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Steuerrecht
02.04.2020
Steuerrecht
FG-Münster: Steuerstundungsmodell i. S. v. § 15b EStG

FG-Münster, Urteil vom 21.2.2020 – 4 K 794/19 F

ECLI:DE:FGMS:2020:0221.4K794.19F.00

Volltext BB-Online BBL2020-858-3

Leitsätze der Redaktion

1. Zum Schluss der Veranlagungszeiträume 2011 und 2012 wird kein ausgleichsfähiger Verlust und kein verrechenbarer Verlust i. S. d. § 15b Abs. 1 S. 1, Abs. 4 EStG aus dem Betrieb des „Verwaltungsmodells I, BHKW 1 und 2, festgestellt, da kein Steuerstundungsmodell vorliegt.

2. Das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells nach § 15b Abs. 2 S. 1 EStG erfordert, dass auf Grund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. 

3. Ob ein derartiges Steuerstundungsmodell gegeben ist, ist im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung der entsprechenden Einzelfallumstände zu ermitteln.

Sachverhalt

Streitig ist, ob in den Jahren 2011 und 2012 aufgrund eines Steuerstundungsmodells im Sinne des § 15b des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht ausgleichsfähige Verluste festzustellen sind.

Der Kläger schloss im Jahr 2010 mit der X-Gesellschaft mbH (X-GmbH) und der X-EWIV, ein mit der X-GmbH verbundenes Unternehmen (zusammen auch: X-Gruppe), Verträge über den Ankauf von mit Rapsöl zu betreibenden Blockheizkraftwerken sowie hiermit verbundene Nutzungs- bzw. Verwaltungsverträge ab. Er bestellte bei der X-GmbH – soweit hier in Rede stehend – zwei Blockheizkraftwerke (Nr. 1 und Nr. 2) und zwar am 18.05.2010 zu einem Kaufpreis von (brutto) 44.625 € (Anlagenleistung 50 kwh) und am 04.08.2010 zu einem Kaufpreis von (brutto) 66.937,50 € (Anlagenleistung 75 kwh). Die Kaufpreise finanzierte er privat fremd. Darüber hinaus schloss der Kläger mit der X-EWIV erstens Verträge über die Anmietung einer Standortfläche für die beiden Blockheizkraftwerke und zweitens sog. Verwaltungsverträge ab, aufgrund derer die X-EWIV für den Kläger die Verwaltung und Betreuung der Blockheizkraftwerke (incl. Führung eines treuhänderischen Sonderkontos für den Kläger) übernahm. Hierbei war u.a. vereinbart, dass der Kläger monatlich einen Abschlag auf den voraussichtlichen Jahresüberschuss erhalten sollte; dieser sollte für das erste Betriebsjahr 1/12 von 40% des Nettokaufpreises eines Blockheizkraftwerks betragen. Etwaige Über- bzw. Unterdeckungen waren zu späterer Zeit auszugleichen. Drittens schloss der Kläger mit der X-EWIV sog. Premium Service Verträge ab. Wegen der weiteren Einzelheiten zu den abgeschlossenen Verträgen wird auf das zwischen den Beteiligten ergangene Senatsurteil vom 11.03.2016, 4 K 3365/14 E (EFG 2016, 807, auch abrufbar unter www.justiz.nrw.de) sowie die aktenkundigen Dokumente verwiesen.

Diesen Vertragsabschlüssen lagen Prospekte und andere Kundeninformationen der X-Gruppe zugrunde. Darin bringt die X-Gruppe u.a. zum Ausdruck, dass die Stromerzeugung aus Blockheizkraftwerken für eine über 20 Jahre gesetzlich fixierte Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) qualifiziere. Ferner wird in einer „Musteranlagenkalkulation“ (u.a. Broschüre „X-EWIV ProfessionalManagement & Service for First-Quality Products“) für Kraftwerke mit Anlagenleistung von 50 kwh – nach Abzug von (vertraglichen) Fix- und Betriebskosten, aber ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Fremdfinanzierungskosten – ein „Überschuss p.a.“ in Höhe von 20.660,00 € und mit Anlagenleistungen von 75 kwh in Höhe von 30.989,60 € ausgewiesen. Aus diesen Überschüssen würden monatliche Abschlagszahlungen (für das erste Betriebsjahr in Höhe von 1.250 € bzw. 1.875 €) gezahlt. Es wird dabei darauf hingewiesen, dass die tatsächlichen Betriebsergebnisse in der Realität abweichen können und dass die Kalkulation keinerlei steuerliche Aspekte oder Auswirkungen berücksichtige. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Prospekte und anderen Kundeninformationen verwiesen.

