FG Hamburg: Stromsteuerentlastung nach § 10 StromStG
FG Hamburg, Urteil vom 24.10.2013 - 4 K 137/12
Sachverhalt
Die Klägerin begehrt eine Stromsteuervergütung für das Kalenderjahr 2005.
Die Klägerin ist .... Die von ihr hergestellten ... Erzeugnisse lagern nach der Produktion zum Zwecke des Vertriebs ... in Zwischenlagern ... Die im Streitfall betroffenen Standorte in B und C stehen in ihrem Eigentum, sie wurden indes seinerzeit von der Rechtsvorgängerin der Firma D ... als Dienstleister betrieben. Im Hinblick auf diese Lager schloss die Klägerin mit der D ... Verträge, nach denen die D die Betriebsführung sowie den Umschlag in diesen Lagern übernahm. In der Folge übergab die Klägerin der D die Lager zur Durchführung der Einlagerung, Lagerung und Auslagerung ihrer (Erzeugnisse). ... Des Weiteren wurde ihr die Betriebsführung übertragen, weshalb ihr u. a. die Unterhaltung der Lagereinrichtungen, die Durchführung behördlicher oder klägerseitig geforderter Investitionsmaßnahmen und die Verkehrssicherungspflicht oblagen. Die Klägerin ihrerseits schloss bestimmte Verträge mit Dritten .....
Mit Bescheid vom 06.08.1999 wurde der Klägerin als Unternehmen des produzierenden Gewerbes eine Erlaubnis gemäß § 9 Abs. 3 StromStG zur Entnahme von steuerbegünstigtem Strom für betriebliche Zwecke erteilt. Zudem wurde ihr widerruflich mit Bescheid vom 10.12.2002 die Erlaubnis erteilt, Strom nach § 4 Abs. 1 und 2 StromStG als Versorger zu leisten.
Für das Streitjahr 2005 gewährte der Beklagte mit zwei Bescheiden vom 09.06.2006 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung antragsgemäß Steuervergünstigungen u. a. nach § 10 StromStG bzw. § 17 StromStV.
Für das Streitjahr 2005 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung statt, über die ein Bericht vom 14.03.2011 erstellt wurde. Darin heißt es unter 3.3.3, die D führe den Betrieb der ... Lager B und C für die Klägerin. Hier entnehme nicht die Klägerin den Strom für betriebliche Zwecke. Die D beziehe Strom zum Regelsteuersatz. Auf den Prüfbericht wird im Übrigen Bezug genommen (Sachakte Heft 4 Bl. 14).
Mit Bescheid vom 19.03.2012 forderte der Beklagte in Umsetzung des Berichts Stromsteuer in Höhe von ... € (§ 10 StromStG) und ... € (§ 17 StromStG), insgesamt ... € zurück.
Am 17.04.2012 legte die Klägerin Einspruch gegen den Bescheid vom 19.03.2012 ein. Sie beschränke den Einspruch auf die ihr - nach ihrer mittlerweile unstreitigen Berechnung - für die in den ... Lagern C und D entnommene Strommenge von ... MWh zustehende Entlastung nach § 10 StromStG in Höhe von ... €. Zur Begründung führte sie aus, sie betreibe das ... Lager wirtschaftlich und habe die Stromkosten tatsächlich zu tragen. Sie sei Eigentümerin der Lager und der umgeschlagen Waren. Ihr sei der Strom als zu betrieblichen Zwecken entnommen zuzurechnen. Die D betreibe lediglich die technische Betriebsführung, sie habe im Wesentlichen den Umschlag der Produkte durchzuführen und habe keinen Einfluss auf die Nutzung. Es liege auch kein Pachtvertrag zwischen ihr und der D vor. Der D werde zwar der Gebrauch der Lager durch eigenes Personal ermöglicht, dies jedoch nur für ihre - der Klägerin - Zwecke. Sie müsse auch keine Pacht entrichten. Vielmehr erhalte sie für ihren Aufwand eine entsprechende Vergütung. Schließlich stehe ihr nicht das Recht der Fruchtziehung zu, der Ertrag aus dem Lagerbetrieb sei der Klägerin zuzuordnen. Es liege eher ein Auftragsverhältnis vor. Die Kosten für den in den Lagern verbrauchten Strom seien zunächst vollumfänglich Teil der vereinbarten Vergütung gewesen. Durch die Inbetriebnahme neuer stromintensiver Einrichtungen wie u. a. der ...-Anlagen (...) seien die Stromkosten nicht mehr alleine durch die allgemeine Vergütung abgedeckt gewesen mit der Folge, dass diesbezüglich eine gesonderte Abrechnung der Energiekosten vereinbart worden sei. Gleiches gelte für die im Lager C betriebene ...-Anlage (...).
Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 17.07.2012 zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Inanspruchnahme der Klägerin stütze sich auf § 164 Abs. 2 S. 1 AO. Die ... Verträge stellten sich als Geschäftsbesorgung i. S. v. § 675 BGB dar. Die D habe sich gegenüber der Klägerin verpflichtet, eine selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art in Wahrnehmung und zur Förderung fremder Vermögensinteressen zu führen. Von der D seien für die Klägerin insbesondere die Organisation des Lagerbetriebs vor Ort übernommen und die für den Umschlag benötigten Waren disponiert worden. Die von der D selbständig erledigte Tätigkeit sei folglich auf ein Geschäft gerichtet gewesen, das an sich der Klägerin selbst oblegen habe. Der sich ergebende vertragliche Rahmen lasse der D Raum für eigenverantwortliche Überlegungen und eine persönliche Willensbildung. Die Klägerin habe der D die in ihrem Eigentum stehenden Lager übergeben und ein Nutzungs- und Besitzrecht eingeräumt. Hierzu gehörten auch die ...-Anlagen ... . Zwar lägen im Streitfall keine idealtypischen Pachtverhältnisse vor, jedoch sei ein verdeckter Pachtvertrag anzunehmen, wenn der überlassene Vertragsgegenstand nach Beschaffenheit, Eigenart, Einrichtung und Ausgestaltung geeignet sei, als unmittelbare Quelle für Erträge zu dienen. Die Gestaltung komme wirtschaftlich auch einem Pachtvertrag gleich, weil der D das Recht zugestanden habe, mit Zustimmung der Klägerin zum Betrieb ihres Geschäftes Dritteinlagerer zu gewinnen und das Lager Dritten zu vermieten oder unentgeltlich zu überlassen. Die D habe sowohl Unternehmerinitiative entfalten können als auch Unternehmerrisiko tragen müssen. Eine gewisse Weisungsgebundenheit gehöre zum Wesen der Geschäftsbesorgung. Der D sei Unternehmerinitiative im Hinblick auf die Ausgestaltung des konkreten Lagerbetriebs und der damit zusammenhängenden Abläufe möglich gewesen. Außerdem habe sie das Lager für Geschäftsbeziehungen nutzen dürfen (Nr. 11 der Anlage 1 zum Vertrag). Das Entleeren, die Ab- und Umfüllvorgänge sowie der Umgang mit den eingelagerten Erzeugnissen hätten ihrem tatsächlichen Herrschaftsbereich unterfallen, in diesem Rahmen sei sie gegenüber ihren Mitarbeitern weisungsbefugt gewesen. Durch ihre Lager- und Betriebsführertätigkeit habe die D den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Tätigkeit beeinflussen und ihre Erträge steigern können. Sie habe auch Unternehmerrisiko getragen, das in der völlig ungewissen Vergütung über den jährlichen Pauschalbetrag hinaus (vgl. § 8 des Vertrages), der verschuldensunabhängigen Übernahme der Verkehrssicherungspflicht, der Haftung für Lagergut bei Verlust oder Beschädigung, der Haftung für von ihren Mitarbeitern verursachte Schäden an kaufmännischen und technischen Betriebsvorrichtungen und Gebäuden der Klägerin sowie dem Anspruch der Klägerin auf Freistellung von allen Ansprüchen Dritter wegen Schäden, die mit dem Geschäftsbetrieb der D in Zusammenhang stünden, liege. Auch sei die D für die Wartung und Pflege der Lager verantwortlich und müsse Wartungsarbeiten und kleine Reparaturen über ... € hinaus auf eigene Kosten tragen. Eine selbständige, eigengewerbliche Tätigkeit der D liege mithin vor.
