FG Münster: Umsatzsteuerpflicht von Inkassoleistungen
FG Münster, Urteil vom 21.2.2019 – 5 K 3473/16 U
ECLI:DE:FGMS:2019:0221.5K3473.16U.00
Volltext BB-Online BBL2019-725-2
Sachverhalt
Streitig ist, ob Inkassoleistungen vorliegen mit der Folge, dass eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8c Umsatzsteuergesetz (UStG) ausscheidet.
Gründungsgesellschafter der in 2002 errichteten Klägerin waren zu gleichen Teilen die Bank E, die Bank J und die Bank C. In 2007 ist im Wege der Kapitalerhöhung die Bank F als gleichberechtigter Gesellschafter hinzugekommen. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist laut § 2 ihres Gesellschaftsvertrags der Erwerb, die Verwaltung von eigenen Kundenforderungen, das Forderungsmanagement, insbesondere der an der Gesellschaft beteiligten Banken.
Die Gesellschafter-Banken, aber auch eine Vielzahl weiterer inzwischen hinzugekommener Banken (FremdBanken) verkauften ihre fällig gestellten Forderungen aus dem Massenkreditgeschäft an die Klägerin. Der Kaufpreis betrug bei Forderungen bis 12.500 € in der Regel 10% der noch offenen Forderung. Bei größeren Forderungen wurde der Kaufpreis individuell zwischen den Beteiligten ausgehandelt. Auch Forderungen, bei denen sich der Schuldner bereits im Insolvenzverfahren befand, konnten von der Klägerin aufgekauft werden; insoweit betrug der Kaufpreis unabhängig von der Höhe der Forderung 1 €.
Die Klägerin als Käuferin machte die Forderungen im eigenen Namen und für eigene Rechnung gegenüber den Schuldnern geltend und erhielt für den mit dem Einzug verbundenen Aufwand von den Verkäufern (Banken) für jede aufgekaufte Forderung eine einmalige pauschale Verwaltungsgebühr, die so genannte Factoringgebühr, in der Regel in Höhe von 15 € zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer (USt). Mit dem Verkauf der Forderung ging das Ausfallrisiko auf die Klägerin über. Die Verkäufer übernahmen keine Gewährleistung für die Werthaltigkeit der Forderungen. Allerdings war in den Verträgen mit den Banken eine so genannte „Besserungsvereinbarung“ enthalten, wonach sich die Käuferin verpflichtete, auf den vereinbarten Kaufpreis für die Forderung einen „Nachschlag“ zu entrichten, falls ein ausreichend hoher Betrag vom Schuldner auf die offene Forderung gezahlt werde. Dieser „Nachschlag“ ermittelte sich wie folgt:
Summe der Zahlungseingänge auf die aufgekaufte Forderung
abzüglich ursprünglicher Kaufpreis
abzüglich Beitreibungskosten
= „Mehrerlös“
Von diesem „Mehrerlös“ waren je nach Bank zwischen 70 und 85 % als Besserungsbetrag an die jeweilige Verkäuferin der Forderung auszukehren. Der Differenzbetrag (also zwischen 15 und 30 % des Mehrerlöses) verblieb bei der Klägerin
Die Rechtsbeziehungen der Klägerin mit den Gesellschafter-Banken waren durch individuelle Vereinbarungen geregelt. Die Zusammenarbeit mit den FremdBanken erfolgte auf Grundlage eines Rahmenvertrages des H-Verbandes (H-Verband).
Der Forderungseinzug wurde nicht von der Klägerin selbst übernommen, sondern von einem ursprünglich von ihr selbst (mit-)gegründeten Inkassounternehmen, der Firma G GmbH (G GmbH). Diese Gesellschaft übernahm nicht nur Einziehung und Verwaltung der einzelnen Forderungen, sondern wickelte auch sämtliche Geschäftsbeziehungen zwischen ihr selbst und der Klägerin sowie der Klägerin und den einzelnen Banken ab. Dazu wurden in der Regel quartalsweise für jede einzelne Bank in umfangreichen Tabellen dargestellt, welche Forderungen aktuell und in der Vergangenheit aufgekauft wurden, wie hoch deren ursprünglicher Kaufpreis war, welche Beträge auf die Forderung zwischenzeitlich eingegangen waren, welche Beitreibungskosten angefallen waren, wie hoch ein eventuell bereits angefallener „Nachbesserungsbetrag“ war etc. Auch der Zahlungsverkehr mit den Schuldnern sowie mit den in die unmittelbare Beitreibung der Forderungen involvierten Dritten (Rechtsanwälte, Gerichte) wurde über G GmbH abgewickelt. Die G GmbH wiederum stellte ihre Inkassodienstleistungen der Klägerin in Rechnung.
