FG Köln: Unterbrechung des Einspruchsverfahrens durch Insolvenzeröffnung
FG Köln, Urteil vom 28.6.2016 – 8 K 92/13
Volltext: BB-ONLINE BBL2016-2199-1
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Leitsätze der Redaktion
1. Die Voraussetzungen für eine Unterbrechung des Verfahrens sind bereits dann gegeben, wenn das Verfahren die Höhe der zur Tabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen könnte (BFH, 13.5.2009 – XI R 63/07, BStBl. II 2010, 11, Rz. 17), also eine abstrakte Eignung, sich auf anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken und damit die Insolvenzmasse zu betreffen, beinhaltet (BFH, Urteil vom 13.05.2009 – XI R 63/07 -, BStBl. II 2010, 11, Rz. 18, 22).
2. Zweck der Unterbrechung ist, dem Insolvenzverwalter, der mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens anstelle des Insolvenzschuldners die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse des Insolvenzschuldners gehörende Vermögen erlangt, ausreichend Zeit einzuräumen, über die Fortführung der vom Insolvenzschuldner eingeleiteten Klageverfahren bzw. Einspruchsverfahren unter dem Gesichtspunkt der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger und im Hinblick auf einen Massebezug des Streitgegenstandes nachzudenken.
3. Durch die wirksame Einspruchseinlegung sind vorliegend jedoch Einspruchsverfahren eingeleitet worden, die gemäß § 367 Abs. 2 S. 2 AO rein abstrakt zu einer Verböserung (= Änderung zum Nachteil) der angefochtenen Einkommensteuerbescheide führen können, unabhängig davon, dass die in den angefochtenen Bescheiden festgesetzten Steuern bezahlt sind.
4. Die Konsequenz der abstrakt möglichen Verböserung ist die dann abstrakt notwendige Anmeldung der dann höheren Steuerforderungen zur Insolvenztabelle mit Auswirkungen auf die Insolvenzmasse, da eine Verböserung in Gestalt von Einspruchsentscheidungen ausscheidet, denn sie würde einer im Insolvenzverfahren nicht zulässigen erstmaligen Festsetzung einer Steuerschuld gleichstehen (AEAO 5.3.1.2.2.).
Sachverhalt
Streitig ist, ob der Beklagte drei Einspruchsentscheidungen vom 13.12.2012 betreffend Einkommensteuer 2003-2007 gegenüber der Klägerin, der Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Herrn A, rechtmäßig erlassen hat.
Über das Vermögen des Herrn A (Insolvenzschuldner) wurde am ....2012 das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin ernannt (Amtsgericht B, Az. 1).
Der Insolvenzschuldner, ..., befand sich zu diesem Zeitpunkt seit ... 2012 in Haft. ...
Das für den Insolvenzschuldner zuständige Finanzamt G hatte im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung (Bericht vom 20.01.2011) gegenüber dem Insolvenzschuldner unter dem 24.02.2011 unter anderem geänderte Einkommensteuerbescheide 2003-2007 erlassen.
Gegen die Änderungsbescheide hatte der Insolvenzschuldner mit Schreiben vom 26.03.2011 Einspruch eingelegt. Gegen die durch die Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 vom 24.02.2011 geänderten Veranlagungen hatte der Insolvenzschuldner schon zuvor am 13.03.2008 (Einkommensteuer 2006) und am 02.02.2009 (Einkommensteuer 2007) Einspruch eingelegt.
Auf die Einspruchsschreiben vom 13.03.2008, 02.02.2009 und 26.03. 2011 wird verwiesen.
Auf einem Schreiben an die Klägerin vom 12.10.2012, mit dem der zwischenzeitlich zuständig gewordene Beklagte Abgabeforderungen (Einkommensteuer 2009, 2010, 2011) gegen den Insolvenzschuldner gemäß § 174 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) zur Tabelle angemeldet hat, befindet sich ein handschriftlicher Vermerk, wonach die Abgabeforderungen (Einkommensteuer 2003-2007) nicht zur Tabelle angemeldet werden sollten und demzufolge keine Verfahrensunterbrechung des Einspruchsverfahrens nach § 240 ZPO gegeben sei.
Am 24.10.2012 fragte der Beklagte bei der Klägerin an, ob sie die Einsprüche aufrechterhalten wolle.
