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Steuerrecht
05.02.2010
Steuerrecht
: Veräußerung eines Mitunternehmeranteils

BFH, Urteil vom 25.6.2009 - IV R 3/07

Vorinstanz: FG Niedersachsen vom 26.10.2006 - 10 K 516/01 (DStRE 2008, 870)

LEITSATZ

Wird ein Gesellschaftsanteil unter einer aufschiebenden Bedingung veräußert, geht das wirtschaftliche Eigentum an dem Gesellschaftsanteil grundsätzlich erst mit dem Eintritt der Bedingung auf den Erwerber über, wenn ihr Eintritt nicht allein vom Willen und Verhalten des Erwerbers abhängt.

AO § 39 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 16 Abs. 1 Nr. 2

SACHVERHALT

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte zu 1. (Kläger zu 1.) und S waren Komplementäre, die Kläger und Revisionsbeklagten zu 2. bis 4. (Kläger zu 2. bis 4.) Kommanditisten der X KG (KG); die Kläger zu 2. bis 4. sind zugleich die Erben nach S. Weitere Komplementärin war die X Beteiligungs GmbH.

Mit Vertrag vom 21. Dezember 1993 veräußerten die Kläger und S ihre Anteile an der KG an die Fa. Y Beteiligungs GmbH (GmbH). Darin war vereinbart, dass die Kläger und S die Anteile mit dinglicher Wirkung zum 1. Januar 1994 auf die GmbH übertragen. Der Kaufpreis wurde für alle Anteile mit 222 Mio. DM veranschlagt; er war in bar und in Aktien der an der Schweizer Börse notierten Y AG (AG) zu leisten. Umfang und Anrechnung der Aktien auf den Kaufpreis bestimmten sich nach der Anlage 1a zum Vertrag. Danach übergab die GmbH "an Zahlungs Statt" 18 000 Namensaktien und 2 500 Inhaberaktien der AG. Die Aktien wurden zu den um 5 % sowie den Gegenwert von 538 200 sfr in DM gekürzten durchschnittlichen Börsenkursen im Dezember (bis 23. Dezember 1993), umgerechnet zum durchschnittlichen Devisenmittelkurs (bis 23. Dezember 1993), angerechnet. Die Hälfte der Inhaberaktien war erst nach einem Jahr "frei verfügbar", d.h. sie durften erst nach einem Jahr veräußert werden. Die Namensaktien waren im ersten Jahr nicht veräußerbar, danach jährlich 6 000 Stück. Die Aktien waren erstmals für das Geschäftsjahr 1994 dividenden- und stimmberechtigt. Die Kläger und S übernahmen die Aufteilung des Kaufpreises. Der Vertrag stand unter der aufschiebenden Bedingung, dass das Bundeskartellamt den Zusammenschluss nicht innerhalb der Frist des § 24a Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) a.F. untersagt oder vorab erklärt, die Untersagung nicht vornehmen zu wollen.

Das Bundeskartellamt stimmte der Übertragung am 25. März 1994 zu. Die Aktien gingen am 15. Mai 1994 auf die Kläger und S über. Die KG wurde im August 1994 beendet.

Mit einem weiteren notariellen Vertrag vom 21. Dezember 1993 hatte die GmbH auch sämtliche Anteile an der X Beteiligungs GmbH erworben.

In der Feststellungserklärung für das Streitjahr 1994 wurde ein Veräußerungsgewinn in Höhe von insgesamt 151 180 234 DM erklärt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) stellte die Einkünfte für das Streitjahr zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gesondert und einheitlich fest. Bei einer Außenprüfung ermittelte das FA einen um 3 970 843 DM höheren Veräußerungsgewinn, da es die Aktien mit den Börsenkursen vom 3. Januar 1994 (erster Börsentag des Jahres 1994) abzüglich eines Betrags in Höhe von 970 209 DM wegen der fehlenden Dividendenberechtigung für 1993 bewertete; die in der Anlage 1a zum Vertrag vom 21. Dezember 1993 vereinbarten Kürzungen um 5 % und den Gegenwert von 538 200 sfr in DM berücksichtigte es nicht. Das FA änderte daher den Gewinnfeststellungsbescheid für das Streitjahr entsprechend. Die hiergegen gerichteten Einsprüche blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage aus den in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2008, 870 veröffentlichten Gründen statt. Es führte im Wesentlichen aus, der tatsächlich erzielte Veräußerungspreis sei nicht nach dem gemeinen Wert der Aktien im Zeitpunkt der Veräußerung, sondern nach der zwischen den Vertragsparteien getroffenen Vereinbarung zu bestimmen. Die Vertragsparteien hätten zivilrechtlich keinen Tausch mit Baraufgabe, sondern einen Doppelkauf vereinbart. Es fehle wegen der bindenden Anrechnung der Aktien auf den Kaufpreis zu einem bestimmten, im Zeitpunkt der Veräußerung feststehenden Wert am Tauschcharakter des Leistungsaustauschs.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 16 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG).