Die X-Gruppe nahm darüber hinaus Beratungsschulungen für (potentielle) Vermittler/Berater vor, die Bestellung von Blockheizkraftwerken vermitteln sollten/wollten; auf das dem Senat vorliegende Schulungsmaterial wird wegen der Einzelheiten ebenfalls Bezug genommen.

Die vom Kläger bestellten Blockheizkraftwerke wurden – wie von der X-Gruppe bzw. den für sie handelnden Personen von vornherein beabsichtigt war – nicht geliefert (vgl. Senatsurteil vom 11.03.2016 4 K 3365/14 E, a.a.O.). Im März 2011 beschloss das Amtsgericht B-Stadt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der X-GmbH. Der Vorsteuerabzug aus der (beabsichtigten) Anschaffung der Blockheizkraftwerke wurde dem Kläger rechtskräftig versagt (Finanzgericht – FG – Münster,Urteil vom 16.10.2014 5 K 3875/12 U, EFG 2015, 84, auch abrufbar unter www.justiz.nrw.de).

Wegen der einkommensteuerlichen Qualifizierung dieser Vorgänge entstand zwischen den Beteiligten eine Kontroverse, die der Senat im Urteil vom 11.03.2016 4 K 3365/14 E, a.a.O.) dahin entschied, dass es sich bei dem Ergebnis des (vom Kläger angestrebten) Betriebs der hier in Rede stehenden Blockheizkraftwerke (Nr. 1 und Nr. 2) um gewerbliche Einkünfte handele. Der danach zu berechnende Verlust betrage im Jahr 2011 136.424,89 € und im Jahr 2012 5.693,56 €. Der Verlust des Jahres 2011 beruhte u.a. darauf, dass sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2016 im Verfahren 4 K 3365/14 E dahingehend tatsächlich verständigt hatten, dass der klägerische Rückforderungsanspruch gegen die X-GmbH wegen der vorgeleisteten Anschaffungskosten für die Blockheizkraftwerke in diesem Jahr uneinbringlich geworden ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird abermals auf das Senatsurteil vom 11.03.2016 4 K 3365/14 E (a.a.O.) sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom selben Tag verwiesen.

Auf die Revision hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 07.02.2018 X R 10/16 (BFHE 260, 490, BStBl II 2018, 630, auch abrufbar unter www.bundesfinanzhof.de) das Senatsurteil für die Streitjahre aus verfahrensrechtlichen Gründen auf, weil bislang nicht über die (vorgreifliche) Frage entschieden worden sei, ob auf die Einkünfte aus dem „Verwaltungsvertrags-Modell“ § 15b EStG anzuwenden ist.

Während das danach zurückverwiesene (Klage-)Verfahren betreffend die Einkommensteuerfestsetzungen nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt wurde (neues Aktenzeichen 4 K 1482/18 E), führte der Beklagte betreffend § 15b EStG ein neues Verwaltungsverfahren durch. Er stellte für den Kläger zum Schluss des Veranlagungszeitraums 2011 nach Maßgabe von § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb („Verwaltungsvertragsmodell I der X, BHKW 1 und 2“) einen Verlust in Höhe von 136.425 € als nicht ausgleichsfähig, sondern (nur) verrechenbar gesondert fest. Entsprechendes sprach er für den Schluss des Veranlagungszeitraums 2012 betreffend den Verlust in Höhe von 5.694 € aus; die festgestellten verrechenbaren Verluste beliefen sich danach auf 142.119 €. Zur Begründung dieser Feststellungen führte der Beklagte aus, dass das von der X-Gruppe angebotene Vertragsbündel u.a. die Möglichkeit einer vergleichsweise hohen Steuerstundung bieten sollte, die– wenngleich nicht im Vordergrund stehend – nicht nur von untergeordneter Bedeutung gewesen sei. Es genüge aber, dass die steuerlichen Vorteile sich abstrakt aus dem vorgefertigten Konzept ergäben und insofern vom Willen des Initiators erfasst seien. Die Verluste in der Anlaufphase hätten auch die einschlägige 10%-Grenze überschritten. Dies ergebe sich aus den Betriebsausgaben, die auch nach Auffassung des BFH imUrteil vom 07.02.2018 X R 10/16 (a.a.O., dort Rn. 80 und 71) noch zu berücksichtigen seien. Auch nach den Feststellungen des Senats im Urteil vom 11.03.2016 4 K 3365/14 E (a.a.O., dort Juris-Rn. 4 f.) zur Fremdfinanzierung der Anschaffungskosten sei voneinem relevanten Verlust auszugehen.

