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Steuerrecht
16.01.2009
Steuerrecht
: Verlustübernahmen bei "verunglückter" Organschaft

BFH, Beschluss vom 22.10.2008 - I R 66/07

Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 21.8.2007 - 6 K 39/06 (EFG 2007, 1897)

LEITSATZ

Die Änderung eines zwischen zwei GmbH bestehenden Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages bedarf zu ihrer Anerkennung im Rahmen der körperschaftsteuerlichen Organschaft der Eintragung in das Handelsregister sowie der Zustimmung der Gesellschafterversammlung der beherrschten Gesellschaft.

KStG 1999 i.d.F. des StSenkG vom 23. Oktober 2000 § 14 Nr. 3 Sätze 1 und 2, § 17 Satz 1; AktG § 293 Abs. 1, Abs. 2, § 294 Abs. 2, § 295 Abs. 1

SACHVERHALT

I.

Streitpunkt ist, ob im Streitjahr 2001 körperschaftsteuerliche Organschaften zwischen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und zwei Tochtergesellschaften bestanden haben.

Die als Holdinggesellschaft fungierende Klägerin ist eine GmbH, deren Anteile von einem Landkreis gehalten werden. Sie schloss im Dezember 1997 jeweils einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag mit der A-GmbH und mit der B-GmbH, die beide in ihrem alleinigen Anteilseigentum standen. Die Verträge sollten nach den getroffenen Vereinbarungen mit der Eintragung in das Handelsregister rückwirkend zum 1. Januar 1997 wirksam werden. Sie sollten unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten erstmals zum Ablauf des 31. Dezember 2001 gekündigt werden können; ohne Kündigung sollten sich die Verträge jeweils um ein Kalenderjahr verlängern. Nach Zustimmung der Gesellschafterversammlungen wurden die Unternehmensverträge am 29. März 1999 (A-GmbH) und am 13. April 1999 (B-GmbH) in das Handelsregister eingetragen.

Am 11. Oktober 1999 schlossen die A-GmbH und die B-GmbH mit der Klägerin --ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlungen-- jeweils eine Ergänzungsvereinbarung, wonach eine Kündigung der Unternehmensverträge erstmals zum 31. Dezember 2003 möglich sein sollte. Die Ergänzungsvereinbarungen wurden nicht im Handelsregister eingetragen.

Die Klägerin setzte die Ergebnisabführungsverträge erstmals im Jahr 1999 um. Für das Streitjahr erklärte sie einen Verlust in Höhe von 9 309 DM, in dem Aufwendungen aus Verlustübernahmen hinsichtlich der A-GmbH in Höhe von 275 DM und hinsichtlich der B-GmbH in Höhe von 38 573 DM enthalten waren. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Verlustübernahmen im Rahmen der körperschaftsteuerlichen Veranlagung der Klägerin nicht einkommensmindernd, weil die Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge wegen einer fünf Jahre unterschreitenden Mindestlaufzeit steuerlich nicht anzuerkennen seien.

Die dagegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg als unbegründet abgewiesen. Sein Urteil vom 21. August 2007 6 K 39/06 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 1897 abgedruckt.

Gegen das FG-Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts geltend macht.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß), das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, dass die Verluste der A-GmbH und der B-GmbH in Höhe von zusammen 38 848 DM einkommensmindernd berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

AUS DEN GRÜNDEN

II.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

FA und FG haben zu Recht angenommen, dass im Streitjahr keine körperschaftsteuerlichen Organschaften zwischen der Klägerin und der A-GmbH bzw. der B-GmbH bestanden haben und somit die Übernahme der Verluste dieser Gesellschaften das von der Klägerin zu versteuernde Einkommen nicht gemindert hat.

1. Verpflichtet sich eine GmbH zur Gewinnabführung, so verlangten § 17 Satz 1, § 14 Nr. 3 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1999 in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung des Steuersenkungsgesetzes vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) --KStG 1999-- für die steuerliche Anerkennung der Organschaft, dass der Gewinnabführungsvertrag bis zum Ende des Wirtschaftsjahres, in dem die Einkommenszurechnung erstmals stattfinden soll, auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und bis zum Ende des folgenden Wirtschaftsjahres wirksam werden musste. Gemäß § 14 Nr. 3 Satz 2 KStG 1999 musste der Gewinnabführungsvertrag zudem während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden.

