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Steuerrecht
24.01.2014
Steuerrecht
FG Köln: Umfang der Ermittlungspflicht des FA bei Auslandssachverhalten

FG Köln, Urteil vom 23.10.2013 - 4 K 1589/10


Sachverhalt


Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid 2003 vom 19.08.2008 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern und bislang anerkannte Kosten für eine Outplacementberatung in Höhe von 78.000 € aberkennen durfte.


Der Kläger schloss mit Vertrag vom 31.5.2003, auf den inhaltlich ergänzend verwiesen wird (Bl. 76ff FG-Akte), mit der A Limited (im Folgenden: A Ltd.), einem in Gibraltar ansässigen Unternehmen, einen Vertrag über eine Outplacement-Beratung. Der Vertrag sah unter II eine Ratenzahlungsvereinbarung vor, nach der am 20.6.2003 25.000 €, am 15.9.2003 25.000 € und am 15.11.2003 25.000 € zu zahlen waren. Zusätzlich wurde im Vertrag ein Erfolgshonorar i.H.v. 30 % des zu erwartenden neuen Jahresgehalts vereinbart. Die für das Jahr 2003 vereinbarten Zahlungen erfolgten durch den Kläger am 7.10.2003 per Überweisung i.H.v. 50.000 € und am 15.12.2003 in bar i.H.v. 25.000 €. Ferner zahlte der Kläger 3.000 € als „legal fee". In diesem Zusammenhang stehen auch Reisekosten (Flüge, Mietwagen, Übernachtungen, Verpflegungsmehraufwendungen, Bewirtungen und Taxi) i.H.v. 3.051 €, um zur Outplacement-Beratung bzw. zu Vorstellungsgesprächen zu gelangen. Der Kläger unterhält eine Wohnung in B (Mallorca).


Am 18.1.2005 ging die Einkommensteuererklärung 2003 der Kläger beim Beklagten ein. Mit Schreiben vom 14.2.2005 forderte der Beklagte den Kläger auf, ergänzende Unterlagen, u.a. den Outplacementvertrag, einzureichen.


Am 5.4.2005 reichte der Steuerberater des Klägers ergänzende Informationen und Unterlagen, hierunter den Outplacementvertrag, ein. Nach Prüfung der Steuererklärung durch den Sachbearbeiter, einer vollumfänglichen Intensivprüfung durch die Qualitätssicherungsstelle und Zeichnungen durch den Hauptsachgebietsleiter Außensteuerrecht und den Sachgebietsleiter des Veranlagungsbezirk erging am 13.5.2005 der Einkommensteuerbescheid 2003 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (V.d.N.) gemäß § 164 AO, in dem der Beklagte alle Kosten betreffend die Outplacement-Beratung als Werbungskosten bei den Einkünften aus § 19 EStG anerkannte. Im Erläuterungsteil des Bescheides findet sich u.a. folgendes: „Außerdem bitte ich um Einreichung von Bankbelegen aus denen die im September und November fälligen Raten für die Outplacement-Beratung ersichtlich sind."


Am 2.6.2005 reichte der Steuerberater einen Kontoauszug vom 07.10.2003 sowie eine Rechnung der A Limited vom 15.11.2003 ein, auf der handschriftlich mit Unterschrift vermerkt ist "Palma De Mallorca PAID 15.12.03 in cash" sowie "paid in cash 15/12/03 in Spain".


Mit Bescheid vom 8.8.2005 hob der Beklagte den V.d.N. hinsichtlich der Einkommensteuer 2003 auf.


Am 19.01.2006 erging ein nach § 10d EStG geänderter Einkommensteuerbescheid 2003.


Am 26.5.2006 reichten die Kläger die Einkommensteuererklärung 2005 ein. Als Werbungskosten machte der Kläger u.a. Aufwendungen für Outplacement-Beratung i.H.v. 30.000 € geltend und gab an, dass die Zahlung am 22.5.2005 (bar in Malaga) erfolgt sei. Im Vorgriff auf das Jahr 2006 fügte der Kläger ergänzend einen weiteren Zahlungsbeleg über 30.000 € vom 29.12.2006 bei.


In einem Aktenvermerk des Sachgebietsleiters Außensteuerrecht vom 18.8.2006 finden sich folgende Ausführungen:


„Succes fee outplacement-Beratung


In der Steuererklärung 2003 wurden unter anderem Aufwendungen für Outplacement-Beratungen i.H.v. 78.000 € geltend gemacht.


Im Anschreiben des Beraters vom 5.4.2005 wird dazu als Resultat die Anstellung bei C GmbH sowie


Anstellung bei D GmbH verwiesen. Bezahlungen erfolgten 1/03 sowie 2/03 über Konto Sparkasse E sowie bar 15. Dez. 2003.


Eine in der Steuererklärung 2005 nunmehr zusätzlich geltend gemachte success fee der outplacement-Beratung erscheint nicht ganz verständlich, zumal sie auch von der Höhe her die Ursprungsdimension mit 90.000 € in drei Tranchen sprengt. Auch die Art der Leistungserbringung wie die Zahlungsmodalitäten (bar in Malaga) lassen es angezeigt erscheinen, den Gesamtkomplex neu aufzurollen.


Ich rege an, aussagekräftige Unterlagen wie Verträge, Vereinbarungen und Zusatzvereinbarungen zu Art, Zeit, Umfang und Entgeltung der jeweils zu spezifizierenden Leistungserbringung anzufordern.


Der tatsächliche Leistungserbringer (Consultant etc.) ist mit Namen, Anschrift zu benennen ich gehe davon aus - Anfrage ZIVED bzw. IZA beim Bundeszentralamt für Steuern sollte hinsichtlich A Limited gestellt werden -, dass die Einschaltung inaktiver Firmen die Leistungserbringung durch Inländer verschleiern soll.


Es bleibt auch zu prüfen,, ob und inwieweit neben großzügigen Abfindungsregelung, die Kosten einer Outplacementberatung durchs kündigende Unternehmen übernommen wurden? Bei baren Zahlungsvorgängen über die Grenze ist per se die Frage der inländischen Steuerpflicht gestellt, ein Abfluss ist m.E. so nicht nachweisbar!


Ich verweise auf Prüfungsschema „Provisionszahlungen oder Schmiergeldzahlungen" sowie auf AO-Kartei NRW Karte 1 und 801 zu § 160 AO.