Mit dem Einspruch brachte der Kläger im Wesentlichen vor, dass das Konzept der X-Gruppe ausschließlich auf die Erzielung von Renditen ausgerichtet gewesen sei. Auf Verluste sei es weder angekommen, noch sei hierzu eine Aussage getroffen, geschweige denn hierfür geworben worden. Abgesehen davon sei der Kläger Existenzgründer, sodass § 15b EStG ohnehin nicht anwendbar sei.

Gegen die abschlägige Einspruchsentscheidung hat der Kläger Klage erhoben. Er macht weiterhin geltend, dass es sich im Streitfall zwar um ein vorgefertigtes Konzept gehandelt habe. Dieses sei allerdings ausschließlich renditeorientiert gewesen und zwar auch bereits in der Anlaufphase. Dies ergebe sich aus allen hierzu vorliegenden Verlautbarungen der X-Gruppe, in denen keine Verluste oder Steuervorteile in Aussicht gestellt worden seien. Im Gegenteil, die X habe sich von steuerlichen Fragen gerade freigezeichnet.

Der Kläger beantragt,

die gesonderten Feststellungen der verbleibenden Verlustvorträge zum Schluss der Veranlagungszeiträume 2011 und 2012 jeweils vom 28.09.2018 und die Einspruchsentscheidung vom 14.02.2019 dahingehend abzuändern, dass kein nicht ausgleichsfähiger und kein verrechenbarer Verlust i.S. des § 15b Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 EStG aus dem Betrieb des „Verwaltungsvertragsmodells I der X, BHKW 1 und 2“ festgestellt wird.

Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Er hält an seiner bisherigen Einschätzung fest und legt nochmals dar, dass sich aus den bereits vom Senat im Verfahren 4 K 3365/14 E getroffenen Feststellungen ergebe, dass das „Verwaltungsvertrags-Modell“ zumindest auch darauf gerichtet gewesen sei, dem Kläger wenigstens in der Anfangsphase, d.h. bis zum Ablauf der AfA- und Fremdfinanzierungsphase, die Möglichkeit zu bieten, Verluste oberhalb der Nichtaufgriffsgrenze von 10% des eingesetzten Eigenkapitals zu erzielen und diese zu verrechnen. Aufgrund der geleisteten Abschlagszahlungen ergebe sich nach Abzug der Fixkosten im ersten Betriebsjahr für das erste Blockheizkraftwerk lediglich ein Überschuss von 800 €; beim zweiten Blockheizkraftwerk erhöhe sich der Betrag um 50%. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abschreibungen sowie Schuldzinsen und Kraftstoffkosten ergebe sich ein Verlust.

Abgesehen davon werbe die X-Gruppe damit, dass sie die steuerlichen Angelegenheiten (u.a. die Erstellung der Gewinnermittlung) durch eine Steuerberatungsgesellschaft für die Investoren abwickle; hiermit könne nur die Steuerberatungsgesellschaft der X-Gruppe gemeint sein. Ferner sei davon auszugehen, dass in den Seminaren der X-Gruppe zur Schulung der Berater/Vermittler, an denen offenbar auch der Kläger teilgenommen habe, auch die steuerlichen Vorteile des Konzepts thematisiert worden seien.

Schließlich ergänzt der Beklagte, dass die in den Prospekten in Aussicht gestellten Einspeisevergütungen völlig realitätsfern seien; realitätsgerechtere Werte ließen sich dem Senatsurteil vom 11.03.2016 4 K 3365/14 E (a.a.O.) entnehmen.

Der Senat hat in der Sache am 21.02.2020 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage ist begründet.

Die angefochtenen Feststellungen von nach Maßgabe von § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG nicht ausgleichsfähigen, sondern nur verrechenbaren Verlusten sowie die Einspruchsentscheidung vom 14.02.2019 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Anwendungsvoraussetzungen des § 15b EStG liegen im Streitfall nicht vor, insbesondere kann im Streitfall nicht von einem Steuerstundungsmodell ausgegangen werden.

