EuGH: USt-Satz bei Abgabe von Speisen an Imbissständen und Kinofoyers zum sofortigen Verzehr
EuGH, Urteil vom 10.3.2011 - verb Rs. C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09, FA Burgdorf (C‑497/09) gegen Manfred Bog, CinemaxX Entertainment GmbH & Co. KG, vormals Hans-Joachim Flebbe Filmtheater GmbH & Co. KG (C‑499/09), gegen FA Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst, Lothar Lohmeyer (C‑501/09) gegen FA Minden und Fleischerei Nier GmbH & Co. KG (C‑502/09) gegen FA Detmold
Tenor
1. Die Art. 5 und 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass
- die Abgabe frisch zubereiteter Speisen oder Nahrungsmittel zum sofortigen Verzehr an Imbissständen oder -wagen oder in Kino-Foyers eine Lieferung von Gegenständen im Sinne des genannten Art. 5 ist, wenn eine qualitative Prüfung des gesamten Umsatzes ergibt, dass die Dienstleistungselemente, die der Lieferung der Nahrungsmittel voraus‑ und mit ihr einhergehen, nicht überwiegen;
- die Tätigkeiten eines Partyservice außer in den Fällen, in denen dieser lediglich Standardspeisen ohne zusätzliches Dienstleistungselement liefert oder in denen weitere, besondere Umstände belegen, dass die Lieferung der Speisen der dominierende Bestandteil des Umsatzes ist, Dienstleistungen im Sinne des genannten Art. 6 darstellen.
2. Bei Lieferung von Gegenständen ist der Begriff „Nahrungsmittel" in Anhang H Kategorie 1 der durch die Richtlinie 92/111 geänderten Sechsten Richtlinie 77/388 dahin auszulegen, dass er auch Speisen oder Mahlzeiten umfasst, die durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind.
Aus den Gründen
1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 2, Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 (ABl. L 384, S. 47) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie) sowie des Begriffs „Nahrungsmittel" in Anhang H Kategorie 1 der Sechsten Richtlinie.
2
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von vier Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Finanzamt Burgdorf und Herrn Bog (Rechtssache C‑497/09), der CinemaxX Entertainment GmbH & Co. KG, ehemals Hans‑Joachim Flebbe Filmtheater GmbH & Co. KG (im Folgenden: CinemaxX), und dem Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst (Rechtssache C‑499/09), Herrn Lohmeyer und dem Finanzamt Minden (Rechtssache C‑501/09) sowie der Fleischerei Nier GmbH & Co. KG (im Folgenden: Fleischerei Nier) und dem Finanzamt Detmold (Rechtssache C‑502/09) über die Frage, ob verschiedene Tätigkeiten der Abgabe zubereiteter Speisen oder Nahrungsmittel zum sofortigen Verzehr eine Lieferung von Gegenständen im Sinne des Art. 5 der Sechsten Richtlinie oder eine Dienstleistung im Sinne des Art. 6 dieser Richtlinie darstellen und ob sie, falls es sich dabei um eine Lieferung von Gegenständen handelt, als Verkauf von „Nahrungsmitteln" im Sinne von Anhang H Kategorie 1 der Sechsten Richtlinie dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz nach den deutschen Rechtsvorschriften unterliegen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3
Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie lautet:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen:
1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt".
4
Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie lautet:
„Als Lieferung eines Gegenstands gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen."
5
Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„Als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne des Artikels 5 ist.
..."
6
Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Sechsten Richtlinie sieht vor:
„Der Normalsatz der Mehrwertsteuer wird von jedem Mitgliedstaat als ein Prozentsatz der Besteuerungsgrundlage festgelegt, der für Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen identisch ist.
...
Die Mitgliedstaaten können außerdem einen oder zwei ermäßigte Sätze anwenden. Diese Sätze werden als ein Prozentsatz der Besteuerungsgrundlage festgelegt, der nicht niedriger als 5 % sein darf, und sind nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H genannten Kategorien anwendbar."
7
Anhang H („Verzeichnis der Gegenstände und Dienstleistungen, auf die ermäßigte [Mehrwertsteuersätze] angewandt werden können") der Sechsten Richtlinie führt in Kategorie 1 auf: „Nahrungs- und Futtermittel (einschließlich Getränke, alkoholische Getränke jedoch ausgenommen), ... üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendete Zutaten, üblicherweise als Zusatz oder als Ersatz für Nahrungs- und Futtermittel verwendete Erzeugnisse".
8
Nach der Richtlinie 2009/47/EG des Rates vom 5. Mai 2009 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf ermäßigte Mehrwertsteuersätze (ABl. L 116, S. 18) können die Mitgliedstaaten einen ermäßigten Steuersatz für „Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen" einführen. Diese Richtlinie war jedoch zur Zeit der in den Ausgangsverfahren maßgeblichen Vorgänge nicht in Kraft.
Nationales Recht
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§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) bestimmt:
„Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:
1. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt."
10
Nach § 3 Abs. 1 UStG sind „Lieferungen eines Unternehmens ... Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht)".
11
§ 3 Abs. 9 UStG sieht vor:
„Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. ... Die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle ist eine sonstige Leistung. Speisen und Getränke werden zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben, wenn sie nach den Umständen der Abgabe dazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Abgabeort in einem räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden."
12
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz anwendbar u. a. auf die Lieferung von „Zubereitungen von Fleisch, Fischen [usw.]", von „Zubereitungen aus Getreide, Mehl, Stärke oder Milch [sowie] Backwaren", von „Zubereitungen von Gemüse, Früchten [usw.]" und von „verschiedene[n] Lebensmittelzubereitungen" (diese Waren sind in den Nrn. 28 und 31 bis 33 der Anlage 2 aufgeführt, auf die diese Bestimmung verweist).
