R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Steuerrecht
14.02.2019
Steuerrecht
FG Münster: Steuerschuldnerschaft eines inländischen Leistungsempfängers nach § 13b UStG für Tierzerlegungsleistungen polnischer Unternehmer

FG Münster, Urteil vom 27.11.2018 – 15 K 1062/15 U, NZB eingelegt (Az. BFH XI B 7/19)

ECLI:DE:FGMS:2018:1127.15K1062.15U.00

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2019-420-1

unter www.betriebs-berater.de

Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob gegenüber der Klägerin vorsteuerabzugsbegründend Dienstleistungen von im Inland ansässigen Unternehmen erbracht worden sind.

Geschäftsgegenstand der Klägerin ist die Veredelung von und der Handel mit Fleisch. In den Kalenderjahren 2010 bis 2012 ließ die Klägerin durch Subunternehmer die Zerlegung von Schweinehälften und Ausbeinarbeiten durchführen. Die Arbeiten wurden durch Arbeitskräfte diverser Werkvertragsunternehmer in den Räumlichkeiten der Klägerin in W ausgeführt.

Datierend auf den 23.7.2009 schloss die Klägerin einen Werkvertrag (Nr. PL 006/1/09/10) mit der Fa. M mit Sitz in A, Polen (Fa. M) ab. In dem Vertrag, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, heißt es:

㤠1 Vertragsgegenstand und Verpflichtung der Vertragsparteien

Nr. 1: Gegenstand dieses Vertrags ist die Zerlegung von Tierfleisch – Zerlegung von Tierkörperhälften von Schweinen und Sauen; diese Arbeiten wird der Unternehmer für den Besteller in der gesamten Anzahl von 231.400 Stück zerlegter Tierkörperhälften, gemäß dem Leistungsverzeichnis, das Anlage zu diesem Vertrag ist, ausführen. Auf der Grundlage dieses Vertrags ist der Unternehmer verpflichtet: 1/ die in Auftrag gegebenen, in Abs. 1 bezeichneten Arbeiten in eigener Regie und Verantwortung mit seinen Mitarbeitern auszuführen.

Nr. 2: Die Parteien gehen davon aus, dass zur Herstellung und Ausführung des Werkes 35 Fleischer erforderlich sind.

[…]

§ 2 Nr. 3.: Die vom Unternehmer zu erbringenden (grenzüberschreitenden) Dienstleistungen gem. Abs. 1 werden mittels seines eigenen Personals, ohne Einschränkungen die aus den Rechtsvorschriften über Arbeitserlaubnisse hervorgehen, durchgeführt.

[…]

§ 5 Preis: Für die Erfüllung des im § 1 Abs. 1 bezeichneten Vertragsgegenstands steht dem Unternehmer gemäß dem vorgesehenen Lieferumfang laut Leistungsverzeichnis die Vergütung im Betrag von: EURO: 1.200.940 euro [zu]. […] Die Zahlung der Beträge seitens des Bestellers erfolgt nach den ausgestellten Rechnungen. Der in den Rechnungen ausgewiesene Betrag ist ein Bruttobetrag und berücksichtigt die nach dem deutschen Steuerrecht vorgesehene Umsatzsteuer.“

Am 12.8.2010 schloss die Klägerin einen weiteren, weitgehend identischen Vertrag mit der Fa. M (Nr. PL – 017/2/10/11), diesmal mit Sitz in B, Polen ab. Mit Datum vom 1.10.2010 wurde ein Nachtrag zum Werkvertrag unter selbiger Anschrift des Werkvertragsunternehmers vereinbart. Auf dieser vertraglichen Grundlage erbrachte die Fa. M, soweit in diesem Verfahren von Bedeutung, gegenüber der Klägerin in der Zeit vom 1.1.2010 bis zum 31.5.2011 ihre Werkleistungen. Im Handelsregister des Amtsgerichts C (HRB 00000) wurde am 29.7.2010 unter der Geschäftsanschrift A-Str., 00000 C eine Zweigniederlassung der Fa. M eingetragen. Durch Beschluss des Amtsgerichts M als Insolvenzgericht vom 00.00.2012 (00 IN 0000/00) wurde über das Vermögen der Fa. M das Insolvenzverfahren eröffnet und wegen Vermögenslosigkeit wieder eingestellt. Das Finanzamt E bestätigte durch eine „Steuerliche Bescheinigung“ vom 6.4.2010, dass die Fa. M, „A-Str., 00000 C“ für Umsatzsteuer und Lohnsteuer geführt werde und keine in Vollstreckung befindlichen Steuerrückstände bestehen würden. Der steuerliche Berater der Fa. M, Steuerberater StB 1, bestätigte mit Schreiben vom 16.12.2010, dass von ihm als steuerlichem Berater „die deutsche Betriebsstätte betreut“ werde.

Am 5.5.2011 schloss die Klägerin einen nahezu inhaltsgleichen und vom Schriftbild ähnlichen Vertrag mit der Fa. Z mit Sitz in D, Polen, unter der Nr. PL 04/11/12/13 ab (Fa. Z). Die Fa. Z erbrachte im Zeitraum vom 1.6.2011 bis zum 31.3.2012 Leistungen an die Klägerin auf der Grundlage des abgeschlossenen Werkvertrags. Der Vertrag wurde einvernehmlich durch eine Auflösungsvereinbarung, die allein die polnische Adresse des Werkvertragsunternehmers führt, beendet. Im Handelsregister des Amtsgerichts C (HRB 00001) wurde am 15.6.2011 unter der Geschäftsanschrift B-Str., 00000 C eine Zweigniederlassung der Fa. Z eingetragen. Mit Eintragung vom 23.3.2012 wurde die Verlegung der Zweigniederlassung nach T (Amtsgericht Y HRB 00002) festgehalten, wo die Aufhebung der Zweigniederlassung am 2.1.2013 eingetragen wurde. Das Finanzamt C bestätigte mit Schreiben vom 29.7.2011 („Nachweis der Eintragung als Steuerpflichtiger (Unternehmer)“), dass die Fa. Z, B-Str., 00000 C unter der Steuernummer xxx/xxxx/xxxx-(xxxx) registriert sei. Mit Schreiben vom 25.7.2011 teilte Steuerberater StB 1 der Fa. Z mit, dass das Finanzamt C eben dieser Gesellschaft eine Steuernummer erteilt habe und diese unter der Nr. xxx/xxxx/xxxx geführt werde. Durch Gewerbeab- und ‑anmeldungen gegenüber der Stadt C und der Stadt T, jeweils vom 1.12.2011, wurde die Verlegung der Betriebsstätte von der B-Str., 00000 C in die C-Str. in 00000 T angezeigt. Mit Schreiben vom 21.3.2012 bestätigte Steuerberater StB 1 der Klägerin, dass er der steuerliche Berater der Fa. Z sei und die Finanzverwaltung T die neue Steuernummer yy/yyy/yyyyy mitgeteilt habe.

Auf nahezu identischer vertraglicher Grundlage (Vertrag Nr. PL 002/1/12/13/14 vom 21.3.2012) im Vergleich zu den zuvor abgeschlossenen Werkverträgen erbrachte die Fa. I mit Sitz in F, Polen (Fa. I) im Zeitraum vom 1.4.2012 bis zum 30.9.2012 Werkleistungen. Im Handelsregister des Amtsgerichts P (HRB 00003) wurde am 8.6.2012 unter der Geschäftsanschrift D-Str., 00000 E eine Zweigniederlassung der Fa. I eingetragen. Ausweislich des Handelsregisters des Amtsgerichts P wurde durch Beschluss des Amtsgerichts F (Polen) vom 00.00.2013 […] über das Vermögen der Fa. I das Insolvenzverfahren eröffnet und durch rechtskräftigen Beschluss vom 00.00.2015 […] beendet. Die Zweigniederlassung wurde daraufhin von Amts wegen gelöscht. Mit Schreiben vom 11.5.2012 teilte Steuerberater StB 1 der Klägerin mit, dass das Finanzamt E der Fa. I eine Steuernummer erteilt habe und diese unter der Nr. zz/zzz/zzzzz geführt werde. Mit Schreiben vom 26.6.2012 übersandte Steuerberater StB 1 der Klägerin die Registrierung der Fa. I beim Finanzamt Q und die Erteilung der Steuernummer aaa/aaa/aaaaa.

Im Anschluss an die vorstehenden Werkvertragsunternehmer führte die Fa. N aus G, Polen (Zweigniederlassung: E-Str., 00000 E) (Fa. N) ab Oktober 2012 die werkvertraglichen Leistungen aus. Hinsichtlich dieser Leistungen ging die Klägerin entsprechend der vertraglichen Abrede mit der Fa. N von der Umkehr der Steuerschuldnerschaft aus. Diese umsatzsteuerliche Beurteilung wurde durch den Beklagten geteilt und resultierte nicht in einer Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung.

Die Firmen M, Z und I stellten in den Jahren 2010 bis 2012 über ihre Leistungen jeweils Rechnungen aus, in denen die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen wurde. Die Rechnungen wurden durch die Klägerin restlos beglichen. Die Zahlungen erfolgten ganz überwiegend in bar. Bescheinigungen der zuständigen Finanzämter über die Ansässigkeit der Firmen im Inland nach § 13b des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (UStG a.F.) wurden für keine der Werkunternehmer vorgelegt.