2. Diese Voraussetzungen waren in Bezug auf die streitbefangenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge nicht gegeben. Die im Dezember 1997 geschlossenen Verträge sollten erstmals für das Wirtschaftsjahr 1997 Anwendung finden. Sie waren nach den Ursprungsfassungen erstmals zum 31. Dezember 2001 ordentlich kündbar und erfüllten damit die Voraussetzung des Vertragsabschlusses auf mindestens fünf Jahre. Jedoch sind die Verträge --was zwischen den Beteiligten unstreitig ist-- entsprechend § 294 Abs. 2 des Aktiengesetzes (AktG) erst mit den Eintragungen im Handelsregister im März bzw. April 1999 wirksam geworden, so dass es an dem in § 14 Nr. 3 Satz 1 KStG 1999 statuierten Erfordernis des Wirksamwerdens spätestens im Folgejahr der erstmaligen Anwendung fehlt. Überdies sind die Verträge nach den Feststellungen des FG in den Jahren 1997 und 1998 nicht durchgeführt worden, so dass auch die Voraussetzung des § 14 Nr. 3 Satz 2 KStG 1999 nicht erfüllt ist.

3. Nach Einschätzung des FG würde das Fehlen dieser Voraussetzungen jedoch einer steuerlichen Anerkennung der Verträge ab dem Wirtschaftsjahr 1999, in dem die Verträge durch Eintragung in das Handelsregister zivilrechtlich wirksam geworden sind, grundsätzlich nicht entgegenstehen, wenn sie --ab diesem Wirtschaftsjahr gemessen-- noch eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren aufgewiesen hätten.

Ob dem beigepflichtet werden kann, bedarf keiner Entscheidung. Denn jedenfalls hat das FG zutreffend erkannt, dass vom Wirtschaftsjahr 1999 an die Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge nicht auf noch fünf Jahre abgeschlossen waren. Die Verträge sollten nach den im Dezember 1997 getroffenen Vereinbarungen erstmals zum 31. Dezember 2001 ordentlich kündbar sein. Durch die Ergänzungsvereinbarungen vom 11. Oktober 1999 hat sich daran nichts geändert. Zwar wird nach deren Inhalt die Möglichkeit der erstmaligen Kündigung der Verträge auf den 31. Dezember 2003 verschoben. Die Ergänzungsvereinbarungen sind aber mangels Zustimmung der Gesellschafterversammlungen der A-GmbH und der B-GmbH sowie mangels Eintragung im Handelsregister zivilrechtlich nie wirksam geworden und deshalb auch steuerrechtlich nicht anzuerkennen.

a) Der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages i.S. von § 291 AktG bedarf gemäß § 293 Abs. 1 AktG der Zustimmung der Hauptversammlung der beherrschten Gesellschaft. Nach § 293 Abs. 2 AktG muss auch die Hauptversammlung der beherrschenden Gesellschaft zustimmen. Gemäß § 294 Abs. 2 AktG bedarf der Vertrag zu seiner Wirksamkeit überdies der Eintragung im Handelsregister der beherrschten Gesellschaft. Diese Bestimmungen gelten entsprechend, wenn es sich bei der herrschenden und bei der beherrschten Gesellschaft --wie im Streitfall-- jeweils um eine GmbH handelt (vgl. Senatsurteil vom 8. August 2001 I R 25/00, BFHE 196, 485, BStBl II 2003, 923; Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 24. Oktober 1988 II ZB 7/88, BGHZ 105, 324). Unterschiedliche Auffassungen bestehen insoweit lediglich im Hinblick darauf, ob für die Zustimmungsbeschlüsse eine qualifizierte Mehrheit ausreicht oder ob Einstimmigkeit erforderlich ist (vgl. dazu Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl., § 293 Rz 42 ff.; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 18. Aufl., SchlAnhKonzernR Rz 55; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbH-Gesetz, 5. Aufl., Anh § 13 Rz 36 ff., jeweils m.w.N.).

b) Für die Änderung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages gelten gemäß § 295 Abs. 1 AktG die Zustimmungs- und Eintragungserfordernisse der §§ 293, 294 AktG sinngemäß. Auch die Bestimmung des § 295 AktG ist grundsätzlich entsprechend anwendbar, wenn es sich bei der beherrschten Gesellschaft um eine GmbH handelt (vgl. Emmerich in Emmerich/Habersack, a.a.O., § 295 Rz 4; Zöllner in Baumbach/Hueck, a.a.O., SchlAnhKonzernR Rz 62; Altmeppen in Roth/Altmeppen, a.a.O., Anh § 13 Rz 90, 101). Nicht geklärt ist lediglich das Erfordernis der Zustimmung der Gesellschafterversammlung auch der herrschenden Gesellschaft entsprechend § 295, § 293 Abs. 2 AktG, wenn diese keine AG ist (vgl. dazu Emmerich in Emmerich/Habersack, a.a.O., § 295 Rz 5).

