FG München: Umsatzsteuerpflichtige Übertragung von Kapitallebensversicherungen am Zweitmarkt
FG München, Urteil vom 27.9.2017 – 3 K 3438/14
BBL2018-534-4
→ Das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Az. V R 57/17 anhängig.
Hinweis: RiBFH Dr. Wäger hat Bedenken im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG geäußert, was die Einschränkung der Differenzbesteuerung auf Lieferungen unter Ausschluss der sonstigen Leistungen anbelangt (DStR 2017, 2017).
Keine Steuerfreiheit für die Übertragung der Kapitallebensversicherungen auf dem Zweitmarkt – Zur Bemessungsgrundlage bei der Veräußerung von Kapitallebensversicherungen – Kein Anspruch auf Anwendung der Differenzbesteuerung
Sachverhalt
I.
Streitig ist, ob Umsätze aus der entgeltlichen Übertragung von Kapitallebensversicherungen am Zweitmarkt gem. § 4 Nr. 8 Buchst. c Umsatzsteuergesetz in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) steuerbefreit sind.
Satzungsgemäßer Gegenstand des Unternehmens der mit Satzung vom … als A gegründeten und mit Beschluss der Hauptversammlung vom … umfirmierten Klägerin sind u.a. der Erwerb und die Verwertung bestehender Kapitallebens- und Rentenversicherungen sowie die Erbringung von Verwaltungsleistungen und Serviceleistungen im Zusammenhang mit der Verwaltung von Kapitallebensversicherungen.
Im Streitjahr 2007 erwarb die Klägerin Kapitallebensversicherungen von Versicherungsnehmern (in der Regel Privatpersonen) gegen ein unter dem eingezahlten Betrag, aber über dem Rückkaufswert der Versicherer liegendes Entgelt. Dies geschah entweder mit Zustimmung der jeweiligen Versicherung im Wege einer Vertragsübertragung bzw. Vertragsübernahme (sog. dingliche Variante), so dass die Klägerin an die Stelle des Versicherungsnehmers trat, mit Ausnahme hinsichtlich des nach wie vor versicherten Risikos in Bezug auf das Leben des Versicherungsnehmers.
Soweit eine Zustimmung von den jeweiligen Versicherern nicht zu erlangen war, erfolgte der Erwerb durch Abtretung sämtlicher sich aus den Versicherungsverträgen ergebenden An-sprüche und sonstigen Rechte im Wege einer Treuhänderschaft (sog. schuldrechtliche Variante). Hierbei trat die Klägerin im Innenverhältnis (zum Versicherungsnehmer) in die vertraglichen Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers ein, während sich dieser verpflichtete, seine versicherungsvertraglichen Rechte treuhänderisch für die Klägerin auszuüben.
Die Klägerin gestaltete die so erworbenen Versicherungsverträge derart um, dass sie für deren Restlaufzeit möglichst gleichförmig weiterliefen; beispielsweise kündigte die Klägerin Bestandteile, die für die Ablaufleistungen unerheblich waren, insbesondere Zusatzversicherungen (z.B. Berufsunfähigkeits- oder Unfallzusatzversicherung). Hierbei wurden die Verträge entweder auf jährliche Zahlungsweise umgestellt oder beitragsfrei gestellt, je nachdem ob sich weitere Beitragszahlungen im Hinblick auf eine Erhöhung der Ablaufleistung rentierten.
Nachfolgend veräußerte die Klägerin ihre Rechte an den von ihr erworbenen und vertraglich angepassten Kapitallebensversicherungen auf der Basis von zuvor getroffenen Rahmenvereinbarungen an unterschiedliche Erwerber (in der Regel Fondgesellschaften, wie z.B. die C GmbH, M GmbH & Co KG, E GmbH).
Auch diese Veräußerungen erfolgten entweder im Wege der Vertragsübernahme oder im Wege der Abtretung.
Bei der Vertragsübernahme wurde der Erwerber Vertragspartei des Versicherers. Hierbei übertrug die Klägerin jeweils zu einem Übertragungsstichtag alle gegenwärtigen und künftigen Rechte, Ansprüche und Pflichten aus der Lebensversicherung, insbesondere das Recht, Leistungen aus dem Versicherungsverhältnis sowohl auf den Todes- als auch auf den Erlebensfall (Versicherungsleistungen, Zinsen, Boni, Gewinnanteile, Rückkaufswerte, Prämien-rückzahlungen und Beitragserstattungen) zu empfangen, sowie die Pflicht zur Beitragszahlung (vgl. z.B. § 2.5.1 des Rahmenvertrags zwischen der C GmbH und der Klägerin).