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Rechtssache C‑497/09
13
Herr Bog verkaufte auf Wochenmärkten in drei gleichartigen Imbisswagen Getränke und verzehrfertig zubereitete Speisen (insbesondere verschiedene Würste und Pommes frites). Diese Imbisswagen verfügten über eine Verkaufstheke mit Spritzschutz aus Glas und ein darunter angebrachtes, aus einem unter der Bezeichnung „Resopal" im Handel erhältlichen Material hergestelltes umlaufendes „Brett", das zum Verzehr der Speisen an Ort und Stelle genutzt werden konnte. An den Seiten der Fahrzeuge, über der Deichsel, befand sich eine Vorrichtung, die als herausklappbare „Zunge" beschrieben wird und nach Art eines Tisches in gleicher Höhe und aus dem gleichen Material hergestellt war wie das umlaufende „Brett". Der Bereich, in dem sich die Kunden zum Verzehr aufhalten konnten, war durch ein herausklappbares Dach vor Regen geschützt.
14
In seiner Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2004 erklärte Herr Bog die Umsätze aus dem Verkauf von Getränken als dem Regelsteuersatz der Mehrwertsteuer, die Umsätze aus dem Verkauf von Speisen hingegen als dem ermäßigten Steuersatz unterliegend. Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Kunden von Herrn Bog die Waren in der Regel an Ort und Stelle verzehrten. Da Herr Bog keine Angaben zum Umfang des Verzehrs an den Imbisswagen machte, wurden die Umsätze aus dem Verkauf von Speisen zum Regelsteuersatz auf insgesamt 70 % geschätzt.
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Das Finanzamt erließ demgemäß am 27. Dezember 2006 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2004. Gegen diesen Bescheid legte Herr Bog Einspruch ein.
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Das zuständige Finanzgericht gab der Klage von Herrn Bog statt und führte im Wesentlichen aus, dass es für die Abgrenzung der Umsätze aus der Abgabe von Speisen zum Regelsatz der Mehrwertsteuer von denjenigen zum ermäßigten Satz entscheidend sei, ob die Dienstleistungselemente qualitativ überwögen. Im vorliegenden Fall handele es sich um Lieferungen von Gegenständen, da der Kläger des Ausgangsverfahrens neben der Zubereitung von Speisen nur überdachte Ablageflächen an seinen Imbisswagen bereitgehalten habe, wo die Speisen zum Verzehr abgestellt werden könnten und Abfalleimer zur Verfügung stünden. Andere Dienstleistungselemente, die bei einem Restaurantbesuch das Gesamtbild der angebotenen Leistungen des Gastwirts prägten (u. a. Bedienung, Sitzgelegenheit, geschlossene und temperierte Räume sowie ansprechende Verzehrgelegenheiten im Freien, Vorhandensein von Garderobe und Toiletten), fehlten jedoch.
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Das Finanzamt legte gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Revision beim Bundesfinanzhof ein und machte geltend, dass die Abgabe von Speisen mit Leistungen (Zubereitung der Nahrungsmittel zu Speisen und Vorhalten von überdachten Verzehrvorrichtungen) verbunden gewesen sei, die über die bloße Vermarktung hinausgegangen seien.
18
Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der Gerichtshof im Urteil vom 2. Mai 1996, Faaborg-Gelting Linien (C‑231/94, Slg. 1996, I‑2395), zur Abgrenzung der Lieferung von Gegenständen von der Dienstleistung bei der Abgabe von Speisen und Getränken zwischen Restaurationsumsätzen und Umsätzen, die sich auf Nahrungsmittel zum Mitnehmen bezögen, unterschieden habe. Restaurationsumsätze (Dienstleistungen) seien danach durch „eine Reihe von Dienstleistungen und Vorgängen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen" gekennzeichnet, von denen nur ein Teil in der Lieferung von Nahrungsmitteln bestehe, während die Dienstleistungen bei Weitem überwögen; dagegen lägen Nahrungsmittel zum Mitnehmen (Lieferung von Gegenständen) vor, wenn neben der Lieferung der Nahrungsmittel „keine Dienstleistungen erbracht werden, die den Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalten sollen".
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Zudem sei der Bundesfinanzhof bisher davon ausgegangen, dass es nicht auf ein quantitatives Überwiegen der Dienstleistungselemente der Bewirtung gegenüber den Elementen der Speisenherstellung und -lieferung, sondern darauf ankomme, ob bei einer Gesamtwürdigung die eine Bewirtung kennzeichnenden Dienstleistungen qualitativ überwögen. Eine quantitative Betrachtung führe außerdem wegen der Vielgestaltigkeit der Sachverhalte, d. h. sowohl wegen der Verschiedenartigkeit und Komplexität der Speisen als auch ihrer Darreichungsformen, zu nicht lösbaren Abgrenzungsproblemen.
20
Den Vorgang der Zubereitung von Speisen oder Mahlzeiten zu einem vom jeweiligen Kunden bestimmten Zeitpunkt habe der Bundesfinanzhof als ein wesentliches Dienstleistungselement berücksichtigt, das zusammen mit einem zusätzlichen Dienstleistungselement, wie im vorliegenden Fall der Bereitstellung von Stehtischen oder anderen den sofortigen Verzehr erleichternden Vorrichtungen, die Beurteilung erlaube, dass die Dienstleistungen qualitativ überwögen.
21
Angesichts der derzeitigen Entwicklungen im Mehrwertsteuerrecht der Union fragt sich das vorlegende Gericht jedoch, ob nicht bereits die Zubereitung von Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr den Umsatz wesentlich präge und es deshalb unerheblich sei, ob noch weitere Dienstleistungen hinzukämen.
22
Falls dagegen die Lieferung von Mahlzeiten nur bei Hinzutreten weiterer Dienstleistungen als Dienstleistung anzusehen sei, sei zu beachten, dass der Beklagte des Ausgangsverfahrens zusätzliche Vorrichtungen bereitgestellt habe, die den Verzehr an Ort und Stelle ermöglichten. Im vorliegenden Fall habe ein Teil der Kunden die zubereiteten Speisen oder Mahlzeiten allerdings nur zum Mitnehmen erworben und damit von den bereitgestellten Verzehrvorrichtungen keinen Gebrauch gemacht.
23
Falls schließlich die zum sofortigen Verzehr zubereiteten Speisen oder Mahlzeiten keine „Nahrungsmittel" im Sinne von Anhang H Kategorie 1 der Sechsten Richtlinie seien, seien die Mitgliedstaaten nicht ermächtigt, diese Speisen oder Mahlzeiten einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu unterwerfen, auch wenn es sich um eine Lieferung von Gegenständen handele.