In ihren USt-Erklärungen 2008 bis 2014 unterwarf die Klägerin lediglich die Erlöse aus den Factoringgebühren der USt und erklärte die Erträge aus den ihr verbliebenen Anteilen am Besserungsbetrag als nach § 4 Nr. 8c UStG steuerfreie Umsätze in Höhe von 521.349 € (2008), 463.704 € (2009), 445.442 € (2010), 467.976 € (2011), 480.991 € (2012), 483.962 € (2013) und 476.864 € (2014), weil sie diese als Entgelt für die Übernahme des Forderungsausfallrisikos wertete. Die Klägerin erklärte eine festzusetzende USt in Höhe von ./. 414,13 € (2008), 644,35 € (2009), 497,98 € (2010) und 560,26 € (2011), 495,28 € (2012), 188,38 € (2013) und 323,99 € (2014). Dabei erfolgte die Aufteilung der Vorsteuerbeträge im Verhältnis der steuerpflichtigen zu den steuerfreien Umsätzen. Für die Jahre 2008-2011 stimmte der Beklagte den USt-Erklärungen zunächst zu. Nach Durchführung einer Betriebsprüfung für die Jahre 2008-2011 (BP-Bericht vom 26.03.2013) behandelte er die steuerfrei erklärten Umsätze in nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheiden vom 22.05.2013 für die Streitjahre 2008-2011 als steuerpflichtig. Im Einzelnen ging der Beklagte aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung von Umsätzen zum allgemeinen Steuersatz in Höhe von 487.563 € (2008), 440.353 € (2009), 418.896 € (2010) und 432.432 € (2011) aus. Der Beklagte unterwarf ferner die als umsatzsteuerfrei erklärten Umsätze in den Streitjahren 2012-2014 mit nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerjahresbescheiden vom 04.11.2013 (2012), vom 10.12.2014 (2013) und vom 20.10.2015 (2014) unter Hinweis auf die durchgeführte Außenprüfung der Umsatzsteuer. Dabei ging er von Umsätzen in Höhe von 441.279 € (2012), von 471.020 € (2013) und von 431.471 € (2014) aus. Die Vorsteueraufteilung nahm der Beklagte nicht mehr vor. Allerdings gewährte der Beklagte den Vorsteuerabzug aus Inkassokosten nur insoweit, als dass die Inkassokosten nicht durch Zahlungen der Schuldner kompensiert wurden. Zu den Einzelheiten wird auf Tz. 2 und die Anlagen 3 und 4 zum Betriebsprüfungsbericht vom 26.03.2013 (Bl. 29, 34, 75 der Betriebsprüfungsakte) sowie auf Tz. 18 des Umsatzsteuersonderprüfungsberichtes vom 28.11.2011 (Bl. 6 der Bertriebsprüfungsakte) verwiesen.
Hiergegen legte die Klägerin am 12.06.2013 (2008-2011), am 09.12.2013 (2012), am 08.01.2014 (2013) und am 13.11.2015 (2014) Einsprüche ein. Zur Begründung verwies sie auf ihre Einspruchsbegründung für die Jahre 2006 und 2007.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 06.10.2016 zusammengefasst für 2008-2011 und für 2012-2014 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der 5. Senat des FG Münster mit Urteil vom 01.10.2015 (5 K 4375/12 U) für die Streitjahre 2006 und 2007 über denselben Sachverhalt bei der Klägerin entschieden und die Klage abgewiesen habe. Die Nichtzulassungsbeschwerde sei mit Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 14.04.2016 (XI B 97/15, BFH/NV 2016, 1304) als unbegründet zurückgewiesen worden.