Bei einer Abtretung, bei der die Klägerin Versicherungsnehmer war, der Erwerber jedoch noch nicht in die Stellung eines Versicherungsnehmers eingerückt war, wurde die Klägerin Treuhänder des Erwerbers. Soweit die Klägerin nicht Versicherungsnehmer war und mit dem ursprünglichen Versicherungsnehmer eine Treuhandvereinbarung getroffen hatte, wurde eine Untertreuhandvereinbarung zwischen dem Erwerber und der Klägerin vereinbart. Nach der Treuhandvereinbarung hatte die Klägerin ab dem maßgebenden Stichtag die noch bestehenden Rechte und Pflichten aus der Kapitallebensversicherung als Treuhänder für den Erwerber als Treugeber wahrzunehmen und auszuüben und die sich darauf beziehenden Weisungen des Erwerbers zu befolgen (vgl. z.B. § 12.1 und § 12.2 des Rahmenvertrags zwischen der C GmbH und der Klägerin).
In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2007, der der Beklagte (das Finanzamt) zustimmte, errechnete die Klägerin ihre Umsatzsteuer mit dem Betrag von … €; hierbei erklärte sie Umsätze aus der entgeltlichen Übertragung von Kapitallebensversicherungen an die Fondsgesellschaften in Höhe von … € als gem. § 4 Nr. 8 UStG steuerfrei.
Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung (Bericht vom 4. Oktober 2013) setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für 2007 mit nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geändertem Bescheid vom 28. März 2014 auf den Betrag von … € fest und hob zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Zur Begründung verwies das Finanzamt auf den Prüfungsbericht. Hierin hatte es auf ein unveröffentlichtes Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 11. Oktober 2010 (IV D 3 – S 7160 - c/07/10001 2010/0787525) verwiesen, wonach es sich bei der Veräußerung von Kapitallebensversicherungen (auf dem Zweitmarkt) um einheitliche steuerpflichtige Leistungen handele, da die Übertragung von Forderungen lediglich das Mittel darstelle, um die durch das Vertragswerk bestimmte Hauptleistung optimal in Anspruch nehmen zu können.
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren konnten betragsmäßige Unstimmigkeiten einvernehmlich geklärt werden.
Auf dieser Grundlage setzte das Finanzamt mit nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändertem Bescheid vom 9. Dezember 2014 die Umsatzsteuer für 2007 auf den Betrag von … € fest.
Den eingelegten Einspruch wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2014 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben.
Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die Veräußerung von Kapital-lebensversicherungen am Zweitmarkt nicht steuerbar sei, weil keine sonstige Leistung vorliege. Falls man von einer Steuerbarkeit ausgehe, sei die Veräußerung als Umsatz im Geschäft mit Forderungen nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG umsatzsteuerfrei, da hierbei jeweils die Forderung gegen das Versicherungsunternehmen auf Leistung der Versicherungssumme abgetreten werde. Der Verkauf von Kapitallebensversicherungen stelle eine einheitliche Leistung dar; Hauptleistung sei die Verschaffung des Anspruchs auf die Ablaufleistung, wohingegen der Übergang weiterer Rechte (wie das Recht auf Beitragsfeststellung, Kündigung etc.) und ggf. auch Pflichten lediglich Nebenleistungen darstellten. Das prägende Element ihrer Leistungen bestehe in der Übertragung der Zahlungsansprüche gegen die Versicherer (Ablaufleistung) auf den jeweiligen Erwerber. Aus Sicht der Erwerber (Fonds) stelle der Kauf der Kapitallebensversicherungen eine Kapitalanlage dar; ein Interesse an der Erlangung von Versicherungsschutz bestehe hingegen nicht. Ertragsteuerlich würde der Erwerb einer gebrauchten Lebensversicherung als Kapitalanlage behandelt.
Zwar habe der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom 22. Oktober 2009 (C-242/08, Swiss Re Germany Holding, BStBl. II 2011, 559) entschieden, dass die entgeltliche Übertragung eines Bestandes von Lebensrückversicherungsverträgen auf ein anderes Versicherungsunternehmen nicht steuerfrei sei. Die Übertragung eines Bestandes von Lebensrückversicherungsverträgen zwischen zwei Versicherern sei jedoch mit der Veräußerung von Kapitallebensversicherungen durch die Klägerin am Zweitmarkt tatsächlich und rechtlich nicht vergleichbar, denn im genannten Urteilsfall sei Vertragszweck gewesen, das Versicherungsunternehmen auszutauschen, im Streitfall hingegen sei Vertragszweck, lediglich den Gläubiger der Ablaufleistung auszutauschen. Zudem liege im Urteilsfall eine Übertragung von Rechten und Pflichten vor, im Streitfall hingegen habe die Klägerin keine Pflichten, da sie berechtigt sei, die Kapitallebensversicherungen jederzeit beitragsfrei zu stellen.