Kurzinformation Internationales Steuerrecht Nr. 005 vom 28.03.2006 OFD Münster mit Hinweisen zur Ausdehnung des online Verfahren ISI sowie Inanspruchnahmen ZIVED-Dienste OFD Rheinland O 2372 - LZ 2.


Ich bitte vorstehende Ausführungen als Anregung zu eigener Recherche zu betrachten; in der Gesamtschau würde ich schon jetzt zunächst den geltend gemachten WK Abzug nicht zulassen


F"


Mit Schreiben vom 04.08.2006 und 05.09.2006 forderte der Beklagte den Kläger zur Erläuterung hinsichtlich des Sachverhaltes A Limited auf und forderte weitere Unterlagen an.


Am 4.9.2006 stellte der Beklagte ferner eine Anfrage beim Bundeszentralamt für Steuern hinsichtlich der A Limited.


Mit Schreiben vom 20.10.2006 nahm der Kläger ausführlich zur Outplacementberatung Stellung (Bl. 83 FG-Akte).


Mit Schreiben vom 3.5.2007 antwortete das Bundeszentralamt für Steuern und führte aus:


„Die A Limited war bisher noch nicht Gegenstand einer Anfrage an die IZA des Bundeszentralamts für Steuern und wird nicht in der Bundeskartei für beschränkt Steuerpflichtige und umsatzsteuerpflichtige ausländische Unternehmen (so genannte BEST-Datei) geführt.


Gemäß der eingeholten Wirtschaftsauskunft (Anl. 1) gehe ich bei der angefragten Gesellschaft von einer rechtlich existenten, aber auf Gibraltar wirtschaftlich inaktiven Briefkastenfirma (Besitz- oder Domizil Gesellschaft) aus, die über keinen eigenen eingerichteten Geschäftsbetrieb auf Gibraltar verfügt. Dies begründet sich wie folgt:


  • - Der registrierte Sitz befindet sich an der Anschrift „G-Straße", an der noch zahlreiche weitere Gesellschaften residieren (Anl. 2), so auch die H Limited, ein verbundenes Unternehmen der Firmengründungsgesellschaft KH1Limited (Anl. 2a und 3). Eigene Geschäftsräume der A Limited konnten nicht festgestellt werden.
  • - Als Gesellschafter und Direktoren sind ebenfalls lediglich verbundene H-Unternehmen eingesetzt, die erfahrungsgemäß treuhänderisch/formell für Dritte agieren. Die in den von Ihnen nachgesandten Unterlagen genannten Personen "L", „Q" und „M" halten offiziell keine Geschäftsführungsmandate bei der A Limited. Ob es sich hierbei um Mitarbeiter des Firmengründers und Domizilgebers H handelt, konnte ich nicht feststellen. Der Ort der Geschäftsleitung bleibt daher unklar.
  • - Die A Limited ist in keinen örtlichen Telefon- und Branchenverzeichnissen von Gibraltar eingetragen, was eine fehlende Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und Kontaktmöglichkeit Dritter dokumentiert.



Eine wirtschaftlich inaktive Briefkastenfirma ohne eigenen Geschäftsbetrieb kann nicht Leistungsträger im Sinne des § 160 AO sein. Zahlungen können daher nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden, solange der Steuerpflichtige nicht nachweist, wer anstelle der Briefkastenfirma tatsächlich die vorgegebenen Beratungsleistungen erbracht hat. Im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung sind meines Erachtens nicht nur die Art und Weise der Kontaktanbahnung (Kontaktpersonen, Kommunikationsverbindung), Entscheidungskriterien (Vergleichsangebote inländischer Berater?) und Zahlungsverkehr klärungsbedürftig, sondern auch die Angemessenheit der Beratungsleistungen. Auf die erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen gemäß § 90 Abs. 2 AO weise ich hin.


Die Feststellungen und Argumente der IZA können dem Steuerpflichtigen mitgeteilt werden. Von einer Weitergabe der mitgesandten Unterlagen bitte ich jedoch Abstand zu nehmen."


Mit Prüfungsanordnung vom 31.05.2007 ordnete der Beklagte eine Betriebsprüfung hinsichtlich der Einkommensteuer und Umsatzsteuer jeweils 2003 bis 2005 an. Prüfungsbeginn war der 03.07.2007. Im Schlussbericht vom 06.08.2008 vertrat der Prüfer die Ansicht, dass ein Abzug der Aufwendungen für Outplacementzahlungen und Nebenkosten als Werbungskosten nach dem derzeitigen Sachstand, dem eine eingeholte Wirtschaftsauskunft zugrunde liege, ausgeschlossen sei. Ferner führte er aus:


"Zu der Änderungsmöglichkeit aufgrund der Auskünfte des Bundesamtes für Steuern mache ich folgende Ausführungen:


Die Entscheidung über die Aufhebung des Vorbehalts steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (BFH-Urteil vom 10. Juli 1996 I R 5/96, BFHE 181, 100, BStBl II 1997, 5). Die Befugnis zur Aufhebung des Vorbehalts ist nach herrschender Meinung, der der Senat folgt, von keiner besonderen Voraussetzung - insbesondere nicht von einer abschließenden Prüfung - abhängig (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1988 III R 49/85, BFH/NV 1989, 341; Tipke/Kruse, AO/FGO § 164 AO 1977 Tz. 8). Für diese Auslegung spricht bereits der Wortlaut des § 164 (3) S. 1 AO 1977, der die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung an keine Voraussetzung knüpft und sie "jederzeit" zulässt. Zudem drückt das Wort "Vorbehalt" ein Recht, nicht eine Pflicht (zur Nachprüfung) aus. Bestätigt wird dies durch die Gesetzesbegründung zu § 164 AO 1977, in der es u.a. heißt (vgl. BTDrucks VI/1982, S. 148): " Der Vorbehalt der Nachprüfung gibt jederzeit das Recht, die Steuerfestsetzung zu berichtigen. Die Finanzbehörde ist jedoch nicht verpflichtet, alle Steuerfälle zum Zwecke der endgültigen Erledigung nachzuprüfen. Sie erhält die Möglichkeit, die Überprüfung entsprechend der zur Verfügung stehenden Zeit und der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte mit dem Ziele möglichst großer Effektivität zu organisieren. "


Mithin setzt die Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts keine abschließende Prüfung des Steuerfalls voraus.