Beginnend im März 2014 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung C eine Außenprüfung bei der Klägerin durch. Ausweislich des Berichts vom 27.6.2014, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, traf der Prüfer im Wesentlichen die folgenden Feststellungen: Die Klägerin habe in W eine Betriebsstätte unterhalten, in der Schweinehälften zerlegt worden seien. Hierfür habe sie diverse Werkverträge mit polnischen Werkvertragsunternehmen abgeschlossen. Zur Unterbringung der Arbeitnehmer seien diverse Wohnungen der Eltern der Gesellschafter-Geschäftsführerin S Q an die polnischen Arbeitskräfte vermietet worden. Die Klägerin habe Vorsteuern aus Rechnungen der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Werkvertragsunternehmen abgezogen und § 13b UStG nicht angewandt. Betreffend die Fa. M habe die Klägerin im Jahr 2010 einen Betrag von 202.889,69 € und im Jahr 2011 ein Betrag von 89.273,82 €, hinsichtlich der Fa. Z im Jahr 2011 einen Betrag von 116.207,61 € und in 2012 47.366,24 € und betreffend die Fa. I im Jahr 2012 einen Betrag von 93.642,26 € an Vorsteuern abgezogen. Aufgrund der bisher durchgeführten Ermittlungen sei zweifelhaft, ob die polnischen Firmen eine inländische Betriebsstätte unterhalten hätten. Nach § 13b Abs. 7 UStG schulde die Klägerin als Leistungsempfängerin die Umsatzsteuer nur dann nicht, wenn ihr jeweils durch eine Bescheinigung des zuständigen Finanzamts durch die ausländischen Firmen nachgewiesen werde, dass sie keine Unternehmer i. S. des § 13b Abs. 7 Satz 1 UStG seien. Bescheinigungen i. S. des § 13b Abs. 7 Satz 4 UStG über die Ansässigkeit im Inland habe die Klägerin aber nicht vorlegen können. Daher schulde die Klägerin als Leistungsempfängerin die Umsatzsteuer auf die Eingangsleistungen und könne die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuern abziehen.

Am 19. und 20.3.2012 führte das Finanzamt T eine Umsatzsteuernachschau bei der Fa. Z durch. Ausweislich des Berichts über die Umsatzsteuernachschau vom 22.3.2012 traf die Prüferin im Wesentlichen folgende Feststellungen: Auf dem Grundstück C-Str. würden sich mehrere Firmen, u.a. ein Autohaus und ein Versicherungsunternehmen befinden. An der Hauswand seien diverse Briefkästen angebracht, wovon einer der Fa. Z gehöre. Diese Fa. habe einen Büroraum angemietet. Auskunft habe A T , der Betriebsleiter der Fa. Z erteilt. A T sei nach eigenen Angaben für die An- und Abmeldung der polnischen Arbeiter in Deutschland zuständig (Ausländerbehörde / Versicherung). Ferner besuche er die Arbeiter an deren Einsatzorten. Er sei ca. ein bis zwei Mal pro Woche im Büro. Der Chef der Fa. Z komme etwa einmal pro Monat für etwa vier Tage nach Deutschland und hole die Rechnungen ab. Das Büro verfüge über einen großen Schreibtisch, zwei Schreibtischstühle, einen Aktenbock, einen Laptop und ein Telefon/Fax-Gerät. Im Büro hätten sich außerdem Ordner mit Papieren der angestellten Fleischer befunden sowie ein Ordner mit Verträgen.

Am 10.5.2012 führte das Finanzamt E eine Umsatzsteuernachschau bei der Fa. I durch. Ausweislich des Berichts vom 10.5.2012 hänge in der Tür ein mit dem Namen der Fa. beschrifteter Zettel. Ein Briefkasten sei ebenfalls vorhanden. Eine Klingel habe nicht gefunden werden können. Auf Klopfen sei niemand erschienen. Beim Blick durch die Tür sei ein Büroraum erkennbar gewesen.

Das Finanzamt E führte im Januar 2013 im Wege der Amtshilfe für das Finanzamt Q eine Umsatzsteuernachschau bei der Fa. N durch. Der Prüfer traf aufgrund der Nachschau im Wesentlichen die folgenden Feststellungen: Am 10. und 15.1.2013 sei eine Umsatzsteuernachschau bei der Fa. N durchgeführt worden. An beiden Tagen habe mit Herrn A T gesprochen werden können, der als Beauftragter der Fa. N bezeichnet werden könne. Er sei für Herrn U, dem Geschäftsführer der Fa. N, Bezugsperson in E. Er kümmere sich bei Ankunft der polnischen Arbeiter um deren Meldungen und begleite sie zum Gesundheitsamt. Außerdem bringe er die Fleischer zu dem Betrieb, wo sie arbeiten würden. In den kleinen Räumlichkeiten würden sich ein Tisch, vier Stühle und ein Telefon-/Faxgerät befinden. In einem zugehörigen Abstellraum befänden sich gar keine Gegenstände. Es sei zweifelhaft, ob in Anbetracht dessen eine umsatzsteuerliche Betriebsstätte vorliege.

Die Klägerin reichte datierend auf den 25.11.2011 und 14.6.2013 jeweils einen Erstattungsbetrag ausweisende Umsatzsteuererklärungen für 2010 und 2012 mit einer Umsatzsteuer von ./. 249,20 € für 2010 und ./. 101.691,38 € für 2012 ein. Der Beklagte stimmte den Erklärungen zu. Am 2.11.2012 reichte die Klägerin eine eine Abschlusszahlung ausweisende Umsatzsteuererklärung für 2011 mit einem Umsatzsteuerbetrag von 33.701,89 € ein. Mit Datum vom 22.9.2014 erließ der Beklagte Änderungsbescheide und setzte die Umsatzsteuer entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung für 2010 auf 202.710,49 €, für 2011 auf 239.253,32 € und für 2012 auf 39.387,12 € fest. Dagegen legte die Klägerin Einsprüche ein, die der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 6.3.2015 als unbegründet zurückwies. Nach objektiver Einschätzung würden bei allen drei betroffenen polnischen Werkvertragsunternehmern Zweifel vorliegen, ob eine Ansässigkeit im Inland bestanden habe und auch von welcher Betriebsstätte aus die betreffenden Werkleistungen erbracht worden seien. Die abgeschlossenen Verträge würden lediglich die Firmenanschrift des polnischen Unternehmenssitzes enthalten. Die erteilten Rechnungen würden sowohl Anschriften in Polen als auch als Zweigniederlassung betitelte inländische Anschriften aufweisen. Rechnungsaussteller seien nach den auf den Rechnungen gedruckten Stempeln jeweils die Firmen unter polnischer Anschrift und unter Angabe der polnischen Steuernummer (NIP). Der Umstand, dass die Klägerin von den Firmen jeweils Nachweise verlangt habe, dass jene im Inland steuerlich geführt würden, belege, dass auch die Klägerin ernsthafte Zweifel an der inländischen Ansässigkeit aller betroffenen Unternehmen gehabt habe. Bei derartigen Zweifeln verlange § 13b Abs. 7 Satz 4 UStG den Nachweis, dass der leistende Unternehmer kein ausländischer Unternehmer sei. Ein solcher Nachweis könne dann nicht durch die bloße Bestätigung des Steuerberaters des leistenden Unternehmers erfolgen und auch nicht durch die Nennung einer deutschen Steuernummer oder Umsatzsteueridentifikationsnummer, sondern allein durch die Vorlage einer Bescheinigung nach dem Muster USt 1 TS. Diese Handhabung sei für die Verwaltung nach Abschn. 13b.11 Abs. 3 Satz 1 des Umsatzsteueranwendungserlasses (UStAE) verbindlich. Die Klägerin habe keine derartigen Bescheinigungen vorgelegt, so dass sie die rechtlichen Folgen, nämlich die Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 5 UStG, treffe. Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung C habe zwar durch Anfragen bei den zuständigen Finanzämtern der Leistungsempfänger ermitteln können, dass von der insgesamt strittigen Vorsteuer i. H. von 549.379,62 € vermutlich 356.399,28 € seitens der polnischen Firmen deklariert und an die Finanzverwaltung abgeführt worden sei. Rein rechnerisch sei dem Fiskus daher nur ein Steuerschaden von 192.980,34 € entstanden. Dieses Berechnungsergebnis beruhe aber lediglich auf einem Abgleich der Summenlisten der erklärten Umsätze mit den Steuerkonten. Hieraus könne abgeleitet werden, inwieweit die angemeldeten Steuerbeträge bezahlt worden seien. Ob es sich bei den angemeldeten Steuerbeträgen aber überhaupt um die hier betroffenen Rechnungsbeträge handele, könne nicht festgestellt werden. Da die gesetzlichen Tatbestände aber zweifellos erfüllt seien, müsse es beim Übergang der Steuerschuldnerschaft für den Gesamtbetrag i. H. von 549.379,62 € bleiben. Bei den von den leistenden Unternehmern ausgewiesenen Umsatzsteuern handele es sich um unzutreffend ausgewiesene Umsatzsteuerbeträge im Sinne des § 14c Abs. 1 UStG, die die Klägerin nicht als Vorsteuer abziehen könne und der leistende Unternehmer so lange schulde, bis er die Rechnungen berichtige.

Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass ihr der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 UStG aus den Rechnungen der Firmen M, Z und I zustehe. Bei der ausgewiesenen Umsatzsteuer handele es sich um die gesetzlich geschuldete Steuer dieser Firmen, da kein Fall der Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG vorliege. Die Klägerin habe aufgrund der Umstände des Einzelfalls in Übereinstimmung mit der Auffassung der Finanzverwaltung in Abschn. 13b.11 Abs. 3 UStAE davon ausgehen können, dass die polnischen Firmen bei ihrer Leistungserbringung aufgrund des Unterhaltens einer inländischen Betriebsstätte als inländische Unternehmer zu qualifizieren seien. Insbesondere würden keine objektive Zweifel begründende Umstände vorliegen, die die Verpflichtung gemäß § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG hätten auslösen können. Nach Auffassung der Klägerin seien die polnischen Firmen aufgrund ihrer Handelsregistereintragungen, der erteilten deutschen Steuernummern und der mit Adresse und Rubrum bezeichneten inländischen Betriebsstätten als inländische Unternehmer zu qualifizieren. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sei für die Annahme einer inländischen Betriebsstätte jeweils ausreichend, dass diese über einen hinreichenden Grad an Beständigkeit verfüge und eine Struktur aufweise, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaube, die in Rede stehenden werkvertraglichen Dienstleistungen durchzuführen (EuGH-Urteil vom 28.6.2007 C-73/06, Planzer Luxembourg, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 2007, 924). Diese Voraussetzungen lägen für alle drei polnischen Werkvertragsunternehmen vor. Die Finanzverwaltung könne dies nicht anders beurteilen, da sie der bei ihr liegenden objektiven Beweislast zur Begründung der objektiv bestehenden Zweifel im Sinne des § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG durch eine Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen nicht nachgekommen sei. Es hätte einer konkreten, nachprüfbaren Angabe von Umständen bedurft, die geeignet wären, Zweifel im Hinblick auf die im Inland bestehenden Betriebsstätten der drei polnischen Firmen hervorzurufen. Hierzu hätte es einer eingehenden Auseinandersetzung mit den durch die Finanzbehörden den polnischen Firmen erteilten Bescheinigungen sowie einer Auswertung der Handelsregistereintragungen bedurft. Außerdem hätten Prüfungsfeststellungen bezüglich einer möglichen personellen und technischen Ausstattung an den im Handelsregister gemeldeten postalischen Adressen getroffen werden müssen. Nur bei Durchführung einer solchen Sachverhaltsermittlung könnten sich objektiv die Zweifel ergeben, die eine Beweislastumkehr nach § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG zu begründen vermögen. Nachteile aufgrund der Nichtausübung dieser objektiven Sachverhaltsaufklärung dürften – so ihre, der Klägerin, Auffassung – nicht zu Lasten der beteiligten Leistungsaustauschpartner, d.h. im Streitfall der Klägerin, gehen. Allein der Umstand, dass ausländische Unternehmer bei der Leistungserbringung mit zwei verwendeten Steuernummern beteiligt gewesen seien, reiche für die in § 13b Abs. 7 Satz 5 UStG angesprochenen Zweifel nicht aus. Es sei offenkundig, dass ein polnisches Unternehmen mit deutscher Zweigniederlassung die polnische Steuernummer für im Ausland erbrachte Leistungen und die inländische Steuernummer für inländische Leistungen unter Beteiligung der Betriebsstätte verwende. Außerdem scheide das Reverse-Charge-Verfahren unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aus, wenn der Leistungsempfänger an der behaupteten inländischen Ansässigkeit des leistenden Unternehmers keine Zweifel hätte haben müssen (BFH-Urteil vom 23.5.1990 V R 167/84, Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFHE – 161, 191, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1990, 1095). In Bezug auf die Fa. M habe die Klägerin insbesondere auf das Schreiben des steuerlichen Beraters der Fa. M vertrauen dürfen, indem dieser bestätigt habe, dass er die deutsche Betriebsstätte der Fa. M betreue. Betreffend die Fa. Z habe die Klägerin insbesondere auf die Bescheinigung des Beklagten vom 29.7.2011 über den „Nachweis der Eintragung als Steuerpflichtiger (Unternehmer)“ vertrauen dürfen. Zwar fehle dieser Bescheinigung der Hinweis auf die Umsatzbeteiligung der Betriebsstätte. Dieser Umstand sei aber wegen Art. 11 Abs. 2 und 3 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 des Rates vom 15.3.2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL-DVO) entbehrlich. Zudem habe die für die Betriebsstätte nach abgabenrechtlichen Vorschriften zuständige Behörde die Bescheinigung ausgestellt. Der Beklagte müsse sich zumindest diese Bescheinigungen entgegenhalten lassen, zumal die Fa. Z die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer vollumfänglich an den Beklagten entrichtet habe. Die Fa. I sei mit einer deutschen postalischen Adresse im Handelsregister eingetragen worden und der steuerliche Berater habe die steuerliche Registrierung im Inland bestätigt. Darauf habe sie, die Klägerin, vertrauen dürfen. Außerdem verbiete der Grundsatz der steuerlichen Neutralität eine Inanspruchnahme der Klägerin nach § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG i. V. m. § 13b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG bei gleichzeitiger Versagung des Vorsteuerabzugs aus den Rechnungen der leistenden Unternehmer. Wenn und soweit sich die am Leistungsaustausch beteiligten Vertragsparteien über die Anwendung der Vorschriften zum Übergang der Steuerschuldnerschaft irren würden, aber tatsächlich dem Steueranspruch gegenüber dem Fiskus gerecht würden, verbiete sich unter Beachtung des Neutralitätsgrundsatzes eine Berufung auf das „richtige“ Recht. Diese Würdigung stimme mit der Rechtsprechung des EuGH (EuGH-Urteil vom 17.7.2014 C-272/13, Equoland, HFR 2014, 851 [RIW 2015, 389]) überein. Nach dieser Rechtsprechung weise die nochmalige, eigentlich zutreffende Erhebung der Umsatzsteuer einen unzulässigen Sanktionscharakter auf, wenn zuvor die Umsatzsteuer auf unzutreffender Grundlage entrichtet worden sei. Daraus folge, dass eine Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens unzulässig sei, wenn sich die am Leistungsaustausch beteiligten Parteien über dessen Anwendung irren, aber irrtumsgerecht verhalten würden. Dies gelte jedenfalls unter Berufung auf umsatzsteuerrechtliches Schrifttum dann und insoweit, als trotz des unzutreffend nicht angewandten Reverse-Charge-Verfahrens die Leistenden die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer tatsächlich abgeführt hätten (Nieskens, Mehrwertsteuerrecht – MwStR – 2015, 243). Zumindest in Höhe von 356.399,28 € könne die Klägerin daher nicht auf das Reverse-Charge-Verfahren verwiesen werden.

Die Klägerin hat mit der Klagebegründung eine gutachterliche Stellungnahme vom 17.7.2014 zur umsatzsteuerlichen Beurteilung der Voraussetzungen des § 13b Abs. 7 UStG unter besonderer Berücksichtigung der nach § 13b Abs. 7 Satz 4 UStG geforderten Nachweispflichten im Falle des Fleischverarbeitungsbetriebs W GmbH von XX vorgelegt, auf deren Einzelheiten verwiesen wird. Hierin heißt es u.a.:

„Gem. den Vorgaben der mit den polnischen Firmen geschlossenen Verträgen (vgl. § 2 Nr. 5 und Nr. 7) werden die für die werkvertraglichen Tätigkeiten benötigen Räume von der Fa. W als Auftraggeberin zur Verfügung gestellt, dürfen die Arbeitnehmer der polnischen Firmen die Sozialräume und Sanitäreinrichtungen der Fa. W benutzen. Dies alles spricht gegen die Vorhaltung eigener Betriebsvorrichtungen durch die polnischen Firmen vor Ort. Damit kommt es entscheidend auf die vom EuGH […] entwickelten und durch Art. 11 Abs. 2 und 3 MwStSystRL-DV umgesetzten Vorgaben zu Begriffsbestimmung an. Entscheidend wird damit sein, ob die von den polnischen Firmen in Deutschland jeweils im Handelsregister angemeldeten Firmen (Niederlassungen) über einen hinreichenden Grad an Beständigkeit verfügen und eine Struktur aufweisen, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlauben, die hier in Rede stehenden werkvertraglichen Dienstleistungen durchzuführen. Da bloße verwaltungstechnische Aufgaben wie Buchhaltung, Rechnungsstellung und die Einziehung von Forderung hierfür nicht ausreichen, bestehen vorliegend in allen drei Fällen ernstliche Zweifel an der inländischen Betriebsstätteneigenschaft der von den polnischen Firmen M, Z und I in Deutschland angemeldeten Firmen. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass insoweit die Finanzverwaltung die objektive Beweislast zur Begründung der objektiv bestehenden Zweifel trägt. Dieser Sachverhaltsaufklärung ist sie bislang erkennbar nicht nachgekommen. […] Selbst wenn aber von solchen objektiven Zweifeln ausgegangen werden sollte, bestanden für W keine subjektiven Zweifel an der Steuerschuldnerschaft der polnischen Firmen M, Z und – wenn auch mit Abstrichen – für die Fa. I. W konnte zutreffender Weise davon ausgehen, dass alle drei polnischen Firmen im Inland eine Betriebsstätte unterhielten, die an den jeweiligen Umsätzen beteiligt waren.“

Zusammenfassend trägt die Klägerin vor, dass die nach der Rechtsprechung aufgestellten geringen Anforderungen an eine Betriebsstätte erfüllt seien und im Übrigen weder objektiv noch subjektiv Zweifel am Vorhandensein inländischer Betriebsstätten bestanden hätten. Aufgrund des Grundsatzes der „Leichtigkeit des Rechtsverkehrs“ sei es ihr, der Klägerin, nicht zuzumuten gewesen, zu den Niederlassungen zu fahren, um sich von deren tatsächlichen Vorhandensein zu überzeugen. Sie habe auch nicht misstrauisch sein müssen, weil es sich um polnische Unternehmen gehandelt habe. Es sei nicht ersichtlich, welche weiteren Maßnahmen sie, die Klägerin, hätte ergreifen sollen.