Unstreitig sei die Klägerin ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes. Die streitigen Strommengen habe sie indes nicht für eigene betriebliche Zwecke entnommen. Der für den Betrieb erforderliche Strom sei aufgrund eines zwischen der D und dem Stromversorger geschlossenen Stromlieferungsvertrags an die D geliefert worden.
Die ...-Anlagen würden sowohl zu betrieblichen Zwecken der Klägerin (im Hinblick auf die zu erlangende steuerliche Entlastung) als auch zu betrieblichen Zwecken der D (im Hinblick auf die Fehlmengenhaftung (§ 7 Nr. 7.6 des Vertrages) betrieben.
Der stromsteuerrechtliche Unternehmensbegriff sei schließlich nicht mit dem Begriff der Betriebsstätte (§ 12 S. 1 AO) gleichzusetzen.
Mit ihrer am 16.08.2012 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Einspruchsverfahren. Sie verdeutlicht, dass aus pragmatischen Gründen nur der Stromverbrauch der besonders stromintensiven Anlagen - der ...-Anlagen und der ...-Anlagen - zur Entlastung angemeldet worden sei. Sie betont, dass der in den Lagern entnommene Strom zu ihren eigenen betrieblichen Zwecken verwendet worden sei. Die Stromrechnungen seien von der D beglichen worden. In Bezug auf die ...-Anlagen und die ...-Anlagen seien die Kosten ihr - der Klägerin - weiterberechnet worden, in Bezug auf die übrigen Stromverbräuche seien die Kosten über die pauschale Vergütung abgegolten gewesen. Die D sei stromsteuerrechtlich nicht als selbständig im Sinne von § 2 Nr. 4 StromStG anzusehen. Auch derjenige könne Strom aus dem Leitungsnetz entnehmen, der keine Vertragsbeziehung zu einem Versorger unterhalte. Für die Beurteilung, ob ein stromentnehmender Betriebsteil dem Unternehmen des produzierenden Unternehmens zuzurechnen oder aber stromsteuerrechtlich selbständig sei, sei im Rahmen einer Gesamtabwägung im Einzelfall zu entscheiden. Insoweit seien die Lager als ihre, der Klägerin, Betriebsteile zu werten, auch wenn sie für den Betrieb die Dienstleistung der D in Anspruch nehme. Im Vertragsverhältnis zwischen ihr und der D seien keine pachtvertraglichen Elemente enthalten und die D verfüge weder über hinreichendes Unternehmensrisiko noch über Unternehmensinitiative. Die D nehme auch weder rechtlich noch tatsächlich am Zustandekommen der Verkaufsverträge teil und könne auch sonst in keiner Weise den wirtschaftlichen Erfolg des Betriebs der Lager steuern oder eigenverantwortlich beeinflussen. Die Verträge seien schwerpunktmäßig dienstvertraglich ausgestaltet. Ein Betriebsführungsvertrag sei eine Geschäftsbesorgung mit dienstvertraglichem Charakter. Dagegen gewähre ein Pachtvertrag dem Pächter zusätzlich ein Recht auf Fruchtziehung. Der Schwerpunkt der Leistung der D liege in der Stellung von Personal und der Erbringung einer schlichten Arbeitsleistung. Diese bestehe in der Aufbewahrung, der Ein- und Auslagerung sowie der (Mischung) nach strikter, enger und umfassender Weisung. Die Fruchtziehung, also die Vermarktung der Lagerkapazitäten habe allein ihr, der Klägerin, oblegen, ohne deren Zustimmung keine Dritteinlagerung hätte erfolgen dürfen. Tatsächlich habe sie auch zu keinem Zeitpunkt ihre Zustimmung erteilt. Allein sie, die Klägerin, bestimme die ein- und ausgelagerten Produktmengen und -arten sowie Termine. Zu den vereinbarten Terminen müsse die D die Dienstleistung ohne eigenen