24
Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Handelt es sich um eine Lieferung von Gegenständen im Sinne von Art. 5 der Sechsten Richtlinie, wenn zum sofortigen Verzehr zubereitete Speisen oder Mahlzeiten abgegeben werden?
2. Kommt es für die Beantwortung der Frage 1 darauf an, ob zusätzliche Dienstleistungselemente erbracht werden (Bereitstellung von Verzehrvorrichtungen)?
3. Falls die Frage zu 1 bejaht wird: Ist der Begriff „Nahrungsmittel" im Anhang H Kategorie 1 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass darunter nur Nahrungsmittel „zum Mitnehmen" fallen, wie sie typischerweise im Lebensmittelhandel verkauft werden, oder fallen darunter auch Speisen oder Mahlzeiten, die - durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise - zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind?
Rechtssache C‑499/09
25
CinemaxX betreibt an mehreren Standorten in Deutschland Kinos.
26
In den Foyers dieser Kinos können die Kinobesucher nicht nur Süßwaren und Getränke, sondern auch Portionen von Popcorn und „Tortilla"-Chips („Nachos") in verschiedenen Größen erwerben. An den Verkaufsständen sind keine Verzehrtheken angebracht, in den Foyers einiger Kinos sind jedoch in unterschiedlicher Anzahl Stehtische, Barhocker, zum Teil Sitzbänke, Stühle, Sitztische und Wandtresen anzutreffen. Es sind jedoch nicht in allen Kinos sämtliche Einrichtungen vorhanden. In manchen Kinosälen sind Getränkehalter an den Kinosesseln angebracht.
27
Zur Herstellung von Popcorn sind Zucker, Mais, Popcornsalz und Fett in einem bestimmten Verhältnis in eine Popcornmaschine zu geben, in der diese Zutaten erhitzt werden. Ein Teil der Ware gelangt sodann umgehend in die an der Verkaufstheke vorhandenen Tresenwärmer. Bei einer Bestellung wird das Popcorn mittels einer Schaufel aus dem Tresenwärmer in unterschiedlich große Papiertüten gefüllt. Die restliche Ware wird in großen Tüten oder Wannen gelagert und dann nach Bedarf in die Tresenwärmer umgefüllt. Die „Tortilla"-Chips werden in der Regel in Packungen zu je 500 g bei Lieferanten bestellt. Auch sie gelangen in einen Tresenwärmer, in dem sie lauwarm gehalten werden. Zu den Chips werden verschiedene Saucen („Dips") angeboten. Diese werden in größeren Behältern servierfertig angeliefert. Die Saucen werden gewärmt und portioniert.
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In ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für Juni 2005 erklärte CinemaxX die Umsätze aus dem Verkauf des Popcorns und der „Tortilla"-Chips als dem ermäßigten Steuersatz unterliegend. Das Finanzamt stimmte dieser Voranmeldung nicht zu und erließ einen Bescheid, in dem es diese Umsätze der Regelbesteuerung unterwarf.
29
Der von CinemaxX gegen diesen Bescheid beim Finanzamt eingelegte Einspruch sowie ihre beim zuständigen Finanzgericht erhobene Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht vertrat die Auffassung, dass es sich bei den fraglichen Umsätzen nicht um Lieferungen von Gegenständen, sondern um „sonstige Leistungen" im Sinne von § 3 Abs. 9 UStG handele, da CinemaxX keine Nahrungsmittel zum Mitnehmen, sondern Speisen zum sofortigen Verzehr abgegeben habe.
30
Mit der zum vorlegenden Gericht eingelegten Revision macht CinemaxX geltend, dass bei der Abgabe von Speisen und Mahlzeiten nur dann ein dem Regelsatz der Mehrwertsteuer unterliegender Restaurationsumsatz vorliege, wenn das Dienstleistungselement von überwiegender Bedeutung sei. Auf das Warmhalten des Popcorns und der „Tortilla"-Chips komme es nicht an, da es sich dabei lediglich um eine lebensmittelgerechte Lagerung und/oder die Gewährleistung einer für den Verkauf optimalen Temperatur handele. Auch das Fehlen einer Mitnahmeverpackung sei unschädlich, da dies weder das Fehlen eines Dienstleistungselements noch das Fehlen eines ansprechenden Rahmens zum Verzehr an Ort und Stelle ausgleichen könne. Ebenso wenig dürfe die Reinigung der Kinosäle zulasten von CinemaxX berücksichtigt werden. Die Stehtische, Barhocker und sonstigen Einrichtungsgegenstände seien nicht für den Verzehr des Popcorns und der „Tortilla"-Chips bestimmt, da die Personen, die diese Lebensmittel in einem Kino kauften, sie ganz überwiegend nicht im Foyer, sondern im Kinosaal verzehrten. Im Übrigen unterschieden sich die von ihr ausgeführten Leistungen nicht von denen, die in Supermärkten oder an Kiosken im Zusammenhang mit dem Verkauf von Lebensmitteln erbracht würden. Der Verkauf diene aus der Sicht des durchschnittlichen Kinobesuchers lediglich der Abrundung des Kinobesuchs. CinemaxX erbringe keine Dienstleistungen im Darreichungsbereich, wie Bedienung am Platz.
31
Aus den gleichen Gründen wie den in den Randnrn. 18 bis 23 des vorliegenden Urteils zur Rechtssache C‑497/09 dargelegten hat der Bundesfinanzhof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Handelt es sich um eine Lieferung von Gegenständen im Sinne von Art. 5 der Sechsten Richtlinie, wenn zum sofortigen Verzehr zubereitete Speisen oder Mahlzeiten abgegeben werden?
2. Kommt es für die Beantwortung der Frage 1 darauf an, ob zusätzliche Dienstleistungselemente erbracht werden (Nutzungsüberlassung von Tischen, Stühlen, sonstigen Verzehrvorrichtungen, Präsentation eines Kinoerlebnisses)?
3. Falls die Frage zu 1 bejaht wird: Ist der Begriff „Nahrungsmittel" im Anhang H Kategorie 1 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass darunter nur Nahrungsmittel „zum Mitnehmen" fallen, wie sie typischerweise im Lebensmittelhandel verkauft werden, oder fallen darunter auch Speisen oder Mahlzeiten, die - durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise - zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind?