Mit ihrer am 07.11.2016 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Finanzverwaltung habe ihre Rechtsauffassung zu der Streitfrage mit Erlass des BMF-Schreibens vom 02.12.2015 (BStBl. I 2015, 1012) und Neufassung der Ziff. 2.4 Abs. 8 UStAE geändert. Aufgrund der geänderten Verwaltungsauffassung und der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urt. vom 27.10.2011, C-93/10, BStBl. II 2015, 978) und des BFH (BFH, Urt. vom 04.07.2013 - V R 8/10, BStBl. II 2015, 969) stehe fest, dass der Forderungserwerber auch dann keine wirtschaftliche Tätigkeit erbringe, wenn er den Verkäufer von der weiteren Verwaltung und Vollstreckung entlaste oder die Beteiligten dem Forderungseinzug bei der Bemessung des Abschlages auf den Kaufpreis oder durch Vereinbarung einer gesonderten Vergütung eine nicht untergeordnete Bedeutung beimäßen. Es mache keinen Unterschied, ob der Kaufpreis von vornherein feststehe oder ob zunächst ein Grundpreis gezahlt werde und dann ein Besserungsschein vergütet werde, der abhängig vom Inkassoerfolg sei. Zudem sei dem Beklagten bei der Vorsteuerkürzung ein Fehler unterlaufen. Die Firma G GmbH berechne der Klägerin als Inkassokosten die Positionen Auftragsgebühr, Inkassogebühr, Beitreibungskosten, Rechtsanwaltskosten und Erfolgsprovision. Von diesen Kosten würden aber nur die Inkassogebühr, die Beitreibungskosten und die Rechtsanwaltskosten an die Schuldner weiterbelastet. Die Auftragsgebühr und die Erfolgsprovision dürften nicht auf den Schuldner umgelegt werden und seien somit von der Klägerin selbst zu tragen. In Bezug auf diese Positionen sei die Ermittlung der Höhe des Vorsteuerabzugs vom Beklagten nicht richtig vorgenommen worden.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 6.10.2016 aufzuheben,
hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Durch die Besserungsvereinbarung habe die Klägerin wirtschaftlich nicht das Ausfallrisiko übernommen, sondern erbringe an die verkaufenden Banken Einziehungs-Inkassodienstleistungen. Der von der Klägerin zitierte BMF-Erlass regele einen völlig anderen Fall, die von der Klägerin zitierte EuGH und BFH-Rechtsprechung sei nicht neu, sondern bereits vom FG Münster im Verfahren 5 K 4375/12 U berücksichtigt worden. Der Vortrag der Klägerin zur Vorsteuerhöhe sei nicht nachvollziehbar und zudem sei eine höhere als bisher berücksichtigte Vorsteuer nicht durch die Vorlage entsprechender ordnungsmäßiger Rechnungen nachgewiesen worden. Zudem beruhten die berücksichtigten Vorsteuerbeträge in den Jahren 2012 bis 2014 auf den von der Klägerin selbst erstellten Erklärungen.
Mit Ausschlussfrist gem. § 79b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) hat der Berichterstatter die Klägerin aufgefordert, bis zum 31.01.2019 die nach Auffassung der Klägerin fehlerhafte Vorsteuerkürzung (Schreiben der Klägerin vom 30.01.2017 unter Ziff. III) unter Vorlage der entsprechenden Rechnungen rechnerisch darzulegen. Mit Schreiben vom 24.01.2019 hat der Berichterstatter die Ausschlussfrist unter Aufrechterhaltung der Belehrungen bis zum 15.02.2019 verlängert.
Mit Schreiben vom 11.02.2019 hat die Klägerin Übersichten vorgelegt, wie sich nach ihrer Auffassung die abzugsfähige Vorsteuer ermittelt. Rechnungen wurden nicht vorgelegt. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 57 ff. der Gerichtsakte verwiesen.
Die Sache wurde am 21.02.2019 vor dem Senat mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.
Aus den Gründen
Die Klage, über die der Senat ohne weitere Vertagung nach mündlicher Verhandlung entscheiden durfte, ist unbegründet.
I. Der Senat durfte in der Sache entscheiden, ohne der Klägerin die beantragte Schriftsatzfrist zur Nachreichung der Rechnungen zu gewähren und vertagen zu müssen.