1.    Gem. § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG dürfen Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Sie sind gem. § 15 Abs. 4 Satz 1 EStG jährlich gesondert festzustellen und zwar auch, wenn – wie hier – eine Einzelinvestition in Rede steht (vgl. dazu BFH-Urteil vom 07.02.2018 X R 10/16, a.a.O.).

 (Weitere) Voraussetzung für die Anwendung von § 15b Abs. 1 EStG ist nach § 15b Abs. 3 EStG, dass innerhalb der Anfangsphase das Verhältnis der Summe der prognostizierten Verluste zur Höhe des gezeichneten und nach dem Konzept auch aufzubringenden Kapitals oder bei Einzelinvestoren des eingesetzten Eigenkapitals 10 Prozent übersteigt.

Die Feststellungslast für die Anwendungsvoraussetzung des § 15b Abs. 3 EStG trifft– nach den allgemeinen Regeln – die Finanzverwaltung (vgl. nur Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15b EStG Rz. 20, s. auch Niedersächsisches FG, Urteil vom 15.05.2019 9 K 139/13, EFG 2019, 1587).

2.    Im Streitfall liegen die Voraussetzungen eines Steuerstundungsmodells nicht vor.

a)    Ein Steuerstundungsmodell liegt nach § 15b Abs. 2 Satz 1 EStG vor, wenn auf Grund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen aufgrund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen (§ 15b Abs. 2 Satz 2 EStG). Dabei ist es ohne Belang, auf welchen Vorschriften die negativen Einkünfte beruhen (§ 15b Abs. 2 Satz 3 EStG).

Für die Annahme einer modellhaften Gestaltung i.S. des § 15b Abs. 2 Satz 1 EStG ist nach dessen Satz 2 zunächst ein "vorgefertigtes Konzept" erforderlich (ausführlich dazu BFH-Urteil vom 06.02.2014 IV R 59/10, BFHE 244, 385, BStBl II 2014, 465, Rz 16 ff.). Ferner sind hinsichtlich der steuerlichen Vorteile nicht die tatsächlich erzielten, sondern die sich aus dem Konzept ergebenden negativen Einkünfte entscheidend (vgl. BFH-Urteil vom 06.02.2014 IV R 59/10, a.a.O.). Dabei kommt es maßgeblich auf die Perspektive des Anbieters an. Der Initiator muss das vorgefertigte Konzept auf die Erzielung negativer Einkünfte ausrichten, so dass der wirtschaftliche Erfolg des Konzepts auf entsprechenden Steuervorteilen aufbaut; im Vordergrund stehen muss die Erzielung negativer Einkünfte allerdings nicht. Nicht erforderlich ist es auch, dass der Anbieter im Rahmen des Konzeptvertriebs mit den entsprechenden Steuervorteilen positiv wirbt (zu alledem s. BFH-Urteil vom 06.06.2019 IV R 7/16, BFHE 265, 147, BStBl II 2019, 513 m.w.N.).

Ob ein Steuerstundungsmodell gegeben ist, ist im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung der entsprechenden Einzelfallumstände zu ermitteln (BFH-Urteil vom 06.06.2019 IV R 7/16, a.a.O.).

b)    Zwar liegt im Streitfall – wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen – eine modellhafte Gestaltung vor. Dass aufgrund dessen aber die für die Annahme eines Steuerstundungsmodells erforderlichen steuerlichen Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollten, kann der Senat nicht feststellen.

aa)    Der BFH hat die tatrichterliche Schlussfolgerung nicht beanstandet, dass kein Steuerstundungsmodell vorliege, wenn das vertriebene Konzept keine steuerlichen Verluste vorsehe, sondern es ausschließlich wegen der erzielbaren Erlöse als Geldanlage attraktiv sein solle (vgl. BFH-Urteil vom 06.02.2014 IV R 59/10, a.a.O., 2. amtlicher Leitsatz; s. auch BFH-Urteil vom 06.06.2019 IV R 7/16, a.a.O., Rn. 29). So liegen die Dinge auch im Streitfall.

