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Steuerrecht
20.05.2011
Steuerrecht
FG Düsseldorf: Verlust des positiven Privatkontos bei Ausscheiden aus einer typisch stillen Gesellschaft

FG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 28.1.2011 - 7 K 1025/10 F

Sachverhalt

Der Kläger war auf Grund eines Vertrages vom 27.1.1992 als stiller Gesellschafter an der B GmbH & Co KG mit einer Einlage von zunächst 100.000 DM beteiligt; die stille Gesellschaft hatte ein abweichendes Wirtschaftsjahr. Am 14.1.1994 wurde die Einlage um 100.000 DM erhöht. Gem. § 6 des Vertrages über die Gründung der stillen Gesellschaft sollten für den stillen Gesellschafter drei Konten geführt werden, nämlich ein Einlagekonto, ein Verlustvortragskonto sowie ein privates Einlagekonto (Darlehenskonto). Tatsächlich wurde in der Buchführung der Gesellschaft nur ein Konto geführt, über das alle Buchungen erfolgten. Nach § 8 Abs. 2 nahm der stille Gesellschafter nur bis zur Höhe seiner Einlage an Verlusten teil. Nach § 15 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages hat der stille Gesellschafter bei Beendigung der Gesellschaft einen Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben, der gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages aus dem Saldo des vertragsgemäß ermittelten Einlage-, Privat- und Verlustkontos zu ermitteln war. Die Beteiligung wurde zum 31.1.2001 gekündigt und die stille Gesellschaft beendet. Zu diesem Stichtag wiesen die Konten des Klägers - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - folgende Salden auf:

Einlagekonto

0,00 DM

Darlehenskonto

455.997,41 DM

Verlustvortragskonto

./. 711.795,89 DM

Summe

./. 255.798,48 DM

Die geleistete Einlage in Höhe von 200.000 DM war bereits durch Verluste 1997 aufgezehrt und in diesem Jahre steuerlich berücksichtigt worden. Im Jahre 1998 wurde auf dem Darlehenskonto ein Betrag in Höhe von 980.474,53 DM gebucht. Der negative Saldo von 255.798,48 wurde nach der Beendigung der stillen Gesellschaft zu Lasten des verbliebenen Kommanditisten fortgeführt. Ein Ausgleich hierfür erfolgte nicht.

Mit seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2001 machte der Kläger negative Einnahmen aus der stillen Beteiligung geltend, welche der Beklagte in dem Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2001 vom 29.8.2003 zunächst nicht anerkannte. Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden vom 26.7.2005 berücksichtigte der Beklagte in einem geänderten Einkommensteuerbescheid antragsgemäß einen Verlust in Höhe von 686.128 DM, und erließ entsprechend einen Bescheid über den vortragsfähigen Verlust nach § 10d EStG. Bei dem Kläger fand eine Betriebsprüfung statt, in deren Rahmen er die Ansicht vertrat, er habe in Höhe des positiven Saldos seines Privatkontos eine Einlage in Höhe von 455.997,40 DM geleistet. Nach Tz. 2.4 des Berichtes vom 4.1.2007 vertrat die Prüferin die Ansicht, bei einem endgültigen Einlageverlust und der Beendigung des Beteiligungsverhältnisses einer stillen Gesellschaft könnten keine steuerlich relevanten Einkünfte mehr erzielt werden. Der Verlust sei ein in die Privatsphäre des stillen Gesellschafters fallender Substanzverlust. In dem nach der Prüfung gem. § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid und dem ebenfalls nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2001 vom 17.4.2007 wurden die beantragten Verluste aus der stillen Gesellschaft nicht mehr anerkannt.