Die Übernahme der Prämienzahlungsverpflichtung stehe der Einstufung als umsatzsteuerbefreites Geschäft mit Forderungen nicht entgegen, da diese Verpflichtung jederzeit durch ein-seitig erklärte Beitragsfreistellung zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode, d.h. vor der nächsten Prämienzahlung aufgehoben werden könne (§ 165 Abs. 1 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz). Unzutreffend sei auch die Ansicht des Finanzamts, dass der Erwerber einer Forderung - anders als der Vertragsübernehmer - nicht auf die Forderung einwirken könne, denn gem. § 401 Bürgerliches Gesetzbuch gingen Neben- und Vorzugsrechte - vorbehaltlich entgegenstehender Vereinbarungen - kraft Gesetzes auf den Zessionar über.
Aber selbst wenn die Verkäufe der gebrauchten Kapitallebensversicherungen steuerbar und nicht steuerbefreit seien, sei Bemessungsgrundlage nur die von der Klägerin realisierte Marge i.H.v. 4,8 % und nicht der erzielte Verkaufserlös. Im Streitfall stehe die Übertragung der Forderung in Höhe des Nennwerts der Forderung gegen Zahlung dieses Nennwerts wirtschaftlich der Übertragung von Barmitteln gleich. Bemessungsgrundlage sei deshalb wie beim Devisenhandel die Differenz zwischen dem Nennwert der eingenommenen und der ausgegebenen Devisen. Soweit die Zahlung des Erwerbers dem Nennwert der Forderung entsprochen habe, habe diese nicht das Entgelt für eine Leistung des Veräußerers gebildet. Nur in Höhe des übersteigenden Betrages (Marge) bilde die Zahlung der Kunden den wirtschaftlichen Wert der Leistung ab und sei Entgelt und damit Bemessungsgrundlage. Eine Besteuerung nach den erzielten Verkaufserlösen hätte eine erdrosselnde Wirkung, die nicht systemgerecht sei.
Eine Margenbesteuerung sei auch wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes geboten. Dieser führe im Streitfall zur Anwendung der Differenzbesteuerung auf den Verkauf gebrauchter Kapitallebensversicherungen.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer für 2007 unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 28. März 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2014 auf den Betrag von 792.310,59 € festzusetzen,
hilfsweise,
die Bemessungsgrundlage für die streitgegenständlichen Veräußerungen auf die von ihr erzielte Gewinnmarge in Höhe von 4,8 % herabzusetzen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt bezieht sich zur Klageerwiderung im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend dazu vor, dass die Ausgangsleistungen der Klägerin als Übertragung bzw. Abtretung von Kapitallebensversicherungen und damit als Übertragung von Rechten und Pflichten an die Erwerber anzusehen seien. Die Klägerin habe keine Umsätze im Geschäft mit Forderungen getätigt, da sie an die Erwerber ein Bündel von Kapital-lebensversicherungen einschließlich der damit verbundenen Rechte und Pflichten übertragen habe. Die Klägerin habe nicht bereits entstandene Geldforderungen, die Gegenstand von Finanzdienstleistungen seien, übertragen, sondern lediglich den Status eines Versicherungsnehmers. Das Anlageinteresse der Erwerber könne als bloßes Motiv die Rechtsnatur der übertragenen Rechte und Pflichten nicht verändern oder beeinflussen. Die Klägerin habe zudem die Verträge optimiert (beispielsweise durch Kündigung von Zusatzversicherungen), was eine eigenständige steuerpflichtige Leistung darstelle. Der Versicherungsschutz aus den Lebensversicherungen habe in der Regel fortbestanden, da die Versicherungsverträge zum Zwecke der Verzinsung fortgeführt worden seien. Zudem sei die Absicherung des versicherten Risikos (Todesfall der versicherten Person) bis zur Beendigung des Versicherungsvertrages unberührt geblieben, so dass insoweit eine grundsätzliche Verpflichtung der Erwerber u.a. zur nachträglichen Berichtigung des Entgelts übertragen worden sei.
Die Anwendung der Differenzbesteuerung auf die Übertragung von Kapitallebensversicherungen sei nicht möglich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Finanzamts und die im Verfahren eingereichten Schriftsätze sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
Aus den Gründen
II.
Die Klage ist unbegründet.