Steuerliche Aspekte werden von der X-Gruppe – mit Ausnahme des Hinweises auf einen Vorsteuerabzug aus der Anschaffung des Blockheizkraftwerks, der indessen nicht zu negativen Einkünften führen kann oder soll – nicht nur nicht angesprochen, sondern, wie aus der Erläuterung der „Musteranlagenkalkulation“ ersichtlich, vielmehr ausdrücklich aus der Betrachtung ausgeschlossen. Dass den Investoren der X-Gruppe mündlich oder aufgrund anderer Unterlagen steuerliche Vorteile in Aussicht gestellt worden wären, erscheint dem Senat aufgrund der Gesamtkonzeption schon nicht naheliegend und lässt sich jedenfalls nicht positiv feststellen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der dem Senat vorliegenden Schulungsunterlagen für (angehende) Berater/Vermittler.

Die Attraktivität des hier zu beurteilenden „Verwaltungsvertragsmodells“ beruhte – anders als der Gesetzgeber es sich für ein Steuerstundungsmodell vorgestellt hat (BT-Drs. 16/107, 6 li.Sp.) – nicht auf (anfänglichen) Verlusten, sondern gerade und ausdrücklich auf laufenden, von Beginn an zu erzielenden Renditen und laufenden Auszahlungen aus Überschüssen (worauf der Beklagte im Übrigen in der Einspruchsentscheidung, die Gegenstand des Verfahrens des Klägers vor dem Senat 4 K 3365/14 E war, noch selbst hingewiesen hatte). Nach dem prospektierten Konzept soll sich der Kaufanreiz maßgeblich zum einen aufgrund des als (technisch) besonders effizient dargestellten Betriebs der Blockheizkraftwerke mit Rapsöl (vgl. dazu etwa Broschüre „Pflanzenöl BHKW Produktinfo) und zum anderen aufgrund der staatlich geförderten und garantierten Einspeisevergütungen für den produzierten Strom ergeben. Auch aus der vorgelegten „Infomappe“ für die Verkaufsgespräche wird deutlich, dass es gerade darum ging, ein „garantiertes Zusatzeinkommen für die nächsten 20 Jahre“ zu sichern, das auf dem EEG basiere. Ferner sollten damit „Lücken z.B. im Bereich der Altersvorsorge“ geschlossen werden können. Es lasse sich „ein gesetzlich garantiertes Zusatzeinkommen über Einspeisevergütung im zweistelligen Renditebereich für die nächsten 20 Jahre“ erzielen.

Eine Verlustentstehung (in einer Anlaufphase oder sonst) war vorliegend nicht Bestandteil des Konzepts und lässt sich dem auch nicht als unausgesprochen unterschieben. Soweit der Beklagte – unter Verweis auf den „Prüfungsauftrag“ des BFH im Urteil vom 07.02.2018 X R 10/16 (a.a.O.), dem die hier vorliegenden Prospekte nicht vorgelegen haben – auf die hohen Fixkosten aufgrund der vom Kläger mit der X-EWIV im Rahmen des Verwaltungsvertragsmodells abgeschlossenen Verträge hinweist, ergeben sich hieraus nicht nur keine Verluste. Vielmehr ist bei rechter Betrachtung auch nicht nur von einem ausgewiesenen Überschuss von 800 € auszugehen, wie es der Beklagte bis zuletzt verfochten hat. Ausweislich der vorliegenden Musterkalkulation wird von der X-Gruppe ein jährlicher Gesamt-„Überschuss“ für die 50 kwh-Anlage in Höhe von 20.660 € und für die 75 kwh-Anlage in Höhe von 30.989,60 € prognostiziert; aus dem jeweils unterjährig die Abschlagszahlungen von 15.000 € p.a./22.500 € p.a. geleistet werden sollen. Dieser „Überschuss“ berücksichtigt indessen ausdrücklich bereits die vom Beklagten und vom BFH angesprochenen Fixkosten aus den Verträgen mit der X-EWIV; Letztere sind also vom prognostizierten Überschuss gerade nicht mehr abzuziehen, sondern bereits darin enthalten. Aus dem (prognostizierten) jährlichen Überschuss konnte die – in den Modellrechnungen der X-Gruppe in der Tat nicht berücksichtigte – vom BFH im Urteil vom 07.02.2018 X R 10/16 (a.a.O.) angesprochene Absetzung für Abnutzung in Höhe von jährlich 3.750 € bzw. 5.625 € ohne weiteres abgedeckt werden, ohne dass ein Verlust gedroht hätte.