Mit Schriftsatz vom 31.10.2018 trägt die Klägerin ergänzend vor, dass der damalige Berichterstatter die Rechtslage anders beurteilt habe als der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 2.10.2018. Insbesondere seien objektiv deutsche Niederlassungen existent gewesen. Wesentliche Sachverhaltsumstände seien bislang nicht berücksichtigt worden. Die zuletzt eingesehenen Betriebsprüfungsakten würden Rechnungen der polnischen Subunternehmen enthalten, die jeweils auf eine Zweigniederlassung in Deutschland verweisen würden. Darüber hinaus habe der Steuerberater der Fa. M, StB 1, attestiert, dass er die deutsche Betriebsstätte betreue. Die Firmen I und M würden beispielsweise in ihren Rechnungen vom 4.7.2012 und 7.3.2011 jeweils eine deutsche Umsatzsteueridentifikationsnummer verwenden. Nach Art. 53 Abs. 2 MwStSystRL-DVO würden sie daher mittels gesetzlicher Fiktion als beteiligt gelten. Außerdem seien die Niederlassungen aktiv an den Werkleistungen beteiligt gewesen. Für die Niederlassungen der Subunternehmen seien ein Herr A T , ein Herr V und ein Herr H tätig gewesen. Sie seien als regelmäßige Ansprechpartner der Klägerin aufgetreten. Mit ihnen habe Frau S Q als Vertreterin der Klägerin die Vertragsverhandlungen geführt.

Nach den vertraglichen Vereinbarungen habe das jeweilige polnische Unternehmen nicht nur das Personal für die Zerlegearbeiten zu stellen gehabt, sondern auch die sachliche Ausrüstung zur Erbringung dieser Leistungen. Zur Ausrüstung hätten insbesondere Messer zum Zerlegen, Messer-Körbe zum Reinigen der Messer, spezielle Schürzen, Arbeitsschuhe, Handschuhe und Bartschutz-Vorrichtungen gehört. Sofern die Klägerin die Ausstattungsutensilien bemängelt habe, was nach ihren Angaben häufiger vorgekommen sei, hätten die Ansprechpartner der Firmen innerhalb von einer Stunde die entsprechenden Utensilien gebracht oder ausgetauscht. Dies könne H G , der ehemalige Betriebsleiter der Klägerin, aus eigener Wahrnehmung bestätigen. Da der Austausch innerhalb von einer Stunde nach dem Anruf der Klägerin erfolgt sei, hätten die Utensilien nicht aus Polen herbeigeschafft werden können. Hieraus folge, dass es aktive deutsche Niederlassungen der Subunternehmer gegeben habe.

Darüber hinaus seien die Ansprechpartner V und H auch für Rügen betreffend die ordnungsgemäße Durchführung der Dienstleistungen zuständig gewesen. Die polnischen Unternehmen seien nach der Fleischmenge in Kilo bezahlt worden. Sie, die Klägerin, habe auf eigene Kosten die Knochen nach Gewicht als Abfall verkaufen müssen. Fleischrückstände an den Knochen hätten sich negativ sowohl auf ihre Verkaufserlöse als auch auf die Gewinnspanne der Subunternehmer ausgewirkt. Sowohl sie als auch die polnischen Firmen hätten daher ein Interesse daran gehabt, dass die Knochen besonders sauber geputzt würden. Sie habe in den Niederlassungen angerufen, wenn bei der Tätigkeit der Subunternehmer Mängel hinsichtlich der Bearbeitung der Fleischprodukte festgestellt worden seien, sei es, dass die Zuschnitte der einzelnen Fleischprodukte nicht den Vorgaben der Kunden entsprochen hätten, sei es, dass die Knochen zu viele Fleischrückstände aufgewiesen hätten. Daraufhin seien entweder Herr V oder Herr H innerhalb eines Zeitraums von maximal einer Stunde erschienen, um die vorgebrachten Mangelrügen der Klägerin zu überprüfen. Bei Anerkennung der Rügen habe der jeweilige Ansprechpartner dann die Mitarbeiter angewiesen, die Mängelrügen abzuarbeiten. Die deutschen Niederlassungen seien daher in die Erbringung der Leistungen einbezogen gewesen. In diesem Zusammenhang werde auch auf die Gewerberaummietverträge zwischen der S & T GbR als Vermieterin und der Fa. Z als Mieterin sowie Herrn O als Vermieter und der Fa. I als Mieterin und auf Fotoaufnahmen von der Betriebsstätte der Fa. Z verwiesen.

Außerdem seien alle Niederlassungen der polnischen Firmen in Deutschland umsatzsteuerlich registriert gewesen. Wenn aber die deutschen Niederlassungen umsatzsteuerlich als Unternehmer angemeldet und auch erfasst gewesen seien, dann könne die objektive Existenz der deutschen Niederlassung nicht mehr zweifelhaft sein. Es wäre – so ihre, der Klägerin, Auffassung – ein groteskes Ergebnis, wenn einerseits die deutschen Niederlassungen objektiv Steuerschuldner wären und diese auch von der Finanzverwaltung so erfasst wären, andererseits aber der Beklagte im Verhältnis zur ihr, der Klägerin, sagen könne, es hätten deutsche Niederlassungen objektiv nicht existiert. Des Weiteren würde für die Existenz der Niederlassungen auch sprechen, dass bei den deutschen Niederlassungen der polnischen Unternehmen Umsatzsteuernachschauen und Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt worden seien.

Auch habe die Klägerin keine Zweifel an der tatsächlichen Existenz der deutschen Niederlassung haben müssen. Da für ein deutsches Unternehmen keine Obliegenheit bestehe, die deutsche Niederlassung eines ausländischen Vertragspartners zu besuchen, könne ihr, der Klägerin, nicht vorgehalten werden, dass sie die Verhandlungen über Leistungen und Preise in ihrem Büro geführt habe. Außerdem sei die Korrespondenz nicht mit den polnischen Adressen der Unternehmen geführt worden. Die Rechnungen seien in deutscher Sprache erteilt worden. Die Rechnungen seien teilweise mit der Post versandt, teilweise von den drei Ansprechpartnern übergeben worden. Die Bezahlung sei in Deutschland sehr sorgfältig dokumentiert und in deutscher Währung gegen Empfangsquittung erfolgt. Von einer (ausschließlichen) Korrespondenz mit den polnischen Hauptsitzen könne also keine Rede sein.

Sie, die Klägerin, habe diesbezüglich nicht allein deshalb Zweifel haben müssen, weil die Leistungen in ihren Räumen ausgeführt worden seien. Die Tatsache, dass die polnischen Unternehmen die Tätigkeit in ihrem Hause hätten erbringen müssen, ergebe sich nämlich aus der Natur der Sache. Nur sie selbst habe einen zertifizierten Zerlege-Betrieb mit den entsprechenden lebensmittelrechtlichen Voraussetzungen unterhalten. Es sei daher zwingend notwendig gewesen, dass die polnischen Unternehmen in ihrem Betrieb gearbeitet hätten. Dies sei im Übrigen bei zahlreichen anderen Tätigkeiten, die polnische Unternehmen in Deutschland ausüben würden, ebenso. Allein aus der Tatsache, dass die Leistungen im Betrieb des Auftraggebers erbracht worden seien, lasse sich nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass die Niederlassungen ohne Funktion gewesen seien. Vor diesem Hintergrund habe sie keine objektiven Zweifel an der Existenz der Niederlassungen gehabt.