Das Finanzamt hat die streitgegenständlichen Umsätze aus Veräußerungen von Kapitallebensversicherungsverträgen zu Recht als steuerbare und nicht steuerbefreite Umsätze behandelt. Bemessungsgrundlage ist das von den Erwerbern gezahlte Entgelt.
1. Bei den Übertragungen von Kapitallebensversicherungen handelt es sich um steuerbare sonstige Leistungen.
Eine (sonstige) Leistung ist steuerbar, wenn sie ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG).
Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG). Diese Regelung entspricht den Art. 24 und 25 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie - MwStSystRL). Nach Art. 25 Buchst. a MwStSystRL kann eine Dienstleistung (sonstige Leistung) u. a. in der Abtretung eines nicht körperlichen Gegenstandes, gleichgültig, ob in einer Urkunde verbrieft oder nicht, bestehen.
Da in den vorliegenden Übertragungen von Kapitallebensversicherungen keine Lieferungen zu sehen sind, stellen sie Dienstleistungen im Sinn von Art. 24 Abs. 1 MwStSystRL dar (EuGH-Urteil vom 22. Oktober 2009 C-242/08, Swiss Re Germany Holding, EU:C:2009:647, BStBl II 2011, 559, Rn. 28).
Dabei kommt es, entgegen der von der Klägerin angeführten Ansicht von Hummel (UR 2016, 937, 943), nicht darauf an, ob eine Kapitallebensversicherung mehr mit einer Geldanlage als mit einer Versicherung zu vergleichen ist. Die Erwerber haben das Entgelt, sei es bei einer Veräußerung im Wege der Vertragsübernahme oder im Wege der Abtretung, dafür aufgewendet, um über die bestehenden Kapitallebensversicherungen frei verfügen zu können. Nach Maßgabe der eigenen Rentabilitätsberechnungen konnten sie die Beitragszahlungen für die erworbenen Versicherungen entweder fortführen oder, wenn sie bereits von der Klägerin eingestellt worden waren, wieder aufnehmen oder ruhen lassen. Ebenso konnten sie die Versicherungen weiterveräußern oder selbst zum aktuellen Rückkaufswert an den Versicherer zurückgeben. Bei Eintritt des Versicherungsfalles oder mit Ablauf des erworbenen Versicherungsvertrages hatten die Erwerber einen Anspruch auf Auszahlung der Todesfall- oder Ablaufleistung zuzüglich der garantierten Überschussanteile. Damit wurde den Erwerbern in jedem Fall ein wirtschaftlicher Vorteil zugewendet.
Hinsichtlich der Steuerbarkeit besteht kein Unterschied zwischen der Abtretung von Zahlungsansprüchen gegen eine Versicherung und der Abtretung von sonstigen auf Geld gerichteten Forderungen bzw. Ansprüchen (z.B. Honorarforderungen von Ärzten). So hat auch der EuGH mit Urteil vom 27. Oktober 2011 C-93/10, GFKL Financial Services, EU:C:2011:700, BStBl II 2015, 978, und dem nachfolgend der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 4. Juli 2013 V R 8/10, DStR 2013, 1995, entschieden, dass der Verkäufer zahlungsgestörter Forderungen mit der Übertragung der Forderungen eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfreie, also steuerbare, Leistung an den Forderungskäufer erbringt. Aus dem Umstand, dass der Forderungskäufer dabei seinerseits keine steuerbare Leistung – in Gestalt einer Einziehung von Forderungen – erbringt, kann nicht gefolgert werden, dass die Veräußerung der Forderung durch den Forderungsverkäufer nicht steuerbar ist.
Im Übrigen bedürfte es einer Steuerbefreiung für Umsätze im Geschäft mit Forderungen nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG bzw. Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL nicht, wenn der Erwerb von auf Zahlung von Geld gerichteten Forderungen nicht steuerbar wäre.
2. Die Veräußerung der Kapitallebensversicherungen durch die Klägerin ist nicht gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfrei.
a) Nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG sind steuerfrei die Umsätze im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren sowie die Vermittlung dieser Umsätze, ausgenommen die Einziehung von Forderungen.
Diese Vorschrift beruht auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL, wonach die Mitgliedstaaten Umsätze - einschließlich der Vermittlung - im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen, von der Steuer befreien.
Die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL umschrieben sind, sind eng auszulegen sind, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass auf jede von einem Steuerpflichtigen gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung Mehrwertsteuer zu erheben ist (vgl. EuGH-Urteile vom 10. März 2011 C-540/09, Skandinaviska Enskilda Banken, EU:C:2011:137, HFR 2011, 603, Rn. 19; vom 12. Juni 2014 C-461/12, Granton Advertising, EU:C:2014:1745, HFR 2014, 756, Rn. 25), wobei ihr Geltungsbereich auf das zu beschränken ist, was zur Wahrung der Interessen, die diese Ausnahmen zu schützen erlauben, unbedingt erforderlich ist (EuGH-Urteil vom 26. Juni 2003 C-305/01, MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring, EU:C:2003:377, BStBl II 2004, 688, Rn. 63, 71).