Entscheidungsspielraum erbringen. (...) Aufgrund der vielfältigen Arbeitsanweisungen sei die D vollständig in ihre Betriebsabläufe eingebunden. Eigeninitiative habe die D nicht entfalten können. Die Erträge der D seien die Vergütung durch einen Pauschalbetrag und ggf. eine Mehrmengenvergütung zur Abdeckung zusätzlicher Aufwendungen. Es liege keine Umsatzprovision wie bei Handelsvertretern vor. Es fehle auch der für einen Geschäftsbesorgungsvertrag typische Handlungs- und Ermessensspielraum. Zudem übernehme die D Betriebsführungsaufgaben wie etwa - nach Genehmigung durch sie, die Klägerin - Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten, indem sie Werkverträge mit Dritten abschließe und die Vergabe- und Aufsichtstätigkeiten übernehme. Auch diese Dienstleistung werde über die Pauschalvergütung abgegolten. Die Überlassung der Lager diene nicht oder allenfalls in einem geringfügigen Umfang dem Gebrauch durch die D für deren eigene Zwecke und sei schon gar nicht mit dem Recht versehen, aus den überlassenen Sachen Früchte zu ziehen. Die Fruchtziehung, also die Nutzung der Lagerkapazitäten, liege einzig bei ihr, der Klägerin. Mangels gesonderter Vergütung für einen geschuldeten Erfolg liege auch kein Werkvertrag vor. Da die D am Markt nicht gegenüber Vertragspartnern der Klägerin auftrete, liege im Grunde auch keine Betriebsführung vor. Sie selbst betreibe das Lager, lediglich die tatsächliche Abwicklung der Lagerhaltungsaufgaben werde vom Dienstleister übernommen. Aus der übertragenen Verkehrssicherungspflicht ergebe sich allenfalls eine partielle Betriebsführungsverpflichtung der D. Aufgrund der konkreten Arbeitsanweisungen habe die D praktisch keine Freiheiten hinsichtlich echter unternehmerischer Entscheidungen gehabt, Unternehmerinitiative habe sie nicht zeigen können. Es fehle auch am Unternehmerrisiko, da eine Pauschalvergütung erfolgt sei. Auch eine Modernisierung der Lagereinrichtungen sei der D ohne ihre Zustimmung nicht möglich gewesen. Sie, die Klägerin, trage auch im Wesentlichen die Kosten für die Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten, während die D lediglich die Kosten für kleinere Wartungsarbeiten bzw. Reparaturen trage. Die D treffe lediglich die für einen Lagerhalter typische Verantwortlichkeit für das eingelagerte Gut. Schließlich seien die umfassenden Kontrollrechte zu bedenken, aus denen sich ihre Verfügungsmacht ergebe. An den eingelagerten Produkten habe die D keinerlei Rechte, insbesondere dürfe sie sie nicht veräußern. Allein sie, die Klägerin, bestimme, welche Produkte in den Lagern eingelagert und aus diesen umgeschlagen würden. Die Verkaufsgeschäfte über die Produkte führe sie ebenso wie die Disposition über die Lagerkapazitäten alleine. Die D agiere im Hinblick auf die Verkaufstätigkeiten und den Umschlag der Produkte unselbständig und vollumfänglich auf Weisung im bloßen Innenverhältnis zu ihr. Die Lager seien vollständig in die Vertriebsorganisation eingebunden.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19.03.