Da die Bescheide bestandskräftig sind, kommt eine Änderung des Bescheides vom 19.01.2006 nach § 173 Abs. 1 S. 1 AO nur in Betracht, wenn der Finanzbehörde nachträglich, d.h. nach Erlass dieses Bescheides Tatsachen bekannt wurden, die zu einer höheren Steuer führen. Neue Tatsache ist im vorliegenden Fall die Feststellung des Bundesamts für Steuern vom 03.05.2007, dass es sich bei der A Limited um eine Domizilgesellschaft handelt.


Die Berichtigung erfolgt nach § 173 (1) 1 AO."


Mit Bescheid vom 19.08.2008 schloss sich der Beklagte der Ansicht des Prüfers an und erkannte mit - lt. Bescheid gemäß § 10 d Abs. 1 S. 2 EStG - geändertem Bescheid u.a. alle Aufwendungen für Outplacementberatung (78.000 € zzgl. Reisekosten 3.051 €) nicht mehr als Werbungskosten an.


Hiergegen legte der Kläger form- und fristgerecht Einspruch ein.


Mit Teilabhilfe-Bescheid vom 16.03.2010 änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2003 gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO in Bezug auf die Reisekosten und erkannte diese wieder als steuerlich berücksichtigungsfähig an.


Mit Einspruchsentscheidung vom 23.04.2010 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, dass die Kosten für die Outplacementberatung nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten. Die Kläger seien dem Verlangen des Beklagten, die tatsächlichen Gläubiger der geltend gemachten Aufwendungen genau zu benennen, nicht nachgekommen. Die Vorbehaltsaufhebung vom 08.08.2005 hindere die Finanzverwaltung nicht an einer weiteren Prüfung des Steuerfalls. Die Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts setze keine abschließende Prüfung des Steuerfalls voraus. Die Änderung der Einkommensteuer 2003 vom 19.08.2008 verstoße nicht gegen Treu und Glauben. Da ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vorliege, treffe den Kläger eine gesteigerte Mitwirkungspflicht. Insoweit könne der Kläger den Grundsatz von Treu und Glauben für sich nicht in Anspruch nehmen, da neben der Ermittlungspflicht des Finanzamtes in gleichem Umfang auch die Mitwirkungspflicht des Klägers zu sehen sei. Der Beklagte habe seine Ermittlungspflicht ordnungsgemäß erfüllt. Erst der durch die Angaben in der Einkommensteuererklärung 2005 vervollständigte Sachverhalt "Outplacementberatung" mit den Erkenntnissen zu:


  • - Konkretisierung der success fee nach Art und Umfang
  • - wiederholte Barzahlungen in beträchtlicher Höhe im Ausland
  • - Klärungsbedarf hinsichtlich des Abfindungsvertrages vom 07.05.2003 mit der BPB Beteiligungs-GmbH wegen einer denkbaren Beteiligung des früheren Arbeitgebers an den Kosten der Outplacementberatung (am 05.09.2006 wurden noch die Seiten 3 und 4 des Abfindungsvertrages angefordert)
  • - Klärungsbedarf hinsichtlich des Leistungserbringers der Outplacementberatung




hätte eine Anfrage an das Bundeszentralamt für Steuern wegen einer Wirtschaftsauskunft zu dem durch den Kläger beauftragten Unternehmen begründet werden können. Das Ergebnis der Recherche beim Bundeszentralamt für Steuern stelle eine neue Tatsache im Sinne von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO dar, die dem Beklagten nachträglich bekannt geworden sei. Diese neue Tatsache schließe einen Abzug der geltend gemachten Aufwendungen aus, da eine "wirtschaftlich inaktive Briefkastenfirma" ohne eigenen Geschäftsbetrieb nicht Leistungsträger im Sinne des § 160 AO sein könne. Die Zahlungen könnten nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden, solange der Kläger nicht nachweise, wer an Stelle der "Briefkastenfirma" tatsächlich die vorgegebenen Beratungsleistungen erbracht und die aufgewendeten Gelder erhalten habe.


Mit seiner Klage begehrt der Kläger, dass die nachträgliche Aberkennung der Kosten im Zusammenhang mit der Outplacementberatung rückgängig gemacht wird.


Der Kläger ist der Ansicht, dass der Beklagte ermessensfehlerhaft die Benennung der "tatsächlichen Zahlungsempfänger" verlange und durch die nachträgliche Änderung des Steuerbescheids trotz Wissen um die Auslandsproblematik und expliziter Aufhebung des Änderungsvorbehalts gegen Treu und Glauben handele.


Der Kläger behauptet, die A Ltd. habe die im Vertrag vereinbarten Leistungen tatsächlich erbracht. Beim Outplacement würden einem aus einer Führungsposition ausgeschiedenen Manager spezielle auf das Aufzeigen neuer beruflicher Perspektiven ausgerichtete Beratungsleistungen erbracht. Auf der Grundlage einer Analyse der beruflichen Situation und der Stärken und Schwächen der Führungskraft würden gemeinsam mit diesem Tätigkeitsfelder und potentielle neue Arbeitgeber ermittelt, Kontakte zu diesen hergestellt und der Prozess bis zum Abschluss eines neuen Dienstvertrages beratend mit entsprechenden Coachings und Trainings begleitet. Zudem seien Persönlichkeitsprofile erstellt worden, die dazu dienten, auf den Arbeitnehmer „zugeschnittene" Tätigkeitsbereiche in entsprechenden Unternehmen zu vermitteln. Die A Ltd. habe, basierend auf Grundlage der von ihr vorgenommenen Persönlichkeitsanalyse und nach Profilvorgaben des Klägers auf internationaler Ebene nach Gesellschaften gesucht, die dem Tätigkeitsprofil sowie den gewünschten Vergütungskonditionen des Klägers entsprechende Positionen zu vergeben hatten. Die Kontaktaufnahme mit den vermittelten Firmen erfolge bei Einschaltung von Vermittlern stets über den Erbringer der Vermittlungsleistung, hier der A Ltd., da die vakanten leitenden Positionen bei den entsprechenden Unternehmen i.d.R. nicht über öffentliche Medien ausgeschrieben würden.