An dieser Einschätzung ändert es nichts, dass ausweislich des Verwaltungsvertrags (dort Ziff. 3) die Höhe der Abschlagszahlung nur für das Erstjahr verbindlich war und in den Folgejahren eine Anpassungsberechtigung für die X-Gruppe bestand. Da einerseits die prospektierte Anlagenkalkulation aber noch keine solche Einschränkung enthielt, Anleger von daher – jedenfalls der Größenordnung nach – von den dort ausgewiesenen Werten ausgehen mussten und andererseits für die Anwendung des § 15b EStG nicht die tatsächlich eingetretenen, sondern die in Aussicht gestellten Entwicklungen maßgebend sind, war das Konzept unbeschadet der späteren Entwicklung der Abschlagszahlungen allein auf die Erzielung positiver Renditen ausgerichtet. Für die gänzlich unsubstantiierte Behauptung des Beklagten, die prospektierten Ertragswerte seien realitätsfern, hat dieser keinen tragfähigen Anhaltspunkt vorgebracht. Unabhängig davon weisen die Initiatoren gerade darauf hin, dass die angegebenen Werte in der Realität Abweichungen unterliegen könnten. Dass das Konzept dessentwegen auf steuerliche Verluste ausgerichtet wäre, kann der Senat nicht feststellen.

bb)    Vom Beklagten – im Anschluss an das BFH-Urteil vom 07.02.2018 X R 10/16 (a.a.O.) – ebenfalls angesprochene Fremdfinanzierungskosten des Klägers sind beialledem im Streitfall in die Beurteilung, ob ein Steuerstundungsmodell nach § 15b Abs. 2 EStG vorliegt, nicht einzubeziehen. Die vorliegenden Prospekte schlugen keine solche Gestaltung vor. Ausweislich des Bestellscheins bestand vielmehr eine Wahlmöglichkeit für die Investoren, die ausdrücklich auch die Variante Eigenkapitalfinanzierung berücksichtigte. Vor diesem Hintergrund ist auch der in der „Informationsmappe“ für Beratungsgespräche enthaltene Hinweis zu sehen, dass die X bei der „Finanzierung und Kapitalbeschaffung behilflich“ sein könnte. Es gibt keinen (ausgesprochenen oder unausgesprochenen) Hinweis auf die steuerlichen „Vorteile“ eines Betriebsausgabenabzugs von Zinsen. Soweit ein Berechnungsbeispiel in den Prospekten im Rahmeneiner Cashflow-Rechnung Zins- und Tilgungszahlungen einbezieht, bleibt es unbeschadet dessen – im Übrigen auch unter Berücksichtigung der dort nicht einbezogenen Abschreibung – bei einem Überschuss. Die Darstellung einer Fremdfinanzierung diente im Übrigen auch lediglich dem Zweck deutlich zu machen, dass eine Investition trotz Fremdfinanzierung rentabel bleibt bzw. die versprochenen Überschüsse erwirtschaftet. Von daher kann nicht angenommen werden, dass das hier zu beurteilende Modell konzeptionell auf einer Fremdfinanzierung „aufbaue“ (§ 15b Abs. 2 Satz 1 EStG); es kommt hierdurch schon von daher nicht zu „prognostizierten Verlusten“ (§ 15b Abs. 3 EStG). Davon zu unterscheiden ist die – hier nicht virulente – Frage, ob bei Vorliegen eines Steuerstundungsmodells nicht prospektierte Schuldzinsen aus einer Fremdfinanzierung im Sinne des § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG „im Zusammenhang“ mit dem Modell stehen und folglich dem Ausgleichs- und Abzugsverbot unterliegen.

Abgesehen von diesen rechtlichen Erwägungen kann der Senat aber auch nicht erkennen, dass die Berücksichtigung von Fremdfinanzierungskosten hier zu einem in Aussicht gestellten Verlust führen würde; dies zeigt sich, wenn man – in Ermangelung anderer Anhaltspunkte – Kosten in der Größenordnung der Aufwendungen, die dem Kläger, der die Anlagen privat finanziert hat, tatsächlich angefallen sind, zugrunde legt, nämlich für beide Anlagen zusammen knapp 6.000 € p.a. Auch diese Aufwendungen wären nach dem Modell ohne weiteres aus dem Überschuss zu decken gewesen.