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.07.2012 zu verpflichten, für die Lager B und C Stromsteuer gemäß § 10 Abs. 1 StromStG in Höhe von ... € zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte wiederholt die Begründung der Einspruchsentscheidung. Ergänzend weist er darauf hin, dass die D für das Einholen von Genehmigungen zuständig gewesen sei und umfangreich gegenüber der Klägerin hafte. Ferner habe sie für Versicherungsschutz sorgen und die Verkehrssicherungspflicht tragen müssen. Ihr habe das Recht zugestanden, Lagerkapazitäten entgeltlich an Dritte zu überlassen, die Zustimmung der Klägerin sei allein von einer Einigung über die Vergütung abhängig gewesen. Nachdem eine Erlösaufteilung ... vereinbart worden sei, hätte die Klägerin ihre Zustimmung kaum mehr verweigern können. Die D habe die Lager demzufolge auch zur Umsetzung ihres eigenen Bewirtschaftungskonzepts nutzen können. Letztlich sei eine Gesamtbetrachtung des Einzelfalls anzustellen. Die D habe sich gegenüber der Klägerin vertraglich zur Erbringung eines Leistungsbündels gegen Zahlung eines Fixpreises bis zu einer festgelegten Menge an Produkten und anschließend gestaffelter Vergütung verpflichtet. Sie habe Unternehmerrisiko getragen und Unternehmerinitiative entfalten können, wobei diese Merkmale im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein könnten. Die D habe im eigenen Namen Arbeitnehmer eingestellt und selbständig das Befüllen und Entleeren der Behälter sowie das Be- und Entladen der Transportmittel mit ihren eigenen Mitarbeitern durchgeführt und die Kontrolle ausgeübt. An den Behältern, Gebäuden und Toren seien die Firmenzeichen der D angebracht gewesen. Damit sei sie als Handelnder aufgetreten. Es liege auf der Hand, dass die D sowohl das vertragsgemäße Erbringen von Dienstleistungen gegenüber der Klägerin als auch gegenüber anderen Dritten allein zur Erreichung ihres Unternehmenszieles, dem Verdienen der Vergütung bzw. der Erzielung von Umsatz- und Gewinnerlösen als selbständig Gewerbetreibende, getätigt habe, ohne dass sich ihr Haftungsrisiko verwirklicht habe. Deshalb habe sie den Strom für ihre eigenen betrieblichen Zwecke genutzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakte des Beklagten Bezug genommen.
Aus den Gründen
Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.
I.
Soweit mit Bescheid vom 19.03.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.07.2012 eine Stromsteuerentlastung versagt wurde, ist dies rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 101 S. 1 FGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf antragsgemäße Entlastung von Stromsteuer gemäß § 10 Abs. 1 StromStG.
In der Sache ist zwischen den Beteiligten allein streitig, ob der Beklagte zu Gunsten der Klägerin den stromsteuerrechtlichen Begünstigungstatbestand des § 10 Abs. 1 StromStG hätte berücksichtigen müssen. Diese Vorschrift knüpft die Begünstigung daran, dass der Strom von einem Unternehmen des produzierenden Gewerbes für betriebliche Zwecke entnommen wird. Die Klägerin selbst ist ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes, davon gehen auch beide Beteiligte zutreffend aus. Unstreitig ist die Klägerin berechtigt, für betriebliche Zwecke Strom zum ermäßigten Steuersatz nach § 9 Abs. 3 StromStG zu entnehmen. Der Streit konzentriert sich auf die Frage, ob auch der für den Betrieb der von der Firma D ... bzw. deren Rechtsvorgängerin (im Folgenden: D) betriebenen Lager in B und C - hier konkret für die ...-Anlagen und die ...-Anlagen - verbrauchte Strom als für betriebliche Zwecke der Klägerin entnommen angesehen werden kann.