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

AUS DEN GRÜNDEN

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Das FG hat zutreffend davon abgesehen, die GmbH als Erwerberin der Kommanditanteile zum Verfahren nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO notwendig beizuladen.

Gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). Gegenstand des Klageverfahrens ist allein die Höhe des Veräußerungsgewinns der Kläger und von S; die Feststellung eines Gewinns aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils ist selbständig anfechtbar (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Juli 1974 I R 226/70, BFHE 113, 428, BStBl. II 1975, 236, BB 1974, 1619, 1623, sowie BFH-Beschluss vom 6. Dezember 1979 IV B 56/79, BFHE 130, 1, BStBl. II 1980, 314, BB 1980, 1515, jeweils m.w.N.). Diese Feststellungen berühren die GmbH als Erwerberin der Anteile nicht und können sie damit nicht in ihren eigenen Rechten verletzen (vgl. § 40 Abs. 2 FGO). Eine Klagebefugnis der GmbH ist deshalb insbesondere weder aus § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO noch aus § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO abzuleiten; auch § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO vermittelt nur ein beschränktes Klagerecht (BFH-Beschluss vom 3. März 1998 VIII B 62/97, BFHE 185, 131, BStBl. II 1998, 401, BB 1998, 1148 Ls). Soweit der Senat mit Urteil vom 10. November 1988 IV R 70/86 (BFH/NV 1990, 31) entschieden hat, der Erwerber eines Mitunternehmeranteils sei nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO klagebefugt, wenn Streit über die Höhe des Veräußerungspreises bestehe, hält er daran nicht fest.

2. Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass sich die von den Klägern und S für die Veräußerung ihrer Mitunternehmeranteile erzielten Veräußerungspreise nach der im Vertrag vom 21. Dezember 1993 vorgenommenen Bewertung des (Gesamt-)Kaufpreises bemessen.

a) Nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die erzielt werden bei der Veräußerung des Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG).

aa) Veräußerungsgewinn i.S. des § 16 Abs. 1 EStG ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt (§ 16 Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Tatbestand der Veräußerung ist mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber verwirklicht. In diesem Zeitpunkt entsteht der Veräußerungsgewinn, und zwar unabhängig davon, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl. II 1993, 897, BB 1993, 2426, m.w.N.).

bb) Unter Veräußerungspreis i.S. des § 16 EStG ist der tatsächlich erzielte Erlös zu verstehen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl. II 1993, 897, BB 1993, 2426). Zum Veräußerungspreis gehören die Gegenleistung, die der Veräußerer vom Erwerber für die Übertragung erhält (BFH-Urteil vom 2. September 1988 III R 117/86, BFH/NV 1990, 20), und Leistungen, die der Veräußerer zwar nicht als Gegenleistung, aber im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung vom Erwerber oder --ohne dass dies der Erwerber veranlasst hat-- von einem Dritten erlangt (BFH-Urteil vom 7. November 1991 IV R 14/90, BFHE 166, 527, BStBl. II 1992, 457, BB 1992, 1051, m.w.N.). Soweit die Gegenleistung nicht in Geld, sondern in Sachgütern besteht, ist der Veräußerungspreis mit dem gemeinen Wert (§ 9 des Bewertungsgesetzes --BewG--) der erlangten Sachgüter im Zeitpunkt der Veräußerung zu bewerten (vgl. BFH-Urteil vom 19. Januar 1978 IV R 61/73, BFHE 124, 327, BStBl. II 1978, 295, BB 1978, 534).

b) Nach diesen Maßstäben gehören die Aktien der AG zu den von den Klägern und S erzielten Veräußerungspreisen; sie sind daher bei der Ermittlung der Veräußerungsgewinne mit ihrem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Veräußerung anzusetzen.

aa) Die Kläger und S haben als Gegenleistung für die Veräußerung ihrer Mitunternehmeranteile eine Geldleistung und Sachgüter in Gestalt der Aktien der AG erhalten. Denn im Veräußerungsvertrag vom 21. Dezember 1993 war vereinbart, dass der Kaufpreis für alle Anteile in bar und in Aktien zu leisten ist. Damit haben die Kläger und S sowohl die Geldleistung als auch die Aktien durch den Abschluss des Veräußerungsgeschäfts erlangt.

