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Steuerrecht
16.05.2012
Steuerrecht
FG Berlin-Brandenburg: Teleologische Reduktion des § 8c Abs. 1 S. 2 KStG bei „Verkürzung der Beteiligungskette"?

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.10.2011 - 8 K 8311/10, Rev. eingelegt (Az. BFH I R 79/11)

Leitsatz (des Kommentators)

Steht eine missbräuchliche Verschiebung des Verlustes offensichtlich nicht in Rede und bleibt zudem bei wirtschaftlicher Betrachtung die Identität und die Beteiligungsquote der Gesellschafter unverändert, erweist sich § 8c KStG sich planwidrig als zu weitgehend, weil er insoweit eine Fallgestaltung erfasst, die in dieser Form im Gesetzgebungsverfahren nicht erkannt wurde und, falls sie erkannt worden wäre, aus dem Regelungsbereich des § 8c KStG herausgenommen worden wäre.

Sachverhalt

An der Klägerin waren zunächst die von einem Erwerberkonsortium eingesetzten Gesellschaften I. 1.GmbH zu 94,99 % und I. 3.GmbH zu 5,01 % beteiligt. Alleinige Gesellschafterin der I. 1.GmbH war die O. G. S.A. mit Sitz in L., Gesellschafterin der I. 3.GmbH war die I. GP GmbH & Co. V. KG mit Sitz in B. Als Kommanditisten waren an dieser KG die O.G. S.A. zu 94,99 % und zu 5,01 % die M.V. T.  B. V. mit Sitz in den Niederlanden beteiligt. Komplementärin war die I. 2.GmbH, deren alleinige Gesellschafterin O.G.  S.A. war.

Mit Vertrag vom 28.4.2008 erfolgte die Verschmelzung der Gesellschaften I.

1.GmbH und I. 3.GmbH auf die Klägerin rückwirkend mit Ablauf des 31.8.2007. Als Gegenleistung wurde der von der I. 1.GmbH gehaltene Geschäftsanteil auf die alleinige Gesellschafterin der I. 1.GmbH, der O.G. S.A., übertragen. Entsprechend wurde mit dem Geschäftsanteil verfahren, der ursprünglich von der I. 3.GmbH gehalten worden war. Die Eintragung der Verschmelzung erfolgte am 8.5.2008. Mit der Verschmelzung wurden die I. 1.GmbH und I. 3.GmbH aufgelöst. Seit der Verschmelzung ist die O.G. S.A. zu 94,99 % und die I. GP GmbH & Co. V. KG zu 5,01 % an der Klägerin beteiligt.

Mit Bescheid vom 9.3.2009 war gegenüber der Klägerin ein Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2007 ergangen. Es wurde ein vortragsfähiger Gewerbeverlust i. H. v. 22 603.036 Euro festgestellt. Ferner war der verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftssteuer zum 31.12.2007 auf 35 759.091 festgestellt worden. Der Jahresüberschuss der Klägerin im Jahr 2007 betrug ausweislich der Körperschaftssteuererklärung 385 557,79 Euro. Nach der Anlage zur Körperschaftsteuererklärung zur Konsolidierung der Jahresergebnisse wegen Verschmelzung betrug der Gewinn der Klägerin 6 239 435,47 Euro, der Jahresfehlbetrag der I. 1.GmbH 5 545 017,75 Euro und der I. 3.GmbH 308 895,93 Euro. Am 14.4.2010 stellte der Beklagte den verbleibenden Verlustvortrag zur Körperschaftssteuer zum 31.12.2008 ebenso wie den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2008 gesondert fest, ließ dabei aber jeweils den zum 31.12.2007 festgestellten Verlust unter Hinweis auf § 8c KStG unberücksichtigt. Ferner ließ der Beklagte einen laufenden Verlust in Höhe von 14 350 Euro (118/360 von 43 780 Euro) unberücksichtigt.

Gegen diese Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein, die der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 18.8.2010 als unbegründet zurück wies. Der Beklagte verwies darauf, dass der zum 31.12.2007 festgestellte Verlustvortrag nach § 8c Abs. 1 S. 2 KStG nicht berücksichtigt werden könne, da mehr als 50 % der Anteile an einen Erwerber übertragen worden seien. Die an der Klägerin zunächst mittelbar Beteiligten, die O.G. S.A. sowie die I. GP GmbH & Co. V. KG, seien seit der Verschmelzung unmittelbar an der Klägerin beteiligt. § 8 c KStG sei auch auf Verschmelzungen und auch im Fall der Verkürzung der Beteiligungskette anzuwenden. Auch der im Jahr 2008 bis zum 28.4. erzielte Verlust könne nach § 8c KStG nicht abgezogen werden.