Der Kläger erhob hiergegen am 4.5.2007 Einsprüche mit dem Antrag, es sei ein Verlust in Höhe der Summe von 455.997,40 DM und 255.798,48 DM, mithin 711.795,89 DM zu berücksichtigen. Da der gesellschaftsvertragliche Ausgleich des Anspruchs in Höhe von 255.798,48 DM noch nicht erfolgt sei, sei insoweit der Verlust vorläufig festzusetzen. Der Beklagte bat den Geschäftsführer der B GmbH & Co KG um Erläuterungen. Dieser führte u.a. aus, dass auf einen Ausgleich des Saldos des negativen Kapitalkontos gegenüber dem Kläger verzichtet worden sei, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Mit Schreiben vom 15.11.2007 schränkte der Kläger seinen Einspruch dahingehend ein, dass er nur noch die Anerkennung eines Verlustes seines Privatkontos in Höhe von 455.997,40 DM begehrte. Mit Einspruchsentscheidung vom 5.3.2010 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid als unzulässig und gegen die gesonderte Feststellung der verbleibenden Verlustabzüge als unbegründet zurück. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Der Kläger hat am 29.3.2010 Klage erhoben zu deren Begründung er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend trägt er vor, § 8 Abs. 2 des Gesellschaftvertrages betreffe nur die laufenden Einkünfte. Es sei anerkannt, dass auf Grund gesellschaftsvertraglicher Verpflichtungen bestehende Verluste aus der Beteiligung zu Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen führen würden. Nach § 15 Abs.2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages hafte ein positives Privatkonto im Wege der Saldierung für Verluste mit. In einer eine KG betreffenden Entscheidung habe der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 15.5.2008 (Az.: IV R 46/05, BStBl II 2008, 812) entschieden, dass die im Falle eines Ausscheidens des Gesellschafters zu erfolgende Saldierung das Darlehenskonto zu einem Kapitalkonto qualifiziere. Entsprechend läge es im vorliegenden Fall. Daher sei in Höhe des weggefallenen Privatkontos, mithin in Höhe von 455.997,41 DM ein Verlust als Werbungskosten zu berücksichtigen. Mindestens sei der im letzten Geschäftsjahr angefallene Verlust von 343.913,65 DM anzuerkennen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Bescheid über die Feststellung vortragsfähiger Verluste vom 17.4.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5.3.2010 zu ändern und weitere Verluste in Höhe von 455.997,41 DM aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und wiederholt im Wesentlichen die Gründe seiner Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Beklagten vorgelegten Steuerakten.

Aus den Gründen

Die Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5.3.2010 ist rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht den Bescheid über den verbleibenden Verlustvortrag für die Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 10d Abs.4 Satz 4 EStG aufgehoben. Der Kläger hatte keine negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen aus seiner stillen Beteiligung.

Nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen die Einnahmen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter und aus partiarischen Darlehen, es sei denn, dass der Gesellschafter oder Darlehensgeber als Mitunternehmer anzusehen ist. Zu Recht gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass der Kläger hiernach Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielte. Zwischen ihm und der B GmbH & Co KG bestand auf Grund des Gesellschaftvertrages eine typisch stille Gesellschaft. Im Gegensatz zu der mitunternehmerischen, atypisch stillen Gesellschaft zeichnet sich die typisch stille Gesellschaft im Wesentlichen dadurch aus, dass der stille Gesellschafter nicht an Wertsteigerungen im Betriebsvermögen der Gesellschaft beteiligt ist und ihm keine Mitwirkungsrechte eingeräumt sind, die über die des § 230 HGB hinausgehen (vgl. BFH Urteile vom 11.2.1981 I R 98/76, BFHE 133, 35 und vom 9.12.2002 VIII R 20/01, BFH/NV 2003, 601 und Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 29.Aufl. § 20 Rdz. 92 jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen lagen vor. Der Kläger war nicht über seine Gewinnbeteiligung hinaus am Betriebsvermögen beteiligt. Seine Mitwirkungsrechte beschränkten sich nach § 4 des Gesellschaftvertrages auf die Kontrollrechte eines stillen Gesellschafters gem. § 233 HGB a.F..

Der dem Kläger zugewiesene Verlustanteil in Höhe von 343.913 DM führte nicht zu Werbungskosten. Gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG, der nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG sinngemäß auf die aus einer typisch stillen Beteiligung fließenden Einkünfte aus Kapitalvermögen anzuwenden ist, darf der einem Gesellschafter zuzurechnende Anteil am Verlust einer Gesellschaft nicht mit anderen Einkünften des Gesellschafters ausgeglichen oder nach § 10d EStG abgezogen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Das ist, wie sich aus Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift ergibt, dann der Fall, wenn der Verlustanteil die "geleistete Einlage" übersteigt; denn diese Einlage bestimmt das positive Kapitalkonto des Gesellschafters. Ein hiernach nicht berücksichtigungsfähiger sog. verrechenbarer Verlust, der nach § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG gesondert festzustellen ist, mindert gemäß § 15a Abs. 2 EStG die Gewinne, die dem Gesellschafter in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an der Gesellschaft zuzurechnen sind. Die Verlustanteile eines typisch stillen Gesellschafters sind als Werbungskosten zu berücksichtigen, soweit sie von seiner Einlage abgebucht wurden; die darüberhinausgehenden Verluste sind lediglich als verrechenbare Verluste i.S.v. § 15a Abs.2 i.V.m. Abs.4 gesondert festzustellen (vgl. BFH Urteil vom 16.10.2007 VIII R 21/06, BFHE 219, BStBl II 2008, 126).

