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Steuerrecht
14.11.2013
Steuerrecht
FG Köln: Steuerfestsetzung gemäß § 14c Abs. 2 S. 2 UStG - Keine Freistellung des Rechnungsausstellers bei Mitverschulden des Fiskus

FG Köln, Urteil vom 12.9.2013 - 10 K 692/13


Sachverhalt


Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte wegen unberechtigtem Ausweis von Umsatzsteuerbeträgen eine Steuerfestsetzung auf der Grundlage von § 14c Abs. 2 S. 2 UStG vornehmen durfte und über die teilweise Versagung von Vorsteuerabzug.


Seit August 2010 betrieb die Klägerin einen "Groß- und Einzelhandel mit Klebebändern und Verpackungen sowie deren Bedruckung und Eventplanung". Ihr Unternehmen firmierte als "A Klebebänder B in ... C, D-Weg ...". Nach Angaben der Klägerin sind in ihrem Unternehmen, welches in angemieteten Räumen betrieben wird, außer ihr selbst zwei festangestellte Mitarbeiter tätig. In ihrer im Juli 2012 beim Beklagten eingegangen Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2011 hatte die Klägerin Lieferungen und Leistungen i.H.v. 899.510 € angemeldet sowie abziehbare Vorsteuerbeträge i.H.v. 153.431 €, so dass sich eine Zahllast i.H.v. 17.499 € ergab.


Im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung (Prüfungsbericht vom 6.8.2012) wurde festgestellt, dass den Umsätzen an die "E Kühltransporte GmbH" (E-GmbH) in Höhe von insgesamt 716.987,16 € aus angeblichem Handel mit Aluminiumfolie bzw. Stretchfolie tatsächlich keine Warenlieferungen zugrunde lagen. Darüber hinaus kam die Fahndungsprüfung zu dem Ergebnis, dass der Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen der Firmen F Handels GmbH, G GmbH, H Nürnberg GmbH, H Leipzig GmbH und K Handel und Frachtvermittlung, Inh. K, zu versagen sei, da den betreffenden Eingangsrechnungen über Lieferungen von Aluminiumfolie bzw. Stretchfolie keine tatsächlichen Warenlieferungen zugrunde lagen.


Mit Schreiben vom 30.8.2012 an den Rechtsnachfolger der E-GmbH, die "L Transport und Handels GmbH, I-Straße ..., ... J" (L-GmbH) forderte die Klägerin die an die E-GmbH in der Zeit vom 16.3.2011 bis zum 23.9.2011 gestellten 15 Rechnungen über Alufolien und Handstretchfolie zurück, in der insgesamt Umsatzsteuer i.H.v. 147.069,63 € ausgewiesen war.


Mit dem vorliegend streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheid vom 9.10.2012 setzte der Beklagte gegen die Klägerin die Umsatzsteuer für 2011 mit 162.129 € fest (15.059 € aus sonstiger Geschäftstätigkeit, erhöht um 147.069,63 € gemäß § 14c Abs. 2 S. 2 UStG), so dass sich eine zum 12.11.2012 fällige Abschlusszahlung i.H.v. 144.630 € ergab.


Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 4.3.2013). Zur Begründung hatte der Beklagte mit Schreiben vom 12.12.2012 in Abstimmung mit dem FA M - Steuerfahndungsstelle ausgeführt: Der Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen der Firmen F Handels GmbH, G GmbH, H Nürnberg GmbH, H Leipzig GmbH und K Handel und Frachtvermittlung sei zu versagen. Von einer Gutgläubigkeit der Klägerin könne nicht ausgegangen werden, da sie selbst aktiv an dem Betrugsmodell insoweit mitgewirkt habe, als sie durch unrichtige Angaben auf den zu den Eingangsrechnungen gehörigen Lieferscheinen sowie auf den Ausgangsrechnungen und den dazugehörigen Lieferscheinen den Wareneingang und Warenausgang sowie die entsprechenden Lieferwege bestätigt habe, obwohl It. ihrer eigenen Aussage am 27.9.2011 die angeblichen Aluminiumfolien bzw. Stretchfolien zu keiner Zeit am Standort des Einzelunternehmens in ... C, D-Weg ... eingegangen bzw. gelagert und weitergeliefert worden seien, die Klägerin die Folien also letztlich nie gesehen habe. Aufgrund der Rechnungsinhalte und der Lieferscheine (Abholung der Ware durch die Firma E-GmbH bzw. eine Spedition) sowie der handschriftlichen Vermerke der Klägerin könne es sich nicht - wie behauptet - um Streckengeschäfte gehandelt haben.


