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Steuerrecht
24.11.2022
Steuerrecht
EuGH: Unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen – unentgeltliche Ausgabe von Einkaufsgutscheinen an das Personal des Unternehmens des Steuerpflichtigen im Rahmen eines Anerkennungs- und Belohnungsprogramms –

... Dienstleistungen gegen Entgelt gleichgestellte Umsätze – Grundsatz der steuerlichen Neutralität

EuGH, Urteil vom 17.11.2022 – C-607/20; GE Aircraft Engine Services Ltd gegen The Commissioners for His Majesty’s Revenue and Customs

ECLI:EU:C:2022:884

Volltext BB-Online BBL2022-2773-1

Tenor

Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er nicht auf eine Erbringung von Dienstleistungen anwendbar ist, die darin besteht, dass ein Unternehmen seinen Mitarbeitern im Rahmen eines von ihm eingerichteten Programms zur Auszeichnung und Belohnung derjenigen Mitarbeiter, die sich am meisten verdient gemacht und die besten Leistungen erbracht haben, Einkaufsgutscheine kostenfrei zur Verfügung stellt.

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der GE Aircraft Engine Services Ltd (im Folgenden: GEAES) und den Commissioners for His Majesty’s Revenue and Customs (Steuer- und Zollbehörde, Vereinigtes Königreich) (im Folgenden: Steuerverwaltung) wegen einer Steuernacherhebung für den Zeitraum von Dezember 2013 bis Oktober 2017 wegen nicht erklärter Ausgangsmehrwertsteuer auf den Wert von Einkaufsgutscheinen, die GEAES ihren Mitarbeitern im Rahmen eines von ihr eingerichteten Anerkennungs- und Belohnungsprogramms kostenfrei zur Verfügung gestellt hatte.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Austrittsabkommen

3          Mit seinem Beschluss (EU) 2020/135 vom 30. Januar 2020 über den Abschluss des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. 2020, L 29, S. 1, im Folgenden: Austrittsabkommen) genehmigte der Rat der Europäischen Union im Namen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft das Austrittsabkommen, das diesem Beschluss beigefügt ist.

4          Art. 86 („Vor dem Gerichtshof der Europäischen Union anhängige Rechtssachen“) Abs. 2 und 3 des Austrittsabkommens sieht vor:

„(2)       Der Gerichtshof der Europäischen Union ist weiterhin für Vorabentscheidungsersuchen der Gerichte des Vereinigten Königreichs zuständig, die vor Ende des Übergangszeitraums vorgelegt werden.

(3)        Für die Zwecke dieses Kapitels gilt ein Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu dem Zeitpunkt als eingeleitet und ein Vorabentscheidungsersuchen zu dem Zeitpunkt als vorgelegt, zu dem die Unterlagen zur Einleitung des Verfahrens von der Kanzlei des Gerichtshofs der Europäischen Union registriert wurden.“

5          Nach Art. 126 des Austrittsabkommens begann der Übergangszeitraum am Tag des Inkrafttretens des Abkommens und endete am 31. Dezember 2020.

Mehrwertsteuerrichtlinie

6          Art. 26 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt sind folgende Umsätze:

a)         Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat;

b)         unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke.“

Recht des Vereinigten Königreichs

7          Art. 26 der Mehrwertsteuerrichtlinie wurde durch Section 3 des Value Added (Supply of Services) Order 1992 (Verordnung von 1992 über die Mehrwertsteuer [Dienstleistungen]) in die Rechtsordnung des Vereinigten Königreichs umgesetzt; diese Bestimmung lautet wie folgt:

„… eine Person, die ein Unternehmen betreibt, [wird,] wenn sie Dienstleistungen, die ihr erbracht wurden, einem privaten Bedarf zuführt oder sie für einen unternehmensfremden Zweck nutzt oder einer anderen Person zur Nutzung für einen unternehmensfremden Zweck zur Verfügung stellt, für die Zwecke des [Mehrwertsteuer-]Gesetzes so behandelt, als ob sie diese Dienstleistungen im Rahmen oder zur Förderung des Unternehmens erbringt.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

8          GEAES, eine Gesellschaft britischen Rechts, die zum internationalen Konzern General Electric (im Folgenden: GE-Konzern) gehört, ist im Vereinigten Königreich im Bereich der Herstellung von Flugzeugtriebwerken tätig.