Das Benennungsverlangen stehe in besonderem Maße unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Dies bedeute, dass das Verlangen nicht unverhältnismäßig sein dürfe und die für den Steuerpflichtigen zu befürchtenden Nachteile nicht außer Verhältnis zum beabsichtigten Aufklärungserfolg stehen dürften. Entscheidend sei, inwieweit es für den Steuerpflichtigen zu diesem Zeitpunkt zumutbar gewesen sei, sich nach den Gepflogenheiten eines ordnungsmäßigen Geschäftsverkehrs der Identität seines jeweiligen Geschäftspartners zu vergewissern, um so in der Lage zu sein, ihn als Empfänger von Zahlungen zutreffend zu bezeichnen. Der Kläger habe keine besonderen Gründe gehabt, bei Anbahnung des Geschäftskontaktes Erkundigungen und Nachforschungen anzustellen, um sich der Identität und Solidität der A Limited zu vergewissern. Die der A Ltd. übertragenen Aufträge seien in der Folgezeit ordnungsgemäß erfüllt worden. Zu den vereinbarten Besprechungsterminen seien die Gesprächspartner zugegen gewesen. Die von der A Ltd. erstellte Persönlichkeitsanalyse weise weder qualitativ noch quantitativ irgendwelche Mängel auf. Vorstellungstermine bei möglichen Arbeitgebern seien seitens der A Ltd. organisiert worden. Final habe die Einschaltung der A Ltd. dem Kläger ein Geschäftsführeramt verschafft. Auch der Beklagte bestreite die Leistungserbringung durch die A Ltd. nicht. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der A Ltd. dessen ungeachtet um eine Domizil- oder Briefkastenfirma ohne Funktion und ohne eignes Personal handeln habe können, seien zumindest aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Klägers bei vernünftiger Beurteilung der Gegebenheiten nicht erkennbar gewesen. Solche Vermutungen würden jedenfalls nicht bereits dadurch genährt, dass die A Ltd. in Gibraltar residierte. Denn die Kontakte zur A Ltd. seien basierend auf der vorhergehenden Tätigkeit des Klägers über Großbritannien zustande gekommen. Aus Sicht der EU seien die Einwohner Gibraltars Bürger des Vereinigten Königreichs und Gibraltar Teil der EU. Es entspreche auch der durch die EU-Grundfreiheiten geschützten Normalität und sei als solches unverdächtig, dass ein europäisches ausländisches Unternehmen in einem anderen Mitgliedsstaat der EG tätig werde. Durch die Kontaktaufnahme durch die renommierte N Gruppe in Großbritannien sei es für den Kläger schlüssig gewesen, dass diese eine Tochtergesellschaft mit Sitz in Gibraltar mit der Beratung betraut habe. Der Kläger habe also keinerlei Anhalt dafür gehabt, dass die Gesellschaft „zur Umgehung der Steuerpflicht von Inländern eingeschaltet" worden wäre. Festzustellen bleibe, dass der Kläger seine Erkenntnismöglichkeiten zur Ermittlung der zutreffenden Identität der A Ltd., soweit diese unter den gegebenen Umständen nahe lagen, im Zeitpunkt der Zahlungen in hinnehmbarer Weise ausgeschöpft habe. Er habe die Leistung erhalten und sie bezahlt. Die Leistungen seien von Ausländern im Ausland erbracht worden. Anhaltspunkte dafür, dass diese Gelder nach Deutschland zurückfließen könnten, gab es nicht. Auch der Beklagte habe im Rahmen der Betriebsprüfung geäußert, dass der Kläger all seine Möglichkeiten vollumfassend ausgeschöpft habe und jeglichem Verlangen des Beklagten bestmöglich nachgekommen sei. Seiner Mitwirkungspflicht sei der Kläger vollumfänglich durch Vorlage des Vertrages, Einreichung des Überweisungsauftrages, Vorlage der Barquittungen, Benennung seiner Gesprächspartner sowie umfassender Darstellung des Sachverhalts nachgekommen. Der Kläger habe persönlich nicht überprüfen können, ob es sich in Gibraltar um eine Briefkastengesellschaft gehandelt habe oder nicht. Der Kläger habe bis zur Mitteilung des Ergebnisses über das Auskunftsersuchen beim BZSt im Rahmen der Bp keinerlei Kenntnis über die Eigenschaft seines Vertragspartners als Briefkastenfirma gehabt. Der Kläger sei bei jeder Konsultation auf kompetente Ansprechpartner, die ihre Leistungen zu seiner vollsten Zufriedenheit erfüllten, getroffen. Ort der Erbringung der Leistungen sei überwiegend Spanien gewesen. Die mit dem „Executive Search" beauftragten Mitarbeiter der A Ltd. seien Frau L, Herr Q und Herr M gewesen. Im Ergebnis seien die Abschlüsse der Dienstverträge bei der „C GmbH" und bei der „P Gruppe" (Anmerkung: P D) vermittelt worden. Die Erkenntnismöglichkeiten des BZSt stünden dem Kläger nicht offen. In Anbetracht dessen sei insbesondere das im Nachhinein für das abgeschlossene Veranlagungsjahr 2003 geforderte weitergehende Benennungsverlangen des Beklagten nicht erfüllbar und ermessenfehlerhaft gewesen.