Darüber hinaus seien die Lieferfirmen nach den Ermittlungen der Steuerfahndung M zum Zeitpunkt der Aluminiumfolie- bzw. Stretchfolie-Lieferungen entweder tatsächlich nicht existent (F Handels GmbH; G GmbH i.L.) bzw. wirtschaftlich inaktiv (H Nürnberg GmbH; K Handel und Frachtvermittlung Inh. K) gewesen. Einzig die Firma H Leipzig GmbH sei zum Zeitpunkt der angeblichen Folienlieferungen ein existentes, wirtschaftlich aktives Unternehmen gewesen. Die Geschäftsführerin dieses Unternehmens, deren Ehemann sowie der zuständige Lagerarbeiter hätten allerdings einvernehmlich ausgesagt, die Firma A Klebebänder B nicht zu kennen und in keinerlei Geschäftsbeziehungen zu ihr zu stehen. Des Weiteren hätten diese Personen übereinstimmend ausgesagt, die entsprechenden Rechnungen und Lieferscheine nicht ausgestellt zu haben. Die Rechnungs- und Lieferscheininhalte hätten nicht der automatisierten Praxis des vorhandenen Warenwirtschaftssystems der H Leipzig GmbH entsprochen (falsche Rechnungs- und Lieferschein-Nrn.).


Das Ergebnis der Ermittlungen der Steuerfahndung M zu den Lieferfirmen lasse sich wie folgt zusammenfassen:


- H Nürnberg GmbH


Der zur Zeit der Rechnungslegung amtierende Geschäftsführer der H Nürnberg GmbH habe bei seiner Vernehmung glaubhaft dargelegt, dass er weder die Klägerin noch deren Firma A Klebebänder B kenne und auch die entsprechenden Rechnungen und Lieferscheine nicht erstellt habe. Außerdem habe er bestätigt, dass er in der Zeit seiner formellen Geschäftsführertätigkeit keinerlei Geschäfte für die Firma H Nürnberg GmbH getätigt habe.


- F Handels GmbH


Die F Handels GmbH sei aufgrund notariellen Vertrags vom 21.5.2010 aus der Firma P GmbH hervorgegangen (Umbenennung). Gleichzeitig sei der Sitz der Firma von Q nach ... R, N-Gasse ... verlegt worden. Die Ermittlungen der Steuerfahndung beim Eigentümer und Vermieter des Objekts in R, N-Gasse ... hätten ergeben, dass die Firma F Handels GmbH zu keiner Zeit Räumlichkeiten angemietet habe und es sich somit bei der Firma F Handels GmbH um eine reine Scheinfirma handele. Seit dem 1.1.2011 besitze die Firma F Handels GmbH kein Umsatzsteuersignal mehr.


- G GmbH i. L.


Mit notariellem Vertrag vom 13.4.2011 sei die Liquidation der der G GmbH angeordnet worden. Gleichzeitig sei in einer Gesellschafterversammlung die Sitzverlegung von Q nach ... O , S-Straße ... beschlossen worden. Die nach der Sitzverlegung unter der neuen Adresse in O unternommenen Post-Zustellversuche des vormals zuständigen Finanzamts Q seien fehlgeschlagen.


- K Handel und Frachtvermittlung. Inh. K


Nach Feststellung der Steuerfahndung M habe die Errichtung des Einzelunternehmens K Handel und Frachtvermittlung und die Büroanmietung in T ausschließlich dazu gedient, eine neue Firma ohne aktiven Geschäftsbetrieb zu installieren, ausschließlich zum Zwecke des Inverkehrbringens von Rechnungen über Lieferungen von Aluminiumfolie. Lt. Aussage des Verwalters des Objekts U-Feld ..., ... T am 27.9.2011 sei der Inhaber der Firma einschließlich der Mietgespräche und des Mietvertragsabschlusses nur ca. dreimal ortsanwesend gewesen. Der Briefkasten der Firma K Handel und Frachtvermittlung sei regelmäßig vom Verwalter geleert und die Post dem Inhaber zugesandt worden.


Die Klägerin macht geltend, die Voraussetzungen des § 14c UStG lägen nicht mehr vor, da sie die streitgegenständlichen Rechnungen aus dem Monaten März bis September 2011 mit Schreiben vom 30.8.2012 von der E-GmbH zurückgefordert habe; gleichzeitig habe die Klägerin die L-GmbH aufgefordert, die steuerlichen Konsequenzen aus dem Rechnungsstorno zu ziehen. Hilfsweise werde ein Berichtigungsantrag gemäß § 14c Abs. 3 S. 5 UStG gestellt. So enthielten die Steuerakten keinen Hinweis und keine Unterlagen darüber, ob und in welchem Verfahrensstadium sich die Rückforderung der Vorsteuer gegenüber der Firma E-GmbH bzw. L-GmbH befinde. Der Beklagte habe darzulegen, warum die Versagung des Vorsteuerabzugs bei Herrn E1 auf der Basis des dortigen Bescheids vom 14.2.2013 nicht vollzogen werde und ob dem Steuerpflichtigen dort eventuell Aussetzung der Vollziehung gewährt worden sei. Wenn dem Haupttäter einer Steuerhinterziehung die Aussetzung der Vollziehung gewährt werde, so müsse dies erst recht für den Beteiligten einer Tat gelten. Herr L habe lt. den Ermittlungen der Steuerfahndung M in Litauen eine Gesellschaft gegründet, die in dem Steuerhinterziehungsmodell als Letztabnehmer der Folien aufgetreten sei. Inzwischen habe Herr E1 auch wieder die Gesellschaftsanteile übernommen und die Gesellschaft wieder umbenannt in E-GmbH.


