FG Hamburg: : Verfassungsmäßigkeit der Zinssätze
FG Hamburg, Beschluss vom 31.1.2019 – 2 V 112/18
Volltext: BB-ONLINE BBL2019-405-4
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Leitsätze
Im Rahmen der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bestehen ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Zinssatzes von 5,5 % für die Abzinsung von Verbindlichkeiten gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG. In einer anhaltenden Niedrigzinsphase hat dieser typisierende Zinssatz den Bezug zum langfristigen Marktzinsniveau verloren.
Sachverhalt
I. Streitig ist die Abzinsung von Verbindlichkeiten aus den Jahren 2013 und 2015, den Streitjahren.
Die Antragstellerin ist eine GmbH (C). Sie betreibt den In- und Export und Handel von Orientteppichen. Sie ermittelt ihren Gewinn durch Vermögensvergleich. Unter dem ... 2001 schloss sie mit der pakistanischen Firma A (..., B) folgende Vereinbarung:
1. Die Firma A liefert Teppiche zum Verkauf an die Firma C.
2. Die Firma C erhält für den Verkauf der gelieferten Teppiche 7% Kommission vom Umsatz. Die Transportkosten aus dem Ausgangsland bis zum Lager der Firma C übernimmt die Firma A.
3. Gewöhnlich werden die Teppiche aus dem Lager heraus an die Kunden verkauft. Die Kunden kaufen die Teppiche unter der Bedingung des Lagers oder unter der Bedingung ihrer Firma. Die Firma C ist verpflichtet, die Transportkosten dem Kaufpreis zuzufügen. In diesem Falle werden die Transportkosten mit dem Kaufpreis verrechnet.
4. Die Firma C ist verpflichtet, den Kaufpreis nach dem aktuellen Marktpreis zu berechnen. Wenn die Marktpreise nicht rentabel sein sollten, ist dies der Firma A mitzuteilen und ihr Einverständnis zum Verkauf einzuholen.
5. Wenn die Kunden die Zahlung verzögern oder gar nicht zahlen, ist die Firma C verpflichtet, den Kaufbetrag nebst Kosten laufend einzufordern. Falls die Forderungen nicht wirken, soll sie durch einen Rechtsanwalt gesetzliche und gerichtliche Wege in Betracht ziehen. Die Firma A hat das Recht, sämtliche Unterlagen des Streites zur Ansicht zu erhalten, wenn sie sie anfordert. Freilich werden die Kosten zu gleichen Anteilen von den Firma C und A getragen. Es ist zu erwähnen, dass die Firma C Kommission von dem erhaltenen Zahlungsbetrag bekommt.
6. Die Firma C ist verpflichtet, die Verkaufsbeträge nach Anweisung der Firma A zu jeder Zeit ihrer Bestimmung nach, auf das Konto der erwähnten Personen, Firmen zu überweisen.
Auf der Grundlage dieser Vereinbarung wickelte die Antragstellerin in der Folgezeit den Handel mit der Firma A ab. In den Rechnungen der Antragstellerin an ihre Kunden, die auf ihrem Geschäftspapier gefertigt wurden, heißt es im Rubrum: "Wir verkaufen an Sie im Namen und für Rechnung des Abladers".
Die Antragstellerin buchte auf einem "Verrechnungskonto Ablader" die eingehenden Kauferlöse, ihre Provisionen, die auftragsgemäß ausgeführten Zahlungen an Dritte sowie Verbindlichkeiten als bilanzielle Gegenpositionen zu den Forderungen in Höhe der jeweils ausgestellten Rechnungen. Am 7. Dezember 2015 vereinbarte die Antragstellerin mit der Firma A, dass deren Verrechnungskonto ab 1. Januar 2016 mit 3 % per anno verzinst werden sollte.
Nach einer Außenprüfung für die Streitjahre erließ der Antragsgegner unter dem 12. Dezember 2017 geänderte Körperschaft- und Gewerbesteuermessbescheide, mit denen die Verbindlichkeiten auf dem Abladerkonto mit einer Laufzeit von mehr als 12 Monaten abgezinst wurden. Dabei wurde der am Jahresende verbleibende Saldo auf dem Verrechnungskonto um die im jeweiligen Jahr hinzugekommenen Verbindlichkeiten bereinigt und mit einem Faktor von 0,503 abgezinst.
Im Einzelnen ergab sich folgende Berechnung:
...
Dies führte zu folgenden Mehr- und Mindergewinnen:
2013
x.xxx.xxx €
2014
./. xxx.xxx €
2015
xxx.xxx €.