Rechtssache C‑501/09
32
Herr Lohmeyer betrieb in den Jahren 1996 bis 1999 mehrere Imbissstände und einen Schwenkgrill. Er verkaufte dort verzehrfertige Speisen (Bratwürste, Currywürste, Hot Dogs, Pommes frites, Steaks, Bauchfleisch, Spieße, Bauchrippen). Er erklärte sämtliche Umsätze aus der Abgabe dieser Speisen als dem ermäßigten Steuersatz unterliegend.
33
Das Finanzamt stellte jedoch fest, dass an den Imbissständen Ablagebretter angebracht waren. Es meinte, dass es sich dabei um besondere Vorrichtungen handele, die zum Verzehr von Speisen an Ort und Stelle bereitgehalten würden, so dass die betreffenden Umsätze grundsätzlich dem Regelsatz der Mehrwertsteuer zu unterwerfen seien. Da das Finanzamt nicht ausschloss, dass ein Teil der Kunden die vorhandenen Ablagebretter nicht zum Verzehr benutzt, sondern die Speisen zum Mitnehmen erworben habe, schätzte es den Anteil der der Regelbesteuerung unterliegenden Umsätze auf insgesamt 80 %.
34
Das Finanzamt erließ am 28. Mai 2002 dementsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1996 bis 1999. Der von Herrn Lohmeyer hiergegen eingelegte Einspruch und seine Klage hatten keinen Erfolg.
35
Herr Lohmeyer macht mit seiner Revision vor dem vorlegenden Gericht im Wesentlichen geltend, dass das Ablagebrett an einem Imbissstand keine Infrastruktur im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs sei.
36
Unter Hinweis auf das Urteil Faaborg-Gelting Linien entschied der Bundesfinanzhof in einem Urteil vom 18. Dezember 2008, dass der Vorgang der Zubereitung von Speisen oder Mahlzeiten zu einem - vom jeweiligen Kunden - bestimmten Zeitpunkt ein wesentliches Dienstleistungselement darstelle. Unter Berücksichtigung der an dieser Rechtsprechung geäußerten Kritik hält es das vorlegende Gericht jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit für zweifelsfrei, dass die Zubereitung einer Speise zu einem bestimmten Zeitpunkt als ein wesentliches Dienstleistungselement zu berücksichtigen sei, das entweder allein oder zusammen mit einer nicht unwesentlichen zusätzlichen Dienstleistung bei der Abgabe an den Kunden dazu führe, insgesamt eine Dienstleistung anzunehmen.
37
Deshalb hat der Bundesfinanzhof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist der Begriff „Nahrungsmittel" in Anhang H Kategorie 1 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass darunter nur Nahrungsmittel „zum Mitnehmen" fallen, wie sie typischerweise im Lebensmittelhandel verkauft werden, oder fallen darunter auch Speisen oder Mahlzeiten, die - durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise - zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind?
2. Falls „Nahrungsmittel" im Sinne des Anhangs H Kategorie 1 der Sechsten Richtlinie auch Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr sind: Ist Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass darunter die Abgabe frisch zubereiteter Speisen oder Mahlzeiten fällt, die der Abnehmer unter Inanspruchnahme von Verzehrvorrichtungen, wie z. B. Ablagebrettern, Stehtischen oder Ähnlichem, an Ort und Stelle verzehrt und nicht mitnimmt?
Rechtssache C‑502/09
38
Die Fleischerei Nier betrieb als Kommanditgesellschaft eine Fleischerei und einen Partyservice. Im Rahmen des Partyservice lieferte sie die bestellten Speisen in verschlossenen Warmhalteschalen aus, wobei sie je nach Kundenwunsch auch Geschirr und Besteck, Stehtische und Personal zur Verfügung stellte.
39
In ihren Rechnungen wandte die Fleischerei Nier auf die Entgelte für die Überlassung von Geschirr, Besteck, Stehtischen und Personal den Regelsatz der Mehrwertsteuer und auf die Entgelte für die Speisen den ermäßigten Steuersatz an.
40
Das Finanzamt vertrat jedoch die Auffassung, dass auch die Essenslieferungen, soweit sie mit der Beistellung von Geschirr, Besteck, Stehtischen oder Personal verbunden gewesen seien, dem Regelsteuersatz unterlägen, und erließ einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid.
41
Im Einspruchsverfahren erzielten die Beteiligten Einvernehmen darüber, dass die Entgelte für die Essenslieferungen dem Regelsatz der Mehrwertsteuer in den Fällen zu unterwerfen seien, in denen die Fleischerei Nier auch Bedienungspersonal gestellt hatte. Der Einspruch und die Klage gegen den geänderten Steuerbescheid hatten keinen Erfolg.
42
Mit ihrer Revision macht die Fleischerei Nier im Wesentlichen geltend, die Überlassung von Geschirr und Besteck sei eine Nebenleistung zur Essenslieferung, die es nicht rechtfertige, die gesamte Leistung als Dienstleistung zu qualifizieren. Für die Tätigkeit eines Partyservice sei typisch, dass der Kunde seine Gäste in den heimischen Räumlichkeiten bewirten wolle, so dass Umsätze dieser Art nicht Restaurationsumsätzen gleichzusetzen seien.
43
Der Bundesfinanzhof vertritt unter Berufung auf das Urteil Faaborg-Gelting Linien die Ansicht, dass die Leistungen eines Partyservice-Unternehmens eine einheitliche Leistung seien, wenn zusätzlich zur Abgabe der zubereiteten Speisen Geschirr und Besteck überlassen und anschließend gereinigt würden, und dass der Vorgang der Zubereitung der Speisen oder Mahlzeiten zu einem - vom jeweiligen Kunden - bestimmten Zeitpunkt ein wesentliches Dienstleistungselement darstelle. Unter Berücksichtigung der Einwände der Fleischerei Nier und der in der Literatur geäußerten Kritik hält es das vorlegende Gericht jedoch nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit für zweifelsfrei, dass die dargestellte Rechtsprechung den Grundsätzen des Unionsrechts entspreche.