cc)    Da die Prospektierung nach alledem rein renditeorientiert war und keine steuerlichen Vorschriften in ihre Betrachtung einbezieht, kommt es auch nicht in Betracht, anderweitige steuerliche Wahlrechte in die Beurteilung einzubeziehen. Denn hierauf baut das Modell der X-Gruppe nicht auf (s. auch FG Münster, Urteil vom 08.11.20105 K 4566/08 F, EFG 2011, 438, Rz. 30, sowie nachfolgend BFH-Urteil vom 06.02.2014 IV R 59/10, a.a.O.). Das gilt unbeschadet dessen, dass die X-Gruppe die Abwicklung der steuerlichen Angelegenheiten übernommen hätte. Hierin allein kann schon per se kein „in Aussicht stellen“ eines Verlustes zu sehen sein und noch weniger angesichts des Renditeversprechens im Streitfall. Aus dem Gesamtkontext ergibt sich im Übrigen, dass das Angebot zur Übernahme der steuerlichen Angelegenheiten vielmehr dem Zweck gedient haben dürfte, potenzielle Investoren – etwa auch nicht geschäftserfahrene und/oder steuerlich beratene Personen – nicht durch die Schwierigkeiten der steuerlichen Betreuung des Betriebs abzuschrecken. Die Abwicklung betraf – wie sich an der Aufstellung „Preisübersicht & Leistungsumfang“ in der Broschüre X-EWIV Produktinformation erkennen lässt – im Übrigen offenkundig die „Buchhaltung“ und die Umsatzsteuervoranmeldungen; nur auf Wunsch würde auch ein Jahresabschluss erstellt(wobei unklar bleibt, ob es sich um einen steuerlichen Jahresabschluss handeln soll). Steuerliche Gestaltungen gleich welcher Art sind auch unter Berücksichtigung der in den Seminaren an die (angehenden) Berater/Vermittler weitergegebenen Informationen nicht Gegenstand der Verkaufsstrategie gewesen.

Der Senat weist in diesem Zusammenhang nur ergänzend darauf hin, dass er es imÜbrigen auch für fernliegend hält, dass in diesen Seminaren bzw. in den Beratungsgesprächen steuerliche Verluste auch nur angesprochen worden sein könnten. Dies ergibt sich nicht nur aufgrund der Höhe der prospektierten Gewinne, sondern auch deshalb, weil die Initiatoren – im Rahmen des von ihnen beabsichtigten Betrugs – offenkundig versucht haben, gerade mit der hohen (positiven) Rendite zu werben und die Einbeziehung von (möglichen, wenn auch nur steuerlichen) Verlusten diesem Ziel abträglich gewesen wäre.

3.     Rechtlich unabhängig von den vorstehenden Darlegungen, aber tatsächlich hieran anschließend, fehlt es darüber hinaus auch an den Anwendungsvoraussetzungen des § 15b Abs. 3 EStG, weil dies „prognostizierte Verluste“ erfordert hätte, die den dem Senat vorliegenden Prospekten, Verträgen und sonstigen Unterlagen bereits dem Grunde nach nicht zu entnehmen sind.

4.    Ob die Anwendung des § 15b EStG auf den Streitfall auch deswegen rechtswidrig ist, weil die tatsächliche Umsetzung des Verwaltungsvertragsmodells von der X-Gruppe nicht beabsichtigt war und nie ein Blockheizkraftwerk existierte, bedarf ebenso wenig weiterer Erörterung wie die damit verbundene Frage, ob verfassungsrechtliche Gründe dessen Anwendung entgegenstünden, wenn und weil es hier von vornherein an einer Einkunftsquelle im Sinne des § 15b Abs. 1 EStG und mithin bereits an der Möglichkeit einer späteren Verrechnung der Verluste fehlte (sofortiger „Definitiv-Effekt“).

5.    Der Senat kann, da § 15b EStG schon dem Grunde nach nicht anwendbar ist, ferner offenlassen, ob die Feststellungsbescheide des Beklagten (auch) deswegen zu beanstanden sind, weil darin – anders als es § 15b EStG fordert – die BHKW I und II als Verwaltungsvertragsmodell undifferenziert behandelt werden, obwohl bei Einzelinvestitionen jede Einkunftsquelle gesondert zu betrachten wäre.

6.    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist nach Maßgabe von § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen, weil der Senat auf der Grundlage feststehender Rechtsprechungsgrundsätze zu § 15b EStG und insbesondere zum Begriff „Steuerstundungsmodell“ über die Verhältnisse des Einzelfalls entscheidet. Weitere Fragen wären in der Revision nicht klärungsfähig.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

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