Der unbestimmte Rechtsbegriff "für betriebliche Zwecke entnommen" ist gesetzlich nicht definiert. Das Bundesverfassungsgericht hat ihn - ergänzend und einschränkend - dahin ausgelegt, dass es sich um "eigenbetriebliche Zwecke" handeln muss (BVerfG, Urteil vom 20.04.2004, 1 BvR 905/00). Es muss sich also konkret um eigene betriebliche Zwecke der Klägerin und nicht um betriebliche Zwecke der die Lager für die Klägerin betreibenden D handeln. Die Klägerin müsste das Unternehmen sein, dem die Stromentnahmen in den Lagern zuzurechnen ist, dabei definiert § 2 Nr. 4 StromStG das Unternehmen als die kleinste rechtlich selbständige Einheit.
Der Senat ist der Auffassung, dass die D als Betreiberin der Lager (einschließlich der ...-Anlagen und der ...-Anlagen) als das den Strom entnehmende Unternehmen im Sinne von § 2 Nr. 4 StromStG anzusehen ist, dem die Stromentnahmen konkret zuzurechnen sind. Der Strom kann nicht als von der Klägerin zu betrieblichen Zwecken entnommen angesehen werden. Dies ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts unter besonderer Berücksichtigung der von der Klägerin als Anlagen 4 und 5 vorgelegten Verträge einschließlich der Anlagen und Nachträge sowie des sonstigen Beteiligtenvorbringens. Insoweit merkt der Senat Folgendes an:
Für die Frage, ob die Strommengen der D zuzurechnen sind, ist entscheidend, inwieweit diese die Lager als selbständiger Unternehmer betreibt und deshalb als kleinste rechtlich selbständige Einheit im Sinne des § 2 Nr. 4 StromStG anzusehen ist oder ob deren Tätigkeit stromsteuerrechtlich der Klägerin zuzurechnen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, welchem zivilrechtlichen Vertragstypus die zwischen der Klägerin und der D geschlossenen Verträge zuzuordnen sind. Abzustellen ist vielmehr darauf, ob die D in den Lagern eine eigenbetriebliche Tätigkeit entfalten konnte und ob die Einflussmöglichkeiten der Klägerin geeignet waren, die Selbständigkeit infrage zu stellen; die Einstufung der D als selbständiges Unternehmen in diesem Sinne hängt dabei von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BFH, Urteil vom 02.11.2010, VII R 48/10; FG Hamburg, Urteil vom 05.10.2010, 4 K 154/09, bestätigt durch BFH, Beschluss vom 22.06.2010, VII B 244/09). Ein wesentlicher Aspekt ist dabei, ob die D im Rahmen ihrer Tätigkeit in hinreichendem Umfang Unternehmerrisiko trägt und inwieweit sie die rechtliche Möglichkeit hat, in hinreichendem Umfang Unternehmerinitiative zu entfalten (vgl. BFH, Urteil vom 02.11.2010, VII R 48/09).
Der Sachverhalt ist dadurch gekennzeichnet, dass die streitgegenständlichen Lager einschließlich aller dort betriebenen Anlagen und der dort gelagerten Produkte im Eigentum der Klägerin stehen. Mit der D hat die Klägerin für die Lager jeweils inhaltlich - soweit hier relevant - identische ...Verträge (...) geschlossen. Aus § 1.1 der Verträge ergibt sich ausdrücklich, dass die Lager der D zur Betriebsführung übergeben wurden. In der Präambel zur Anlage 1 zu den Verträgen heißt es, die D solle den Lagerbetrieb anstelle der Klägerin weiterführen. Die Betriebsführung oblag der D mit eigenen Mitarbeitern, wobei sie umfangreiche Betriebs- und Arbeitsanweisungen der Klägerin zu beachten hatte. Was im Einzelnen zur Betriebsführung gehört, ergibt sich aus den Verträgen einschließlich der Anlagen dazu.
Insgesamt ergeben sich aus den Verträgen für die D erhebliche, eine selbständige Tätigkeit kennzeichnende Gestaltungsmöglichkeiten und wirtschaftliche Risiken.