c) Bei den Verschiebungen der Zeitpunkte der erstmals möglichen ordentlichen Kündigungen vom 31. Dezember 2001 auf den 31. Dezember 2003 durch die Ergänzungsvereinbarungen vom 11. Oktober 1999 handelt es sich um Änderungen der ursprünglichen Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge; sie bedurften daher entsprechend § 295 i.V.m. § 293 Abs. 1, § 294 Abs. 2 AktG zu ihrer zivilrechtlichen Wirksamkeit jedenfalls der Zustimmung der Gesellschafterversammlungen von A-GmbH und B-GmbH und auch der Eintragung im Handelsregister. Keine dieser Wirksamkeitsvoraussetzungen ist im Streitfall erfüllt.

Soweit die Klägerin demgegenüber meint, es handele sich bei den Verschiebungen nicht um Vertragsänderungen, sondern lediglich um Klarstellungen, weil die Beteiligten nie die Absicht gehabt hätten, die Verträge zu kündigen und die Regelungen über die frühestmöglichen Kündigungszeitpunkte ohnehin nur aus rein steuerlichen Gründen in die Verträge aufgenommen worden seien, kann dem nicht gefolgt werden. Ob eine Regelung als Vertragsänderung wirkt, richtet sich allein danach, ob damit in nach bisheriger Vertragslage bestehende Rechte und Pflichten der Vertragsparteien eingegriffen wird. Bei der Verschiebung der Zeitpunkte der erstmaligen Möglichkeit von ordentlichen Vertragskündigungen auf den 31. Dezember 2003 ist das zweifelsohne der Fall. Denn damit wird das bisherige Recht der Vertragsparteien, die Verträge bereits ab dem 1. Januar 2002 ordentlich kündigen zu können, beseitigt. Inwiefern die Vertragsparteien subjektiv die Absicht gehabt haben, von dem Recht zur ordentlichen Kündigung Gebrauch zu machen, kann für die vertragsändernde Wirkung keine Rolle spielen.

Ebenso wenig ist es für die Eintragungs- und Zustimmungserfordernisse der §§ 293 ff. AktG von Bedeutung, ob die Vertragsänderung mit der Mindestvertragsdauer eine Regelung betrifft, die die Vertragsparteien nach dem Vorbringen der Klägerin aus steuerlichen Gründen in den Vertrag aufgenommen haben und die sie aus ebenfalls rein steuerlicher Motivation zu ändern trachteten. Als Vertragsänderungen i.S. von § 295 Abs. 1 AktG sind jedwede inhaltliche Einwirkungen auf das Rechte- und Pflichtengefüge des Vertrages anzusehen, ohne dass zwischen "wesentlichen" oder "unwesentlichen" Änderungen zu unterscheiden ist (vgl. Emmerich in Emmerich/Habersack, a.a.O., § 295 Rz 6, m.w.N.). Die subjektive Motivation der Vertragsparteien, aufgrund derer eine Bestimmung in den Vertrag aufgenommen oder geändert wird, ist demnach für die Erfordernisse der §§ 293 ff. AktG ohne Relevanz.

d) Mangels zivilrechtlicher Wirksamkeit können die Ergänzungsvereinbarungen auch steuerlich nicht anerkannt werden. Nach § 17 Satz 1 KStG 1999 kann ein Organschaftsverhältnis zu einer GmbH allein durch die rechtswirksame Verpflichtung zur Gewinnabführung herbeigeführt werden (vgl. Senatsurteil vom 30. Juli 1997 I R 7/97, BFHE 184, 88, BStBl II 1998, 33). Daraus ist abzuleiten, dass der steuerlichen Beurteilung von Unternehmensverträgen nur zivilrechtlich wirksam gewordene Vertragsbestandteile zugrunde gelegt werden können.

4. Aufgrund der sonach "verunglückten" Organschaft sind die im Streitjahr vollzogenen Verlustübernahmen bei der Klägerin erfolgsneutral als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligungen an den Tochtergesellschaften zu erfassen (vgl. Neumann in Gosch, KStG, § 14 Rz 542). Sie mindern weder das nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG 1999 i.V.m. § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes für die Besteuerung maßgebliche Einkommen der Klägerin noch beeinflussen sie die nach § 36 Abs. 7 bzw. § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 Satz 3 und § 38 Abs. 1 KStG 1999 zum 31. Dezember 2001 zu treffenden Feststellungen.

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