44
Ein Partyservice-Unternehmen erbringe seinen Abnehmern gegenüber unabhängig davon, ob diese außer der Lieferung von Speisen nur eine oder aber mehrere der fakultativ angebotenen zusätzlichen Leistungen, wie die Überlassung von Besteck, Geschirr, Stehtischen oder Personal, in Anspruch nähmen, eine einheitliche Leistung und nicht mehrere selbständige Hauptleistungen.
45
Es erscheine klärungsbedürftig, ob es mit dem Unionsrecht in Einklang stehe, dass bei der Qualifizierung der einheitlichen Leistung eines Partyservice-Unternehmens der Vorgang der Zubereitung der Speisen aus verschiedenen Nahrungsmitteln als ein Dienstleistungselement berücksichtigt werde.
46
Es sei erforderlich, praxistaugliche Kriterien herauszuarbeiten, um zu vorhersehbaren Ergebnissen bei der Qualifizierung dieser Leistungen zu gelangen und Rechtssicherheit für die betroffenen Unternehmer zu gewährleisten. Die einheitliche Leistung sei zweifellos immer dann als Dienstleistung zu qualifizieren, wenn Bedienungspersonal überlassen werde; demgegenüber seien die übrigen der in Betracht kommenden Dienstleistungen dann nicht als prägend oder dominierend anzusehen, wenn die Summe ihrer tatsächlichen Kosten weit hinter den tatsächlichen Kosten für die verzehrfertig zubereiteten Speisen zurückbleibe.
47
Fraglich sei jedoch, ob diese Betrachtungsweise mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs vereinbar sei. Nach dessen Urteil vom 27. Oktober 2005, Levob Verzekeringen und OV Bank (C‑41/04, Slg. 2005, I‑9433, Randnr. 28), könnten bei der Bestimmung der dominierenden Bestandteile einer komplexen Leistung u. a. auch die auf sie entfallenden Kosten relevant sein, während nach dem Urteil vom 29. März 2007, Aktiebolaget NN (C‑111/05, Slg. 2007, I‑2697, Randnr. 37), bei der Qualifizierung eines komplexen Umsatzes den Kosten allein keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen dürfe.
48
Der Bundesfinanzhof hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist der Begriff „Nahrungsmittel" in Anhang H Kategorie 1 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass darunter nur Nahrungsmittel „zum Mitnehmen" fallen, wie sie typischerweise im Lebensmittelhandel verkauft werden, oder fallen darunter auch Speisen oder Mahlzeiten, die - durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise - zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind?
2. Falls „Nahrungsmittel" im Sinne des Anhangs H Kategorie 1 der Sechsten Richtlinie auch Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr sind: Ist der Vorgang der Zubereitung der Speisen oder Mahlzeiten als Dienstleistungselement zu berücksichtigen, wenn zu entscheiden ist, ob die einheitliche Leistung eines Partyservice-Unternehmens (Überlassung von verzehrfertigen Speisen oder Mahlzeiten sowie deren Transport und gegebenenfalls Überlassung von Besteck und Geschirr und/oder von Stehtischen sowie das Abholen der zur Nutzung überlassenen Gegenstände) als steuerbegünstigte Lieferung von Nahrungsmitteln (Anhang H Kategorie 1 dieser Richtlinie) oder als nicht steuerbegünstigte Dienstleistung (Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie) zu qualifizieren ist?
3. Falls die Frage zu 2 verneint wird: Ist es mit Art. 2 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie vereinbar, bei der Qualifizierung der einheitlichen Leistung eines Partyservice-Unternehmens entweder als Warenlieferung oder als Dienstleistung eigener Art typisierend allein auf die Anzahl der Elemente mit Dienstleistungscharakter (zwei oder mehr) gegenüber dem Lieferungsanteil abzustellen, oder sind die Elemente mit Dienstleistungscharakter unabhängig von ihrer Zahl zwingend - und bejahendenfalls nach welchen Merkmalen - zu gewichten?
49
Da die Rechtssachen C‑497/09, C‑499/09, C‑501/09 und C‑502/09 miteinander in Zusammenhang stehen, sind sie mit Beschluss des Präsidenten vom 3. Februar 2010 gemäß Art. 43 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.
Zu den Vorlagefragen
50
Mit den ersten beiden Fragen in den Rechtssachen C‑497/09 und C‑499/09, der zweiten Frage in der Rechtssache C‑501/09 sowie der zweiten und der dritten Frage in der Rechtssache C‑502/09, die zusammen zu behandeln sind, begehrt das vorlegende Gericht vom Gerichtshof im Wesentlichen Aufschluss darüber, ob die in den vier Ausgangsverfahren in Rede stehenden verschiedenen Tätigkeiten der Abgabe zubereiteter Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr Lieferungen von Gegenständen im Sinne von Art. 5 der Sechsten Richtlinie oder Dienstleistungen im Sinne von Art. 6 dieser Richtlinie darstellen und wie sich zusätzliche Dienstleistungselemente insoweit auswirken könnten.
Vorbemerkungen
51
Zunächst ist zu bestimmen, ob die verschiedenen Tätigkeiten, um die es im jeweiligen Ausgangsverfahren geht, für die Zwecke der Mehrwertsteuer als jeweils eigene, getrennt steuerbare Umsätze oder als komplexe, aus mehreren Einzelleistungen zusammengesetzte Umsätze, die eine Einheit bilden, zu behandeln sind.
52
Wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, ist bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung vorliegt und ob im letztgenannten Fall diese einheitliche Leistung als Lieferung von Gegenständen oder als Dienstleistung einzustufen ist (vgl. Urteile Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnr. 19, und Aktiebolaget NN, Randnr. 21).
53
Der Gerichtshof hat außerdem festgestellt, dass sich zum einen aus Art. 2 der Sechsten Richtlinie ergibt, dass jeder Umsatz in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten ist, und dass zum anderen ein Umsatz, der eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellt, im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden darf. Eine einheitliche Leistung liegt dann vor, wenn zwei oder mehr Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (Urteile Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnrn. 20 und 22, sowie Aktiebolaget NN, Randnrn. 22 und 23).
54
Eine einheitliche Leistung liegt auch dann vor, wenn ein oder mehrere Teile als die Hauptleistung, andere Teile aber als Nebenleistungen anzusehen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist insbesondere dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. insbesondere Urteile vom 25. Februar 1999, CPP, C‑349/96, Slg. 1999, I‑973, Randnr. 30, Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnr. 21, vom 11. Juni 2009, RLRE Tellmer Property, C‑572/07, Slg. 2009, I‑4983, Randnr. 18, und vom 2. Dezember 2010, Everything Everywhere, C‑276/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 24 und 25).