Die Klägerin erwiderte unter dem 30.10.2012, die Einspruchsverfahren seien analog
§ 240 ZPO durch die Insolvenzeröffnung bis zu einer Aufnahme des Verfahrens unterbrochen. Eine Aufnahme durch das Finanzamt sei erst nach Durchführung des gerichtlichen Prüfungstermins möglich. Dennoch sollten die Einsprüche vorsorglich aufrechterhalten werden. Da sich der Insolvenzschuldner in Haft befinde und nach seinen Angaben wesentliche Teile seiner Unterlagen von der Steuerfahndung beschlagnahmt seien, könne sie erst nach Freigabe beurteilen, inwieweit die Einsprüche berechtigt seien.
Nach Aktenlage war der Anmeldetermin auf den 11.11.2012 und der Prüfungstermin auf den 21.12.2012 angesetzt.
Ausweislich eines Kontoauszuges vom 05.12.2012 waren die Einkommensteuerforderungen 2003-2007 zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig beglichen.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 13.12.2012 gegenüber der Klägerin wies der Beklagte den Einspruch des Insolvenzschuldners vom 26.03.2011 bezüglich Einkommensteuer 2003-2005 als unbegründet zurück und verwarf den Einspruch bezüglich Einkommensteuer 2006 und 2007 als unzulässig. Die Einsprüche bezüglich Einkommensteuer 2006 und 2007 vom 13.3.2008 bzw. 2.2.2009 wies der Beklagte als unbegründet zurück.
Auf die Einspruchsentscheidungen wird verwiesen.
Insbesondere führte der Beklagte aus, nach § 240 ZPO werde das Rechtsbehelfsverfahren, wenn es die Insolvenzmasse betreffe, bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen. Die Verfahrensunterbrechung gelte nur in Bezug auf das dem Insolvenzverfahren unterliegende Vermögen. Eine Verfahrensunterbrechung nach § 240 ZPO sei mithin nicht gegeben, soweit Einsprüche nicht im Zusammenhang mit zur Insolvenztabelle angemeldeten Steuerforderungen stünden. Im Streitfall seien die aus den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden resultierenden Steuerforderungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beglichen worden. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätten somit bezüglich der Streitjahre 2003-2007 keine Rückstände bestanden. Eine Verfahrensunterbrechung nach § 240 ZPO sei damit nicht gegeben.
Die Klägerin teilte daraufhin dem Beklagten mit Schreiben unter dem 14.12.2012 mit, die in der Einspruchsentscheidung vertretene Rechtsauffassung bezüglich der Unterbrechung des Verfahrens sei unzutreffend. Die Unterbrechung betreffe nicht nur die bezüglich etwaiger Insolvenzforderungen anhängigen Verfahren, sondern auch und gerade Verfahren, deren Gegenstand Rechte seien, die der Insolvenzschuldner für sich in Anspruch nehme und die im Fall der Insolvenzeröffnung zur Insolvenzmasse gehörten. Eine Verengung auf Verfahren über Insolvenzforderungen sei der Regelung des § 240 ZPO nicht zu entnehmen. Dies bestätige sich in § 85 InsO, in welchem die Aufnahme vom Verfahren geregelt sei, welche das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen beträfen. Wenn solche Verfahren nicht durch die Insolvenzeröffnung unterbrochen werden würden, dann bedürfte es auch keiner Regelung zu deren Aufnahme. Im vorliegenden Fall handele es sich um ein Rechtsbehelfsverfahren im Sinne eines Aktivprozesses. Durch die Fortführung des vorliegenden Einspruchsverfahrens könne sich die Stellung der Insolvenzmasse gegenüber der aktuellen Situation, in der es Steuerbescheide gebe, die für den Beklagten die Rechtsgrundlage für das Behaltendürfen der gezahlten Steuern seien, verbessern. Mit dem Einspruchsverfahren könne der Insolvenzschuldner bzw. nunmehr die Insolvenzmasse bewirken, dass ein Teil der bereits gezahlten Steuern erstattet oder zumindest über die Aufrechnung mit anderweitigen Steuerforderungen gutgebracht werde.
Die Aufnahme eines unterbrochenen Aktivprozesses obliege nach § 85 InsO ihr, der Insolvenzverwalterin. Da die Einspruchsentscheidungen offensichtlich unzulässig seien, werde gebeten, diese bis zum 28.12.2012 aufzuheben.