Außerdem werde eine Verletzung des Neutralitätsprinzips gerügt. Eine derartige Verletzung liege auch dann vor, wenn die Klägerin auf das zivilrechtliche Verfahren der Rückerstattung verwiesen würde. Denn dadurch würden das Veritäts- und insbesondere das Bonitätsrisiko der polnischen Unternehmen auf sie, die Klägerin, verlagert. Dieses Verfahren stelle daher kein Äquivalent des Vorsteuerabzugs dar, sondern führe bei realistischer Betrachtungsweise zu einer Doppel-Abführung der Mehrwertsteuer für ein und dieselbe Leistung.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide des Beklagten für 2010 bis 2012 vom 22.9.2014 und der Einspruchsentscheidung vom 6.3.2015 die Umsatzsteuer für 2010 um 202.889,69 €, die Umsatzsteuer für 2011 um 205.481,43 € und die Umsatzsteuer für 2012 um 141.008,50 € herabzusetzen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte nimmt Bezug auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, dass die Barzahlungen an die vier polnischen Firmen, auch wenn sie weder durch Gesellschafter oder Geschäftsführer miteinander verflochten seien, in erheblichem Umfang an dieselben Personen geleistet worden seien, insbesondere an H. Teilweise seien die Barzahlungen auch durch die Arbeitnehmer für die entsprechenden Firmen direkt entgegengenommen worden. Außerdem seien einige der eingesetzten Fleischer bei allen vier Firmen angestellt gewesen.

Die Finanzverwaltung gehe im Bereich der Fleischzerlegung grundsätzlich davon aus, dass zwar ertragsteuerlich inländische Betriebsstätten vorliegen würden, umsatzsteuerliche inländische Betriebsstätten der leistenden Unternehmer aber nicht gegeben seien. Diese Annahme beruhe auf dem Umstand, dass die Fleischzerleger in der Regel Arbeitnehmer der leistenden Unternehmer seien. Daher würden bei einem derartigen Sachverhalt stets objektive Zweifel bestehen, ob eine umsatzsteuerliche Betriebsstätte vorliege. Im vorliegenden Fall seien dann weitere Ermittlungen seitens des Betriebsprüfers angestellt worden, ob sich aus den Steuerakten eine inländische Betriebsstätte ergebe oder ob aus der Nichtanwendung des § 13b UStG nach dem Zweck der Vorschrift (Vermeidung von Steuerausfällen) widersprechende Auswirkungen folgen würden. Nach den Ermittlungen hätten sich keine Anhaltspunkte für eine umsatzsteuerliche Betriebsstätte ergeben. Außerdem seien Steuerausfälle festgestellt worden. Aus den Steuerakten der Fa. N ergebe sich eindeutig, dass zumindest ernsthafte Zweifel bezüglich des Vorhandenseins einer inländischen Betriebsstätte bestanden hätten.

Am 15.9.2016 wurde die Sach- und Rechtslage vor dem Berichterstatter erörtert. Laut Protokoll, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat die Geschäftsführerin der Klägerin erklärt, dass die Vertragsverhandlungen mit den drei polnischen Firmen in ihrem Büro geführt worden seien. Auf der Grundlage der Verhandlungen seien die schriftlichen Verträge abgeschlossen worden. In der Regel habe ein Bevollmächtigter, der sich mit Vollmacht ausgewiesen habe, die abgerechneten Entgelte in bar abgeholt. Bei den Niederlassungen sei sie, die Geschäftsführerin der Klägerin, nie gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die dazu vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

I. Die Umsatzsteuerbescheide für 2010 bis 2012 vom 22.9.2014 und die Einspruchsentscheidung vom 6.3.2015 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat der Klägerin zu Recht den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der polnischen Firmen M, Z und I verweigert.

1. Ein Unternehmer kann gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG in den in den Streitjahren geltenden Fassungen die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbetrag abziehen. Dabei setzt die Ausübung des Vorsteuerabzugs voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.

Dies entspricht den Vorgaben der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), wonach nur die für den Umsatz gesetzlich geschuldete Steuer zum Vorsteuerabzug berechtigt (EuGH-Urteil vom 13.12.1989 C-342/87, Genius Holding, HFR 1991, 181). Gemeint ist betreffend die „gesetzlich geschuldete Steuer“ die vom leistenden Unternehmer für den steuerpflichtigen Umsatz nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 UStG objektiv, d.h. nach dem deutschen Umsatzsteuergesetz geschuldete Steuer (Stadie in: Stadie, UStG, § 15 UStG, Rn. 237).

a) Nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 UStG ist in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG der leistende Unternehmer der Steuerschuldner. In Abgrenzung hierzu schuldet nach § 13b Abs. 1 UStG i. V. mit § 13b Abs. 5 Satz 1 Hs. 1 UStG (Abs. 2 Satz 1 in der bis zum 30.6.2010 geltenden Fassung – a.F. –) der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer für nach § 3a Abs. 2 UStG im Inland steuerpflichtige sonstige Leistungen eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers, wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer oder eine juristische Person ist. Ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer ist gemäß § 13b Abs. 7 Satz 2 UStG bzw. § 13b Abs. 4 Satz 1 UStG a.F (der sich auf den vergleichbaren „im Ausland ansässigen Unternehmer“ bezieht) ein Unternehmer, der in den Gebieten der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten, einen Wohnsitz, einen Sitz, eine Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte hat. Hat der Unternehmer im Inland eine Betriebsstätte und führt er einen Umsatz nach § 13b Abs. 1 UStG aus, gilt er hinsichtlich dieses Umsatzes als im Ausland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig, wenn der Umsatz nicht von der Betriebsstätte ausgeführt wird (so auch § 13b Abs. 4 Satz 1 Hs. 2 UStG a.F.). Ist es zweifelhaft, ob der Unternehmer diese Voraussetzungen erfüllt, schuldet der Leistungsempfänger die Steuer gemäß § 13b Abs. 7 Satz 4 UStG bzw. § 13b Abs. 4 Satz 3 UStG a.F. nur dann nicht, wenn ihm der Unternehmer durch eine Bescheinigung des nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung seiner Umsätze zuständigen Finanzamts nachweist, dass er kein Unternehmer im Sinne des § 13b Abs. 7 Satz 1 UStG bzw. § 13b Abs. 4 Satz 1 UStG a.F. ist.

b) Die vorstehenden Vorschriften beruhen auf Artt. 192a bis 196 MwStSystRL und sind entsprechend dieser Bestimmungen richtlinienkonform auszulegen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6.5.2010 V R 29/09, BFHE 230, 263, BStBl II 2010, 885 m. w. N. [BB 2011, 33 m. BB-Komm. Behrens/Rämer]). Ob der deutsche Gesetzgeber durch die Normierung, dass der leistende Unternehmer „im Ausland ansässig“ sein muss, die Richtlinienvorgabe unzureichend umgesetzt hat, obwohl es nach dem Wortlaut der Richtlinie darauf ankommt, dass der leistende Unternehmer lediglich nicht im Inland ansässig ist, ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich, da sämtliche im Streitfall leistende Unternehmer den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in Polen haben.

c) Die Klägerin hat bei keiner der drei polnischen Firmen M, Z und I nachgewiesen und es ist für den erkennenden Senat auch sonst nicht ersichtlich, dass diese Firmen für ihre im Streitzeitraum erbrachten Werkleistungen die Umsatzsteuer nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 UStG schulden. Vielmehr schuldet die Klägerin selbst die Umsatzsteuer auf die Werkleistungen nach § 13b Abs. 1 UStG i. V. mit § 13b Abs. 5 Satz 1 Hs. 1 UStG bzw. § 13b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 UStG a.F. (2.a)). Ein Rückfall auf die Steuerschuldnerschaft nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG der Firmen M, Z und I scheidet aus, da diese ihre Leistungen nicht durch eine im Inland belegene Betriebsstätte ausgeführt haben (2.b)). Die Steuerschuldnerschaft dieser Firmen ist auch nicht aufgrund Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung i. S. des § 13b Abs. 7 Satz 4 UStG bzw. § 13b Abs. 4 Satz 3 UStG a.F. zu fingieren (3.). Die Versagung des Vorsteuerabzugs verstößt weder gegen übergeordnetes Recht, insbesondere den unionsrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Neutralität (4.), noch kann der Vorsteuerabzug in diesem Klageverfahren im Wege der Billigkeit erlangt werden (5.).

2. Die Klägerin schuldet nach § 13b Abs. 1 UStG i. V. mit § 13b Abs. 5 Satz 1 Hs. 1 UStG bzw. § 13b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 UStG a.F. die Umsatzsteuer für die durch die polnischen Firmen ausgeführten Zerlegungs- und Ausbeinarbeiten. Ausweislich der zwischen der Klägerin und den polnischen Unternehmen abgeschlossen Verträgen verpflichteten sich Letztere zur Erbringung von Werkleistungen, da sie jeweils Werkerfolge, d.h. Tierkörperhälften in zerlegtem Zustand, schuldeten. In Übereinstimmung mit dem von der Klägerin beigebrachten Rechtsgutachten liegt die Leistung der polnischen Firmen M, Z und I damit nicht lediglich in der Gestellung von Personal.

a) Bei den entsprechend der abgeschlossenen Werkverträge ausgeführten Fleischerleistungen handelt es sich um nach § 3a Abs. 2 UStG im Inland steuerpflichtige sonstige Leistungen. Nach § 3a Abs. 2 UStG wird eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird, vorbehaltlich der Absätze 3 bis 7 bzw. 8 (ab dem 1.1.2011) und der §§ 3b, 3e und 3f an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Bei den Fleischerleistungen handelt es sich um sonstige Leistungen, die – mangels einschlägiger spezieller Vorschriften – am Betriebsort des unternehmerisch tätigen Leistungsempfängers, hier in den Räumlichkeiten des Betriebs der Klägerin in W, und damit als im Inland ausgeführt gelten. Die leistenden Unternehmen sind im Streitzeitraum im übrigen Gemeinschaftsgebiet, nämlich die Fa. M zunächst in A und dann in B, die Fa. Z in D und die Fa. I in F und damit jeweils in Polen ansässig gewesen, da sie dort jeweils den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit gehabt haben.

b) Die Steuerschuldnerschaft fällt nach § 13b Abs. 7 Satz 3 UStG bzw. § 13b Abs. 4 Satz 1 Hs. 2 UStG a.F. auch nicht auf die Firmen M, Z und I zurück. Die polnischen Firmen begründeten weder in den Räumlichkeiten der Klägerin jeweils eigene Betriebsstätten (cc)) noch ist den von den polnischen Firmen im Inland vorgehaltenen Räumlichkeiten und der personellen Ausstattung die Qualität einer umsatzsteuerlichen Betriebsstätte beizumessen (dd)). Selbst wenn man unterstellt, dass die polnischen Firmen im Inland jeweils eine Betriebsstätte unterhalten hätten, so könnten dennoch die Leistungen der polnischen Firmen nicht als durch diese Betriebsstätten ausgeführt angesehen werden (ee)).