Für die Selbständigkeit des Betriebs durch die D spricht zunächst, dass dort ausschließlich deren eigene Mitarbeiter tätig waren. Weisungsbefugt war allein die D, die auch allein verpflichtet war, Sozialversicherungsbeiträge zu leisten. Die Klägerin hatte in Bezug auf die in den Lagern arbeitenden Personen keinerlei Dispositions- oder Weisungsmöglichkeiten und auch keinerlei Verpflichtungen. Die Personalverantwortung der D erstreckte sich gem. § 4 der Verträge auch auf den steuerlichen Betriebsleiter, den die D der Klägerin nur namhaft machen musste, also eigenverantwortlich auszusuchen hatte. Durch die Verträge und die Anlagen dazu (insbesondere die Betriebsanweisungen) wurde der D zwar hinsichtlich der Ein- und Auslagerung der Produkte ein enger Rahmen gesetzt, der Betrieb eines Lagers geht jedoch über die reine Aufnahme und Abgabe von Waren erheblich hinaus. Im Hinblick auf die den Betrieb ansonsten ausmachenden Erfordernisse kam der D ein erheblicher Bereich selbständig wahrzunehmender Tätigkeiten zu. So war sie etwa gemäß § 2.3 der Verträge verpflichtet, gesetzlich vorgesehene Kontrollen von Transportmitteln durchzuführen und ggf. Transportmittel abzuweisen. Entsprechend oblag ihr gemäß § 4 der Verträge die Einhaltung steuerlicher und zolltechnischer Überwachungsbedingungen. Auch oblag es der D, sich um erforderliche Genehmigungen zu kümmern, ohne dass die Klägerin eine Haftung wegen abgelaufener Erlaubnisse und Genehmigungen treffen würde. Ferner war sie Verlader im Sinne der Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter (GGVS) und hatte die Pflichten aus der Arbeitsstoffverordnung zu erfüllen (Nr. 3 der Anlage 1 und § 2.4 der Verträge). Ganz erhebliche Unternehmerinitiative konnte die D zumindest theoretisch infolge der Berechtigung entfalten, Lagerkapazitäten Dritteinlagerern zur Verfügung zu stellen. Dieses Recht ergibt sich bereits aus § 3.1 der Verträge, der ausdrücklich von der D akquirierte Einlagerer in den Blick nimmt. Freilich ist hierzu ausdrücklich geregelt, dass es insoweit der Zustimmung der Klägerin bedarf. Hierzu finden sich unter Nr. 11 der Anlage 1 nähere Regelungen zur Haftung der D für den Fall der Überlassung des Lagers an Dritte und zu den Voraussetzungen für die Zustimmung. Diese hängt davon ab, dass sich die Parteien unter fairer Berücksichtigung des Interesses der Klägerin als Eigentümer der Anlage und der D als Betreiber sowie als Lagerhalter über eine von ihr an die Klägerin zu zahlende Vergütung geeinigt haben. Diese Einigung ist im Verlauf noch im Jahre ... insofern erfolgt, als eine Erlösaufteilung ... vereinbart wurde. Von daher ist der Auffassung des Beklagten zu folgen, dass die Klägerin ihre Zustimmung kaum mehr hätte versagen können, sofern keine durchgreifenden Bedenken im Hinblick auf die Qualität der eingelagerten Produkte bestehen und die D bestimmte Vorgaben einhält (vgl. § 3.1 der Verträge). Dass es tatsächlich offenbar nicht zu Einlagerungen durch Dritte gekommen ist, ist unerheblich, da es für die Frage der Unternehmerinitiative nur darauf ankommt, ob die D angesichts der vertraglichen Gestaltung eine entsprechende Initiative hätte entfalten können und nicht, ob sie sie auch tatsächlich entfaltet hat. Der pauschale Vortrag der Klägerin, sie hätte ihre Zustimmung nicht erteilen wollen, ist angesichts der schriftlich festgehaltenen Einigung über die an sie zu zahlende Vergütung nicht nachvollziehbar. Wäre dem so, hätte es der Regelungen zur Überlassung der Lager an Dritte zur Einlagerung, die sich an mehreren Stellen der Verträge finden und die auch Gegenstand von späteren Nachträgen zu den Verträgen sind, nicht bedurft. Dass sich die Klägerin verschiedentlich Kontrollrechte, wie etwa in Nr. 13 der Anlage 1 das Recht zum Betreten des Lagers, in § 5.4 der Verträge das Recht, die Bücher und sonstige Unterlagen einzusehen, oder in § 5.5 der Verträge das Recht, bei bestimmten Betriebsvorgängen zugegen zu sein, sicherte, ändert an den dargestellten Gestaltungsmöglichkeiten der D nichts.
