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Steuerrecht
26.03.2010
Steuerrecht
FG München: Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung unter einer aufschiebenden Bedingung

 FG München, Urteil vom 22.12.2009 - 13 K 3582/06


Das Tatbestandsmerkmal der Veräußerung i. S. d. § 17 Abs. 1 EStG verwirklicht sich in dem Zeitpunkt, in dem die Anteile nicht mehr dem Veräußerer, sondern dem Erwerber zuzurechnen sind.

Geschieht die Übertragung des Gesellschaftsanteils unter einer aufschiebenden Bedingung und tritt die Bedingung nicht ein, ist der Tatbestand der Veräußerung nicht verwirklicht.

Die Entstehung des Auflösungsverlustes i. S. d. § 17 Abs. 4 EStG setzt bei der Kapitalgesellschaft zunächst deren Auflösung voraus.

Die Kapitalgesellschaft ist i. S. d. § 17 Abs. 4 EStG frühestens in dem Zeitpunkt aufgelöst, in dem sie nach Gesetz oder Satzung zivilrechtlich aufgelöst wäre. Vermögenslosigkeit ist für sich genommen noch kein Auflösungsgrund. Als zivilrechtlicher Auflösungsgrund kommt im Streitfall nur die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse in Frage.

EStG § 17 Abs. 1; EStG § 17 Abs. 4; AO § 39 Abs. 1; AO § 39 Abs. 2 Nr. 1; BGB § 158 Abs. 1; GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 5

Streitig ist, ob im Streitjahr Verluste aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft oder aus deren Liquidation zu berücksichtigen sind.

I.

Der Kläger erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom [...] März 1998 einen Geschäftsanteil von 25.000 DM an der [...] (M-GmbH) von [...] (G) für einen Kaufpreis in Höhe von 200.000 DM. Die M-GmbH hatte zu diesem Zeitpunkt ein Stammkapital in Höhe von 50.000 DM und G wird in diesem Kaufvertrag als Alleingesellschafterin bezeichnet. Den zweiten Geschäftsanteil von 25.000 DM an der M-GmbH hielt G als Treuhänderin für [...] (R). Mit notariellem Vertrag vom [...] März 1998 übertrug G auf den Kläger auch diesen Geschäftsanteil und der Kläger übernahm von G auch die Stellung als Treuhänderin für R. Diese Übertragung erfolgte unentgeltlich.

Mit notariellem Kaufvertrag vom [...] Mai 1998 veräußerte der Kläger seinen Geschäftsanteil in Höhe von 25.000 DM sowie den weiteren treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteil in Höhe von 25.000 DM an der M-GmbH für einen Kaufpreis in Höhe von 500.000 DM an R. Der Kaufpreis sollte in Höhe eines Teilbetrages von 300.000 DM am Tag des Kaufvertragsabschlusses und in Höhe eines weiteren Teilbetrages von 100.000 DM binnen weiterer zwei Wochen fällig sein. Für den Restbetrag von 100.000 DM war eine Fälligkeit in 10 Monatsraten zu je 10.000 DM ab dem 1. September 1998 vereinbart. Die Abtretung der Geschäftsanteile sollte unter der aufschiebenden Bedingung erst wirksam werden, nachdem der erste Teilkaufpreis in Höhe von 300.000 DM bezahlt worden sei. Mit der Zahlung der 300.000 DM sollte auch das Treuhandverhältnis zwischen dem Kläger und R beendet sein.

R leistete auf den vereinbarten Kaufpreis keine Zahlungen. Die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen R blieb erfolglos. Im Jahr 2000 wurde vom Insolvenzgericht, nachdem [...] Mai 2000 ein Gutachten im Insolvenzantragsverfahren erstattet worden war [...], der Antrag, über das Vermögen der M-GmbH das Insolvenzverfahren zu eröffnen, mangels Masse abgelehnt.

Da der Kläger trotz Aufforderung die Einkommensteuererklärung 1998 nicht abgegeben hatte, schätzte der Beklagte - das Finanzamt (FA) - die Besteuerungsgrundlagen mit Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 15. Juni 2000 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. In der daraufhin abgegebenen Einkommensteuererklärung für 1998 machte der Kläger bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb einen Verlust aus der Veräußerung der Geschäftsanteile an der M-GmbH in Höhe von 301.978 DM geltend. Den Verlust errechnete der Kläger so, dass er den Anschaffungskosten mit einem Kaufpreis für die Geschäftsanteile in Höhe von 200.000 DM sowie nachträglichen Anschaffungskosten für ein eigenkapitalersetzendes Darlehen in Höhe von 100.000 DM und Notarskosten für die Geschäftsanteilsabtretung in Höhe von 1.978 DM einen Veräußerungserlös in Höhe von 0 DM gegenüberstellte.