§ 13b Abs. 7 Satz 3 UStG bzw. § 13b Abs. 4 Satz 1 Hs. 2 UStG a.F. beruhen auf Art. 192a MwStSystRL. Danach gilt:

Für die Zwecke der Anwendung dieses Abschnitts gilt ein Steuerpflichtiger, der im Gebiet des Mitgliedstaats, in dem die Steuer geschuldet wird, über eine feste Niederlassung verfügt, als nicht in diesem Mitgliedstaat ansässig, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a) er liefert steuerpflichtig Gegenstände oder erbringt steuerpflichtig eine Dienstleistung im Gebiet dieses Mitgliedstaats;

b) eine Niederlassung des Lieferers oder Dienstleistungserbringers im Gebiet dieses Mitgliedstaats ist nicht an der Lieferung oder Dienstleistung beteiligt.

aa) Der Begriff der Betriebsstätte richtet sich nicht nach der Legaldefinition des § 12 der Abgabenordnung (AO), sondern nach den Vorgaben des Unionsrechts. Das Unionsrecht differenziert für die Ansässigkeit eines Unternehmers zwischen dem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit und dem Vorliegen einer festen Niederlassung. Eine Betriebsstätte entspricht bei unionsrechtskonformer Auslegung einer festen Niederlassung.

bb) Eine feste Niederlassung, von der aus Umsätze bewirkt werden, verlangt einen durch das ständige Zusammenwirken der für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen Personal- und Sachmittel gebildeten Mindestbestand. Das Vorliegen einer festen Niederlassung setzt daher einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur voraus, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht (ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 28.6.2007 C-73/06, Planzer Luxembourg, HFR 2007, 924, Rz. 54 m. w. N.).

Eine feste Einrichtung, die nur dazu verwendet wird, für das Unternehmen Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten vorzunehmen, wie z. B. das Anwerben von Personal oder den Ankauf von für die Durchführung der Unternehmenstätigkeit erforderlichen Sachmitteln, ist keine feste Niederlassung (EuGH-Urteil vom 28.6.2007 C-73/06, Planzer Luxembourg, HFR 2007, 924, Rz. 56).

Diese Rechtsprechung hat Eingang in der MwStSystRL-DVO gefunden, die allerdings erst zum 1.7.2011, d.h. während des Streitzeitraums, in Kraft getreten ist (Art. 65 MwStSystRL-DVO). Die MwStSystRL-DVO hat norminterpretierenden Charakter. Das Ziel der MwStSystRL-DVO ist die einheitliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems in der im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung bestehenden Form (Erwägungsgrund 4 der MwStSystRL-DVO). Die bisherigen Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH sollten durch das Inkrafttreten der MwStSystRL-DVO nicht modifiziert werden. Für den gesamten Streitzeitraum ist daher von identischen Voraussetzungen betreffend das Vorliegen einer festen Niederlassung auszugehen.

In Artt. 10 und 11 MwStSystRL-DVO heiß es:

Artikel 10

(1) Für die Anwendung der Artikel 44 und 45 der Richtlinie 2006/112/EG gilt als Ort, an dem der Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, der Ort, an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden.

(2) Zur Bestimmung des Ortes nach Absatz 1 werden der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, der Ort seines satzungsmäßigen Sitzes und der Ort, an dem die Unternehmensleitung zusammenkommt, herangezogen.

Kann anhand dieser Kriterien der Ort des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmens nicht mit Sicherheit bestimmt werden, so wird der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, zum vorrangigen Kriterium.

(3) Allein aus dem Vorliegen einer Postanschrift kann nicht geschlossen werden, dass sich dort der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmens befindet.

Artikel 11

(1) Für die Anwendung des Artikels 44 der Richtlinie 2006/112/EG gilt als „feste Niederlassung“ jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit nach Artikel 10 dieser Verordnung, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden.

(2) Für die Anwendung der folgenden Artikel gilt als „feste Niederlassung“ jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit nach Artikel 10 dieser Verordnung, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen zu erbringen:

a) Artikel 45 der Richtlinie 2006/112/EG;

b) ab 1. Januar 2013 Artikel 56 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2006/112/EG;

c) bis 31. Dezember 2014 Artikel 58 der Richtlinie 2006/112/EG;

d) Artikel 192a der Richtlinie 2006/112/EG.

(3) Allein aus der Tatsache, dass eine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer zugeteilt wurde, kann nicht darauf geschlossen werden, dass ein Steuerpflichtiger eine „feste Niederlassung“ hat.

cc) Auf der Grundlage dieser Vorgaben verfügten die polnischen Firmen nicht über feste Niederlassungen im Inland. In den Räumlichkeiten der Klägerin konnten sie bereits deshalb keine Betriebsstätten begründen, da sie über die Räumlichkeiten und über die bei der Klägerin vorhandene sonstige sachliche Ausstattung keine Verfügungsmacht hatten. Die polnischen Firmen durften zwar die Schlachträumlichkeiten zur Ausführung der Werkleistungen und die Sozialräume der Klägerin mitbenutzen. Die polnischen Firmen durften sich durch die abgeschlossenen Werkverträge hinsichtlich dieser Räumlichkeiten allerdings nicht so gerieren, als wären sie deren Eigentümer. Sie hätten die Klägerin von der Benutzung dieser Räume nicht ausschließen können. Diese Räumlichkeiten begründen daher – wie auch die Klägerin in ihrem beigebrachten Rechtsgutachten selbst meint – keine Betriebsstätten der polnischen Firmen.

dd) Betreffend die Fa. Z hat der Beklagte lediglich die Feststellung treffen können, dass in dem Gebäude auf dem Grundstück C-Str. ein kleiner Büroraum angemietet worden sei und sich ein Mitarbeiter der Fa. Z, A T , um die An- und Abmeldung der polnischen Arbeiter in Deutschland bei der Ausländerbehörde und der Versicherung gekümmert habe. Das Büro verfügte lediglich über einen großen Schreibtisch, zwei Schreibtischstühle, einen Aktenbock, einen Laptop, ein Telefon/Fax-Gerät sowie über Ordner mit Papieren der angestellten Fleischer und ein Ordner mit Verträgen. Bei dieser äußerst knappen personellen und sachlichen Ausstattung, die mit der Erbringung der eigentlichen Dienstleistung (Fleischerleistungen, Zerlegungs- und Ausbeinarbeiten) nichts zu tun hatte, sondern lediglich dazu diente, die eigentlichen von der Leistungsempfängerin bezogenen Dienstleistungen vorzubereiten bzw. zu unterstützen, unterhielt die Fa. Z keine feste Niederlassung bzw. Betriebsstätte im Inland. Eine autonome Erbringung der streitgegenständlichen Dienstleistungen war von der personellen und technischen Ausstattung her nicht möglich.

Die Feststellungen zu einer im Inland befindlichen Betriebsstätte fallen bei der Fa. I noch dürftiger aus. Nach der durch das Finanzamt E durchgeführten Umsatzsteuernachschau konnte lediglich ein Büroraum mit einem in der Tür hängenden Zettel mit dem Namen des Unternehmens aufgefunden werden. Die Anwesenheit von Personal wurde nicht festgestellt.

Hinsichtlich der Fa. M konnte der Beklagte gar keine Feststellungen treffen, ob eine Betriebsstätte vorlag, da zum Zeitpunkt des Beginns der Umsatzsteuersonderprüfung die Gesellschaft und ihre im Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung bereits wieder gelöscht waren. Da die Klägerin nach eigenen Angaben nie bei den Niederlassungen der Werkvertragsunternehmer gewesen ist und für das Gericht auch sonst keine Umstände ersichtlich sind, aus denen auf das Vorliegen einer Betriebsstätte geschlossen werden kann, ist auch betreffend die Fa. M nicht von einer inländischen Betriebsstätte im Streitzeitraum auszugehen.