Die Klägerin macht geltend, § 8c KStG sowie § 10a S. 10 GewStG seien im Streitfall nicht einschlägig. Gemäß § 34 Abs. 7b KStG finde § 8c KStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 und auf Anteilsübertragungen nach dem 31.12.2007 Anwendung. Durch den Verschmelzungsvertrag sei der steuerliche Übertragungsstichtag auf den 31.8.2007 rückbezogen worden. Auf Basis dieser Fiktion sei für ertragsteuerliche Zwecke davon auszugehen, dass die Steuerpflicht der übertragenen Rechtsträger mit dem steuerlichen Übertragungsstichtag geendet habe und ihr Vermögen auf den aufnehmenden Rechtsträger, der Klägerin, übergegangen sei. Die fiktive Rückbeziehung wirke für alle Einkommens- und vermögensbezogenen Steuern. Der Umstand, dass die Geschäftsanteile an der Klägerin an die Anteilseigner der Erwerbergesellschaften ausgekehrt worden seien, könne für die vorliegende Frage keinen Unterschied machen. Zudem beinhalte § 8c KStG eine durch die Gesellschafter der Verlustgesellschaft fremdbestimmte Steuerwirkung, weshalb auch der Zeitpunkt der Anteilsübertragung auf der Ebene der Gesellschafter bestimmt werden müsse. Dies werde im vorliegenden Fall umso deutlicher, als auch sie, die Klägerin, als aufnehmende Gesellschaft von der steuerlichen Rückwirkung des § 2 UmwStG erfasst sei. Es sei unsystematisch, eine generelle steuerliche Rückwirkung hinsichtlich des Einkommens und Vermögens der Erwerbergesellschaften und der Klägerin auf dem 31.8.2007 vorzunehmen, auch ohne eine entsprechende Übertragung der Anteile an der Klägerin auf die Anteilseigner der Erwerbergesellschaften für ertragsteuerliche Zwecke anzunehmen. Da hiernach § 8c KStG nicht anzuwenden sei, wäre allenfalls eine Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG alte Fassung zu prüfen. Ihre wirtschaftliche Identität habe sich jedoch nicht geändert, da das steuerliche Betriebsvermögen der Erwerbergesellschaften lediglich die zuvor erworbenen Geschäftsanteile an ihr, der Klägerin, umfasst habe. Die Geschäftsanteile seien nicht an sie, die Klägerin, übertragen worden. Zudem sei § 8c KStG bei einer Abwärtsverschmelzung nicht anzuwenden. Denn es sei lediglich die Beteiligungskette verkürzt worden. Die ohnehin schon mittelbar zu 94,99 % beteiligte O.G. S.A. und die zu 5,01 % beteiligte I. GP GmbH & Co. V. KG seien infolge der Abwärtsverschmelzung nunmehr unmittelbar an ihr, der Klägerin, beteiligt. Aus wirtschaftlicher Sicht habe die Verschmelzung zur keiner Verstärkung oder Veränderung der Stellung der O.G. S.A. im Hinblick auf ihre Beteiligung geführt. Die Annahme, eine solche Verkürzung sei schädlich im Sinne der Vorschrift des § 8c KStG, habe deutlich überschießende Wirkung, weil dadurch nicht das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteilseigners ermöglicht werden sollte. Zu beachten sei, dass die verschmolzenen Erwerbergesellschaften allein zum Zwecke des Erwerbs der Geschäftsanteile an ihr, der Klägerin, gegründet worden seien und deshalb auch kein potentieller Missbrauch zu erkennen sei. Für eine entsprechend teleologisch reduzierte Auslegung spreche auch die Fiktion des § 1 Abs. 3 GrEStG. Zudem sei die Vorschrift des § 8c KStG verfassungswidrig. Die Vorschrift verstoße gegen das allgemeine Nettoprinzip. § 8c KStG löse sich vom Trennungsprinzip. Dies sei zwar grundsätzlich zulässig, jedoch nur dann, wenn sich der Gesetzgeber grundsätzlich für eine neue Besteuerungssystematik entscheide. Das Trennungsprinzip habe der Gesetzgeber jedoch nicht aufgegeben. Eine Rechtfertigung für die Durchbrechung dieses systemtragenden Prinzips durch § 8c KStG sei nicht vorhanden. Im Übrigen sei ein Vollzugsdefizit auszumachen, da bei längeren, in das Ausland reichenden Beteiligungsketten eine lückenlose Erfassung der Beteiligungsketten unmöglich erscheine. Schließlich sei der Begriff „vergleichbare Sachverhalte" zu unbestimmt. Zudem sei § 8c KStG auch insoweit verfassungswidrig, als die Vorschrift den gänzlichen Wegfall der zuvor durch die Mindestbesteuerung vom Abzug ausgenommenen Verluste normiere und keine Sonderregelung für diese Fälle vorsehe.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2008 vom 14.4.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.8.2010 dahingehend zu ändern, dass der verbleibende Verlustabzug in Höhe von 35 802 871,- Euro festgestellt wird,