Das Gericht kann eine Schriftsatzfrist nur gewähren, wenn sich ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären kann, weil es ihm nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist, § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit § 283 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO). Dies ist der Fall, wenn der Gegner in seinem Schriftsatz neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringt (BFH-Beschluss vom 23.02.2007 III B 105/06, BFH/NV 2007, 1163).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Mit Ausschlussfrist gem. § 79b Abs. 2 FGO hat der Berichterstatter die Klägerin aufgefordert, bis zum 31.01.2019 die nach Auffassung der Klägerin fehlerhafte Vorsteuerkürzung (Schreiben der Klägerin vom 30.01.2017 unter Ziff. III) unter Vorlage der entsprechenden Rechnungen rechnerisch darzulegen (Bl. 47 der Gerichtsakte). Auch der Beklagte hatte bereits in der Klageerwiderung vom 22.02.2017 darauf hingewiesen, dass eine Berücksichtigung höherer Vorsteuern nur durch Vorlage ordnungsgemäßer Rechnungen erfolgen könne (Bl. 25 der Gerichtsakte).
Eine Vorlage der Rechnungen nach Schluss der mündlichen Verhandlung hätte vielmehr zu einer Vertagung und damit zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt. Die Klägerin hat auch keine Entschuldigungsgründe für die Verspätung dargelegt (§ 79b Abs. 3 Nr. 1 , 2 FGO).
II. Die geänderten Umsatzsteuerbescheide 2008 bis 2011 vom 22.05.2013 sowie der geänderte Umsatzsteuerbescheid 2012 vom 04.11.2013, der geänderte Umsatzsteuerbescheid 2013 vom 10.12.2014 und der geänderte Umsatzsteuerbescheid 2014 vom 20.10.2015 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 06.10.2016 sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Der Bekl. hat zu Recht steuerpflichtige Factoring-Umsätze der Klägerin an die Banken, in deren Bemessungsgrundlage auch die der Klägerin verbliebenen Anteile an den Besserungsbeträgen einfließen, angenommen.
Gemäß § 4 Nr. 8c UStG sind u.a. die Umsätze im Geschäft mit Forderungen mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen steuerfrei. Nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. d Mehrwertsteuersystemrichtlinie befreien die Mitgliedstaaten u.a. die „Umsätze […] im Geschäft mit Forderungen […] mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen“.
Eine steuerpflichtige Einziehungsleistung kann auch dann vorliegen, wenn der Einziehende die Forderung erwirbt und das Risiko des Forderungsausfalls trägt. Beim echten Factoring-Geschäft, das insbesondere das Einziehen von Forderungen beinhaltet, lässt sich der Factor (regelmäßig noch nicht fällige) Forderungen des sog. Anschlusskunden (im Streitfall: die Forderungen der Banken) abtreten, bezahlt dafür sofort und übernimmt das Risiko des Forderungsausfalls. Dagegen werden beim unechten Factoring die Forderungen nur vorschussweise vergütet; wenn sich ihre Uneinbringlichkeit herausstellt, muss der Anschlusskunde die Vergütung zurückzahlen (BFH-Urteil vom 4.9.2003 V R 34/99, BFHE 203, 209, BStBl. II 2004, 667). Im Übrigen entlastet der Factor den Anschlusskunden bei der Debitorenverwaltung, er überwacht die Fälligkeit der Kundenforderungen des Anschlusskunden und zieht diese ein. Zivilrechtlich wird das echte Factoring als Forderungsverkauf durch den Anschlusskunden an den Factor und das unechte Factoring als Gelddarlehen, bei dem die Abtretung nur erfüllungshalber erfolgt, angesehen. USt-rechtlich werden echtes und unechtes Factoring von der Rechtsprechung als steuerpflichtige Einziehung von Forderungen behandelt. Dabei liegen keine Umsätze des Anschlusskunden an den Factor, sondern Umsätze des Factors an den Anschlusskunden vor. Denn einerseits erbringt der Factor dem Anschlusskunden eine Dienstleistung, die im Wesentlichen darin besteht, dass er ihn von der Einziehung der Forderungen und beim echten Factoring auch vom Risiko ihrer Nichterfüllung entlastet. Andererseits hat der Anschlusskunde dem Factor als Entgelt für diese Dienstleistung eine Vergütung zu entrichten, die der Differenz zwischen dem Nennbetrag der dem Factor abgetretenen Forderungen und dem Betrag entspricht, den der Factor ihm als Preis für die Forderungen zahlt (EuGH-Urteil vom 26. Juni 2003, C-305/01, MKG-Kfz-Factoring, BStBl. II 2004, 688; nachfolgend BFH-Urteil vom 4.9.2003 V R 34/99, BFHE 203, 209, BStBl. II 2004, 667; ebenso Hessisches FG, Beschluss vom 31.5.2007 6 V 1258/07, EFG 2007, 1818).