Zudem können geleistete Dienste nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann als von der Steuer befreite Umsätze im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL qualifiziert werden, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sind, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer in dieser Bestimmung beschriebenen Dienstleistung erfüllt (EuGH-Urteil vom 22. Oktober 2009 C-242/08, Swiss Re Germany Holding, EU:C:2009:647, BStBl II 2011, 559, Rn. 45).
b) Die Übertragungen von Kapitallebensversicherungen durch die Klägerin auf die Erwerber fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG bzw. des Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL.
aa) Für die umsatzsteuerliche Beurteilung von Leistungen gilt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung. Eine einheitliche Leistung liegt insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen darstellen, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. z. B. EuGH-Urteil vom 21. Juni 2007 C-453/05, Ludwig, EU:C:2007:369, DStR 2007, 1160, Rn. 18; BFH-Urteil vom 24. Januar 2008 V R 12/05, BStBl II 2009, 60). Die umsatzsteuerrechtliche Qualifizierung einer einheitlichen Leistung verlangt eine Bestimmung ihrer dominierenden Bestandteile (vgl. BFH-Urteil vom 8. September 2011 V R 5/10, BStBl II 2012, 620).
Maßgebend ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, unter denen der Umsatz erfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 28. September 2000 V R 14, 15/99, BStBl II 2001, 78; EuGH-Urteil vom 18. Januar 2001 C-150/99, Stockholm Lindöpark, EU:C:2001:34, DStRE 2001, 256). Es sind die charakteristischen Merkmale des betreffenden Umsatzes zu ermitteln (EuGH-Urteil vom 17. Januar 2013 C-224/11, BGZ Leasing, EU:C:2013:15, MwStR 2013, 81; EuGH-Urteil vom 16. April 2015 C-42/14, Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie, EU:C:2015:229, MwStR 2015, 413, Rn. 32) sowie der wirtschaftliche Zweck (EuGH-Urteil vom 27. September 2012 C-392/11, Field Fisher Waterhouse, EU:C:2012:597, UR 2012, 964, Rn. 23) und das Interesse des Leistungsempfängers zu berücksichtigen (EuGH-Urteil vom 8. Dezember 2016 C-208/15, Stock '94, EU:C:2016:936, UR 2017, 28, Rn. 29).
bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze handelt es sich bei den streitgegenständlichen Übertragungen um keine Umsätze im Geschäft mit Forderungen, sondern um sonstige steuerpflichtige Leistungen.
Zwar dient der streitgegenständliche Handel mit Lebensversicherungsverträgen nach dem von der Klägerin dargelegten Motiv der hieran Beteiligten im Wesentlichen der Übertragung des Anspruchs auf die Ablaufleistung und damit einer zukünftigen Geldforderung.
Einer Steuerbefreiung stünde auch nicht entgegen, dass keine bereits entstandenen Geldforderungen übertragen wurden, da eine Geldforderung im Sinne von § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG auch aufschiebend bedingt und damit zukünftig sein kann (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1963 V 60/61 U, BStBl III 1964, 109).
Gleichwohl ist der Senat unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Streitfalles zu der Überzeugung gelangt, dass vorliegend nicht die Übertragung der Forderung bzw. des Anspruchs gegen die Versicherer die Hauptleistung und die damit im Zusammenhang stehenden Übertragungen von Rechten und Pflichten nur die Nebenleistungen darstellen.
Das Wesen der fraglichen Umsätze wird vielmehr nicht nur von der Übertragung der Forderungen gegen die Versicherer, sondern auch von den sonstigen sich aus den Versicherungsverträgen ergebenden Rechten und Pflichten, insbesondere der Pflicht zur Beitragszahlung bestimmt.
Wie sich aus den vorgelegten Rahmenverträgen mit den Erwerbern ergibt, werden sowohl bei der Übertragung im Wege der Vertragsübernahme als auch im Wege der Abtretung nicht lediglich einzelne Forderungen übertragen, sondern darüber hinaus und damit weitergehend die Rechte des Versicherungsnehmers bei laufenden Versicherungsverträgen.