den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2008 vom 14.4.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.8.2010 dahingehend zu ändern, dass der vortragsfähige Gewerbeverlust auf 20 396 769,- Euro festgestellt wird, im Unterliegensfall die Revision zuzulassen, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Er weist darauf hin, dass auf den Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums abzustellen sei. Mit der Formulierung „bis zum schädlichen Beteiligungserwerb" habe gerade die Verlustrettung durch einen Rückbezug verhindert werden sollen. § 8c KStG unterscheide nicht nach der Qualität eines schädlichen Anteilserwerbs. Ein Wechsel von einem mittelbaren zu einem unmittelbaren Beteiligungsverhältnis erfülle die tatbestandliche Voraussetzungen des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift sei für eine teleologische Reduktion der Vorschrift kein Raum.

Aus den Gründen

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftssteuer ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 FGO.

Nach § 8c S. 2 KStG sind bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzte Verluste vollständig nicht mehr abziehbar, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 Prozent des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen werden oder ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt.

§ 8c KStG ist entgegen der Auffassung der Klägerin im Streitfall anwendbar. Nach § 34 Abs. 7b S. 1 KStG findet § 8c KStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 und auf Anteilsübertragungen nach dem 31.12.2007 Anwendung. Die Vorschrift stellt nach ihrem Wortlaut auf das dingliche Rechtsgeschäft und damit darauf ab, ob die Anteile nach dem 31.12.2007 übertragen wurden. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt; denn die Geschäftsanteile der Klägerin wurden im Jahr 2008 an die O.G. S.A. bzw. die I. GP GmbH & Co. V. KG übertragen. § 2 UmwStG steht diesem Ergebnis nicht entgegen. § 2 UmwStG fingiert zur Vermeidung der Ungewissheit darüber, zu welchem Zeitpunkt der dingliche Übergang des Vermögens stattfindet, für Zwecke der Gewinnermittlung den Zeitpunkt für den Vermögensübergang. § 34 Abs. 7b KStG ist keine Vorschrift der Gewinnermittlung sondern regelt lediglich, ab welchem Zeitpunkt eine Gewinnermittlungsvorschrift, hier § 8c KStG, anzuwenden ist. Ein anderes Ergebnis lässt sich aus der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung genannten Entscheidung des BFH vom 28.7.2010 - I R 89/09 BStBl. II 2011, 528, BB 2010, 2951, nicht herleiten, weil die Entscheidung die Auslegung einer Gewinnermittlungsvorschrift nicht aber den Anwendungszeitraum dieser Vorschrift zum Gegenstand hat. Aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit kann zudem der zeitliche Anwendungsbereich des § 8c KStG nicht von der Fiktion eines anderes Gesetzes abhängig gemacht werden, der zeitliche Anwendungsbereich muss sich vielmehr aus der gesetzlichen Bestimmung selbst ergeben. Auch widerspräche es dem Sinn und Zweck des § 8c KStG, der als umfassende Missbrauchsvermeidungsnorm (siehe dazu unten) konzipiert wurde, wenn die Vorschrift durch eine vertragliche Regelung zum fiktiven Vermögensübergang umgangen werden könnte.

Die Voraussetzung des § 34 Abs. 7b S. 1 KStG ist bei der vom Senat für zutreffend erachteten Auslegung des Gesetzes erfüllt, da die dingliche Übertragung der Anteile nach dem 31.12.2007 stattfand.