9          Der GE-Konzern führte ein Programm mit der Bezeichnung „Above & Beyond“ („Hoch & Weit“) ein, mit dem diejenigen Mitarbeiter, die sich am meisten verdient gemacht und die besten Leistungen erbracht hatten, ausgezeichnet und belohnt werden sollten. Im Rahmen dieses Programms konnte jeder Mitarbeiter entsprechend den Kriterien des Programms und nach Maßgabe des darin vorgesehenen Staffelsystems der Prämien einen Kollegen für Taten nominieren, die seiner Meinung nach eine Belohnung verdienten.

10        Nach dem so eingeführten Belohnungssystem konnte ein Mitarbeiter, der für eine Prämie der höchsten Stufe nominiert war, unter bestimmten Voraussetzungen eine Zahlung in bar erhalten. Einem für eine Prämie der mittleren Stufe nominierten Mitarbeiter wurden Einkaufsgutscheine kostenfrei zur Verfügung gestellt (im Folgenden: in Rede stehende Einkaufsgutscheine); ein für eine Prämie der niedrigsten Stufe nominierter Mitarbeiter erhielt eine Belohnung in Form einer Anerkennungsurkunde.

11        Im Fall einer aus Einkaufsgutscheinen bestehenden Prämie musste der Mitarbeiter eine Website mit einer Liste von Einzelhändlern (im Folgenden: teilnehmende Einzelhändler) besuchen, um einen Händler auszuwählen, bei dem er seinen Einkaufsgutschein einlösen konnte.

12        Die betreffende Website wurde von einer Gesellschaft verwaltet, die die in Rede stehenden Einkaufsgutscheine direkt von den Einzelhändlern erwarb, um sie dann an General Electric USA zu verkaufen. General Electric USA veräußerte die Gutscheine dann an ein anderes, ebenfalls in den Vereinigten Staaten niedergelassenes Unternehmen des GE-Konzerns, nämlich GE HQ, das sie seinerseits an verschiedene Unternehmen des GE-Konzerns, u. a. an GEAES, weiterverkaufte.

13        GEAES und weitere 19 Mitglieder des GE-Konzerns wurden von der Steuerverwaltung zur Mehrwertsteuer betreffend den Umsatz veranlagt, der darin bestand, die in Rede stehenden Einkaufsgutscheine den im Rahmen des Programms „Above & Beyond“ nominierten Mitarbeitern kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Die Steuerverwaltung war nämlich der Ansicht, dass GEAES und die anderen Mitglieder des GE-Konzerns auf den Wert dieser Gutscheine die Ausgangssteuer erklären müssten.

14        GEAES und die weiteren 19 betroffenen Mitglieder des GE-Konzerns erhoben beim vorlegenden Gericht, dem First-tier Tribunal (Tax Chamber) (Gericht erster Instanz [Kammer für Steuersachen], Vereinigtes Königreich), Klage gegen diesen Steuerbescheid; dabei wurde die Klage von GEAES zum Pilotverfahren für alle 20 Verfahren bestimmt.

15        Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass es im Ausgangsrechtsstreit ausschließlich um die Prämien gehe, die nach Maßgabe der in Rn. 10 des vorliegenden Urteils genannten Staffelung der Belohnungen auf der mittleren Stufe eingeordnet wurden. Konkret besteht zwischen den Parteien Uneinigkeit darüber, ob der Umstand, dass GEAES Einkaufsgutscheine unentgeltlich an ihre Mitarbeiter abgibt, einen Umsatz darstellt, der im Sinne von Art. 26 Abs. 1 Abs. b der Mehrwertsteuerrichtlinie einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt und mithin der Mehrwertsteuer zu unterwerfen ist.