Mit den Verträgen zum Betrieb der Lager gingen für die D erhebliche auch wirtschaftliche Risiken einher. Zutreffend weist die Klägerin zunächst darauf hin, dass ein jährlicher von ihr an die D zu zahlender Pauschalbetrag (mit Anpassungsklausel und einer vereinbarten zusätzlichen Vergütung für eine über eine bestimmte Freimenge hinausgehende Lagermenge) vereinbart worden ist, der so bemessen ist, dass er die Personalkosten für die Lageraktivitäten, Überwachungsleistungen, Verwaltungsleistungen, den Abschluss der vereinbarten Versicherungen sowie - vorbehaltlich einer anderweitigen Bestimmung - von der D zu leistende Aufwendungen für Wartungs- und Reparaturarbeiten abdeckt. Mit Ausnahme der Stromkosten für die ...-Anlagen und die ...-Anlagen, die die D direkt der Klägerin weiter belastete, mussten auch die Stromkosten von der D beglichen werden. Zudem oblag der D gemäß Nr. 9 der Anlage 1 die Verkehrssicherungspflicht, hierin liegt ein erhebliches Haftungsrisiko, eine Überwälzung etwaiger Haftungsansprüche auf die Klägerin ist vertraglich nicht vorgesehen. Gem. Nr. 3 der Anlage 1 zu den Verträgen haftete die D auch wegen abgelaufener Erlaubnisse und Genehmigungen. Erhebliche Haftungsrisiken ergeben sich auch aus den Haftungsregelungen in § 7 der Verträge. So statuiert § 7.1 die Haftung der D für das Lagergut und für Schäden am Lagergut. Daneben besteht nach § 7.2 eine Haftung für Qualitätsmängel und Verluste an den eingelagerten Produkten, es sei denn, dass diese durch die Sorgfalt eines ordentlichen Lagerhalters nicht abgewendet werden konnten. Ein Haftungsausschluss besteht nach § 7.3 nur in eng geregelten Fällen. Die Haftungssumme ist gem. § 7.4 auf ... DM je Schadensereignis begrenzt und liegt damit weit über der Pauschalvergütung, die der Klägerin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ... jährlich netto zustand (... DM bzw. ... DM). Weiter sieht § 7.6 eine Haftung für Fehlmengen und daraus resultierende Abgabenschulden vor. Schließlich ergibt sich aus Nr. 12 der Anlage 1 zu den Verträgen eine Haftung für verschuldete Schäden an kaufmännischen und technischen Betriebsvorrichtungen und Gebäuden, die nur in Fällen leichter Fahrlässigkeit auf ... DM pro Schadensfall begrenzt ist.
Auch die in Nr. 6 der Anlage 1 vereinbarten Unterhaltungs- und Instandhaltungspflichten sprechen aus Sicht des Senats für einen selbständigen Betrieb durch die D. Diese hat durchzuführende Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten zwar nach Erstellung eines entsprechenden Plans mit der Klägerin abzustimmen, ist dann aber zur eigenverantwortlichen Vergabe und Beaufsichtigung der erforderlichen Arbeiten verpflichtet. Die Kosten dieser Arbeiten übernimmt die Klägerin mit Ausnahme von Kosten für Schönheitsreparaturen, die von der D zu tragen sind.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.