Die Voraussetzungen des § 8c S. 2 KStG sind nach dem Wortlaut der Vorschrift im Streitfall erfüllt. Denn es wurden im Zuge der Verschmelzung 100 Prozent des Stammkapitals der Klägerin, das vor der Verschmelzung die I. 1.GmbH und die I. 3.GmbH gehalten hatte, an die O.G. S.A. bzw. die I. GP GmbH & Co. V. KG abgetreten. Bei einer Verschmelzung handelt es sich dabei um eine Übertragung im Sinne des § 8c KStG (Suchanek in Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 8c Rdnr. 27).

Nach Auffassung des Senats ist jedoch der hier vorliegende Fall der Verkürzung einer Beteiligungskette ohne Veränderung/Verstärkung der Anteile der Gesellschafter im Wege der teleologischen Reduktion aus dem Anwendungsbereich des § 8c KStG herauszunehmen.

Eine den Wortlaut korrigierende Auslegung ist zulässig, wenn eine allein wortlautgemäße Auslegung zu sinnwidrigen Ergebnissen führt und der Schluss gerechtfertigt ist, dass der gesetzgeberische Wille planwidrig umgesetzt worden ist. Weichen Gesetzeswortlaut und -zweck voneinander ab, so ist der Wortlaut der Gesetzesbestimmung ihrem Zweck entsprechend einzuschränken, sofern sich das Gesetz gemessen an seinem Zweck als planwidrig zu weitgehend erweist. Hingegen kommt eine teleologische Reduktion grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn der weite Wortlaut der Vorschrift Folge einer bewussten rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers ist (vgl. BFH-Urteil vom 1.3.2005 - VIII R 25/02, BFHE 209, 275, BStBl. II 2005, 436, BB 2005, 981, m. w. N.).

Die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion sind nach diesen Grundsätzen erfüllt. Aus den Gesetzesmaterialien ist ersichtlich, dass § 8c KStG als Missbrauchsvermeidungsnorm konzipiert worden war. Der Senat entnimmt dies dem Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen. Danach hielt der Gesetzgeber die bisherige Mantelkaufregelung des § 8 Abs. 4 KStG, die die ungerechtfertigte Nutzung und den Handel mit Verlustvorträgen verhindern sollte, für zu kompliziert und gestaltungsanfällig. Für den vollständigen oder teilweisen Wegfall des Verlustvortrages sollte daher künftig nur noch darauf abgestellt werden, ob ein neuer Anteilseigner maßgebend auf die Geschicke der Kapitalgesellschaft einwirken kann, weil dieser es prinzipiell in der Hand hält, die Verwertung der Verluste zu steuern (BT-Drucks. 16/4841, 34/35). § 8 Abs. 4 KStG, der ebenfalls missbräuchlichen Gestaltungen vorbeugen sollte (BFH, Urteil vom 14.3.2006 - I R 8/05, BFHE 212, 517, BB 2006, 1426), wurde demnach zur Vereinfachung der Rechtsanwendung (BT-Drucks. 16/4841, 75) und zum Zwecke einer umfassenden Verhinderung von Umgehungsgeschäften, die unter Geltung des § 8 Abs. 4 KStG noch möglich waren (BR-Drucks. 220/07, 21) abgelöst. Soweit der Gesetzgeber darüber hinaus zum Ausdruck gebracht hat, dass der Vorschrift des § 8c KStG der Gedanke zugrunde liege, dass sich die wirtschaftliche Identität einer Gesellschaft durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteilseigner ändere, weshalb die in früherer Zeit erwirtschafteten Verluste unberücksichtigt bleiben sollen (BT-Drucksache 16/4841, S. 76), liegt hierin nach Auffassung des Senats zunächst eine Erläuterung der tatbestandlichen Voraussetzungen, mithin also die Begründung, weshalb für den Fortbestand des Verlustabzugs oder dessen Wegfall maßgeblich auf die Identität des Anteilseigners und dessen Einfluss auf die Gesellschaft (Beteiligungsquote) abgestellt werden sollte. Gleichzeitig wird aber mit der Bezugnahme auf die Person des Gesellschafters offenkundig die Parallele zur Situation bei einem Einzelunternehmen hergestellt. Andererseits wurde im Gesetzgebungsverfahren erkannt, dass die Regelung sehr weitreichend war, so dass man für den Fall des „äußerst" mittelbaren Anteilseignerwechsels (BR-Drucks. 220/07, 21), des vollständigen Untergangs des Verlustpotentials bei innovativen jungen Unternehmen (BR-Drucks.220/07, 34) und bei Unternehmenssanierungen (BT-Drucks. 16/4841, 76) den weitgehenden Wortlaut der Vorschrift für bedenklich hielt bzw. auf die Möglichkeit des Billigkeitserlasses verwies.