Hiergegen richteten sich die Einsprüche vom 29. Dezember 2017. Zugleich beantragte die Antragstellerin Aussetzung der Vollziehung (AdV), die der Antragsgegner unter dem 15. Januar 2018 ablehnte. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ebenso erfolglos wie ein neuerlicher AdV-Antrag vom 12. März 2018.
Am 22. Juni 2018 hat die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz bei Gericht nachgesucht.
Die Verbindlichkeiten auf dem Verrechnungskonto des Abladers stellten keine langfristigen Verbindlichkeiten dar. Das Geld werde nur provisorisch (treuhänderisch) für den Ablader verwaltet. Dieser belasse es auf dem Verrechnungskonto für Einkäufe, den Ausgleich von Verbindlichkeiten gegenüber internationalen Handelspartnern, Verrechnungen und andere Zahlungen. Sobald der Ablader sein Geld einfordere, sei es unverzüglich auszuzahlen. Hintergrund für diese Absprachen seien die Einschränkungen im internationalen Zahlungsverkehr, denen der Ablader in Pakistan unterliege.
Mit dem Eingang der Zahlung bei ihr, der Antragstellerin, entstehe eine Verbindlichkeit auf Herausgabe des Erlangten gem. § 384 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB), die sofort fällig sei. Der eingehende Kaufpreis sei das Surrogat für den Verkauf der Kommissionsware und damit dem Ablader zustehendes Fremdgeld. Zwar hätten die Vertragsparteien auf eine Separierung der Fremdgelder verzichtet, gleichwohl sei sie, die Antragstellerin, dem jederzeitigen Herausgabeanspruch des Abladers ausgesetzt und sei das Kapital dementsprechend ihrer freien wirtschaftlichen Nutzung entzogen.
Der Antrag sei überdies selbst dann begründet, wenn von langfristigen Verbindlichkeiten ausgegangen werde. Denn in diesem Fall sei die Restlaufzeit der Verbindlichkeiten unter Berücksichtigung der Abrede über die Verzinsung des Verrechnungskontos vom 17. Dezember 2015 zu berechnen. Danach sei eine Restlaufzeit vom jeweiligen Bilanzstichtag bis zum Beginn der Verzinsung ab 1. Januar 2016 zugrunde zu legen. Dies führe im Ergebnis lediglich zu Mehrsteuern von xx.xxx €, die aber durch eine bereits geleistete Abschlusszahlung von xx.xxx € ausgeglichen seien.
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung der Bescheide vom 12. Dezember 2017 für 2013 und 2015 über Körperschaftsteuer in Höhe von xxx.xxx € (2013) und xx.xxx € (2015) sowie über den Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von xx.xxx € (2013) und x.xxx € (2015) ohne Sicherheitsleistung auszusetzen,
sowie die insoweit verwirkten Säumniszuschläge bis zum Ergehen der gerichtlichen Entscheidung über den Aussetzungsantrag aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragstellerin sei nicht als Vermittlerin tätig gewesen. Dem Kunden sei die Identität des Abladers unbekannt gewesen, der Kaufpreis sei ausschließlich an die Antragstellerin gezahlt worden und diese sei auch Ansprechpartner für eventuelle Reklamationen gewesen. Zudem habe sie bei streitigen Auseinandersetzungen mit Kunden die Hälfte der entstehenden Kosten zu tragen gehabt und habe damit ein eigenes unternehmerisches Risiko getragen. Folglich sei im Zeitpunkt des Warenverkaufs eine Forderung gegen den Kunden und eine Verbindlichkeit gegenüber dem Ablader, dem Kommittenten, zu erfassen.
Es habe auch kein Treuhandverhältnis bestanden, weil offengelegt worden sei, dass eine andere Person im Innenverhältnis beteiligt sei. Zudem habe auch bei Annahme eines Treuhandverhältnisses die Pflicht zur Bilanzierung der Verbindlichkeiten bestanden, da dem Treugeber nicht nur das Treugut, sondern auch die daraus resultierenden Einkünfte zugerechnet würden.
Die Abzinsungsbeträge seien auch der Höhe nach zutreffend ermittelt worden. Die Vereinbarung einer Verzinsung des Verrechnungskontos ab dem 1. Januar 2016 entfalte keine Rückwirkung, vielmehr seien die langfristigen Verbindlichkeiten bis zum Eintritt des späteren Ereignisses als unverzinslich zu behandeln.
Die die Antragstellerin betreffenden Steuerakten nebst Betriebsprüfungsakten haben vorgelegen.
Aus den Gründen
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache Erfolg.