16        Insoweit führt das vorlegende Gericht aus, dass nach Ansicht von GEAES die Ausgabe der in Rede stehenden Einkaufsgutscheine an Mitarbeiter im Rahmen des Programms „Above & Beyond“ keine nach Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie besteuerte Leistung darstelle, da dieses Programm mit der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft in Verbindung stehe und der Vorteil, der sich daraus für die Mitarbeiter ergebe, zweitrangig sei. Es sei nämlich zwischen dem wirtschaftlichen Zweck, den diese Gesellschaft durch die unentgeltliche Ausgabe von Einkaufsgutscheinen verfolge, und ihrer Verwendung durch die Mitarbeiter zu privaten Zwecken zu unterscheiden.

17        Eine solche Auslegung steht GEAES zufolge im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die u. a. aus den Urteilen vom 16. Oktober 1997, Fillibeck (C-258/95, EU:C:1997:491), und vom 11. Dezember 2008, Danfoss und AstraZeneca (C-371/07, EU:C:2008:711), hervorgehe.

18        Dagegen sind nach Ansicht der Steuerverwaltung die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie erfüllt, da die in Rede stehenden Einkaufsgutscheine den Mitarbeitern unentgeltlich und zur persönlichen Verwendung außerhalb der Geschäftstätigkeit von GEAES zur Verfügung gestellt würden. Dass GEAES mit der Ausgabe der in Rede stehenden Einkaufsgutscheine einen geschäftlichen Zweck verfolge, sei insoweit unerheblich.

19        Das vorlegende Gericht führt ferner zum einen aus, dass GEAES beim Erwerb der in Rede stehenden Einkaufsgutscheine von GE HQ die Mehrwertsteuer für diesen Erwerb nach einem Reverse-Charge-Verfahren (Umkehrung der Steuerschuldnerschaft) abführe und später die entsprechende Vorsteuer erhalte.

20        Zum anderen erkläre beim letzten Umsatz, wenn der im Rahmen des Programms „Above & Beyond“ nominierte Mitarbeiter seine Einkaufsgutscheine für den Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen bei einem der teilnehmenden Einzelhändler verwende, dieser Händler die Ausgangssteuer auf den Wert des Gutscheins.

21        Die kostenfreie Zurverfügungstellung von Einkaufsgutscheinen stelle eine unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen dar. Daher sei zu ermitteln, ob diese Erbringung von Dienstleistungen für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke erfolge. Insbesondere bestünden begründete Zweifel hinsichtlich der Auslegung der Wendung „für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke“ im Sinne von Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie in Bezug auf die Anwendung dieser Bestimmung in Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens.

22        Unter diesen Umständen hat das First-tier Tribunal (Tax Chamber) (Gericht erster Instanz [Kammer für Steuersachen]) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.         Stellt die Ausgabe von Gutscheinen für Dritteinzelhändler an Mitarbeiter durch einen Steuerpflichtigen im Rahmen eines Anerkennungsprogramms für leistungsstarke Mitarbeiter eine Erbringung von Dienstleistungen „für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke“ im Sinne von Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie dar?

2.         Ist es für die Beantwortung der ersten Frage von Bedeutung, dass der Steuerpflichtige einen unternehmenseigenen Zweck mit der Ausgabe der Einkaufsgutscheine an das Personal verfolgt?

3.         Ist es für die Beantwortung der ersten Frage von Bedeutung, dass die an Mitglieder des Personals ausgegebenen Einkaufsgutscheine für deren eigenen Bedarf bestimmt sind und für ihre privaten Zwecke verwendet werden können?

Zu den Vorlagefragen

23        Vorab ist festzustellen, dass der Gerichtshof nach Art. 86 Abs. 2 des Austrittsabkommens, das am 1. Februar 2020 in Kraft getreten ist, für Vorabentscheidungsersuchen der Gerichte des Vereinigten Königreichs, die – wie hier – vor Ende des Übergangszeitraums (31. Dezember 2020), vorgelegt werden, weiterhin zuständig ist.

24        Mit seinen drei Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er auf eine Erbringung von Dienstleistungen anwendbar ist, die darin besteht, dass ein Unternehmen seinen Mitarbeitern im Rahmen eines von ihm eingerichteten Programms zur Auszeichnung und Belohnung derjenigen Mitarbeiter, die sich am meisten verdient gemacht und die besten Leistungen erbracht haben, Einkaufsgutscheine kostenfrei zur Verfügung stellt.