55
Ob es sich in einem konkreten Fall so verhält, haben im Rahmen der mit Art. 267 AEUV errichteten Zusammenarbeit die nationalen Gerichte festzustellen, die dazu alle endgültigen Tatsachenbeurteilungen vorzunehmen haben (vgl. in diesem Sinne Urteile CPP, Randnr. 32, sowie Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnr. 23).
56
Im vorliegenden Fall besteht in allen Ausgangsverfahren eine Kombination aus der Lieferung eines oder mehrerer Gegenstände und verschiedenen Handlungen mit Dienstleistungscharakter; nach Ansicht des vorlegenden Gerichts bilden dabei die Lieferungen und die Dienstleistungselemente mehrwertsteuerrechtlich einen einheitlichen Umsatz. Weder den Vorlageentscheidungen noch den vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen ist zu entnehmen, dass diese Qualifikation nicht in Übereinstimmung mit den genannten Kriterien vorgenommen worden wäre.
57
Bei den Leistungen, die im Rahmen einer Tätigkeit als Partyservice wie der im Ausgangsverfahren C‑502/09 fraglichen erbracht werden, ist u. a. zu beachten, dass das Vorliegen eines einheitlichen Umsatzes nicht davon abhängt, ob der Partyservice-Unternehmer eine einzige Rechnung, in der alle Elemente aufgeführt sind, oder eine getrennte Rechnung für die Lieferung der Speisen ausstellt (vgl. in diesem Sinne Urteile CPP, Randnr. 31, Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnr. 25, und Everything Everywhere, Randnr. 29).
Zur Qualifikation als Lieferung von Gegenständen oder als Dienstleistung
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Mit der Sechsten Richtlinie ist ein gemeinsames Mehrwertsteuersystem geschaffen worden, das insbesondere auf einer einheitlichen Definition der steuerbaren Umsätze beruht (vgl. u. a. Urteil vom 21. Februar 2006, Halifax u. a., C‑255/02, Slg. 2006, I‑1609, Randnr. 48).
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In Bezug auf den Begriff „Lieferung von Gegenständen" bestimmt Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie, dass als eine solche die Übertragung der Befähigung gilt, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Hierzu stellt die Rechtsprechung des Gerichtshofs klar, dass dieser Begriff jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei umfasst, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (vgl. insbesondere Urteil Halifax u. a., Randnr. 51).
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Der Begriff „Dienstleistungen" erfasst nach Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne des Art. 5 dieser Richtlinie ist.
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Bei der Prüfung, ob eine komplexe einheitliche Leistung wie diejenigen, um die es in den verschiedenen Ausgangsverfahren geht, als „Lieferung von Gegenständen" oder als „Dienstleistung" einzustufen ist, sind sämtliche Umstände, unter denen der Umsatz abgewickelt wird, zu berücksichtigen, um dessen charakteristische Bestandteile zu ermitteln, und darunter die dominierenden Bestandteile zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteile Faaborg-Gelting Linien, Randnrn. 12 und 14, Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnr. 27, Aktiebolaget NN, Randnr. 27, und vom 11. Februar 2010, Graphic Procédé, C‑88/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 24).
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Zu beachten ist weiter, dass der dominierende Bestandteil aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers (vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteile Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnr. 22, und Everything Everywhere, Randnr. 26) und - im Rahmen einer Gesamtbetrachtung - mit Rücksicht auf die qualitative und nicht nur quantitative Bedeutung der Dienstleistungselemente im Vergleich zu den Elementen einer Lieferung von Gegenständen zu bestimmen ist.
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Da die Vermarktung eines Gegenstands stets mit einer minimalen Dienstleistung, wie dem Darbieten der Waren in Regalen oder dem Ausstellen einer Rechnung, verbunden ist, können bei der Beurteilung des Anteils der Dienstleistung an der Gesamtheit eines komplexen Geschäfts, zu dem auch die Lieferung eines Gegenstands gehört, nur diejenigen Dienstleistungen berücksichtigt werden, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung eines Gegenstands verbunden sind (Urteil vom 10. März 2005, Hermann, C‑491/03, Slg. 2005, I‑2025, Randnr. 22).
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Der Gerichtshof hat in Randnr. 14 des Urteils Faaborg-Gelting Linien insbesondere entschieden, dass Restaurationsumsätze durch eine Reihe von Vorgängen gekennzeichnet sind, von denen nur ein Teil in der Lieferung von Nahrungsmitteln besteht, während die Dienstleistungen bei Weitem überwiegen. Sie sind daher als Dienstleistung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie zu betrachten. Etwas anderes gilt hingegen, wenn sich der Umsatz auf Nahrungsmittel zum Mitnehmen bezieht und daneben keine Dienstleistungen erbracht werden, die den Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalten sollen.
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So hat der Gerichtshof zu Restaurationsumsätzen an Bord von Fährschiffen ausgeführt, dass die Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen ist und dass dabei dem Gast zugleich eine organisatorische Gesamtheit zur Verfügung gestellt wird, die sowohl einen Speisesaal mit Nebenräumen (u. a. Garderobe) als auch das Mobiliar und das Geschirr umfasst. Gegebenenfalls werden Kellner das Gedeck auflegen, den Gast beraten, die angebotenen Speisen oder Getränke erläutern, diese auftragen und schließlich nach dem Verzehr die Tische abräumen (Urteil Faaborg-Gelting Linien, Randnr. 13).
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Im vorliegenden Fall betreffen die in den Ausgangsverfahren in den Rechtssachen C‑497/09 und C‑501/09 fraglichen Tätigkeiten nach den Angaben des vorlegenden Gerichts den Verkauf von Würsten, Pommes frites und anderen Nahrungsmitteln an Imbisswagen oder ‑ständen zum sofortigen warmen Verzehr.
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Dazu ist zunächst festzustellen, dass die Abgabe solcher Waren ihr Kochen, Backen, Braten oder Aufwärmen voraussetzt, was eine Dienstleistung darstellt, die im Rahmen der Gesamtbeurteilung des fraglichen Umsatzes zum Zweck seiner Einstufung als Lieferung von Gegenständen oder als Dienstleistung zu berücksichtigen ist.