1.) Gemäß § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht Aussetzung der Vollziehung gewähren, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben der für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umstände gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (ständige Rechtsprechung; Nachweise bei Seer in Tipke/ Kruse, AO/ FGO § 69 FGO, Rn 89). Dabei muss der Erfolg nicht wahrscheinlicher sein als der Misserfolg (z.B. Bundesfinanzhof (BFH)-Beschluss vom 21. Dezember 1993 VIII B 107/93, BStBl II 1994, 300). In dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als summarischem Verfahren entscheidet das Gericht nur auf der Basis der ihm vorliegenden Unterlagen, d.h. nach Aktenlage und aufgrund von präsenten Beweismitteln. Dabei haben die Beteiligten die entscheidungserheblichen Tatsachen glaubhaft zu machen, § 155 FGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 der Zivilprozessordnung. Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht (BFH-Beschluss vom 20. März 2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809 m. w. N.). Wie im Hauptsacheverfahren gelten auch im Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO grundsätzlich die Regeln über die objektive Feststellungslast (BFH-Beschluss vom 26. August 2004 V B 243/03, BFH/NV 2005, 255).
2.) Nach diesen Maßstäben ist Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung unter Berücksichtigung der präsenten Beweismittel ist zwar davon auszugehen, dass der Antragsgegner die Verbindlichkeiten auf dem Verrechnungskonto zu Recht in dem in Rede stehenden Umfang als langfristige Verbindlichkeiten angesehen hat (a). Es bestehen aber Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abzinsung mit Blick auf den typisierenden Zinssatz von 5,5 % (b).
a) Die Antragstellerin ermittelte ihren Gewinn durch Vermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG). Gemäß § 5 Abs. 1 EStG muss sie das Betriebsvermögen ansetzen, das sich nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ergibt. Dabei sind die steuerrechtlichen Vorschriften über die Bewertung von Wirtschaftsgütern zu befolgen (§ 5 Abs. 6 EStG); sie gehen insoweit den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung vor.
aa) Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Ausgenommen von der Abzinsung sind Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorauszahlung beruhen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG). Im Streitfall dürfte keiner der Ausnahmetatbestände des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG erfüllt sein, sodass das in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG normierte Abzinsungsgebot anzuwenden ist.
Die Antragstellerin hat die auf dem Verrechnungskonto gebuchten Beträge zu Recht als eigene Verbindlichkeiten erfasst. Bei dem "Verrechnungskonto Ablader" handelte es sich nicht um ein Treuhandkonto und wurde als solches auch nicht von der Antragstellerin geführt. Zwischen ihr und der Firma A war ersichtlich kein Treuhandverhältnis vereinbart. Die eingehenden Beträge sind entsprechend der Übereinkunft der Vertragsparteien auch nicht separat erfasst, sondern die Saldobeträge als Verbindlichkeiten bilanziert worden. Vor diesem Hintergrund, dass es sich der Sache nach um Verbindlichkeiten gegenüber der Firma A handelte, ist auch die Vereinbarung über eine Verzinsung der auf dem Verrechnungskonto stehen gelassenen Beträge ab dem 1. Januar 2016 getroffen worden.
Dagegen dürften die Voraussetzungen eines Kommissionsgeschäfts i. S. von § 383 Abs. 1 des HGB erfüllt sein. Danach ist Kommissionär, wer es gewerbsmäßig übernimmt, Waren für Rechnung eines anderen (des Kommittenten) im eigenen Namen zu verkaufen. Im Streitfall hat die Antragstellerin auf der Grundlage der Vereinbarung vom ... 2001 im eigenen Namen die Waren an Drittabnehmer veräußert. Ausweislich ihrer Rechnungen ist sie unter ihrer Firma aufgetreten, sie hat sich das (verlängerte) Eigentum an der Ware vorbehalten. Dass in den Rechnungen der Hinweis enthalten ist, dass im Namen und für Rechnung des Abladers verkauft werde, ändert daran nichts. Allein die Nennung des Namens des Auftraggebers lässt noch nicht den Schluss zu, dass der Kommissionär nicht als Kommissionär, also nicht im eigenen Namen abschließen will (vgl. Häuser in Münchener Kommentar Handelsgesetzbuch, 2. A., § 383 Rn 44; RGZ 56, 297, 300). Gerade der unspezifische Begriff "Ablader" lässt erkennbar nicht den Schluss zu, dass die Antragstellerin im fremden Namen handeln wollte (ebenso bereits RGZ 56, 297 zum Kommissionsgeschäft "für Rechnung eines Konsortiums").