Ferner sei der Beklagte an einer Änderung gehindert, weil er seiner Ermittlungspflicht nicht pflichtgerecht nachgekommen sei. Sämtliche Unterlagen hätten ihm für eine Prüfung vorgelegen und bereits im Rahmen der Veranlagung des Jahres 2003 hätten sich ihm erhebliche Zweifel aufdrängen müssen. Gleichwohl habe er für das Jahr 2003 kein Auskunftsersuchen veranlasst. Vielmehr habe er sogar den V.d.N., der eine jederzeitige Korrektur ermöglicht hätte, explizit aufgehoben. Ein neuer Sachverhalt sei 2005 nicht gegeben gewesen. 2005 seien die gleichen Leistungen vom gleichen Vertragspartner auf der Grundlage des bereits dem Beklagten eingereichten Vertragswerks wie in 2003 erbracht worden. Dass sich dem Beklagten insofern Zweifel aufgedrängt hätten, zeige sich auch daran, dass er sich anlässlich der Veranlagung für das Jahr 2005 veranlasst gesehen habe, eine Auskunft beim BZSt einzuholen. Dies zeige sich nicht zuletzt auch in der Formulierung im Aktenvermerk vom 18.08.2006 („Gesamtkomplex"). Mithin sei für den Beklagten grundsätzlich das Veranlagungsjahr 2003 abgeschlossen gewesen. Erst anlässlich der Veranlagung des Jahres 2005 habe er seine Bedenken zum Anlass genommen, eine Anfrage beim BZSt zu stellen. Der Grundsatz von Treu und Glauben verbiete es aber dem FA unter Berufung auf das nachträgliche Bekanntwerden einer Tatsache einen Änderungsbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu erlassen, wenn die Tatsache vor dem Erlass des zu ändernden Bescheides infolge Verletzung der ihm obliegenden Ermittlungspflicht (zunächst) verborgen geblieben ist. Das FA verletze seine Ermittlungspflicht, wenn es ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen mussten, nicht nachgehe (Hinweis u.a. auch auf FG Köln vom 31.01.2000 6 V 7375/99). Der Beklagte habe sich damit zwar auf die eingereichten Unterlagen verlassen können. Er sei auch seitens des Klägers vollumfassend, richtig und vollständig über den Steuersachverhalt unterrichtet worden. Sämtliche Informationen, die ihm bekannt gewesen seien, seien dem Beklagten vorgelegt worden. Gleichwohl hätte der Beklagte die ihm verbliebenen Zweifel zum Anlass nehmen müssen, schon frühzeitig ein Auskunftsersuchen einzuholen. Zumindest hätte er den V.d.N. bestehen lassen müssen, bis dass seine Zweifel behoben waren. Der Beklagte habe ursprünglich von der Möglichkeit einer Verhinderung des Eintritts materieller Bestandskraft Gebrauch gemacht, da er den Bescheid unter V.d.N. erlassen habe. Durch Aufhebung des Vorbehalts habe er sich der Möglichkeit einer weiteren Korrektur begeben. Er habe damit kundgetan, dass er keine Änderung mehr auf der Grundlage des ihm bereits bekannten Sachverhalts (inklusive der sich ihm aufdrängenden Zweifel) durchführen werde. Der Kläger habe dem Beklagten den Outplacementvertrag, sämtliche Quittungen, Belege, Reisebestätigungen, Hotelrechnungen usw. eingereicht. Dem Beklagten sei somit bekannt gewesen, dass eine ausländische Gesellschaft mit Sitz in Gibraltar in anderen europäischen Staaten Personalberatungs- und -vermittlungsleistungen erbracht habe, die z.T. bar bezahlt worden seien. Die Höhe der Vergütung sei gleichfalls aus dem vorgelegten Vertrag bekannt gewesen. Der Kläger habe sogar sämtlichen Schriftverkehr mit der A Ltd. (insbesondere auch die von der A Ltd. über ihn erstellte Persönlichkeitsanalyse) vorgelegt und alle seine Ansprechpartner bei der A Ltd. benannt. Im Zeitpunkt der Aufhebung des V.d.N. habe der Beklagte den gesamten für 2003 relevanten Sachverhalt - einschließlich der in 2003 vereinbarten „success fee", die erst 2005 fällig geworden sei - gekannt. Die Zweifelsfrage, ob es sich bei der A Ltd. möglicherweise um eine Domizilgesellschaft handeln habe können, habe sich also schon zu diesem Zeitpunkt aufdrängen müssen, denn schließlich sei eine Leistung von einem Ausländer im Ausland erbracht worden und die Beträge seien teils bar im Ausland gezahlt worden. Besonders auffällig sei gewesen, dass die Leistungen nicht am Sitz der Gesellschaft, sondern in anderen Staaten erbracht worden seien. Dies sei seitens des Klägers dem Beklagten gegenüber offen erklärt und durch Vorlage der entsprechenden Unterlagen auch dokumentiert worden. Der Beklagte müsse sich entgegenhalten lassen, dass er eine Auskunft des BZSt erst für das Veranlagungsjahr 2005 und nicht schon für das Veranlagungsjahr 2003 eingeholt habe.


Ferner habe das BZSt in seiner Stellungnahme vom 03.05.2007 lediglich eine Annahme getroffen; es handele sich um eine Mutmaßung, nicht jedoch um eine faktische Feststellung. Vermutungen und Annahmen seien indes keine Tatsachen. Eine klare Tatsachenfeststellung des BZSt, dass es sich bei der A Ltd. um eine wirtschaftlich inaktive Domizilgesellschaft handele, liege indes nicht vor. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Auskunftsanfrage erst im Jahr 2007 bearbeitet worden sei, die Rechercheergebnisse beträfen sämtlich das Jahr 2007. Eine Feststellung, wie die Verhältnisse im Jahr 2003 gewesen seien, fehle völlig und sei daher für das Streitjahr unbrauchbar. Die Auskunft des BZSt könne damit nicht als „neue Tatsache" dienen.


Die Kläger beantragen,


den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 16.03.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.04.2010 dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit i.H.v. 78.000 € berücksichtigt werden.


Der Beklagte beantragt,


die Klage abzuweisen,


hilfsweise, die Revision zuzulassen.


Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung. Das Benennungsverlangen zur Ermittlung der tatsächlichen Zahlungsempfänger sei ermessensgerecht erfolgt. Das BZSt habe die A Ltd. als wirtschaftlich inaktive Briefkastenfirma festgestellt und die Begründung dieser Feststellung dargelegt. Nach Auffassung des Beklagten handele es sich bei dem Ergebnis der Recherche um eine neue Tatsache im Sinne von § 173 AO. Der Beklagte gehe davon aus, dass das BZSt bei einer gleichen Anfrage im Jahr 2003 (statt im Jahr 2007) zum selben Ergebnis gekommen wäre.


Die Änderung der Einkommensteuer 2003 verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben. Der Kläger habe unter Berücksichtigung des Sitzes der beauftragten A Ltd., der Höhe des voraussichtlich zu leistenden Erfolgshonorars, der gewählten Zahlungsmodalitäten (Barzahlungen im Ausland) und der Absicht, entsprechende Werbungskosten geltend zu machen, einige naheliegende Gründe gehabt, sich der Identität und Solidität der A Ltd. zu vergewissern. Es sei ein Leistungserbringer mit Sitz auf Gibraltar in Form einer wirtschaftlich inaktiven Briefkastenfirma gewählt worden, dessen Handeln offensichtlich von dem Ziel bestimmt gewesen sei, getarnt mit einer Domizilgesellschaft unentdeckt zu bleiben. Einen Geschäftsleitungssitz mit der Möglichkeit, telefonische oder schriftliche Kontakte aufzunehmen, habe es nicht gegeben. Der Beklagte habe seine Ermittlungspflicht ordnungsgemäß erfüllt; für ihn habe erst der durch die Abgabe in der Einkommensteuererklärung 2005 vervollständigte Sachverhalt in seiner Gesamtheit zur Anfrage an das BZSt geführt. Die Kläger müssten hier den Hinweis auf ihre eigene Mitwirkungspflicht, insbesondere bei Auslandssachverhalten, gegen sich gelten lassen.