Entgegen der Auffassung des FG und der Kläger ergibt sich nichts anderes daraus, dass die Vertragspartner einen (Bar-) Kaufpreis für alle Anteile vereinbart haben, auf den die Aktien nach dem in der Anlage 1a zum Veräußerungsvertrag bestimmten Wert anzurechnen waren. Diese Anrechnungsabrede hat nicht zur Folge, dass lediglich die von den Vertragsparteien veranschlagte Höhe des (Gesamt-)Kaufpreises als Gegenleistung für die Veräußerung anzusehen wäre. Denn der Veräußerungspreis ist nicht auf diesen von den Vertragspartnern angesetzten Betrag beschränkt. Vielmehr ist der Veräußerungspreis --wie ausgeführt-- der tatsächlich erzielte Veräußerungspreis (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl. II 1993, 897, BB 1993, 2426). Tatsächlich haben die Kläger und S eine Geldleistung und Aktien für die Veräußerung ihrer Anteile erlangt. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Vertrag vom 21. Dezember 1993 zivilrechtlich als aus Kauf und Tausch gemischter Vertrag oder als Doppelkauf zu beurteilen ist.

Zudem kann es für die Bestimmung des Veräußerungspreises keinen Unterschied machen, ob die Vertragsparteien als Gegenleistung für die Veräußerung eine Geldleistung und Sachgüter oder --wie im Streitfall-- einen Kaufpreis vereinbaren, auf den die Sachgüter mit einem von den Vertragsparteien festgelegten Wert angerechnet werden. Denn sonst hätten es letztlich die Vertragsparteien in der Hand, die als Gegenleistung für die Veräußerung zu verschaffenden Sachgüter selbst zu bewerten, indem sie die Sachgüter mit einem von ihrem gemeinen Wert abweichenden Wert auf den Kaufpreis anrechnen. Dies widerspräche jedoch dem auch bei der Besteuerung eines Veräußerungsgewinns nach § 16 EStG maßgeblichen Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (hierzu Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl. II 1993, 897, BB 1993, 2426).

bb) Die Höhe der Geldleistung bestimmt sich --wie zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht-- grundsätzlich nach den Regelungen im Veräußerungsvertrag zu Umfang und Anrechnung der Aktien auf den Kaufpreis, da nur in der danach verbleibenden Höhe eine Geldleistung von der GmbH zu erbringen war. Die Aktien sind als Teil des Veräußerungspreises jedoch mit ihrem gemeinen Wert (§§ 9, 11 BewG) zum Zeitpunkt der Veräußerung der Mitunternehmeranteile zu bewerten.

3. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen; die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- nicht den gemeinen Wert der Aktien der AG zum Zeitpunkt der Veräußerung der Mitunternehmeranteile festgestellt.

a) Entgegen der Auffassung des FG wurden die Anteile erst am 25. März 1994 veräußert. Zwar war im Vertrag vom 21. Dezember 1993 vereinbart, dass die Anteile mit dinglicher Wirkung zum 1. Januar 1994 auf die GmbH übertragen werden. Der Vertrag stand jedoch unter der aufschiebenden Bedingung, dass das Bundeskartellamt den Zusammenschluss nicht innerhalb der Frist des § 24a Abs. 2 GWB a.F. untersagt oder vorab erklärt, die Untersagung nicht vornehmen zu wollen. Zivilrechtlich ist die Abtretung der Anteile daher erst mit der Zustimmung des Bundeskartellamts am 25. März 1994 wirksam geworden (vgl. § 158 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Vor diesem Zeitpunkt ist auch das wirtschaftliche Eigentum nicht auf die GmbH übergegangen. Das wirtschaftliche Eigentum (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung) setzt voraus, dass der Erwerber aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann (z.B. BFH-Urteil vom 9. Oktober 2008 IX R 73/06, BFHE 223, 145, BStBl. II 2009, 140, sowie Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 39 AO Rz 54). Der GmbH konnte jedoch ihre auf den Anteilserwerb gerichtete Anwartschaft auch gegen ihren Willen wieder entzogen werden, da der (zivilrechtliche) Anteilserwerb von der Billigung des Zusammenschlusses durch das Bundeskartellamt abhing; hierauf hatte die GmbH indes keinen Einfluss.

b) Zur Feststellung des gemeinen Werts der Aktien zum 25. März 1994 weist der Senat darauf hin, dass die an den Aktien bestehenden Verfügungsbeschränkungen nur dann keinen Bewertungsabschlag rechtfertigen, wenn die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 BewG vorliegen (vgl. hierzu z.B. Gürsching/Stenger, BewG und VStG, § 9 BewG Rz 103 f., § 11 BewG Rz 285 ff., jeweils m.w.N.).

Zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen wird die Sache an das FG zurückverwiesen.

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