Der Kommissionär wird bei der Verkaufskommission Inhaber der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft, während der Kommittent Forderungen erst nach Abtretung geltend machen kann. Ein Guthaben auf dem Girokonto des Kommissionärs, das durch Einzahlung oder Überweisung zum Zwecke der Erfüllung einer Forderung aus dem Kommissionsausführungsgeschäft entstanden ist, ist gleichsam der Einziehungserlös, aber keine unter § 392 Abs. 2 HGB fallende Forderung des Kommittenten. Der Antragsgegner hat somit zu Recht den jeweils zum 31. Dezember auf dem Verrechnungskonto verbliebenen Betrag als Verbindlichkeit der Antragstellerin gegenüber dem Kommittenten A angesehen.
bb) Bei den streitigen, länger als 12 Monate auf dem Verrechnungskonto geführten Verbindlichkeiten handelt es sich um langfristige i. S. von § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Insbesondere spricht gegen diese Annahme nicht der Umstand, dass keine konkrete Absprache über den Zeitpunkt der Auskehrung der Beträge getroffen wurde und sie jederzeit abrufbar waren. Nach der Rechtsprechung des BFH unterfallen Darlehen mit unbestimmter Laufzeit nicht der Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG (BFH-Urteil vom 6. Oktober 2009 I R 4/08, BStBl II 2010, 177; ebenso z.B. Kulosa in Schmidt, EStG, 37. Aufl., § 6 Rn 460; wohl auch Prinz, DStR 2000, 661, 668; Bundesministerium der Finanzen -BMF- Schreiben vom 26. Mai 2005, BStBl I 2005, 699, Tz. 6; a. A. van de Loo, DStR 2000, 508, 510; Paus, FR 2005, 1195, 1198).
Die Abzinsung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG gründet auf der typisierenden Vorstellung, dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belastet als eine sofortige Leistungspflicht (BFH-Urteile vom 18. September 2018 XI R 30/16, BFH/NV 2019, 38; vom 8. November 2016 I R 35/15, BStBl II 2017, 768, vom 13. Juli 2017 VI R 62/15, BStBl II 2018, 15; BFH-Beschluss vom 6. Oktober 2009 I R 4/08, BStBl II 2010, 177). Sie beruht auf dem Faktor "Zeit" und folgt demgemäß dem Grundsatz, dass erst in Zukunft zu erbringende Zahlungen gegenwärtig mit ihrem Barwert abzubilden sind (z.B. BFH-Urteil vom 5. Mai 2011 IV R 32/07, BStBl II 2012, 98 m. w. N.). Mit Blick auf die bewertungsrechtliche Judikatur wird davon ausgegangen, dass bei unbefristeten Verbindlichkeiten ungeachtet einer formalen Kündigungsmöglichkeit darauf abzuheben ist, welche Laufzeit sich bei wirtschaftlicher Betrachtung nach den Umständen des Falles ergibt (BFH-Urteil vom 22. Februar 1974 III R 5/73, BStBl II 1974, 330; vgl. auch BFH-Urteil vom 10. Februar 1982 II R 3/80, BStBl II 1982, 351, 352). Die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG lehnt sich inhaltlich an die bewertungsrechtlichen Maßstäbe an, wobei sie jedoch im Gegensatz zu § 12 Abs. 3 BewG nicht darauf abstellt, dass die Verbindlichkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig wird.
Die streitigen Verbindlichkeiten belasten die Antragstellerin danach trotz der theoretisch jederzeit möglichen Abrufbarkeit nach den hier bei summarischer Prüfung zugrunde zu legenden tatsächlichen Umständen weniger als eine kurzfristige Verbindlichkeit. So weist beispielsweise das Verrechnungskonto Ablader per 31. Dezember 2012 Zahlungseingänge ab 2004 auf. Ferner bestand über den gesamten Streitzeitraum ein Sockelbetrag von durchschnittlich x.xxx.xxx Euro auf dem Verrechnungskonto, der die Antragstellerin faktisch nicht belastete.
cc) Die abgezinsten Verbindlichkeiten dürften auch hinsichtlich der Laufzeit zutreffend berechnet worden sein. Insbesondere lässt sich aus der Vereinbarung über die Verzinsung des Guthabens auf dem Verrechnungskonto ab dem 1. Januar 2016 für die Streitjahre nichts herleiten. Dies führt nicht nachträglich zu einer Befristung der bereits aufgelaufenen und bis dahin unverzinslichen Verbindlichkeiten.