Der Beklagte hat am 11.09.2013 beantragt, das Verfahren im Hinblick auf das beim BFH anhängige Verfahren X R 9/13 ruhen zu lassen. Die Kläger haben sich diesem Antrag unmittelbar vor der Ladung des Falles zur mündlichen Verhandlung am 23.10.2013 angeschlossen.


Aus den Gründen


Die Klage hat Erfolg.


1. Der Senat war nicht gehalten, eine Aussetzung oder ein Ruhen des Verfahrens anzuordnen, sondern konnte in der Sache entscheiden. Der Umstand, dass ein Teil der sich möglicherweise auch im vorliegenden Verfahren stellenden Rechtsfragen Gegenstand eines Rechtsstreits beim Bundesfinanzhof ist, hindert den Senat nicht daran, dieses Verfahren durch Urteil zu entscheiden. Denn dieses Verfahren ist kein vorgreiflichen Rechtsverhältnis i.S. des § 74 FGO, die eine Aussetzung der Verfahrens rechtfertigen könnten.


Auch ein Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf das beim BFH anhängige Verfahren X R 9/13 war - auch unter Berücksichtigung, dass die Kläger im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Ladung des vorliegenden Verfahrens dem entsprechenden Antrag des Beklagten zugestimmt haben - nicht anzuordnen. Gemäß § 155 FGO i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung - ZPO kann das Gericht das Ruhen des Verfahrens anordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Vorschrift des § 251 ZPO eröffnet dem erkennenden Gericht ein Ermessen (Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 10. Januar 1995 IV B 69/94, BFH/NV 1995, 802; s. aber Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 74 FGO Rz 200; Brandis, a.a.O., § 74 FGO Rz 22). Denn die Norm setzt allein die Zweckmäßigkeit der Entscheidung voraus.


Der erkennende Senat hält vorliegend eine Verfahrensruhe nicht für zweckmäßig. Denn es ist nicht zu erwarten, dass eine Entscheidung des BFH in dem Verfahren X R 9/13 zu einer einverständlichen Beendigung des vorliegenden Verfahrens würde. Dies folgt daraus, dass sowohl der Sachverhalt als auch die zu beantwortenden Rechtsfragen, die dem genannten vor dem BFH anhängigen Verfahren zu Grunde liegen, sich von denen des vorliegenden Verfahrens maßgeblich unterscheiden. Zwar ist in dem beim BFH anhängigen Revisionsverfahren über das Urteil des FG Niedersachsen vom 16. Januar 2013 4 K 212/11 (juris-Dokument) u.a. die Frage streitig, ob die Verweigerung der Empfängerbenennung aufgrund eines nach Eintritt der Bestandskraft von Bescheiden an den Steuerpflichtigen gerichteten Benennungsverlangens die Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO rechtfertigen kann. Allerdings ist die Beantwortung dieser Frage für den Streitfall - wie nachfolgend unter II. dargelegt wird - nicht entscheidungserheblich, da selbst bei einer Bejahung der o.a. Rechtsfrage sich immer noch die Frage stellen würde, ob der Beklagte an einer Änderung aus dem Gesichtspunkt des Grundsatzes von Treu und Glauben gehindert war. Das Verfahren ist entscheidungsreif, so dass ein Ruhen auch aus diesem Grund nicht zweckmäßig wäre.


II. Die zulässige Klage ist begründet.


Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Der Beklagte war nicht befugt, den ursprünglich gegenüber den Klägern erlassenen Bescheid, mit dem die Kosten des Klägers im Zusammenhang mit der Outplacementberatung vollumfänglich anerkannt worden waren, zum Nachteil der Kläger zu ändern; dafür ist keine verfahrensrechtliche Handhabe ersichtlich; insbesondere § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO - der einzig ersichtlich in Betracht kommt - bietet eine solche nicht.


a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Da § 173 AO nach seinem rechtlichen Gehalt keine Fehlerberichtigungsvorschrift ist, rechtfertigt nur das nachträgliche Bekanntwerden von Tatsachen und Beweismitteln eine Änderung nach dieser Vorschrift, nicht hingegen ein nachträglich erkannter Rechtsfehler (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. November 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180).


aa) Unter einer Tatsache im Sinne des § 173 AO ist alles zu verstehen, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestandes sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (PK/Koenig AO § 173 Rz. 7 m.w.N.). Eine Tatsache kann sowohl in einem positiven Zustand, beispielsweise dem Abfluss von Zahlungsmitteln, als auch im Fehlen einer Eigenschaft oder Nichteintritt eines Vorgangs, wie etwa einer fehlenden Vereinbarung, bestehen (PK/Koenig AO § 173 Rz. 7). Beweismittel sind alle Erkenntnismittel, die geeignet sind, das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Tatsachen zu beweisen, wie beispielsweise Urkunden, Auskünfte (PK/Koenig § 173 Rz. 34). Die Tatsachen und Beweismittel müssen außerdem nachträglich bekannt geworden und nicht erst nachträglich entstanden oder erstellt worden sein, weil nachträglich entstandene Beweismittel keine Änderung nach § 173 AO rechtfertigen (PK/Koenig AO § 173 Rz. 42f m.w.N.). Nachträglich bekannt im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO werden Tatsachen oder Beweismittel, wenn sie nach dem Zeitpunkt, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist, bekannt werden (st. Rspr. BFH-Urteil vom 28. April 1998, IX R 49/96, BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458).