Im Fall der Übertragung im Wege der Abtretung wurde zwischen der Klägerin und den Erwerbern darüber hinaus eine Untertreuhandvereinbarung geschlossen, nach der die Klägerin ab dem maßgebenden Stichtag die noch bestehenden Rechte und Pflichten aus der Kapitallebensversicherung als Treuhänder für den Erwerber als Treugeber wahrzunehmen und auszuüben und die sich darauf beziehenden Weisungen des Erwerbers zu befolgen hatte.
Es wurden also nicht nur Forderungen (wie z.B. beim Factoring), sondern bestehende Kapitallebensversicherungen mit einem versicherungstypischen Risiko - nämlich dem Ableben der versicherten Person vor Vertragsablauf - übertragen.
Der wirtschaftliche Zweck und das Interesse der Erwerber waren somit nicht auf die bloße Übertragung der Ansprüche bzw. Guthaben aus den bestehenden Versicherungsverträgen gerichtet, sondern auf die Übertragung der bestehenden Verträge in ihrer Gesamtheit.
Da die Erwerber nach den vertraglichen Vereinbarungen frei über die übertragenen Lebensversicherungsverträge verfügen konnten und nach Maßgabe ihrer eigenen Rentabilitätsberechnungen die Beitragszahlungen einstellen oder fortsetzen konnten, ist nicht die bloße Übertragung von Forderungen, sondern die Übertragung der Kapitallebensversicherungen mit all ihren Rechten und Pflichten als charakteristisch für die streitigen Umsätze anzusehen.
Die Übertragung der Forderung stellt sich insoweit nur als ein wesentlicher, aber nicht allein charakterbestimmender Teil einer aus mehreren Teilen bestehenden Hauptleistung dar.
Die streitgegenständlichen Umsätze, die in der entgeltlichen Übertragung der Rechte und Pflichten aus einer Kapitallebensversicherung bestehen, sind deshalb einheitliche sonstige Leistungen, die nicht künstlich in zwei Leistungen, nämlich die Übernahme von Verbindlichkeiten im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL und einen Umsatz im Geschäft mit Forderungen im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL aufgespalten werden können (EuGH-Urteil vom 22. Oktober 2009 C-242/08, Swiss Re Germany Holding, EU:C:2009:647, BStBl II 2011, 559, Rn. 52).
Zudem ist der Begriff „Geschäft mit Forderungen“ trotz seines weiten Wortlauts eng auszulegen und erfasst nur Ansprüche, die Gegenstand von Finanzdienstleistungen sind; dagegen erfasst er keine Forderungen aus Versicherungsverträgen (EuGH-Urteil vom 22. Oktober 2009 C-242/08, Swiss Re Germany Holding, EU:C:2009:647, BStBl II 2011, 559; so auch Philipowski in Rau/Dürrwächter, UStG, § 4 Nr. 8 UStG Rn. 164; Stadie in Stadie, Umsatzsteuergesetz, 3. Aufl. 2015, § 4 Nr. 8 UStG Rn. 2 ff; a. A. Hummel, UR 2016, 937).
Außerdem können geleistete Dienste nur dann als von der Steuer befreite Umsätze im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL qualifiziert werden, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sind, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer in dieser Bestimmung beschriebenen Dienstleistung erfüllt (vgl. EuGH-Urteile vom 4. Mai 2006 C-169/04, Abbey National, EU:C:2006:289, BStBl II 2010, 567, Rn. 70; vom 21. Juni 2007 C-453/05, Ludwig, EU:C:2007:369, DStR 2007, 1160). Die Übertragungen von Kapitallebensversicherungen stellen jedoch ihrer Art nach keine Finanzgeschäfte i.S.d. Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL dar.
Schließlich ist bei den streitgegenständlichen Veräußerungen auch der Zweck der Befreiung von Finanzgeschäften nicht berührt. Der Geltungsbereich einer Befreiungsvorschrift ist auf das zu beschränken, was zur Wahrung der Interessen, die diese Ausnahmen zu schützen erlauben, unbedingt erforderlich ist (EuGH-Urteil vom 26. Juni 2003 C-305/01, MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring, EU:C:2003:377, BStBl II 2004, 688, Rn. 63, 71).