Nach dem Gesetzeswortlaut ist für die Ausnahme von dem Abzinsungsgebot Vor-aussetzung, dass eine verzinsliche Verbindlichkeit vorliegt, ohne dass jedoch bezüglich der Höhe der Verzinsung weitere Anforderungen bestehen (BFH-Beschluss vom 29. Juni 2009 I B 57/09, BFH/NV 2009, 1804; BMF-Schreiben vom 26. Mai 2005, BStBl I 2005, 699, Rn 13). Es besteht daher im Ergebnis ein "Wahlrecht" (Groh, DB 2007, 2275, 2277), eine Verzinsungsabrede mit dem Darlehensgeber zu treffen, mit der Folge, dass eine Abzinsung des Darlehens nicht zu erfolgen hat oder auf eine Verzinsung generell zu verzichten, so dass eine gesetzliche Abzinsung vorzunehmen wäre.
Wird, wie im Streitfall, zunächst ein unverzinsliches Darlehen hingegeben und eine Verzinsung später vereinbart, so ist nach Ansicht der Rechtsprechung und des BMF von einer verzinslichen Verbindlichkeit auszugehen (BFH-Urteil vom 18. September 2018 XI R 30/16, BFH/NV 2019, 69; Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Juli 2015 10 K 10124/13, EFG 2015, 1820; Beschluss vom 6. Januar 2009 12 V 12283/07, EFG 2009, 564; BMF-Schreiben vom 26. Mai 2005, BStBl I 2005, 699, Rn 18; ebenso in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG/Kiesel, § 6 EStG Rn 711; Groh, DB 2007, 2275, 2277; Kulosa in Schmidt, EStG, 37. A., § 6 Rn 461). Die spätere unbedingte Verzinsungsabrede führt zu einer verzinslichen Verbindlichkeit i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG, die - erst - zum Zeitpunkt des folgenden Bilanzstichtages zu berücksichtigen ist (BFH-Urteil vom 18. September 2018 XI R 30/16, BFH/NV 2019, 69; BFH-Beschluss vom 22. Juli 2013 I B 183/12, BFH/NV 2013, 1779, Rn 7, zu dem umgekehrten Fall eines zunächst verzinslichen Darlehens, das später durch eine Vereinbarung in ein unverzinsliches Darlehen umgewandelt wurde).
b) Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen aber in verfassungsrechtlicher Hinsicht insoweit, als in § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG ein typisierender Abzinsungssatz von 5,5 % zugrunde gelegt wird.
Rechtsschutz im Wege der Aussetzung der Vollziehung kann nach ständiger Rechtsprechung auch bei ernstlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtsnorm gewährt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. Juli 2002 XI B 68/02, BStBl II 2003, 341, und vom 5. März 2001 IX B 90/00, BStBl II 2001, 405). An die ernstlichen Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind, wenn die Verfassungswidrigkeit von Normen geltend gemacht wird, keine strengeren Anforderungen zu stellen als im Fall der fehlerhaften Rechtsanwendung (BFH-Beschlüsse vom 26. August 2010 I B 49/10, BStBl II 2011, 826; vom 10. Februar 1984 III R 40/83, BStBl II 1984, 454; s. a. BFH-Beschluss vom 25. April 2018 IX B 21/18, BStBl II 2018, 415; BVerfG-Beschluss vom 11. Oktober 2010 2 BvR 1710/10, Rn 23, DStR 2010, 2296).
aa) Ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des typisierenden Abzinsungssatzes von 5,5% ergeben sich aus Folgendem:
Seit längerem mehren sich angesichts einer anhaltenden Niedrigzinsphase die verfassungsrechtlichen Zweifel an der Höhe der in den Steuergesetzen in § 238 AO, § 6a Abs. 1 Nr. 3a EStG, § 12 Abs. 3; 13 Abs. 3; 14 Abs. 1 und 15 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) durchgängig festgelegten Zinssätzen von 6 % bzw. 5,5 %. Beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sind hierzu verschiedene Verfahren anhängig, und zwar die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 2706/17 gegen das Urteil des BFH vom 13. Juli 2017 (VI R 62/15), betreffend die Abzinsung von Angehörigendarlehen; das Verfahren 2 BvL 22/17 auf Vorlage des FG Köln (10 K 9777/17), betreffend die Frage, ob der Rechnungszinsfuß von 6 % gem. § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG im Streitjahr 2015 gleichheitswidrig ist; die Verfassungsbeschwerden 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17, betreffend die Frage, ob der Zinssatz gem. § 238 Abs. 1 AO für Verzinsungsräume ab 2009 bzw. ab 2012 gleichheitswidrig ist (siehe hierzu auch BMF Schreiben vom 14. Dezember 2018, BStBl I 2018, 1393 zur Gewährung von AdV wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Verzinsung nach § 233a AO i. V. m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO unter Hinweis auf diese Verfassungsbeschwerden).