25        Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Art. 26 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmte Umsätze, für die der Steuerpflichtige keine tatsächliche Gegenleistung erhalten hat, Dienstleistungen gegen Entgelt gleichstellt. Der Zweck dieser Bestimmung besteht darin, sicherzustellen, dass der Steuerpflichtige, der für seinen privaten Bedarf oder den seines Personals einen Gegenstand entnimmt oder eine Dienstleistung erbringt, und der Endverbraucher, der einen Gegenstand oder eine Dienstleistung gleicher Art erwirbt, gleichbehandelt werden. Um diesen Zweck zu erreichen, lässt es Art. 26 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht zu, dass ein Steuerpflichtiger, der beim Kauf eines seinem Unternehmen zugeordneten Gegenstands die Mehrwertsteuer abziehen konnte, der Zahlung der Mehrwertsteuer entgeht, wenn er diesen Gegenstand dem Vermögen seines Unternehmens für seinen privaten Bedarf oder den seines Personals entnimmt, und daher gegenüber dem Endverbraucher, der den Gegenstand unter Zahlung von Mehrwertsteuer erwirbt, ungerechtfertigte Vorteile genießt. Ebenso wenig lässt es Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie zu, dass ein Steuerpflichtiger oder Angehörige seines Personals Dienstleistungen des Steuerpflichtigen, für die eine Privatperson Mehrwertsteuer hätte zahlen müssen, steuerfrei erhalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2005, Hotel Scandic Gåsabäck, C-412/03, EU:C:2005:47, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26        Um zu ermitteln, ob es sich bei der Leistung, die darin besteht, dass ein Unternehmen im Rahmen eines Programms u. a. zur Auszeichnung und Belohnung derjenigen Mitarbeiter, die sich am meisten verdient gemacht und die besten Leistungen erbracht haben, seinen Mitarbeitern Einkaufsgutscheine kostenfrei zur Verfügung stellt, um eine Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie handelt, sind alle Umstände zu beurteilen, unter denen diese Leistung erfolgt, insbesondere Art und Ziele des Programms.

27        Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten im Wesentlichen hervor, dass das Programm „Above & Beyond“ und insbesondere die Prämien der mittleren Stufe der in Rn. 10 des vorliegenden Urteils aufgeführten Staffelung der Belohnungen von GEAES mit dem Ziel konzipiert worden waren, die Leistung ihrer Mitarbeiter zu steigern und damit zu einer besseren Rentabilität des Unternehmens beizutragen. Die Durchführung dieses Programms sei somit durch Erwägungen des reibungslosen Ablaufs der Geschäftstätigkeit dieses Unternehmens und der Erzielung zusätzlicher Gewinne vorgegeben gewesen, und der sich daraus für die Mitarbeiter ergebende Vorteil sei gegenüber den Bedürfnissen des Unternehmens nur von untergeordneter Bedeutung gewesen. Das Programm wirke sich nämlich dadurch positiv auf Leistung und Rentabilität aus, dass es zur Steigerung der Motivation der Mitarbeiter beitrage.

28        Sodann verkörpern die in Rede stehenden Einkaufsgutscheine das Recht derjenigen Mitarbeiter, die sie erhalten, Gegenstände oder Dienstleistungen von einem der teilnehmenden Einzelhändler zu beziehen (vgl. entsprechend Urteil vom 27. März 1990, Boots Company, C-126/88, EU:C:1990:136, Rn. 12). So ist nach dem von GEAES mit dem Programm „Above & Beyond“ eingeführten System der Erhalt eines solchen Einkaufsgutscheins durch einen im Rahmen dieses Programms nominierten Mitarbeiter seiner Art nach nichts anderes als ein Dokument, das die von den Einzelhändlern eingegangene Verpflichtung verkörpert, diesen Einkaufsgutschein an Zahlung statt zu seinem Nominalwert anzunehmen (vgl. entsprechend Urteil vom 24. Oktober 1996, Argos Distributors, C-288/94, EU:C:1996:398, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29        Schließlich greift GEAES als Arbeitgeberin nicht in die Entscheidung der Mitarbeiter ein, welche Waren oder Dienstleistungen sie bei diesen Einzelhändlern auswählen.