Mit Schreiben vom 09.01.2013 teilte der Beklagte der Klägerin daraufhin mit, die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2003-2007 seien abstrakt nicht mehr dazu geeignet, sich auf zur Tabelle anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken. Eine Verfahrensunterbrechung nach § 240 ZPO sei damit nicht gegeben.
Aus einer in der Rechtsbehelfsakte befindlichen Stellungnahme des Finanzamts C vom 28.01.2013 zu dem bereits abgeschlossenen Einspruchsverfahren betreffend die Einkommensteuer 2003-2007 ergibt sich, dass bezüglich des Streitjahres 2006 eine Erhöhung und bezüglich des Streitjahres 2007 eine Herabsetzung der jeweils festgesetzten Steuern erfolgen sollte. Auf das Schreiben wird verwiesen.
Mit der vorliegenden Klage wiederholt die Klägerin ihr außergerichtliches Vorbringen.
Sie beantragt
die Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 13.12.2012 sowie die Feststellung, dass die Einspruchsverfahren betreffend Einkommensteuer 2003-2007 nach § 240 ZPO unterbrochen sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage als unbegründet abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Zur Begründung seines Antrags trägt er unter Bezugnahme auf seine bisherigen Ausführungen vor, in Textziffer 4.1.2 der AEAO zu § 251 AO sei niedergelegt, dass das Steuerfestsetzungsverfahren, das Rechtsbehelfsverfahren und der Lauf der Rechtsbehelfsfristen, soweit sie die Insolvenzmasse betreffen und abstrakt dazu geeignet sind, sich auf zur Tabelle anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken, analog zu § 240 ZPO unterbrochen werden. Eine Verfahrensunterbrechung trete allerdings nicht ein, wenn keine Forderungen gegenüber der Insolvenzmasse für Zeiträume vor Insolvenzeröffnung geltend zu machen seien (z.B. im Falle einer Erstattung für die Masse, BFH-Urteil vom 13.5.2009, XI R 63/07, BStBl. II 2010,11).
Der Erlass der hier streitigen Einspruchsentscheidungen stehe daher im Einklang mit der für den Beklagten verbindlichen und bundesweit gültigen Verwaltungsanweisung. Nach Auffassung des BFH in dem zitierten Urteil sei das in § 240 ZPO normierte Tatbestandsmerkmal der Betroffenheit der Insolvenzmasse im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens nur dann erfüllt, wenn sich der als Ergebnis des Verfahrens zu erlassende Bescheid auf die zur Insolvenztabelle anzumeldenden Forderungen auswirken könne. In den vorliegend zu beurteilenden Einspruchsverfahren würden Einkommensteuer (Erstattungs-) Bescheide begehrt, die nach der Rechtsprechung des BFH trotz des eröffneten Insolvenzverfahrens und ungeachtet von § 240 ZPO noch erlassen werden könnten. Da er, der Beklagte, unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Streitfall ohne verfahrensrechtliche Beschränkungen dazu befugt sei, einen Abhilfebescheid bekannt zu geben - natürlich vorausgesetzt, die Steuerfestsetzungen wären tatsächlich materiell-rechtlich rechtswidrig -, so müsse dies auch für eine den Erlass eines Erstattungsbescheides ablehnende Einspruchsentscheidung gelten. Es würde einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn ein Steuerfestsetzungsverfahren, das den Erlass eines Erstattungsbescheides zum Gegenstand habe, nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen sei, ein Einspruchsverfahren, in dem ebenfalls der Erlass eines solchen Bescheides begehrt werde, hingegen unterbrochen sein solle. Eine Unterbrechung des Einspruchsverfahrens könne auch nicht aus § 85 InsO abgeleitet werden. Denn diese Norm beziehe sich nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut ausschließlich auf Aktivprozesse und nicht auf das hier zu beurteilende außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren. Würde man § 85 InsO im Einspruchsverfahren für anwendbar erklären, könnte die Klägerin ohne zeitliche Beschränkung die Verfahrensaufnahme jederzeit beantragen. Die Dauer des Verfahrens wäre damit nicht absehbar. Die Klägerin würde so einen nicht zu rechtfertigenden Vorteil gegenüber jedem anderen Steuerpflichtigen und auch gegenüber ihrer Rechtsposition in einem zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits anhängigen Klageverfahren erhalten. Es könne hingegen nicht hingenommen werden, dass nur ein Verfahrensbeteiligter nach Belieben über die Fortführung des Verfahrens entscheiden und damit den Eintritt der Rechtssicherheit auf unbestimmte Zeit verhindern könne. Dies veranschauliche auch, dass die Klägerin sich bis zum heutigen Tag in dem nunmehr fast zweieinhalb Jahre andauernden Insolvenzverfahren weiterhin nicht dazu erklärt habe, ob sie die Verfahren aufnehmen wolle oder nicht. Darüber hinaus sei auch jede Auseinandersetzung mit der materiell-rechtlichen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide unterblieben. Eine mit der analogen Anwendung des § 85 InsO begründeten Aufhebung der Einspruchsentscheidungen hätte unter Berücksichtigung der bisherigen Verfahrensführung der Klägerin also zur Folge, dass das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren auf unbestimmte Zeit unterbrochen bliebe, ohne dass der Beklagte erkennbare Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die von ihm nicht zu vertretende Verzögerung hätte.