Das FA änderte unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung mit Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 13. Juli 2000 den bisherigen Steuerbescheid. Es folgte jedoch nicht den Angaben des Klägers hinsichtlich des Verlustes aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft und berücksichtigte den geltend gemachten Verlust in Höhe von 301.978 DM nicht bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Seine Entscheidung begründete es damit, dass die Geschäftsanteile vor nicht mehr als fünf Jahren entgeltlich erworben worden seien. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung vom 11. August 2006 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Da nach den Angaben des Klägers auf den Gesamtkaufpreis in Höhe von 500.000 DM keine Zahlungen geleistet worden seien, sei die Geschäftsanteilsabtretung an den Käufer nicht wirksam geworden. Da keine Veräußerung von Anteilen an der Kapitalgesellschaft vorliege, könne auch kein Veräußerungsverlust berücksichtigt werden.

Dagegen richtet sich die Klage. Der Veräußerungsverlust sei durch vergeblich aufgewendete Kosten zum Erwerb der Anteile an der M-GmbH entstanden. Der Kaufpreis für den von G erworbenen Teilgeschäftsanteil sei vom Kläger mittels eines Bankschecks vom [...] März 1998 durch abgekürzten Zahlungsweg an R getilgt worden. Die M-GmbH sei bereits im Jahr 1998 insolvent gewesen, so dass auch aus diesem Gesichtspunkt der aufgewendete Kaufpreis als Verlust im Streitjahr zu berücksichtigen sei. Die M-GmbH habe bereits im Jahr 1998 zum Zeitpunkt des Erwerbs erhebliche finanzielle Verpflichtungen gehabt. Der Kläger habe deshalb der M-GmbH ein kapitalersetzendes Darlehen in Höhe von 100.000 DM gewährt, damit diese ihre Verpflichtungen gegenüber dem Verpächter habe erfüllen können. Da der Kläger erkannt habe, dass die M-GmbH überschuldet sei, habe er die Anteile daran mit notarieller Urkunde vom [...] Mai 1998 an R veräußert. Die Abtretung der Geschäftsanteile sei unter der aufschiebenden Bedingung vereinbart worden, dass die erste Teilkaufpreisrate in Höhe von 300.000 DM gezahlt werde. Der Kaufpreis sei jedoch zu keinem Zeitpunkt beglichen worden. Verschiedene Vollstreckungsmaßnahmen gegen R seien erfolglos geblieben. Da die M-GmbH bereits im Jahr 1998 ihren Verpflichtungen nicht mehr habe nachkommen können, sei die M-GmbH auch bereits zum 31. Dezember 1998 insolvent gewesen. Die Zahlungsunfähigkeit der M-GmbH ergebe sich insbesondere aus dem Insolvenzgutachten vom [...] Mai 2000. In dem Insolvenzgutachten sei festgehalten, dass R bereits 1998 für die M-GmbH sowie für sich selbst den Offenbarungseid abgelegt habe. Gegen die M-GmbH seien verschiedene Insolvenzanträge gestellt worden. Im Jahr 2000 sei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse vom Amtsgericht Ingolstadt [...]abgelehnt worden.

Der Kläger beantragt

den Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 13. Juli 2000 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 11. August 2006 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb ein Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in Höhe von 301.978 DM berücksichtigt und die Einkommensteuer entsprechend festgesetzt wird,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt

die Klageabweisung.

Das FA verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend weist das FA darauf hin, dass ein Verlust aus der Veräußerung der Geschäftsanteile nicht berücksichtigt werden könne, da wegen der aufschiebenden Bedingung die Veräußerung nicht wirksam geworden sei. Ein Verlust aus der Auflösung der M-GmbH könne nicht berücksichtigt werden, da erst im Jahr 2000 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden sei. Auch habe der Kläger nicht nachgewiesen, dass er seinen Kaufpreis in Höhe von 200.000 DM für die Anschaffung der Geschäftsanteile von G auch tatsächlich bezahlt habe. Zum Nachweis der Bezahlung des Kaufpreises habe der Kläger einen Scheck über 200.000 DM, der auf R ausgestellt sei, vorgelegt. Es sei nicht ersichtlich, wieso die Kaufpreiszahlung nicht an die Verkäuferin G, sondern mit schuldbefreiender Wirkung an den Treugeber R habe erfolgen können.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift verwiesen.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Das FA hat zu Recht eine Berücksichtigung des Verlustes aus der Veräußerung des Geschäftsanteils an der M-GmbH abgelehnt.