bb) Im Einklang damit steht der Grundsatz von Treu und Glauben einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO dann entgegen, wenn dem FA Tatsachen aufgrund einer Verletzung seiner Ermittlungspflichten unbekannt geblieben sind, der Steuerpflichtige seinerseits aber die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten in zumutbarer Weise erfüllt hat. Voraussetzung dafür, dass der Steuerpflichtige die ihn treffende Mitwirkungspflicht erfüllt hat, ist insbesondere, dass er die Steuererklärungspflicht nach §§ 90, 149 ff. AO in zumutbarem Umfang erfüllt hat. Der steuerlich relevante Sachverhalt muss hierbei richtig, vollständig und deutlich dem Finanzamt zur Prüfung unterbreitet worden sein (vgl. BFH-Beschluss vom 13.11.2007 VI B 160/06, BFH/NV 2008, 341 m.w.N.). Der Umfang dieser Mitwirkungspflichten richtet sich gemäß § 90 Abs. 1 Satz 3 AO nach den Umständen des Einzelfalles. So ist eine Ermittlungspflichtverletzung des Finanzamtes bei der Änderung eines Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO unbeachtlich, wenn der Steuerpflichtige den Sachverhalt ganz bewusst falsch darlegt und bei dem Finanzamt einen Irrtum über einen tatsächlichen Geschehensablauf hervorruft (vgl. BFH-Urteil vom 20.04.2004 IX R 39/01, BStBl. II 2004, 1072 m.w.N.). Liegt sowohl eine Verletzung der Ermittlungspflicht des Finanzamtes als auch eine Verletzung der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen vor, so sind die beiderseitigen Pflichtverletzungen grundsätzlich gegeneinander abzuwägen. In der Regel trifft in diesem Fall die Verantwortlichkeit den Steuerpflichtigen, so dass der Steuerbescheid geändert werden kann, es sei denn, der Verstoß gegen die Ermittlungspflicht überwiegt deutlich den Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht (vgl. BFH-Beschluss vom 28.02.2008 IV B 53/07, BFH/NV 2008, 924 m.w.N.).


Die an die Ermittlungen der Finanzbehörde nach § 88 AO zu stellenden Anforderungen sind nicht allgemein festzulegen. Die Finanzbehörde verletzt ihre Amtsermittlungspflicht dann, wenn sie offenkundigen Zweifelsfragen oder Unklarheiten nicht nachgeht und Ermittlungsmöglichkeiten nicht nutzt, deren Ergiebigkeit sich ihr hätten aufdrängen müssen (vgl. BFH-Urteile vom 12.07.2001 VII R 68/00, BStBl II 2002, 44 und vom 28.06.2006 XI R 58/05, BStBl II 2006, 835; Beschluss vom 22.08.2007 VIII B 220/06 - juris -). Bei der Bestimmung und Begrenzung der Ermittlungspflicht des Finanzamts kommt es wesentlich auf die Angaben des Steuerpflichtigen an. Grundsätzlich darf die Finanzbehörde nämlich davon ausgehen, dass der steuerlich erhebliche Sachverhalt richtig, vollständig und deutlich angegeben worden ist. Sie muss den Angaben des Steuerpflichtigen nicht mit Misstrauen begegnen. Werden Steuererklärungen abgegeben, so muss sie aber eventuellen Unklarheiten und Zweifelsfragen nachgehen, die sich aus der Erklärung oder den dazu eingereichten Unterlagen aufdrängen.


b) Dies vorangestellt, kommt eine Änderung des ursprünglich gegenüber den Klägern ergangenen Steuerbescheides nicht in Betracht.


aa) Dem Beklagten war es verwehrt, sich auf das Vorliegen einer etwaig nachträglich bekannt gewordenen Tatsache bzw. eines Beweismittels zu berufen. Insbesondere steht der Änderungsbefugnis des Beklagten der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Zwar war die im vorliegenden Zusammenhang als Tatsache/Beweismittel in Betracht kommende Auskunft des Bundeszentralamtes für Steuern mit der rechtlichen Schlussfolgerung, dass es sich bei der A Ltd. wahrscheinlich um eine Domizilgesellschaft handelt, dem Beklagten im Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides für das Streitjahr nicht bekannt; der Beklagte hätte aber bei ordnungsgemäßer Erfüllung der behördlichen Ermittlungspflicht bereits für das Streitjahr und nicht erst im Zusammenhang mit der Veranlagung 2005 eine entsprechende Anfrage an das BZSt stellen können und müssen. Im Streitfall hat der Beklagte seine Ermittlungspflicht verletzt, indem er vor Erlass des Bescheids vom 08.08.2005 über die Aufhebung des V.d.N. den Sachverhalt im Hinblick auf die vom Kläger erklärten Werbungskosten zur Outplacementberatung nicht hinreichend von Amts wegen ermittelt hat.


Dem Beklagten war aufgrund der Einkommensteuererklärung und den nachfolgenden Erörterungen bis zur Aufhebung des V.d.N. bekannt, dass die in Gibraltar ansässige A Ltd. für im Ausland erbrachte Personaldienstleistungen in Höhe von 75.000 € z.T. - nämlich in Höhe der 3. Teilleistung i.H.v. 25.000 € - bar in Spanien bezahlt worden war. Ferner war ihm bekannt, dass in einem späteren Veranlagungszeitraum im Falle eines erfolgreichen Abschlusses eines neuen Anstellungsverhältnisses voraussichtlich eine weitere „success fee" i.H.v. 30 % des neuen Gehaltes zu zahlen war. Hieraus mussten sich bereits bei der Veranlagung 2003 und nicht erst bei der Veranlagung 2005 ganz erhebliche Zweifel aufdrängen, ob die entsprechenden Zahlungen an die A Ltd. als abzugsfähige Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt werden konnten, oder ob nicht die Art der Dienstleistung, der Ort der Ansässigkeit des Vertragspartners, dessen Gesellschaftsform, die gewählten Zahlungsmodalitäten - fünfstellige Euro-Beträge bar im Ausland an nicht näher benannte Personen - und die Höhe der geltend gemachten Werbungskostenbeträge Anlass gaben, die Kläger - ggf. nach Einschaltung des BZSt - gemäß § 160 AO zur Benennung des tatsächlichen Zahlungsempfängers aufzufordern und den Werbungskosten-Abzug bei Nichterfüllung des Benennungsverlangens zu versagen. Der Beklagte hätte diese Zweifel und Unklarheiten spätestens vor Erlass des Bescheids über die Aufhebung des V.d.N. beseitigen müssen, indem er nach § 88 AO den Sachverhalt über die in der Steuererklärung und nachfolgend gemachten Angaben des Klägers hinaus durch nur ihm zur Verfügung stehende Ermittlungsmöglichkeiten - wie hier die Einschaltung des BZSt - ermittelte. Neue Tatsachen und Beweismittel, die die Erforderlichkeit eines solchen Vorgehens erstmals im Unterschied zu dem bisherigen Informationsstand des Beklagten erkennen ließen, haben sich nach der Aufhebung des V.d.N. nicht ergeben.