Der BFH hat mit Beschlüssen vom 25. April 2018 IX B 21/18 (BStBl II 2018, 415) und vom 3. September 2018 VIII B 15/18 (BFH/NV 2018, 1279) bezogen auf § 233a AO AdV gewährt wegen "schwerwiegender verfassungsrechtlicher Zweifel", ob die Zinshöhe von 6 % ab dem Veranlagungszeitraum 2015 bzw. 2012 mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vereinbar sei. Der gesetzlich festgelegte Zinssatz gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO überschreite für den Zeitraum ab 2015 (bzw. 2012) angesichts der zu dieser Zeit bereits eingetretenen strukturellen und nachhaltigen Verfestigung des niedrigen Marktzinsniveaus den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität in erheblichem Maße. Das Niedrigzinsniveau stelle sich jedenfalls für den Streitzeitraum nicht mehr als vorübergehende, volkswirtschaftstypische Erscheinung verbunden mit den typischen zyklischen Zinsschwankungen dar, sondern sei struktureller und nachhaltiger Natur (vgl. Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2014 vom 25. November 2014, S. 8, 13, 30, 38, 39, 56, die bereits von "seit Jahren anhaltender Niedrigzinsphase" spricht). Der Annahme eines verfestigten Niedrigzinsniveaus könne dabei nicht entgegengehalten werden, dass bei Kreditkartenkrediten für private Haushalte Zinssätze von rund 14 % oder bei Girokontenüberziehungen Zinssätze von rund 9 % anfielen (so aber noch BFH-Urteil vom 9. November 2017 III R 10/16, Rn 35 f.: "Bandbreite von 0,15 % bis 14,70 %"; siehe auch Brand in FS 100 Jahre Steuerrechtsprechung in Deutschland 1918-2018, Bd. II, S. 289, 303); denn es handele sich insoweit um Sonderfaktoren, die nicht als Referenzwerte für ein realitätsgerechtes Leitbild geeignet seien. Sachliche Rechtfertigungsgründe für die gesetzliche Zinshöhe hat der BFH bei summarischer Prüfung nicht gesehen. Für die Höhe des Zinssatzes in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO fehle es überhaupt an einer nachvollziehbaren Begründung (gleicher Ansicht Seer/Klemke, ifst 490 (2013), 43, 45).
Die Verfassungsgemäßheit des Abzinsungszinssatzes für Verbindlichkeiten in Höhe von 5,5 % gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG wird vor diesem Hintergrund ebenfalls zunehmend in Zweifel gezogen (Hey/Steffen, ifst 511, 126 ff.; Anzinger, DStR 2016, 1766; Hommel, BB 2007, 1556; Becker/Sandlos, StB 2013, 194; Schindler in Kirchhof, EStG, 17. A., § 6 Rn 149; wohl auch Kulosa in Schmidt, EStG, 37. A.; § 6 Rn 454; Kiesel in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 Rn 700). Diese ernstlichen Zweifel teilt der beschließende Senat. Sie genügen, um bei Abwägung der wechselseitigen Interessen des Steuerpflichtigen und des Fiskus einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren (vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 11. Oktober 2010 2 BvR 1710/10, Rn 23, DStR 2010, 2296).
Bei Einführung des Abzinsungsgebots mit Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass unverzinsliche Geldleistungsverpflichtungen bei längerer Laufzeit wirtschaftlich weniger belastend sind als marktüblich verzinste Schulden (BT-Drs. 14/23, S. 171) und hat deshalb eine Abzinsung auf den niedrigeren Teilwert für unverzinsliche Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mehr als zwei Monaten vorgenommen (s. a. Groh, DB 2007, 2275, 2276). Dabei hat er einen Zinssatz von 5,5 % als angemessen angesehen und insoweit lediglich auf die Bewertungsregelungen in §§ 12 bis 14 BewG verwiesen. Das blieb auch vom BFH über lange Jahre verfassungsrechtlich unbeanstandet (z.B. BFH-Urteil vom 6. Oktober 2009 I R 4/08, BStBl II 2010, 177; Beschluss vom 8. Oktober 2014 VIII B 115/13, BFH/NV 2015, 200 m. w. N.).