Zweck der Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL ist es, die Schwierigkeiten, die mit der Bestimmung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der abzugsfähigen Mehrwertsteuer verbunden sind, zu beseitigen und eine Erhöhung der Kosten des Verbraucherkredits zu vermeiden. Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL erfasst nur Finanzumsätze, auch wenn diese nicht notwendigerweise von Banken oder Finanzinstituten ausgeführt werden müssen (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 2016 XI R 35/14, BStBl II 2017, 327, Rn. 22 f.; EuGH-Urteil vom 19. April 2007 C-455/05, Velvet & Steel, EU:C:2007:232, DStRE 2007, 1519). Da die streitgegenständlichen Veräußerungen von bereits abgeschlossenen Lebensversicherungsverträgen keine Auswirkung auf die Kosten des Abschlusses einer Lebensversicherung für den Verbraucher haben und damit in keinem Zusammenhang mit einem solchen Zweck stehen, können diese Umsätze nicht unter die Steuerbefreiung fallen. Zudem gibt es keine Schwierigkeiten mit der Bestimmung der Bemessungsgrundlage, die von der Klägerin in den Veräußerungsverträgen fixiert ist.
3. Die streitgegenständlichen Umsätze aus Veräußerungen von Lebensversicherungsverträgen sind auch nicht als Versicherungsumsätze steuerbefreit.
a) Gem. § 4 Nr. 10 Buchst. a und b UStG sind Leistungen aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des Versicherungssteuergesetzes und Leistungen, die darin bestehen, anderen Personen Versicherungsschutz zu verschaffen, steuerfrei. Gem. Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden, von der Steuer.
b) Im Streitfall stellen die Umsätze aus Veräußerungen von Lebensversicherungsverträgen keine Versicherungsumsätze im vorgenannten Sinne dar. Es entspricht dem Wesen eines „Versicherungsumsatzes”, dass der Versicherer sich verpflichtet, dem Versicherten gegen vorherige Zahlung einer Prämie beim Eintritt des Versicherungsfalls die bei Vertragsschluss vereinbarte Leistung zu erbringen. Für die Annahme eines Versicherungsumsatzes ist also Voraussetzung, dass eine Vertragsbeziehung zwischen dem Erbringer der Versicherungsdienstleistung und der Person, deren Risiken von der Versicherung gedeckt werden, d.h. dem Versicherten, besteht (vgl. EuGH-Urteil vom 22. Oktober 2009 C-242/08, Swiss Re Germany Holding, EU:C:2009:647, BStBl II 2011, 559, Rn. 36). Hieran fehlt es jedoch bei der Veräußerung von Lebensversicherungsverträgen durch die Klägerin, die selbst nicht Versicherte ist. Auch im Fall der Vertragsübernahme tritt die Klägerin im Hinblick auf das nach wie vor versicherte Leben des Versicherungsnehmers nicht an die Stelle des Versicherungsnehmers.
4. Die Klage ist auch im Hilfsantrag unbegründet, denn die Bemessungsgrundlage für die streitigen Übertragungen von Kapitallebensversicherungen ist das von den Erwerbern hierfür jeweils gezahlte Entgelt.
a) Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, nur die von ihr erzielte Marge aus der Veräußerung der Kapitallebensversicherungen als Bemessungsgrundlage der Besteuerung zugrunde zu legen.
Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG).
Demnach bildet der von den Erwerbern jeweils nach den vertraglichen Vereinbarungen mit der Klägerin vereinbarte Kaufpreis für die Übernahme der jeweiligen Kapitallebensversicherungen die Bemessungsgrundlage. Die von der Klägerin für die Übertragung empfangene Vergütung stellt den tatsächlichen Gegenwert für die den Leistungsempfängern (Erwerbern) erbrachten Dienstleistungen dar (EuGH-Urteil vom 22. Juni 2016 C-11/15, Cesky rozhlas, EU:C:2016:470, UR 2016, 632, Rn. 20 f.). Dies ist der Betrag, den die Erwerber aufgewendet haben, um über die Versicherungsverträge frei verfügen zu können. Die Umsatzsteuer ist herauszurechnen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG).
Die Klägerin kann sich insoweit nicht auf das EuGH-Urteil vom 14. Juli 1998 (C-172/96, First National Bank of Chicago, EU:C:1998:354, UR 1998, 456) berufen.
Dieses Urteil betrifft die Bestimmung der Bemessungsgrundlage bei Devisengeschäften im Sinn von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (jetzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL bzw. § 4 Nr. 8 Buchst. b UStG), bei denen weder Gebühren noch Provisionen berechnet werden und deshalb auf die Marge abzustellen ist. Die übergebenen Devisen sind dabei zwar Gegenstand eines Umsatzes, können aber nicht als Vergütung für die Dienstleistung des Umtausches der Devisen in eine andere angesehen werden und damit keine Gegenleistung sein.
Damit ist vorliegender Sachverhalt nicht vergleichbar, bei dem für die Übernahme einer Kapitallebensversicherung ein genau bestimmbarer Kaufpreis vereinbart worden ist.
b) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Anwendung der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG bzw. Art. 311 ff. MwStSystRL.