Die Verwendung von Rechnungen mit Angabe deutscher Anschriften behaupteter Betriebsstätten oder die Führung deutscher Umsatzsteueridentifikationsnummern führen – entgegen der Ansicht der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 31.10.2018 – nicht zu umsatzsteuerlich anzuerkennenden Betriebsstätten bzw. Niederlassungen. Für die Verwendung von Umsatzsteueridentifikationsnummern ist dies in Art. 11 Abs. 3 MwStSystRL-DVO sogar ausdrücklich normiert.

ee) Selbst wenn man unterstellt, dass den von den polnischen Unternehmen vorgehaltenen sachlichen und persönlichen Mitteln die Eigenschaft zukäme, feste Niederlassung bzw. Betriebsstätte zu sein, so wäre dennoch die Annahme einer Beteiligung dieser Betriebsstätten an der Erbringung der streitgegenständlichen Dienstleistungen ausgeschlossen. Da die im Streit stehenden Zerlegungs- und Ausbeinarbeiten ausschließlich in den Räumlichkeiten der Klägerin in W durch dort eingesetztes Personal der polnischen Firmen durchgeführt wurden und seitens der polnischen Firmen überhaupt keine Mittel technischer oder sachlicher Art von einiger Beständigkeit betreffend die konkreten Fleischerleistungen verwendet wurden, ist eine Beteiligung einer inländischen Betriebsstätte an den konkreten im Streitfall ausgeführten Leistungen nicht denkbar.

Auch durch die – erstmals mit Schriftsatz der Klägerin vom 31.10.2018 vorgebrachten– unterstützenden Beiträge der Ansprechpartner, bei Bedarf oder Rüge Ausrüstungsgegenstände wie z.B. Messer zum Zerlegen, Messer-Körbe zum Reinigen der Messer, spezielle Schürzen, Arbeitsschuhe, Handschuhe und Bartschutz-Vorrichtungen zu bringen, wird eine – unterstellte – Betriebsstätte nicht beteiligt. Bereits der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 28.6.2007 (C-73/06, Planzer Luxembourg, HFR 2007, 924) den Ankauf von für die Durchführung der Unternehmenstätigkeit erforderlichen Sachmitteln als eine nur untergeordnete Tätigkeit angesehen. Nach Ansicht des erkennenden Senats trifft dies auf den Erwerb und die Weitergabe dieser Ausstattungsutensilien an die beschäftigten Fleischer für die Erbringung der konkreten streitgegenständlichen Leistungen ebenfalls zu. Diesem Beitrag ist nur eine untergeordnete Bedeutung beizumessen.

3. Von der Umkehr der Steuerschuldnerschaft zu Lasten der Klägerin ist auch nicht aufgrund von § 13b Abs. 7 Satz 4 UStG bzw. § 13b Abs. 4 Satz 3 UStG a.F. abzusehen.

a) Bei der Anwendung dieser Vorschrift kann dahingestellt bleiben, ob diese Vorschrift die gewünschte – für den Vorsteuerabzug erforderliche – Rechtsfolge, d.h. die Steuerschuldnerschaft des Leistenden, überhaupt zu begründen vermag. Diese Vorschrift kann – als Ausfluss des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes – auch so interpretiert werden, dass der Leistungsempfänger einseitig geschützt wird, ohne zugleich den Leistenden zur Steuerzahlung heranzuziehen. Würde die Bescheinigung i. S. des § 13b Abs. 7 Satz 4 UStG bzw. § 13b Abs. 4 Satz 3 UStG a.F. nämlich entgegen § 13b Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 Hs. 1 UStG bzw. § 13b Abs. 2 Satz 1 UStG a.F. fälschlicherweise ausgestellt, wie es im Streitfall bei unterstellter Ausstellung einer derartigen Bescheinigung gewesen wäre, so dürfte aus dem Umstand der Ausstellung der Bescheinigung nicht zwingend die Steuerschuldnerschaft des Leistenden folgen. Eine § 6a Abs. 4 Satz 2 UStG vergleichbare Vorschrift fehlt nämlich in § 13b Abs. 7 UStG bzw. § 13b Abs. 4 UStG a.F.

b) Über vorstehende Auslegungsmöglichkeit braucht indes nicht entschieden zu werden, da die Voraussetzungen von § 13b Abs. 7 Satz 4 UStG bzw. § 13b Abs. 4 Satz 3 UStG a.F. von der Steuerschuldnerschaft abzusehen, schon nicht vorliegen. Es war nämlich (zumindest) zweifelhaft, dass die polnischen Werkvertragsunternehmer im Inland nicht ansässig waren und die Leistungen nicht unter Beteiligung einer inländischen Betriebsstätte erbracht wurden.

Die Zweifelhaftigkeit bestimmt sich nach den subjektiven Verhältnissen und Kenntnissen des Leistungsempfängers. Sie liegt nur dann vor, wenn dieser bei Berücksichtigung der gegebenen Umstände Zweifel hätte haben müssen, d.h. zu Zweifeln führende tatsächliche Umstände kannte oder hätte kennen und Zweifel begründende Schlussfolgerungen hätte ziehen müssen. Nachforschungspflichten sollen den Leistungsempfänger insoweit nicht treffen (Stadie in: Stadie, Umsatzsteuergesetz, § 13b UStG, Rn. 67 und 45). Die Anforderungen an die Zweifelhaftigkeit dürfen allerdings nicht überspannt werden. Da die Leistungsempfänger jeweils über das für die Dienstleistung zu zahlende Entgelt ein Zurückbehaltungsrecht (§§ 320, 273 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB –) ausüben können, jedenfalls soweit es die zu entrichtende Steuer betrifft, um den Leistenden zur Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung nach § 13b Abs. 7 Satz 4 UStG bzw. § 13b Abs. 4 Satz 3 UStG a.F. zu bewegen, hat der Leistungsempfänger es stets selbst in der Hand, ohne wirtschaftlichen Schaden die Leistungsbeziehung abzuwickeln.

Die für die Klägerin Handelnden hätte misstrauisch machen müssen, dass die abgeschlossenen Verträge lediglich die Firmenanschrift der polnischen Unternehmenssitze enthielten. Die erteilten Rechnungen haben sowohl Anschriften in Polen als auch die Anschriften der angeblichen Zweigniederlassung aufgewiesen. Die Rechnungsaussteller agierten nach den auf den Rechnungen gedruckten Stempeln jeweils unter der polnischen Anschrift unter Angabe der polnischen Steuernummer (NIP). Auch Folgevereinbarungen, wie z.B. der Auflösungsvertrag mit der Fa. Z, sahen nur die polnische Adresse im Vertragsrubrum vor. Der Umstand, dass die Klägerin von den Firmen jeweils selbst Nachweise verlangt habe, zeigt, dass die Klägerin ernsthafte Zweifel an der inländischen Ansässigkeit aller betroffenen Unternehmen gehabt hatte. Darüber hinaus hatte die Klägerin nahezu sämtliche Entgelte bar direkt an die polnischen Arbeitnehmer oder an Bevollmächtigte, die die Räumlichkeiten der Klägerin aufsuchten, entrichtet. Über die Art der Entgeltentrichtung konnte die Klägerin jedenfalls nicht auf die Existenz und Einbeziehung deutscher Betriebsstätten der polnischen Firmen vertrauen. In Anbetracht dessen, dass die Vertreter der Klägerin um den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit aller Firmen in Polen wussten und dass die konkrete Art der bezogenen Dienstleistung nur schwerlich denkbar unter Beteiligung einer inländischen Betriebsstätte dieser Firmen hätte ausgeführt werden können, waren der Klägerin insgesamt zahlreiche Umstände bekannt, die an der Steuerschuldnerschaft der leistenden Unternehmer Zweifel begründeten. Die Klägerin durfte auch nicht aus den ihr vorgelegten Unterlagen Vertrauen schöpfen, dass die polnischen Firmen von einer inländischen Betriebsstätte aus agierten. Dass die steuerliche Registrierung über eine Steuernummer insoweit nicht herangezogen werden darf, ist sogar ausdrücklich in Art. 11 Abs. 3 MwStSystRL-DVO bestimmt. Dass durch die Ausstellung derartiger Schreiben das Vorliegen einer Betriebsstätte nicht durch die Finanzverwaltung geprüft und bestätigt wird, hätte den Vertretern der Klägerin schon daran erkennbar sein können, dass das Finanzamt E in der „Steuerlichen Bescheinigung“ vom 6.4.2010 betreffend die Fa. M die falsche Anschrift „A-Str., 00000 C“ ausgewiesen hat. Auch auf die Bescheinigungen des Steuerberaters StB 1 durfte die Klägerin nicht vertrauen, da ihr die Grundlagen der Behauptung, dass eine (umsatz-)steuerliche Betriebsstätte betreut werde, gar nicht mitgeteilt wurden. Nach alledem lagen zahlreiche Umstände vor, die der Klägerin bekannt waren oder zumindest hätten bekannt sein müssen, aufgrund derer Zweifel an der inländischen Ansässigkeit oder Beteiligung einer inländischen Betriebsstätte bestanden. Auch die Angaben der Geschäftsführerin in der mündlichen Verhandlung schließen die Zweifelhaftigkeit i. S. der § 13b Abs. 7 Satz 4 UStG bzw. § 13b Abs. 4 Satz 3 UStG a.F. nicht aus. Die Geschäftsführerin erklärte:

„Wenn ich mit einer neuen Firma - gemeint sind die hier strittigen polnischen Firmen - einen Vertrag geschlossen habe, sind am Anfang Rechnungen direkt geschickt worden ohne deutsche Steuernummer. Nach Rücksprache mit meinem Steuerberater habe ich nur die Nettosumme bezahlt, aber nicht die ausgewiesene Umsatzsteuer. Diese ist vielmehr erst bezahlt worden, wenn eine deutsche Steuernummer mitgeteilt worden ist. Es gab dann jeweils eine Rechnung mit der neuen deutschen Steuernummer darauf. Ich bin nach Erteilung einer deutschen Steuernummer davon ausgegangen, dass ich nichts prüfen muss.“

Die Geschäftsführerin der Klägerin hat in dieser Erklärung zugegeben, wegen der in den Rechnungen fehlenden deutschen Steuernummern ihres Vorsteuerabzugsrechts nicht sicher gewesen zu sein, also Zweifel gehabt zu haben. Ihr wurde daraufhin vom Steuerberater lediglich der – unzutreffende – Hinweis gegeben, dass es mit der Eintragung einer deutschen Steuernummer auf den Rechnungen sein Bewenden habe.