Die Revision sei im Falle einer stattgebenden Entscheidung zuzulassen, weil diese sich im Widerspruch zu den Regelungen der AEAO befände und daher eine bundesweit geltende Verwaltungspraxis für rechtswidrig erklärt würde. Auch sei durch den BFH bisher soweit ersichtlich noch nicht hinreichend geklärt, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Einspruchsverfahren durch die Insolvenzeröffnung unterbrochen werde, in dem der Erlass eines Erstattungsbescheides begehrt werde und infolgedessen keine Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet worden seien.
Auf das gerichtliche Hinweisschreiben vom 23.01.2015 wird verwiesen.
Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
Aus den Gründen
Die Klage ist begründet.
Die angefochtenen Einspruchsentscheidungen vom 13.12.2012 sind – isoliert – aufzuheben, denn sie sind rechtswidrig. Die Gegenstand der Klage bildenden Einspruchsverfahren wegen Einkommensteuer 2003-2007 sind analog § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen.
Die Einspruchsentscheidungen vom 13.12.2012 durften analog § 240 Satz 1 ZPO wegen der Unterbrechung der Einspruchsverfahren betreffend die Einkommensteuer 2003-2007 ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens am ....2012 über das Vermögen des Insolvenzschuldners A nicht ergehen.
Gemäß § 240 S. 1 ZPO, der im Einspruchsverfahren analog gilt (BFH, Urteil vom 02.07.1997 – I R 11/97, BStBl. II 1998, 428; BFH, Urteil vom 13.05.2009 - XI R 63/07 -, BStBl. II 2010, 11, Rz. 22), wird im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen wird. Die Insolvenzmasse ist gemäß § 35 Abs. 1 Insolvenzordnung - InsO - das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt.
Die Voraussetzungen für eine Unterbrechung des Verfahrens sind bereits dann gegeben, wenn das Verfahren die Höhe der zur Tabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen könnte (BFH, Urteil vom 13.05.2009 - XI R 63/07 -, BStBl. II 2010, 11, Rz. 17), also eine abstrakte Eignung, sich auf anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken und damit die Insolvenzmasse zu betreffen, beinhaltet (BFH, Urteil vom 13.05.2009 - XI R 63/07 -, BStBl. II 2010, 11, Rz. 18, 22).
Zweck der Unterbrechung ist, dem Insolvenzverwalter, der mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens anstelle des Insolvenzschuldners die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse des Insolvenzschuldners gehörende Vermögen erlangt, ausreichend Zeit einzuräumen, über die Fortführung der vom Insolvenzschuldner eingeleiteten Klageverfahren bzw. Einspruchsverfahren unter dem Gesichtspunkt der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger und im Hinblick auf einen Massebezug des Streitgegenstandes nachzudenken (siehe Greger in Zöller, ZPO, 31. Auflage, 2016,
§ 240 Rn. 1, Jaspersen/Beck´scher Online-Kommentar ZPO, Vorwerk/Wolf, 20. Edition, Stand 1.3.2016, § 240 Rz. 1).