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Eine wesentliche Beteiligung ist gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG). Das Tatbestandsmerkmal der Veräußerung verwirklicht sich in dem Zeitpunkt, in dem die Anteile nicht mehr dem Veräußerer, sondern nach § 39 Abgabenordnung (AO) dem Erwerber zuzurechnen sind (BFH-Urteile vom 17. Februar 2004 VIII R 28/02, BStBl II 2005, 46; vom 22. Juli 2008 IX R 74/06, BStBl II 2009, 124).

Daraus folgt für den Streitfall, dass ein Veräußerungsverlust gemäß § 17 Abs. 1 EStG nicht entstanden ist, denn R ist nicht gemäß § 39 Abs. 1 AO zivilrechtlicher Eigentümer der Geschäftsanteile geworden. Nach dem Kaufvertrag vom [...] Mai 1998 war die Geschäftsanteilsabtretung aufschiebend bedingt bis zur Zahlung des ersten Teilkaufpreisbetrages. Da auf den Kaufpreis überhaupt keine Zahlung erfolgt ist, trat auch nicht die davon abhängig gemachte Übertragung der Geschäftsanteile ein (§ 158 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -).

Die Geschäftsanteile sind dem R im Streitjahr auch nicht nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Sätze 1 oder 2 AO zuzurechnen. Bei Anteilen an Kapitalgesellschaften wird der Erwerber wirtschaftlicher Eigentümer in diesem Sinne, wenn er (1.) aufgrund eines zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat und (2.) die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie (3.) das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 4. Juli 2007 VIII R 68/05, BStBl II 2007, 937 und vom 11. Juli 2006 VIII R 32/04, BStBl II 2007, 296, m.w.N.).

Auch diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Das Risiko der Wertminderung ist - nach dem eigenen Vortrag des Klägers - nie auf R übergegangen und R hat auch nie eine rechtlich abgesicherte Position auf den Erwerb der Anteile oder mit dem Anteil verbundene Rechte erworben.

Im Streitjahr ist auch kein Verlust aus der Auflösung der M-GmbH zu berücksichtigen.

Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört nach § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 EStG auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war.

Die Entstehung des Auflösungsverlustes beim Steuerpflichtigen setzt bei der Kapitalgesellschaft zunächst deren Auflösung voraus. Das ist nicht nur ein formales Tatbestandsmerkmal, das sich aus § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG ergibt. Diese Voraussetzung beruht vielmehr auf Wesen und Zweck des § 17 Abs. 4 EStG. Erst nach Auflösung und im Rahmen der dann normalerweise folgenden Liquidation der Kapitalgesellschaft kann das "Vermögen der Kapitalgesellschaft" (§ 17 Abs. 4 Satz 2 EStG) ermittelt werden, das dem Steuerpflichtigen ggf. zurückzuzahlen ist. Vor der Auflösung der Kapitalgesellschaft ist kein Raum für die Ermittlung eines Liquidationsgewinns. Die Auflösung ist nicht nur deshalb Voraussetzung, weil vorher die einzelnen Grundlagen des Auflösungsgewinns bzw. -verlustes in der Regel nicht feststehen, sondern weil ein Auflösungsgewinn oder -verlust begrifflich die Auflösung der Kapitalgesellschaft voraussetzt (ständige Rechtsprechung; BFH-Urteile vom 4. November 1997 VIII R 18/94, BStBl II 1999, 344, m.w.N.; vom 3. Juni 1993 VIII R 81/91, BStBl II 1994, 162; vom 27. November 2001 VIII R 36/00, BStBl II 2002, 731; vom 22. Juli 2008 IX R 79/06, BStBl II 2009, 227). Der BFH hat entschieden, dass unter "aufgelöst" i.S. des § 17 Abs. 4 EStG die zivilrechtliche Auflösung der Kapitalgesellschaft zu verstehen ist (BFH-Urteile vom 3. Oktober 1989 VIII R 328/84, BFH/NV 1990, 361). Danach ist die Kapitalgesellschaft - im Streitfall die M-GmbH - i.S. des § 17 Abs. 4 EStG frühestens in dem Zeitpunkt aufgelöst, in dem sie nach Gesetz oder Satzung zivilrechtlich aufgelöst wäre (BFH-Urteil in BStBl II 1994, 162).

Als zivilrechtlicher Auflösungsgrund kommt im Streitfall nur die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse in Frage (§ 60 Abs. 1 Nr. 5 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -). Dieser Beschluss des Insolvenzgerichts erfolgte erst im Jahr 2000 und nicht schon im Streitjahr 1998. Für die Auflösung ist nicht entscheidend, wann die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (oder die Ablehnung der Eröffnung mangels Masse) gegeben waren. Vermögenslosigkeit ist für sich genommen noch kein Auflösungsgrund (Lutter/Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 12. Aufl., 2004 § 60 Rdnr. 15).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision war nicht zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO).

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