorliegenden Streitfall ist indes streitig, ob § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG in der Fassung des JStG 2020 vom 21. Dezember 2020 (BGBl I 2020, 3096) insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, als Verluste aus Termingeschäften nur mit Gewinnen aus Termingeschäften verrechnet werden dürfen und die Verlustverrechnung zudem auf jährlich 20.000 € begrenzt ist.

Musterverfahren und Klageverfahren betreffen demnach nicht dieselbe Vorschrift. Eine Aussetzung des Klageverfahrens ist daher nicht angezeigt. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass eine Entscheidung des BVerfG im Verfahren Az. 2 BvL 3/21 zur Erledigung des vorliegenden Streitfalls führen wird, insbesondere für den Fall, dass das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung bei Aktiengeschäften bejahen sollte. In der Literatur wird die Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften als noch weit fragwürdiger als die Verrechnungsbeschränkungen für Verluste aus Aktienveräußerungen angesehen. Im Hinblick auf die Begrenzung der Höhe (20.000 €) gingen diese über die Verlustverrechnungsbeschränkungen für Aktienveräußerungen hinaus (vgl. Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 728).

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Da die Kosten des Verfahrens den Klägern auferlegt wurden, war über die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO) nicht zu befinden.

V. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO).

 

 

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