Eine Einziehungsleistung im Sinne des § 4 Nr. 8c UStG des Zessionars an den Zedenten liegt jedoch nicht bereits aufgrund der bloßen Forderungsabtretung vor, da der bloße Erwerb und das bloße Halten einer Forderung steuerrechtlich nicht zu einer Leistung gegenüber dem Forderungsverkäufer führen (EuGH-Urteil vom 26. Juni 2003, C-305/01, MKG-Kfz-Factoring GmbH, BStBl. II 2004, 688, Rz. 43 ff.). Eine Einziehungsleistung ist vielmehr erst dann gegeben, wenn der Forderungserwerber nach dem dem Forderungserwerb zugrunde liegenden Rechtsverhältnis den bisherigen Inhaber von der Einziehung der Forderung und dem Risiko ihrer Nichterfüllung entlastet, der bisherige Forderungsinhaber hierfür als Entgelt eine Vergütung zahlt, die der Differenz zwischen dem Nennbetrag der abgetretenen Forderung und dem für den Forderungserwerb aufgewendeten Kaufpreis entspricht, und zwischen der Leistung des Forderungserwerbers und der Vergütung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (EuGH-Urteil vom 26. Juni 2003, C-305/01, MKG-Kfz-Factoring GmbH, BStBl. II 2004, 688, Rz. 49). In dem vom EuGH entschiedenen Fall MKG-Kfz-Factoring hatte eine Factoringgesellschaft gemäß den Bestimmungen eines für einen bestimmten Zeitraum mit dem Forderungsverkäufer abgeschlossenen Vertrages eine Factoringgebühr von 2 % und eine Delkrederegebühr von 1 % der Nennbeträge der übernommenen Forderungen einbehalten. Diese Umstände würdigte der EuGH (Urteil vom 26.6.2003, C-305/01, MKG-Kfz-Factoring, BStBl. II 2004, 688) dahin, dass die Zahlung eines solchen Entgelts nicht aus dem bloßen Vorhandensein der Forderungen im Vermögen des Factors folge, sondern die tatsächliche Gegenleistung für eine von diesem ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit, nämlich die von ihm dem Kunden erbrachten Dienstleistungen, darstelle; insofern bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Factors und der von ihm als Vergütung erhaltenen Gegenleistung.
Der Verkauf zahlungsgestörter Forderungen zu einem unter dem Nennwert der Forderung liegenden Kaufpreis muss nicht bereits dadurch zu einer steuerpflichtigen Leistung des Forderungserwerbers an den Forderungsverkäufer führen, dass nicht der Nennbetrag der abgetretenen Forderung, sondern ein niedrigerer Wert berücksichtigt wird. Insoweit liegt keine steuerpflichtige Leistung vor, wenn die Differenz zwischen dem Nennwert der übertragenen Forderung und dem Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der Forderung zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt (EuGH-Urteil vom 27.10.2011, C-93/10, GFKL Financial Services, UR 2011, 933, HFR 2011, 1390, Rn. 23 ff.; im Anschluss BFH-Urteil vom 26.01.2012 V R 18/08, BFHE 236, 250, BFH/NV 2012, 678). Der unter dem Nennwert liegende tatsächliche wirtschaftliche Wert der Forderungen ist auf die Zahlungsstörungen und ein erhöhtes Risiko des Ausfalls der Schuldner zurückzuführen.
Bemessungsgrundlage für eine Factoringleistung im Rahmen einer Forderungsabtretung ist in der Regel die Differenz zwischen dem Nennwert der abgetretenen Forderung bzw. bei zahlungsgestörten Forderungen zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Forderung und dem Betrag, den der Factor seinem Anschlusskunden als Preis für diese Forderungen zahlt, abzüglich der in dem Differenzbetrag enthaltenen USt. Wird für die Einziehungsleistung zusätzlich oder ausschließlich eine Gebühr gesondert vereinbart, gehört diese zur Bemessungsgrundlage.