Zwischenzeitlich hat dieser typisierte Zinssatz in einer anhaltenden Niedrigzinsphase, wie vielfach überzeugend dargelegt worden ist, aber keinen Bezug mehr zum langfristigen Marktzinsniveau. Dies gilt für den Zinssatz von 6 % gem. § 238 AO und § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG gleichermaßen wie für den Zinssatz von 5,5 % gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG; in beiden Fällen hat die Typisierung bei summarischer Prüfung ihre Basis verloren (ebenso Hey/Steffen, ifSt 511, 127). Dies belegen die Abzinsungssätze gem. § 253 Abs. 2 HGB der Deutschen Bundesbank, die beispielsweise für den Monat Dezember des Streitjahres 2015 bei 2,02 % (2018 bei 0,82 %) für Restlaufzeiten von einem Jahr lagen sowie bei 2,74 % (2018 bei 1,25 %) für Restlaufzeiten von fünf Jahren. Der Leitzins der EZB hat seit fast 10 Jahren die 1 %-Grenze kaum noch überschritten, seit sechs Jahren liegt er unter 1 % (vgl. auch Hey, FR 2016, 485). Ein quasi-sicherer Ertrag von 5,5 % lässt sich jedenfalls risikolos nicht mehr erzielen (vgl. Becker/Sandlos, StB 2013, 194, so auch bereits Hoffmann, GmbHR 1999, 380, 387). Durch die vorgegebene Sollverzinsung, die der Steuerpflichtige am Markt nicht erzielen kann, ist er gezwungen, einen nicht realisierten Gewinn auszuweisen. Dies widerspricht aber dem Gebot des Gesetzgebers, bei der Passivierung von Verbindlichkeiten realitätsnahe Wertansätze zuzulassen und den Steuerpflichtigen nicht zum Ausweis überhöhter Gewinne zu zwingen (vgl. Paus, FR 2005, 83).
Die verfassungsrechtlichen Zweifel werden auch nicht dadurch ausgeräumt, dass das Abzinsungsgebot durch Vereinbarung einer Minimalverzinsung umgangen werden kann ("bis zur Grenze des Missbrauchs", Groh, DB 2007, 2275, 2277; BMF-Schreiben vom 26. Mai 2005, BStBl I 2005, Rn 13; Kulosa in Schmidt, EStG, 37. A., § 6 Rn 457 und 461). Denn der verfassungsrechtliche Maßstab kann grundsätzlich nicht davon abhängen, in welchem Umfang Umgehungsmöglichkeiten für die angeordneten Rechtsfolgen bestehen (BVerfG-Beschluss vom 17. November 2009 1 BvR 2192/05, Rn 78, BFH/NV 2010, 434). Im Übrigen können Disparitäten in der Verhandlungssituation eine noch so geringe Zinsvereinbarung ausschließen. Überdies kann auch eine äußerst geringe prozentuale Verzinsung bei hohen Darlehensverbindlichkeiten zu einer nennenswerten Belastung führen.
bb) Dies alles rechtfertigt es, die angegriffenen Bescheide von der Vollziehung auszusetzen. Allerdings setzt nach - bisheriger - ständiger Rechtsprechung eine Aussetzung der Vollziehung, die mit ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer dem angefochtenen Steuerbescheid zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift begründet wird, voraus, dass nach den Umständen des Einzelfalles ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht, dem der Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 21. November 2013 II B 46/13, BStBl II 2013, 263; vom 9. März 2012 VII B 171/11, BStBl II 2012, 418; vom 13. März 2012 I B 111/11, BStBl II 2012, 611; Erfordernis eines berechtigten Interesses offen gelassen: BFH-Beschlüsse vom 23. August 2007 VI B 42/07, BStBl II 2007, 799, und vom 25. August 2009 VI B 69/09, BStBl II 2009, 826). Dieser Rechtsprechung hat das BVerfG im Grundsatz zugestimmt (z.B. BVerfG-Beschluss vom 3. April 1992 2 BvR 283/92, BB 1992, 1772), in neueren Entscheidungen aber die Frage, ob die Rechtsprechung des BFH (Beschluss vom 1. April 2010 II B 168/09, 149, BStBl II 2010, 558) in jeder Hinsicht mit Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) vereinbar ist, wegen der fehlenden Entscheidungserheblichkeit offen gelassen (BVerfG-Beschlüsse vom 24. Oktober 2011 1 BvR 1848/11, 1 BvR 2162/11, HFR 2012, 89, und vom 6. Mai 2013 1 BvR 821/13, HFR 2013, 639).
In der Vergangenheit hat der BFH jedenfalls in verschiedenen Fallgruppen dem Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen den Vorrang vor den öffentlichen Interessen eingeräumt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. April 2018 IX B 21/18, BStBl II 2018, 415; vom 3. September 2018 VIII B 15/18, BFH/NV 2018, 1279; vom 1. April 2010 II B 168/09, 149, BStBl II 2010, 558 m. w. N.). Dazu zählt auch der Fall, dass der BFH die vom Antragsteller als verfassungswidrig angesehene Vorschrift bereits dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorgelegt hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 1. April 2010 II B 168/09, 149, BStBl II 2010, 558, und vom 23. April 2012 III B 187/11, BFH/NV 2012, 1328, jeweils m. w. N.; s. a. FG Hamburg, Beschluss vom 11. April 2018, 2 V 20/18, EFG 2018, 1128).