Diese Regelungen gelten nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur für Lieferungen im Sinn von § 3 Abs. 1 UStG, nicht aber für sonstige Leistungen im Sinn von § 3 Abs. 9 UStG wie die Übertragung von Kapitallebensversicherungen (s. o. II. 1.).
Da das deutsche Recht insoweit den Regelungen über die Differenzbesteuerung im Unionsrecht entspricht, kommt entgegen der Ansicht der Klägerin weder eine richtlinienkonforme erweiterte Auslegung des deutschen Rechts noch die Nichtanwendung deutschen Rechts wegen entgegenstehender Regelungen im Unionsrecht in Betracht.
c) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Anwendung der Differenzbesteuerung auf die Übertragung der Kapitallebensversicherungen aus dem primärrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
Das Gericht kann darin, dass nur die Lieferung von Gebrauchtgegenständen, Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten der Differenzbesteuerung unterliegt, keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sehen, der zu einer Anwendung der Differenzbesteuerung auch auf sonstige Leistungen, wie vorliegend die Übertragung von Kapitallebensversicherungen, führt.
Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfen vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist. Die Merkmale, in denen sich unterschiedliche Sachverhalte voneinander unterscheiden, sowie ihre etwaige Vergleichbarkeit sind im Licht des Ziels und des Zwecks der in Rede stehenden Vorschriften zu bestimmen und zu beurteilen. Dabei sind die Grundsätze und Ziele des betreffenden Bereichs zu berücksichtigen (vgl. EuGH-Urteil vom 7. März 2017 C-390/15, RPO, EU:C:2017:174, MwStR 2017, 312, Rn. 41 f.).
Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Differenzbesteuerung nach Art. 311 ff. MwStSystRL um eine Sonderregelung für steuerpflichtige Wiederverkäufer handelt. Die Besteuerung nach der von einem steuerpflichtigen Wiederverkäufer erzielten Differenz (Handelsspanne), die dem Unterschied zwischen dem von ihm geforderten Verkaufspreis und dem Einkaufspreis des Gegenstands entspricht (Art. 315 MwStSystRL), stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass die Steuerbemessungsgrundlage alles umfasst, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger erhält (Art. 73 MwStSystRL).
Der Geltungsbereich der Differenzbesteuerung ist deshalb auch unter Berücksichtigung der Zwecke dieser Sonderregelung beschränkt.
Nach dem 51. Erwägungsgrund zur MwStSystRL sollen durch die Regelungen über die Differenzbesteuerung bei der Lieferung von Gebrauchtgegenständen, Kunstgegenständen, Antiquitäten und Sammlungsstücken Doppelbesteuerungen und Wettbewerbsverzerrungen zwischen Steuerpflichtigen vermieden werden.
Unter Berücksichtigung dieser Ziele und des Zwecks der Regelungen über die Differenzbesteuerung stellen die Lieferungen von Gebrauchtgegenständen (bzw. von Gegenständen, aus denen nach § 25a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 UStG kein Vorsteuerabzug gegeben ist) und die Übertragungen von Kapitallebensversicherungen keine vergleichbaren Sachverhalte dar, die gleich behandelt werden müssten.
Denn hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Sachverhalte unter Berücksichtigung der Ziele der Differenzbesteuerung besteht bei der Veräußerung „gebrauchter“ Kapitallebensversicherungen keine Gefahr der Doppelbesteuerung. Im Zusammenhang mit dem Abschluss der Versicherungsverträge und der Zahlung der Versicherungsprämien durch die Erstversicherten fällt nämlich keine Umsatzsteuer an, die die Klägerin nicht als Vorsteuer abziehen darf (EuGH-Urteil vom 18. Mai 2017 C-624/15, Litdana, EU:C:2017:389, MwStR 2017, 536).
Schließlich besteht durch die Nichtanwendung der Differenzbesteuerung auf die streitgegenständlichen Umsätze auch keine Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen (BFH-Urteil vom 23. April 2009 V R 52/07, BStBl II 2009, 860, m.w.N.). Anhaltspunkte für Wettbewerbsnachteile der Klägerin gegenüber privaten (nichtunternehmerischen) Verkäufern von Lebensversicherungen sind im Hinblick auf den im Vergleich zu dem von der Klägerin gezahlten Kaufpreis niedrigeren Rückkaufswert weder ersichtlich noch vorgetragen.
5. Das Gericht hält die Auslegung der im Streitfall maßgeblichen Vorschriften des Unionsrechts nicht für zweifelhaft und daher eine Vorlage der Streitsache an den EuGH nicht für erforderlich (Art. 267 AEUV).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
7. Die Revision wird zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).