Zusammenfassend entnimmt der Senat den Gesetzesmaterialien, dass der Gesetzgeber durch eine stark typisierende Norm missbräuchliche Mantelkäufe durch eine möglichst weitreichende und im Einzelfall einfach anwendbare Vorschrift verhindern, insbesondere auch den Fall des Wechsels des mittelbaren Anteilseigners erfassen wollte und dabei auch den Wegfall des Verlustpotentials bei innovativen jungen Unternehmen in Kauf genommen hat. Gleichzeitig aber sollte für den Bereich der Unternehmenssanierung erforderlichenfalls im Billigkeitswege eine überschießende Tendenz des Gesetzes korrigiert werden. Tragender Rechtfertigungsgrund für die Versagung des Verlustabzugs war dabei die Annahme, dass der Wechsel des Anteilseigners auch die wirtschaftliche Identität der Gesellschaft verändere. Wie beim Einzelunternehmen wollte der Gesetzgeber den Verlust an der Person des Unternehmers und nicht am Unternehmen gebunden sehen.

Im Umkehrschluss folgt daraus, dass für den Fall, dass eine missbräuchliche Verschiebung des Verlustes offensichtlich nicht in Rede steht und zudem bei wirtschaftlicher Betrachtung die Identität und die Beteiligungsquote der Gesellschafter unverändert bleibt, § 8c KStG sich planwidrig als zu weitgehend erweist, weil er insoweit eine Fallgestaltung erfasst, die in dieser Form im Gesetzgebungsverfahren nicht erkannt wurde und, falls sie erkannt worden wäre, aus dem Regelungsbereich des § 8c KStG herausgenommen worden wäre.

Nach diesen Grundsätzen ist auch im Streitfall eine teleologische Reduktion vorzunehmen. Die Abwärtsverschmelzung der I. 1.GmbH und I. 3.GmbH diente allein der Verkürzung der Beteiligungskette, eine missbräuchliche Gestaltung zur Sicherung oder Übertragung eines Verlustvortrags ist nicht erkennbar. Eine Änderung des wirtschaftlichen Engagements vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen. Die I. 1.GmbH und I. 3. GmbH wurden nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin für den Erwerb der Anteile an der Klägerin gegründet. Die Abwärtsverschmelzung erfolgte ohne Änderung der Beteiligungsverhältnisse der beiden Muttergesellschaften, die mittelbare Beteiligung wurde lediglich in eine unmittelbare umgewandelt. Der Wechsel von der mittelbaren in die unmittelbare Gesellschafterstellung führte auch nicht zu einer Stärkung der Beteiligungsrechte, da diese in derselben Intensität bereits über die beiden als Erwerbsgesellschaften konzipierten I. 1. GmbH und I. 3. GmbH bestanden.

Der zum 31.12.2007 festgestellte verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftssteuer war demzufolge ebenso wie der im laufenden Jahr 2008 erwirtschaftete Verlust im Rahmen der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31.12.2008 zu berücksichtigen.

Die Klage ist auch hinsichtlich des Gewerbeverlustes begründet.

Nach § 10a S. 6 und 7 GewStG sind die vortragsfähigen Fehlbeträge nach Kürzung des maßgebenden Gewerbeertrags nach Satz 1 und 2 gesondert festzustellen. Nach Satz 10 dieser Vorschrift in der für das Streitjahr geltenden Fassung ist § 8c KStG auf die Fehlbeträge entsprechend anzuwenden. Da nach den vorgenannten Gründen§ 8c KStG nicht anzuwenden ist, war der zum 31.12.2007 festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust in voller Höhe bei der Ermittlung des vortragsfähigen Gewerbeverlust zum 31.12.2008 zu berücksichtigen.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblichen Rechtsfragen sind bislang nicht höchstrichterlich entschieden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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