Auch die Berechtigung der Klägerin zum Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen bestehe, da die Klägerin ohne ihr Wissen und Wollen in einen Umsatzsteuerbetrug involviert worden sei. Der EuGH habe den Grundsatz der Mehrwertsteuerneutralität betont und festgestellt, dass ein Unternehmer, der alle Maßnahmen getroffen habe, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden könnten, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen seien, auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen könne, ohne Gefahr zu laufen, sein Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren. Es könne vom Steuerpflichtigen nicht generell verlangt werden, sich zu vergewissern, dass auf der Ebene der Wirtschaftsteilnehmer einer vorhergehenden Umsatzstufe keine Unregelmäßigkeiten und Steuerhinterziehung vorlägen. Denn es sei grundsätzlich Sache der Steuerbehörden, bei den Steuerpflichtigen die erforderlichen Kontrollen durchzuführen, um Unregelmäßigkeiten und Mehrwertsteuerhinterziehung aufzudecken (Hinweis auf BFH-Urteil vom 19.4.2007 - V R 48/04 und EuGH-Urteil vom 6.9.2012 - C-324/12).


Die Klägerin sei am 27.9.2011 von der Steuerfahndung M aufgesucht und zunächst als Zeugin vernommen worden. Dabei sei sie zu geschäftlichen Kontakten zu den dortigen Beschuldigten befragt und um Zurverfügungstellung von Dokumenten, Geschäftskorrespondenz etc. gebeten worden. Dieser Bitte sei die Klägerin nachgekommen. Am 1.8.2012 seien ihre Privaträume durchsucht worden. Die Klägerin sei davon ausgegangen, dass die in den Rechnungen ausgewiesenen Warenlieferungen tatsächlich stattgefunden hätten. Sie sei ohne ihr Wissen in eine Umsatzsteuerhinterziehung verwickelt worden. Jedes Mal nach Erhalt einer Rechnung habe sie den jeweiligen Lieferanten gemäß den Angaben in seiner Rechnung im Handelsregister überprüft und auch seine Umsatzsteuer-ID-Nr. abgefragt. Aus den Aussagen der Inhaber der H Leipzig GmbH lasse sich folgern, dass nur Personen mit Insider-Kenntnissen in der Lage gewesen wären, zu erkennen, dass es sich bei den Dokumenten um Fälschungen gehandelt habe.


Verfehlt sei auch die Annahme von Steuerfahndung und Antragsgegner, die Vermerke der Klägerin "Palettentausch" bzw. "alle Paletten getauscht" bzw. "Abholung per Spedition" bzw. "die Lieferung erfolgt per Selbstabholung" bzw. "Abholung per Spedition" belegten die Mittäterschaft der Klägerin. Die Anbringung derartiger Vermerke auf Lieferungen von Waren auf Paletten werde sehr oft verlangt, weil es oftmals zwischen Lieferant, Spediteur und Kunden später zum Streit über den Kostenausgleich für angeblich mitgelieferte bzw. nicht mitgelieferte Paletten komme. Könne der Kunde keinen solchen Vermerk vorweisen, laufe er Gefahr, dass von ihm die Herausgabe von Paletten oder eine entsprechende Bezahlung der Paletten verlangt werde. Entgegen der Auffassung der Steuerfahndung sei es eben nicht so, dass ein solcher Vermerk ungewöhnlich wäre und nur deshalb erfolgt sei, um eine tatsächliche Warenbewegung zu suggerieren. Der Vermerk sei auf Anweisung von Herrn V angebracht worden und die Antragstellerin habe keinen Grund gehabt, dessen Anweisungen zu misstrauen. Auch aus der Bezahlung per Scheck lasse sich kein Vorsatz der Antragstellerin ableiten. Verrechnungsschecks müssten entgegen der Ansicht des Antragsgegners auch nicht auf eine bestimmte Person als Begünstigten ausgestellt werden. Einer namentlichen Bezeichnung des Überbringers auf dem Scheck bedürfe es nicht.