Vorliegend hat die Insolvenzverwalterin dem Beklagten mit Schreiben vom 30.10.2012 mitgeteilt, sie könne zurzeit noch nicht über die Aufnahme der Einspruchsverfahren entscheiden, da sie wegen fehlender Unterlagen noch nicht beurteilen könne, ob die Einsprüche berechtigt seien. Mangels Aufnahme der Einspruchsverfahren durch die Insolvenzverwalterin sind die Einspruchsentscheidungen am 13.12.2012 unter Verstoß gegen § 240 ZPO analog erlassen worden, denn die Verfahren betreffen die Insolvenzmasse.
Die vorliegenden Einspruchsverfahren betreffen nach der zitierten Rechtsprechung des BFH analog § 240 ZPO die Insolvenzmasse, da die in ihrem Rahmen zu erfolgenden Überprüfungen der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2003-2007 gemäß
§§ 365, 367 AO die abstrakte Eignung haben, zur Tabelle anzumeldende Forderungen, die die Insolvenzmasse betreffen, zu ergeben.
Anders als bei dem in dem zitierten BFH-Verfahren XI R 63/07 behandelten Umsatzsteuerbescheid, mit dem nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine negative Umsatzsteuer für einen Besteuerungszeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens festgesetzt worden war, beinhalten die den Gegenstand der vorliegenden Einspruchsverfahren bildenden Einkommensteuerbescheide 2003-2007 Steuerforderungen, die im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am ....2012 im Sinne des §§ 35, 38 InsO begründet gewesen wären und - mit Auswirkung auf die Insolvenzmasse - zur Tabelle hätten angemeldet werden müssen, hätte der Insolvenzschuldner die festgesetzten Steuern nicht bereits vor Insolvenzeröffnung beglichen gehabt. Die Einkommensteuerbescheide 2003 bis 2007 wären, hätte der Insolvenzschuldner sie nicht angefochten, für das Insolvenzverfahren (abgesehen von einer eventuellen Anfechtung) irrelevant gewesen.
Durch die wirksame Einspruchseinlegung mit Einsprüchen vom 13.03.2008 (Einkommensteuer 2006), 02.02.2009 (Einkommensteuer 2007) und 26.03.2011 (Einkommensteuer 2003-2005) sind jedoch Einspruchsverfahren eingeleitet worden, die gemäß § 367 Abs. 2 S. 2 AO rein abstrakt zu einer Verböserung (= Änderung zum Nachteil, siehe Seer in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 367 AO Randnummer 22 ff.) der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2003-2007 führen können, unabhängig davon, dass die in den angefochtenen Bescheiden festgesetzten Steuern bezahlt sind.
Die Konsequenz der abstrakt möglichen Verböserung ist die dann abstrakt notwendige Anmeldung der dann höheren Steuerforderungen zur Insolvenztabelle mit Auswirkungen auf die Insolvenzmasse, da eine Verböserung in Gestalt von Einspruchsentscheidungen ausscheidet, denn sie würde entsprechend dem gerichtlichen Hinweis vom 23.01.2015 einer im Insolvenzverfahren nicht zulässigen erstmaligen Festsetzung einer Steuerschuld gleichstehen (AEAO 5.3.1.2.2. am Ende).
Unabhängig von der abstrakt möglichen Verböserung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2003-2007 im Einspruchsverfahren mit abstrakt zwangsläufigen Auswirkungen auf die Insolvenzmasse, die vorliegend schon zu einer Unterbrechung des Einspruchsverfahrens analog § 240 Satz 1. ZPO führt, ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund der Stellungnahme des Finanzamtes C zu den Einspruchsbegründungen betreffend Einkommensteuer 2003-2007 vom 28.01.2013 zumindest bezüglich dem Einspruchsverfahren zur Einkommensteuer 2006 sogar eine Verböserung mit konkreter Auswirkung auf die Insolvenzmasse vom Beklagten durch entsprechende Anmeldungen zur Tabelle umzusetzen sein könnte, sollte das Verfahren von der Klägerin aufgenommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.
Die Revision wird zugelassen, da auf Seiten der Finanzverwaltung ausweislich ihrer Stellungnahme vom 25.03.2015 Klärungsbedarf zur Verfahrensunterbrechung analog § 240 ZPO im Einspruchsverfahren in Zusammenhang mit dem BFH-Urteil vom 13.05.2009, XI R 63/07, BStBl. II 2010, 11 besteht.