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Da sich jedoch die Zubereitung des warmen Endprodukts im Wesentlichen auf einfache, standardisierte Handlungen beschränkt, die in den meisten Fällen nicht auf Bestellung eines bestimmten Kunden, sondern entsprechend der allgemein vorhersehbaren Nachfrage ständig oder in Abständen vorgenommen werden, stellt diese Zubereitung nicht den überwiegenden Bestandteil des fraglichen Umsatzes dar und kann allein diesem nicht den Charakter einer Dienstleistung verleihen.
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Was die charakteristischen Dienstleistungsbestandteile der Restaurationsumsätze angeht, wie sie sich aus der in den Randnrn. 63 bis 65 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergeben, so gibt es im Rahmen der in den Ausgangsverfahren in den Rechtssachen C‑497/09 und C‑501/09 in Rede stehenden Tätigkeiten keinen Kellnerservice, keine echte Beratung der Kunden und keine Bedienung im eigentlichen Sinne, die insbesondere in der Weiterleitung der Bestellungen an die Küche, in der späteren Präsentation der Speisen und deren Darreichung an den Kunden am Tisch bestünde, auch sind keine geschlossenen, temperierten Räume speziell für den Verzehr der abgegebenen Nahrungsmittel, keine Garderobe und keine Toiletten vorhanden, und es wird ganz überwiegend kein Geschirr, kein Mobiliar und kein Gedeck bereitgestellt.
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Die vom vorlegenden Gericht genannten Dienstleistungselemente bestehen nämlich nur in der Bereitstellung behelfsmäßiger Vorrichtungen, d. h. ganz einfacher Verzehrtheken ohne Sitzgelegenheit, um einer beschränkten Zahl von Kunden den Verzehr an Ort und Stelle im Freien zu ermöglichen. Solche behelfsmäßigen Vorrichtungen erfordern nur einen geringfügigen personellen Einsatz. Unter diesen Umständen stellen diese Elemente nur geringfügige Nebenleistungen dar und können am dominierenden Charakter der Hauptleistung, d. h. dem einer Lieferung von Gegenständen, nichts ändern.
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Gleiches gilt für den Verkauf von Popcorn und „Tortilla"‑Chips in Kino-Foyers, wie er im Ausgangsverfahren in der Rechtssache C‑499/09 in Rede steht.
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Wie aus der Sachverhaltsschilderung des vorlegenden Gerichts hervorgeht, sind die Zubereitung von Popcorn, die mit dessen Herstellung zusammenfällt, sowie die Abgabe von Popcorn und „Tortilla"‑Chips in Verpackungen Bestandteil des Verkaufs dieser Waren und stellen somit keine vom Verkauf unabhängigen Umsätze dar. Zudem erfolgen sowohl die Zubereitung der Nahrungsmittel als auch ihre Warmhaltung gleichmäßig und nicht auf Bestellung eines bestimmten Kunden.
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Überdies wird das Mobiliar (Stehtische, Hocker, Stühle und Bänke), das es außerdem nicht in allen Kinos gibt, in der Regel unabhängig vom Verkauf von Popcorn und „Tortilla"‑Chips zur Verfügung gestellt, und die mit ihm ausgestatteten Bereiche dienen ebenso als Warteraum wie als Treffpunkt. Der Verzehr erfolgt in der Praxis zudem im Kinosaal. Dazu sind manche Kinosäle mit Getränkehaltern ausgestattet, die zugleich dazu dienen, die Säle sauber zu halten. Das bloße Vorhandensein dieses Mobiliars, das nicht ausschließlich dazu bestimmt ist, den Verzehr solcher Lebensmittel möglicherweise zu erleichtern, kann nicht als Dienstleistungselement angesehen werden, das geeignet wäre, dem Umsatz insgesamt die Eigenschaft einer Dienstleistung zu verleihen.
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Folglich ist bei den Tätigkeiten wie den in den Ausgangsverfahren in den Rechtssachen C‑497/09, C‑499/09 und C‑501/09 fraglichen das überwiegende Element der betreffenden Umsätze bei einer Gesamtbetrachtung die Lieferung von Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr, wobei die diesen wesenseigene einfache, standardisierte Zubereitung und die Bereitstellung behelfsmäßiger Vorrichtungen, die einer beschränkten Zahl von Kunden den Verzehr an Ort und Stelle erlaubt, eine rein untergeordnete Nebenleistung ist. Ob die Kunden die genannten behelfsmäßigen Vorrichtungen benutzen, ist ohne Bedeutung, da der sofortige Verzehr an Ort und Stelle, der kein wesentliches Merkmal des betreffenden Umsatzes darstellt, nicht für dessen Natur bestimmend sein kann.
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Was die Tätigkeiten eines bei Festen und Feierlichkeiten in Anspruch genommenen Partyservice wie die im Ausgangsverfahren in der Rechtssache C‑502/09 fraglichen angeht, so sind, wie sich aus Randnr. 38 des vorliegenden Urteils ergibt, je nach den Kundenwünschen mehrere Kombinationen von Umsätzen denkbar, die von der bloßen Zubereitung und Lieferung von Speisen bis zu einer umfassenden Leistung reichen können, die auch die Bereitstellung von Geschirr, Mobiliar (Tische und Stühle), die Darreichungsform der Gerichte, die Dekoration, die Bereitstellung von Personal für die Bedienung und die Beratung über die Zusammenstellung des Menüs und gegebenenfalls die Auswahl der Getränke umfassen kann.
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Wenn eine einheitliche Leistung vorliegt, hängt die Qualifizierung des Umsatzes als Lieferung von Gegenständen oder als Dienstleistung von der Gesamtheit der tatsächlichen Umstände ab, wobei die qualitativ überwiegenden Bestandteile aus der Sicht des Verbrauchers zu betrachten sind.