Im Streitfall führte die Klägerin an die Banken steuerpflichtige Einziehungsleistungen (Inkassoleistungen) aus. Jeweilige Bemessungsgrundlage hierfür ist nicht nur die pauschale Verwaltungsgebühr (sog. Factoringgebühr), sondern auch der bei der Klägerin verbliebene Anteil am Besserungsbetrag in den Fällen der erfolgreichen(Teil-)Einziehung.
Die Gesamtwürdigung der im Streitfall vorliegenden Umstände ergibt, dass im Unterschied zu dem vom EuGH entschiedenen Fall (Urteil vom 27.10.2011, C-93/10, GFKL Financial Services, UR 2011, 933, HFR 2011, 1390) hier bei wirtschaftlicher Betrachtung die umsatzsteuerliche Beurteilung nicht der zivilrechtlichen Leistungsbeziehung entspricht. Es handelte sich hier nicht um den bloßen Erwerb und das bloße Halten von Forderungen, sondern um Leistungsaustauschverhältnisse, bei denen auch die Klägerin an die Banken Inkassoleistungen erbrachte. Die Klägerin hatte Forderungen gekauft, wobei auch geregelt war, dass sie den jeweiligen Forderungseinzug im eigenen Namen und für eigene Rechnung durchführte. Die Klägerin hatte damit zwar einerseits die zahlungsgestörten Forderungen einschließlich des Risikos des Forderungsausfalls formal-rechtlich abgetreten bekommen, andererseits aber auch Verwaltung und Einziehung der Forderungen übernommen, wofür auch eine Factoringgebühr ausgewiesen wurde. Die Leistungen der Klägerin an die jeweiligen Forderungsverkäufer, die Banken, bestanden deshalb nicht nur im Wesentlichen darin, dass sie diese von dem Risiko der Nichterfüllung der Forderungen entlastete. Sie bestand auch darin, dass die Banken von der Einziehung der Forderungen entlastet wurden. Insofern erbrachte die Klägerin gegenüber den Banken als Forderungsverkäufer Inkassoleistungen, die nicht nach § 4 Nr. 8 c UStG befreit sind.
Die Klägerin übernahm zivilrechtlich die Forderungen einschließlich ihres Ausfallrisikos. Der Grundkaufpreis zusammen mit dem ggf. nachträglich anfallenden Besserungsbetrag einschließlich des bei der Klägerin verbleibenden Besserungsanteils bildeten dabei zwar den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der Forderungen korrekt ab, insbesondere auch deshalb, weil auf diese Weise nachträglich erfolgte Zahlungen der Schuldner im „Kaufpreis“ Berücksichtigung fanden. Gerade diese nachträgliche „Kaufpreisanpassung“ zeigt aber, dass von den Beteiligten nicht nur ein bloßer Forderungsumsatz gewollt war. Die Klägerin sollte die bisherigen Forderungsinhaber, die Banken, gerade nicht nur vom Risiko der Nichterfüllung, sondern auch von der Einziehung der Forderungen entlasten. Es kam den Banken auch auf den Einzug der Forderungen an. So zahlten die Banken der Klägerin sogar eine gesonderte pauschale Verwaltungsgebühr je Forderung, damit die Klägerin diese Forderung verwaltete und versuchte einzuziehen. Durch die Beteiligung der Banken an einer nach Forderungsabtretung erfolgten Forderungseinziehung im Wege der Besserungsvereinbarung war das Risiko der Banken, die Forderungen an die Klägerin unter dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert zu verkaufen, nicht vorhanden. Die Banken profitierten von jeder Einziehung durch die Klägerin bzw. von jeder Einziehung durch die von der Klägerin mit der Einziehung beauftragte Firma G GmbH, so dass durchaus ein Interesse der Banken an der Einziehung allein hierin begründet war. Die Klägerin hingegen hielt ihr Risiko klein, indem sie nur einen niedrigen Grundkaufpreis zu leisten hatte und nur dann nachträglich einen Betrag an die Banken abzuführen hatte, wenn und soweit sie die Forderung tatsächlich realisieren konnte. Damit waren aufgrund der getroffenen Besserungsvereinbarung