Um von einer Umkehr der Steuerschuldnerschaft abzusehen, hätte es also der Vorlage einer Bescheinigung des nach den abgabenrechtlichen Vorschriften für die Besteuerung der Umsätze der polnischen Unternehmen zuständigen Finanzamts bedurft, dass die jeweiligen Firmen keine Unternehmer im Sinne des § 13b Abs. 7 Sätze 1 und 2 UStG bzw. § 13b Abs. 4 Satz 1 UStG a.F. waren. Derartige Bescheinigungen wurden von der Klägerin indes nicht vorgelegt. Die Bescheinigung über den „Nachweis der Eintragung als Steuerpflichtiger (Unternehmer)“ genügt diesen Anforderungen nicht. Mit dieser Bescheinigung wird lediglich die Unternehmereigenschaft bestätigt, aber gerade keine Aussage zur Ansässigkeit oder dem Vorliegen einer Betriebsstätte getroffen. Sinn und Zweck einer derart konkreten Bescheinigung ist es gerade, dass das zuständige Finanzamt nach Beantragung der Bescheinigung die Ansässigkeit des Unternehmens bzw. die Belegenheit einer Betriebsstätte im Inland überprüfen kann. Vor diesem Hintergrund genügen die vorgelegten Unterlagen diesen Anforderungen nicht.

4. Die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts verstößt im Streitfall auch nicht gegen Unionsrecht, insbesondere nicht gegen das steuerrechtliche Neutralitätsprinzip.

a) Die Auslegung der nationalen Vorschriften erfolgte – wie vorstehend ausgeführt – richtlinien- und unionsrechtskonform. Auch der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, in seiner Ausprägung, dass der Steuerpflichtige die Mehrwertsteuer auf Gegenstände oder Dienstleistungen, die er für die Ausübung seiner besteuerten Tätigkeit erworben hat, vollständig als Vorsteuer geltend machen kann (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 29.10.2009 C-174/08, NCC Construction Danmark, HFR 2010, 85), ist nicht beeinträchtigt. Die Umsatzsteuer, die die Klägerin nach § 13b Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 UStG bzw. § 13b Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 UStG a.F. schuldet kann sie nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG vollständig als Vorsteuer abziehen. Ihr wird lediglich versagt, zusätzlich die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer der polnischen Unternehmen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG als Vorsteuer geltend zu machen. Derartiges gebietet auch nicht der Grundsatz der steuerlichen Neutralität.

Umsatzsteuer wird insoweit auch nicht für denselben Umsatz doppelt entrichtet, da sich die Steuerschuld der leistenden polnischen Unternehmer aus § 14c UStG für die Ausstellung der Rechnung ergibt. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität fordert darüber hinaus nicht, in derartigen § 14c-UStG-Fällen auf die Geltendmachung der zutreffenden Umsatzsteuer beim Leistungsempfänger zu verzichten. Über die Korrekturmöglichkeiten in § 14c Abs. 1 und Abs. 2 UStG ist sichergestellt, dass die aufgrund der ausgestellten Rechnungen gezahlte Umsatzsteuer vom Finanzamt wieder zurückerlangt werden kann. Über diesen möglichen Korrekturweg kommt es systemkonform und neutral allein zur Zahlung der Umsatzsteuer auf die bezogenen Leistungen und deren Vorsteuerabzug beim leistungsempfangenden Unternehmer. Mag die Rechnungskorrektur durch die mittlerweile erfolgte Löschung der polnischen Unternehmen erschwert sein, so bleibt sie dennoch durch amtsgerichtliche Einsetzung eines Nachtragsliquidators möglich. Ein Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz ist daher insgesamt nicht erkennbar.

Soweit die Klägerin mit Schreiben vom 31.10.2018 vorträgt, dass sie im Fall der Versagung des Vorsteuerabzugs auf das zivilrechtliche Verfahren der Rückerstattung verwiesen würde und dadurch das Veritäts- und insbesondere das Bonitätsrisiko der polnischen Unternehmen auf sie, die Klägerin, verlagert werde, so ist dies zwar zutreffend, stellt aber keinen Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz dar. Die Klägerin hatte es, wie bereits unter I. 3. b) ausgeführt, als Leistungsempfängerin in der Hand, betreffend den Umsatzsteueranteil des zu zahlenden Entgelts ein Zurückbehaltungsrecht auszuüben, bis die leistenden Unternehmer eine Bescheinigung nach § 13b Abs. 7 Satz 4 UStG bzw. § 13b Abs. 4 Satz 3 UStG a.F. vorlegen. Der Neutralitätsgrundsatz gebietet nicht, dass der Steuergläubiger die finanziellen Folgen tragen muss, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer von seinen zivilrechtlichen Gestaltungsrechten zur Abwehr wirtschaftlicher Schäden hätte Gebrauch machen können. Außerdem hat die Klägerin nach Berichtigung der Rechnungen nach § 14c UStG durch die polnischen Firmen immer noch die Möglichkeit, gegen diese Unternehmen zivilrechtlich vorzugehen und die diesen gegenüber überzahlte Umsatzsteuer zurückzuverlangen.

b) Ein Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz kann im Übrigen nicht durch Übertragung der Grundsätze der Entscheidung Equoland (EuGH, Urteil vom 17.7.2014 C-272/13, HFR 2014, 851 [RIW 2015, 389]) auf den Streitfall hergeleitet werden. Die Rechtssache Equoland ist weder vom Sachverhalt noch von den zugrundeliegenden rechtlichen Wertungen vergleichbar. Im Streitfall geht es weder um die Einfuhr von Waren, die – entgegen den Angaben des Steuerpflichtigen – nicht in ein Zolllager eingelagert wurden, deren Umsatzsteuer aber im Reverse-Charge-Verfahren durch Selbstfakturierung und Eintragung in das Ein- und Verkaufsregister des Steuerpflichtigen berichtigt wurde. Noch ist die kumulative Anwendbarkeit von Einfuhrumsatzsteuer (einschließlich einer diese erhöhende Verwaltungsstrafe) und der im zusätzlich durchgeführten Reverse-Charge-Verfahren geschuldeten Umsatzsteuer mit dem Streitfall vergleichbar, in dem es lediglich um den Vorsteuerabzug aus Rechnungen der polnischen Firmen M, Z und I geht. Eine Kumulation von Umsatzsteuern für dieselben umsatzsteuerbaren Vorgänge in der Person der Klägerin liegt im Streitfall nicht vor.

5. Ein Vorsteuerabzug aus Billigkeitsgründen kommt in diesem Verfahren nicht in Betracht. Sind Tatbestandsmerkmale des Vorsteuerabzugs nicht erfüllt, kann dieser im Festsetzungsverfahren auch dann nicht gewährt werden, wenn der Leistungsempfänger hinsichtlich des Vorliegens dieser Merkmale gutgläubig war (BFH-Urteil vom 22.7.2015 V R 23/14, BFHE 250, 559, BStBl II 2015, 914 [RIW 2016, 469]). Ob der Klägerin – ggf. teilweise – ein Anspruch auf Vorsteuerabzug aus den strittigen Rechnungen im Billigkeitswege unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung (vgl. EuGH-Urteil vom 15.3.2007 C-35/05, Reemtsma Cigarettenfabriken, HFR 2007, 515; EuGH-Urteil vom 26.4.2017 C-564/15, Farkas, HFR 2017, 552 zur verfahrensrechtlichen Umsetzung nach deutschem Recht vgl. BFH-Urteile vom 30.6.2015 VII R 42/14, juris, und ebenfalls vom 30.6.2015 VII R 30/14, BFHE 250, 34, HFR 2015, 999) zustehen könnte, kann nicht in diesem Verfahren geklärt werden. Über einen Vorsteuerabzug im Billigkeitsverfahren (§§ 163, 227 AO) hat der Beklagte nicht entschieden, so dass mangels einer derartigen Entscheidung auch keine Überprüfung in diesem Verfahren erfolgen kann.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

 

 

 

 

stats