Gemessen hieran war der Verlustanteil des Klägers nicht zu berücksichtigen. Nach § 8 Abs. 2 des Gesellschaftvertrages nahm der Kläger nur bis zur Höhe seiner Einlage an den Verlusten der Gesellschaft teil. Eine Vereinbarung darüber, dass der Kläger sich über diese Einlage hinaus an den Verlusten der Gesellschaft beteiligt, liegt nicht vor. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass sich die geleistete Einlage insgesamt auf 200.000 DM belief. Von dieser Einlage waren bereits im Jahre 1997 Verluste abgebucht; die Verluste wurden einkommensteuerlich berücksichtigt. Unstreitig führte die 1998 erfolgte Buchung auf dem Darlehenskonto des Klägers in Höhe von 980.474,53 nicht zu einer Wiederauffüllung der Einlage. Eine gesonderte Feststellung verrechenbarer Verluste ist zu Recht unterblieben. Das vorliegende Verfahren brauchte daher auch nicht zur Nachholung einer solchen Feststellung gem. § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt zu werden. Die gesonderte Feststellung der verrechenbaren Verluste erfolgt nur zur Verrechnung der Verluste mit nachfolgenden Gewinnen aus derselben Einkunftsquelle (BFH Urteil vom 16.10.2007 VIII R 21/06, a.a.O.). Da die Beteiligung des Klägers an der stillen Gesellschaft im Jahre 2001 beendet wurde, scheiden spätere Gewinne aus dieser Beteiligung aus, so dass eine Feststellung nicht mehr erforderlich ist.

Dem Kläger ist auch kein berücksichtigungsfähiger Verlust in Höhe des Wegfalls seines Darlehenskontos von 455.997,41 entstanden. Es fehlt insoweit an einem steuerlichen Tatbestand, der den Verlust des Darlehenskontos einkommensteuerrechtlich relevant werden lässt. Es handelt sich insoweit nicht um Werbungskosten bei der stillen Beteiligung nach § 9 EStG. Verluste einer Vermögenseinlage, die ihren Rechtsgrund nicht in einer gesellschaftsvertraglichen Verpflichtung des stillen Gesellschafters zur anteiligen Übernahme des Verlustes haben, sind einkommensteuerrechtlich unerheblich, wenn die typisch stille Beteiligung nicht zu einem Betriebsvermögen gehört (vgl. nur Dötsch in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuerrecht, § 20 F.147 m.w.N.). Maßgeblich ist ausschließlich der Rechtsgrund der Einlage, also der Umstand, ob die Erbringung der Einlage gesellschaftsvertraglich geschuldet war oder ob sie aus privaten Motiven erfolgte. Hinzu kommt, dass die Rückzahlung einer Vermögenseinlage nach der im Streitjahr geltenden Regelung ein einkommensteuerrechtlich nicht relevanter Vorgang auf der privaten Vermögensebene war (vgl. nur BFH Urteil vom 14.2.1984 VIII R 126/82, BFHE 141, 124). Daraus folgt im Umkehrschluss, dass der Verlust der Einlage ebenfalls einkommensteuerrechtlich unbeachtlich ist. Dementsprechend liegt hinsichtlich des Darlehenskontos kein beachtlicher Verlust vor. Das positive Darlehenskonto des Kläger beruhte im Wesentlichen auf der Einlage im Jahre 1998 in Höhe von 980.474,53 DM. Der Kläger behauptet selbst nicht, dass dieser Einlage eine gesellschaftsvertragliche Verpflichtung zu Grunde lag. Nach Lage der Akten handelte es sich dabei um eine privatrechtliche Forderung. Unterlagen darüber, dass der Kläger auf Grund des Gesellschaftsvertrages verpflichtet war, die Einlage zu erbringen, liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 115 Abs. 2 Nr.1 FGO zugelassen.

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