Risiko, Chancen und Kosten nicht uneingeschränkt auf die Klägerin übergegangen. Konnte sie eine Forderung nicht realisieren, hatte sie lediglich den Aufwand/Verlust des niedrigen Grundkaufpreises zu tragen. Konnte sie die Forderung hingegen realisieren, musste sie zwar einen Nachtrag an die Banken leisten, doch verblieb ihr daran ein Anteil. Diesen bei ihr verbleibenden Anteil am Besserungsbetrag vermag der Senat nur als Entgelt für die (erfolgreiche) Einziehung der Forderung zu erkennen. Die Leistung der Klägerin bestand aus Sicht der Leistungsempfänger – der Banken – gerade nicht nur darin, dass die Klägerin die Forderungen einschließlich Übernahme des Ausfallrisikos kauft, sondern auch darin, dass die Klägerin die „schlechten“ Forderungen hält, verwaltet und eben auch einzieht. Die Banken hatten gerade wegen der Besserungsvereinbarung weiterhin ein berechtigtes Interesse an einer Realisierung der Forderungen. Die an die Banken abgeführten Anteile an den Besserungsbeträgen zahlte die Klägerin nicht als Kaufpreis für den Kauf der jeweiligen Forderung. Das Entgelt für die Übernahme des Ausfallrisikos der zahlungsgestörten Forderungen erschöpfte sich allein in dem niedrigen Grundkaufpreis, bei dem es auch bei erfolglosem Forderungseinzug verblieben wäre. Die Beteiligung der Banken bei erfolgreichem Forderungseinzug erfolgte im Rahmen einer gesonderten Leistung der Klägerin – einer Einziehungsleistung, für die die Klägerin einen Anteil von 15-30 % des Mehrerlöses erhielt. Die bei der Klägerin verbliebenen Anteile an den Besserungsbeträgen gehören daher zum Entgelt dieser Einziehungsleistung der Klägerin. Die Besserungsbeträge stellen für die Klägerin nicht lediglich durchlaufende Posten i.S.v. § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG dar, weil die Einziehung der Forderungs-(Teil-)Beträge im Namen und für Rechnung der Klägerin und nicht im Namen und für Rechnungen der Banken erfolgte, die gar nicht mehr Inhaber der Forderungen waren.
Soweit sich die Klägerin in diesem Klageverfahren ergänzend auf die Regelung in Abschnitt 2.4 Abs. 8 UStAE und das Urteil des BFH vom 04.07.2013 (V R 8/10, BStBl. II 2015, 969) beruft, so betreffen die dort beschriebenen Fälle nicht die im Streitfall vorliegende Konstellation einer Besserungsvereinbarung, die eine entgeltliche Einziehungsleistung zum Gegenstand hat.
Der Qualifizierung der Leistungen der Klägerin als Inkassoleistungen steht nicht entgegen, dass sie die Einziehung durch die Firma G GmbH hat ausführen lassen. Die Klägerin hat diese Leistungen an die jeweiligen Banken weitergegeben; sie hat sie sich insoweit von den Banken vergüten lassen.
Soweit sich die Klägerin darüber hinaus gegen die Nichtanerkennung von Vorsteuern aus Rechnungen über Auftragsgebühren und Erfolgsprovisionen wendet, so scheitert der Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG bereits an den nicht vorliegenden ordnungsgemäßen Rechnungen. Die Klägerin hat innerhalb der ihr gesetzten Ausschlussfrist und auch in der mündlichen Verhandlung keine Rechnungen der Firma G GmbH über Inkassodienstleistungen vorgelegt. Auch der Beklagte hatte hierauf bereits in der Klageerwiderung vom 22.02.2017 (Bl. 25 der Gerichtsakte) hingewiesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluss vom 14.04.2016 die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des erkennenden Senates in gleicher Sache (Urt. vom 01.10.2015, 5 K 4375/12 U, n.v.) für die vorangehenden Streitjahre 2006 und 2007 als unbegründet zurückgewiesen. Nach diesen Entscheidungen hat sich entgegen der Auffassung der Klägerin weder die Rechtslage noch die höchstrichterliche Rechtsprechung geändert.