Im Streitfall sind - wie dargestellt - verschiedene Verfahren zur Problematik des typisierten Zinssatzes anhängig. Der Umstand, dass das BVerfG die Anhängigkeit der Verfassungsbeschwerden 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17 erst unter dem 17. Mai 2018 (vgl. juris Anhängigkeitsmitteilung) bekannt gemacht hat und über die bereits 2014 eingegangene Beschwerde noch nicht entschieden worden ist, spricht dafür, dass sich das BVerfG alsbald in der Sache mit der in Rede stehenden Problematik befassen wird. Auch wenn bis zu einer Entscheidung des BVerfG letztlich ungewiss ist, ob die in Rede stehenden Normen - § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG, § 238 AO, § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG - für nichtig oder (nur) für mit dem GG unvereinbar erklärt werden und welche Rechtsfolgen es hieraus ziehen wird, muss das erkennende Gericht vorläufigen Rechtsschutz auf der Basis seiner Rechtsauffassung gewähren (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2003 IX B 177/02, BStBl II 2004, 367, m. w. N.). Eine Einschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes bei Verfassungsverstößen, von denen das Gericht überzeugt ist (vgl. Art. 100 Abs. 1 GG) bzw. bzgl. derer ernsthafte Zweifel bestehen, gegenüber dem bei sonstigen Rechtsverstößen zu gewährenden vorläufigen Rechtsschutz ist dem rechtsuchenden Steuerpflichtigen im Hinblick auf seinen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht zuzumuten. Insoweit ist es im Rahmen dieses Verfahrens auch nicht streitentscheidend, dass beim BVerfG zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG keine Richtervorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG anhängig ist, sondern "nur" eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des BFH in der Sache VI R 62/15 (siehe auch BMF Schreiben vom 14. Dezember 2018, BStBl I 2018, 1393 zur Gewährung von AdV wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Verzinsung nach § 233a AO i. V. m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO unter Hinweis auf die Verfassungsbeschwerden 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17 für Verzinsungsräume ab 1. April 2012). Mit dem Begehren nach vorläufigem Rechtsschutz muss der Steuerpflichtige auch in Kauf nehmen, dass bei einer Erfolglosigkeit des Einspruchs oder der Klage gegen den Steuerbescheid Aussetzungszinsen nach § 237 AO anfallen.
Darüber hinaus ist auch ein vorrangiges öffentliches, vornehmlich haushalterisches Interesse am Vollzug des Gesetzes weder von dem Antragsgegner dargetan noch erkennbar.
c) Es besteht kein Anlass, die AdV von der Leistung einer Sicherheit abhängig zu machen. Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Steueranspruchs bestehen nach Aktenlage nicht und sind ebenfalls vom Antragsgegner nicht dargetan worden.
3.) Soweit bis zum Ergehen dieser Entscheidung Säumniszuschläge verwirkt worden sind, ist insoweit die Aufhebung der Vollziehung im Umfang der gewährten AdV der angegriffenen Steuerbescheide zu gewähren.
Eine Beseitigung der Säumnisfolgen kann nach der Rechtsprechung des BFH im Wege der Aufhebung der Vollziehung des Bescheids erreicht werden. Nach § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen ist. Diese Vorschrift gestattet es auch, die Vollziehung eines Steuerbescheids mit der Folge aufzuheben, dass in der Vergangenheit entstandene Säumniszuschläge entfallen (BFH-Beschluss vom 23. Juni 1977 V B 41/73, BStBl II 1977, 645). Denn die Ausübung von Druck i. S. von § 240 AO ist nur berechtigt, wenn die Vollziehung eines Steuerbescheids ansteht, der entweder nicht angefochten ist oder bzgl. dessen Anfechtung keine ernstlichen Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen, nicht aber dann, wenn der Steuerbescheid angefochten wird und - wenn auch ggf. nachträglich - ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit von Anfang an festgestellt werden. Auf diesem Wege kann die Verwirkung von Säumniszuschlägen, die kraft Gesetzes erfolgt, rückwirkend - ggf. ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschuld - aufgehoben werden (BFH-Urteil vom 30. März 1993 VII R 37/92, BFH/NV 1994, 4 m. w. N.; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rn 32).
4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Beschwerde wird gem. § 128 Abs. 3 FGO i. V. m. § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.