Der Kläger kann sich auch auf Treu und Glauben berufen, da er entgegen der Auffassung des Beklagten seinerseits seinen Mitwirkungspflichten - auch unter Berücksichtigung des § 90 Abs. 2 AO - voll genügt hat. Eine Verletzung der Mitwirkungspflichten auf Seiten des Klägers ist nicht zu erkennen. Der Kläger hat alle ihm bekannten und notwendigen Angaben zum Sachverhalt „Outplacementberatung" gemacht und sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen eingereicht und damit die mehrfachen Anfragen des Beklagten umfassend beantwortet. Er hat umfassende, erläuternde Angaben zu den gezahlten Beträgen an die A Ltd. gemacht, die vollständig und aus seiner Sicht zutreffend waren. Auch musste der Kläger vorab ohne Anlass keine weiteren Recherchen zur A Ltd. anstellen. Zuzugestehen ist dem Beklagten, dass der Kläger nicht auf die fehlenden Geschäftsräume und Kontaktmöglichkeiten in Gibraltar hingewiesen hat. Allerdings hat der Kläger glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass er diese Erkenntnisse erst durch den Beklagten nach Offenbarung der Mitteilung des BZSt gewonnen hat. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bewusst ihm bekannte Tatsachen zur Identität der A Ltd. verschwiegen hat, bestehen nicht. Auch sind keinerlei Umstände erkennbar, die beim Kläger Zweifel an der A Ltd. hätten aufkommen lassen müssen. Die von der A Ltd. aufgrund des geschlossenen Vertrages geschuldeten Leistungen wurden vollumfänglich erbracht und lieferten als Resultat eine neue Geschäftsführeranstellung des Klägers. Bei dieser Sachlage musste der Kläger keine weiteren Nachforschungen anstellen. Auch ergibt sich weder aus dem EStG noch aus der AO eine Verpflichtung zur unaufgeforderten Vorlage weiterer Angaben zum Geschäftspartner oder zur umfassenden Recherche ohne Anlass. Zur Auskunft und zur Beibringung von Unterlagen ist der Steuerpflichtige - abgesehen von den rechnerischen Grundlagen der Gewinnermittlung (§ 150 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 25 Abs. 3 EStG, §§ 56, 60 EStDV) - nach § 93, 97 AO nur verpflichtet, wenn das Finanzamt dies ausdrücklich von ihm in Erfüllung seiner behördlichen Amtsermittlungspflicht verlangt (vgl. FG Düsseldorf, EFG 1999, 260 und FG Köln, EFG 2001, 1016). Das ist im Streitfall bis zur Aufhebung des V.d.N. nicht geschehen. Damit hat der Kläger die ihm nach § 150 AO obliegende Steuererklärungspflicht und seine aus § 90 Abs. 1 und Abs. 2 AO folgende Mitwirkungspflicht bei der Sachverhaltsfeststellung in vollem Umfang erfüllt. Hiervon ging offensichtlich auch der Beklagte aus, denn er hat - nach Vorlage sämtlicher dem Kläger vorliegenden Unterlagen betreffend die A Ltd. - den zuvor gesetzten V.d.N. aufgehoben. In dieses Bild fügt sich auch stimmig ein, dass erst die Nachforschungen des BZSt und nicht etwa vom Kläger verschwiegene, unterdrückte oder falsch dargestellte Tatsachen zu dem vom Beklagten erlassenen Benennungsverlangen führten. Die Darstellungen zum Sachverhalt seitens des Klägers haben sich dagegen nie geändert noch wurden sie inhaltlich entscheidend ergänzt.


bb) Ob die durch das BZSt gewonnenen Erkenntnisse, dass es sich bei der A Ltd. um eine Domizilgesellschaft handelt/handeln könnte eine neue Tatsache oder zumindest ein neues Beweismittel darstellen, ist vor diesem Hintergrund nicht mehr entscheidungserheblich. Lediglich ergänzend merkt der Senat an, dass die Kläger insoweit zu Recht darauf hinweisen, dass es sich hierbei zunächst lediglich um Schlussfolgerungen des BZSt handelt. Auch Vermutungen, Verdachtsmomente und Wahrscheinlichkeiten sind noch keine Tatsachen. Eine Tatsache besteht vielmehr erst, wenn über einen Lebensvorgang hinreichende Gewissheit herrscht (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 3 a. E.; BFH-Urteil vom 6. 12. 1994 IX R 11/91, BFHE 176, 221, BStBl II 1995, 192; zur Reduktion der Gewissheit bei Vorliegen von Hilfstatsachen und Mitwirkungspflichtverletzungen vgl. BFH-Urteil vom 23. 3. 2011 X R 44/09, BFHE 233, 297, BStBl II 2011, 884; Hoffmann, EFG 2010, 100). Ob das Schreiben des BZSt deshalb möglicherweise als neues Beweismittel anzusehen ist, weil sich erst aufgrund der durch das BZSt angestellten Nachforschungen ergab, dass die A Ltd. über keine feststellbaren eigenen Geschäftsräume verfügt hat und auch in keinen örtlichen Telefon- und Branchenverzeichnissen von Gibraltar eingetragen war, so dass ggf. erst diese Feststellungen die Voraussetzungen für ein ermessensgerechtes Benennungsverlangen gemäß § 160 AO schafften, musste der Senat angesichts des festgestellten Verstoßes gegen Treu und Glauben allerdings nicht mehr entscheiden.


cc) Auf die Frage, ob auch die Nichtbeantwortung des Benennungsverlangens eine neue Tatsache darstellt, kommt es damit ebenfalls nicht mehr entscheidend an.


Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zur Rechtsfortbildung im Hinblick auf die von dem Beklagten aufgeworfene Frage des Umfangs der Pflichtenkreise von Steuerpflichtigen und FA bei zu einem Benennungsverlangen gemäß § 160 AO Anlass gebenden Auslandssachverhalt zuzulassen.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 709 ZPO.



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