30        Daher wäre bei alleiniger Berücksichtigung der Verwendung der in Rede stehenden Einkaufsgutscheine, davon auszugehen, dass sie den privaten Bedarf der Mitarbeiter befriedigen.

31        Allerdings erfolgt die Ausgabe der Einkaufsgutscheine nicht nach Maßgabe des privaten Bedarfs der Mitarbeiter, da diese nicht selbst mit Sicherheit eine Zuteilung von Gutscheinen an sich selbst erreichen können. Wie sich nämlich aus Rn. 9 des vorliegenden Urteils ergibt, liegt das Vorschlagsrecht für die Zuteilung bei den anderen Mitarbeitern des Unternehmens und erfolgt auf der Grundlage rein berufsbezogener Kriterien sowie nur dann, wenn davon ausgegangen wird, dass die nominierten Mitarbeiter eine Prämie der mittleren Stufe der oben in Rn. 10 dargelegten Staffelung der Belohnungen verdienen.

32        Ferner ist unstreitig, dass die Ausgabe der in Rede stehenden Einkaufsgutscheine durch GEAES ohne Vergütung oder jedwede Gegenleistung seitens der begünstigten Mitarbeiter erfolgt und ihre Kosten von GEAES selbst getragen werden. Diese Erbringung von Dienstleistungen verschafft dem Unternehmen jedoch einen Vorteil in Form der Aussicht auf eine Steigerung seines Umsatzes aufgrund größerer Motivation und deshalb gesteigerter Leistung seiner Mitarbeiter (vgl. entsprechend Urteil vom 27. März 1990, Boots Company, C-126/88, EU:C:1990:136, Rn. 13). Daher erscheint der hieraus resultierende persönliche Vorteil der Mitarbeiter als untergeordnet gegenüber den Bedürfnissen des Unternehmens.

33        Nach alledem ist vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen festzustellen, dass die unentgeltliche Ausgabe der in Rede stehenden Einkaufsgutscheine durch GEAES an die im Rahmen des Programms „Above & Beyond“ nominierten Mitarbeiter auf eine Steigerung der Leistung der Mitarbeiter und damit auf das reibungslose Funktionieren sowie die Rentabilität des Unternehmens gerichtet ist; somit erfolgt diese Erbringung von Dienstleistungen nicht für unternehmensfremde Zwecke und fällt daher nicht unter Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie.

34        Diese Erwägung wird im Übrigen dadurch untermauert, dass der Gerichtshof in einem Fall, der eine im Wesentlichen mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden vergleichbare Dienstleistung betraf, festgestellt hat, dass die Erbringung dieser Dienstleistung für die Zwecke des Unternehmens erfolgte, da sie die Erhöhung des Volumens der Verkäufe des fraglichen Unternehmens zum Ziel hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. April 1999, Kuwait Petroleum, C-48/97, EU:C:1999:203, Rn. 19).

35        Hinsichtlich des in Rn. 20 des vorliegenden Urteils angesprochenen Umstands, dass die teilnehmenden Einzelhändler die Ausgangssteuer auf den Wert des Gutscheins erklären, ist schließlich davon auszugehen, dass kein Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität vorliegt. Denn die Erbringung von Dienstleistungen, die darin besteht, dass GEAES ihren Mitarbeitern Einkaufsgutscheine im Rahmen eines Programms kostenfrei zur Verfügung stellt, mit dem u. a. diejenigen Mitarbeiter ausgezeichnet und belohnt werden sollen, die sich am meisten verdient gemacht und die besten Leistungen erbracht haben, fällt nicht in den Anwendungsbereich von Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie.

36        Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er nicht auf eine Erbringung von Dienstleistungen anwendbar ist, die darin besteht, dass ein Unternehmen seinen Mitarbeitern im Rahmen eines von ihm eingerichteten Programms zur Auszeichnung und Belohnung derjenigen Mitarbeiter, die sich am meisten verdient gemacht und die besten Leistungen erbracht haben, Einkaufsgutscheine kostenfrei zur Verfügung stellt.

Kosten

37        Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

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