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Zu den von einem Partyservice nach Hause gelieferten Speisen ist festzustellen, dass sie im Gegensatz zu denjenigen, die in Imbissständen, Imbisswagen und Kinos abgegeben werden, im Allgemeinen nicht das Ergebnis einer bloßen Standardzubereitung sind, sondern einen deutlich größeren Dienstleistungsanteil aufweisen und mehr Arbeit und Sachverstand erfordern. Die Qualität der Gerichte, die Kreativität sowie die Darreichungsform sind hier Elemente, die in den meisten Fällen für den Kunden von entscheidender Bedeutung sind. Oftmals wird dem Kunden nicht nur die Möglichkeit geboten, sein Menü zusammenzustellen, sondern sogar, Speisen nach seinen Wünschen zubereiten zu lassen. Dieser Dienstleistungsanteil kommt im Übrigen auch im Sprachgebrauch zum Ausdruck, da umgangssprachlich im Allgemeinen vom Party„service" und den bei diesem „bestellten" und nicht „gekauften" Speisen gesprochen wird.
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Sodann werden die Speisen vom Partyservice in verschlossenen Warmhalteschalen angeliefert oder von ihm an Ort und Stelle aufgewärmt. Für den Kunden ist zudem wesentlich, dass die Speisen genau zu dem von ihm festgelegten Zeitpunkt geliefert werden.
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Des Weiteren können die Leistungen eines Partyservice dem Verzehr dienliche Elemente, wie die Bereitstellung von Geschirr, Besteck oder sogar Mobiliar, umfassen. Diese Elemente verlangen zudem im Unterschied zur bloßen Bereitstellung einer behelfsmäßigen Infrastruktur im Fall von Imbissständen, Imbisswagen oder Kinos einen gewissen personellen Einsatz, um das gestellte Material herbeizuschaffen, zurückzunehmen und gegebenenfalls zu reinigen.
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Im Licht dieser Erwägungen ist festzustellen, dass die Tätigkeit eines Partyservice außer in den Fällen, in denen dieser lediglich Standardspeisen ohne zusätzliches Dienstleistungselement liefert oder in denen weitere, besondere Umstände belegen, dass die Lieferung der Speisen der dominierende Bestandteil des Umsatzes ist, eine Dienstleistung darstellt.
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Daraus folgt, dass auf die ersten beiden Fragen in den Rechtssachen C‑497/09 und C‑499/09, auf die zweite Frage in der Rechtssache C‑501/09 und auf die zweite und die dritte Frage in der Rechtssache C‑502/09 zu antworten ist, dass die Art. 5 und 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass
- die Abgabe frisch zubereiteter Speisen oder Nahrungsmittel zum sofortigen Verzehr an Imbissständen oder -wagen oder in Kino-Foyers eine Lieferung von Gegenständen im Sinne des genannten Art. 5 ist, wenn eine qualitative Prüfung des gesamten Umsatzes ergibt, dass die Dienstleistungselemente, die der Lieferung der Nahrungsmittel voraus‑ und mit ihr einhergehen, nicht überwiegen;
- die Tätigkeiten eines Partyservice außer in den Fällen, in denen dieser lediglich Standardspeisen ohne zusätzliches Dienstleistungselement liefert oder in denen weitere, besondere Umstände belegen, dass die Lieferung der Speisen der dominierende Bestandteil des Umsatzes ist, Dienstleistungen im Sinne des genannten Art. 6 darstellen.
Zum Begriff „Nahrungsmittel" in Anhang H Kategorie 1 der Sechsten Richtlinie
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Mit der dritten Frage in den Rechtssachen C‑497/09 und C‑499/09 sowie der ersten Frage in den Rechtssachen C‑501/09 und C‑502/09, die zusammen zu behandeln sind, möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob der Begriff „Nahrungsmittel" in Anhang H Kategorie 1 der Sechsten Richtlinie, wenn die in den einzelnen Ausgangsverfahren fraglichen Umsätze Lieferungen von Gegenständen darstellen, auch zum sofortigen Verzehr zubereitete Speisen oder Mahlzeiten umfasst.
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Da die Sechste Richtlinie keine Definition des Begriffs „Nahrungsmittel" enthält, ist er in seinem Kontext innerhalb der Sechsten Richtlinie auszulegen (vgl. entsprechend Urteile vom 18. Januar 2001, Kommission/Spanien, C-83/99, Slg. 2001, I-445, Randnr. 17, und vom 18. März 2010, Erotic Center, C‑3/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 14).
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Dazu ergibt sich aus Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Sechsten Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten abweichend von dem Grundsatz, dass der normale Steuersatz gilt, einen oder zwei ermäßigte Sätze anwenden können. Zudem können die ermäßigten Mehrwertsteuersätze nach dieser Bestimmung nur auf die Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen angewandt werden, die in Anhang H der Richtlinie aufgeführt sind (vgl. Urteile Kommission/Spanien, Randnr. 18, und Erotic Center, Randnr. 15). Nach ständiger Rechtsprechung sind die Mehrwertsteuerbestimmungen, die Ausnahmen von einem Grundsatz darstellen, eng auszulegen, wobei darauf zu achten ist, dass der Ausnahme nicht ihre praktische Wirksamkeit genommen wird (vgl. insbesondere Urteile vom 30. September 2010, EMI Group, C‑581/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 20, und vom 28. Oktober 2010, AXA UK, C‑175/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 25).
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Anhang H Kategorie 1 der Sechsten Richtlinie bezieht sich auf Nahrungsmittel im Allgemeinen und trifft keine Unterscheidung oder Beschränkung nach der Art des Geschäfts, der Verkaufsmodalität, der Verpackung, der Zubereitung oder der Temperatur.
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Auch sind in dieser Bestimmung des Weiteren „üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendete Zutaten" und „üblicherweise als Zusatz oder als Ersatz für Nahrungs- und Futtermittel verwendete Erzeugnisse" aufgeführt.
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Schließlich dienen zum sofortigen Verzehr zubereitete Speisen und Mahlzeiten der Ernährung der Verbraucher.
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Mithin ist auf die dritte Frage in den Rechtssachen C‑497/09 und C‑499/09 sowie auf die erste Frage in den Rechtssachen C‑501/09 und C‑502/09 zu antworten, dass bei Lieferung von Gegenständen der Begriff „Nahrungsmittel" in Anhang H Kategorie 1 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er auch Speisen oder Mahlzeiten umfasst, die durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind.
Kosten
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Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidungen sind daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.