Letztlich habe der Gesetzgeber das betrugsanfällige Umsatzsteuersystem (vgl. Sonderbericht des Bundesrechnungshofs vom 27.9.2012) selbst vorgegeben. Dies könne nicht auf dem Rücken der Steuerpflichtigen gelöst werden. Von daher sei jedenfalls hilfsweise der Vorsteuerabzug im Wege einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß §§ 163, 227 AO zu gewähren. Denn der Steuerpflichtige habe einen Anspruch darauf, dass bei der Prüfung der Vorsteuerabzugsberechtigung aufgrund der europarechtlichen Vorgaben zum Vertrauensschutz bereits im Rahmen des Festsetzungsverfahrens geprüft werde, ob eine Billigkeitsmaßnahme gemäß §§ 163, 227 AO in Betracht komme.


Die Verwaltungsakten wurden vom Bevollmächtigten der Klägerin im Laufe des Verfahrens wiederholt eingesehen, und zwar am 22.8.2012 (Schreiben des FA M - Steuerfahndung vom 19.11.2012) und außerdem am 12.4.2013 auch im finanzgerichtlichen Verfahren.


Am 15.7.2013 wurde der Streitfall mit dem Bevollmächtigten in Anwesenheit der Klägerin persönlich vor dem zuständigen Berichterstatter erörtert. Auf die Frage, wie der Kontakt zu Herrn V zu Stande gekommen sei, antwortete die Klägerin unter Bezugnahme auf ihre schriftliche Einlassung, dass es sich bei Frau W um eine langjährige Bekannte gehandelt habe, die auch eine gewisse Zeit lang im Betrieb der Klägerin gearbeitet habe. Sie sei der Klägerin also nicht nur privat, sondern auch durch ihre berufliche Betätigung bekannt gewesen. Herr V habe sich im Februar oder März 2011 als Bekannter von Frau W vorgestellt. Diese habe ihrerseits damals mitgeteilt, dass sie Herrn V seit über 20 Jahren kenne und mit diesem befreundet sei. Er sei als Vermittler aufgetreten und habe die Klägerin gefragt, ob sie Interesse an Geschäften im Bereich Stretch- und Aluminiumfolien habe. Hierbei hätten Streckengeschäfte getätigt werden sollen, bei denen die Ware direkt vom Lieferanten an den Kunden geschickt werden sollte. Er - Herr V - habe einen Abnehmer für die Folien (E-GmbH) und auch Lieferanten und werde die Klägerin bei der Abwicklung unterstützen.


Der Berichterstatter warf die Frage auf, warum der Vermittler dann nicht Käufer und Verkäufer zusammengebracht bzw. vermittelt habe, sondern wieso er überhaupt Interesse daran gehabt habe, die Klägerin als Zwischenhändlerin einzuschalten, der auch noch eine Gewinnmarge zugebilligt worden sei. Außerdem problematisierte der Berichterstatter die nicht gerade üblichen Zahlungsweg, bei dem die Schecks nicht direkt an den Lieferanten übergeben, sondern die Bekannte der Klägerin und Herr V eingeschaltet wurden. Dabei antwortete die Klägerin, dass dies von Herrn V angeboten worden sei, damit sie - die Klägerin - sich um nichts zu kümmern brauche. Erst wenn die Gelder aus den von der Klägerin geschriebenen Rechnungen ihrem Konto gutgeschrieben worden seien und die Klägerin von einer Lieferung an Herrn E1 habe ausgehen können, habe sie selbst die Verrechnungsschecks zur Bezahlung der an sie selbst gerichteten Rechnungen ausgestellt. Diese habe sie dann - weil der Kontakt durch Herrn V vermittelt worden sei - an ihre Bekannte Frau W übergebenen, mit der Bitte, die Schecks an Herrn V weiterzuleiten, damit dieser sie an den jeweiligen Lieferanten weiterreiche.


Die weitere Frage des Berichterstatters nach einer Strafanzeige wegen Betruges der Klägerin gegenüber Frau W und Herrn V, nachdem sie sich bewusst geworden sei, durch Herrn V und Frau W in einen Umsatzsteuerbetrug hineingeraten zu sein, wurde verneint. Vor dem Hintergrund, dass allenfalls hinsichtlich der nicht anerkannten Vorsteuerbeträge i.H.v. 133.007,88 € über eine Gutgläubigkeit der Klägerin diskutiert werden könne, regte der Berichterstatter an, doch zumindest den Differenzbetrag zwischen den von der Klägerin ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträgen i.H.v. 147.069,63 EUR (§ 14c Abs. 2 S. 2 UStG) und den entsprechenden Vorsteuerbeträgen i.H.v. 133.007,88 € umgehend zu begleichen. Außerdem bat der Berichterstatter darum, zur Substantiierung der Gutgläubigkeit darzulegen, ob und in welcher Weise die Klägerin selbst Kontakte zu den benannten Lieferfirmen gehabt habe und um Vorlage entsprechenden Schriftverkehrs, ggf. auch per E-Mail, zumal die Klägerin im Erörterungstermin auch zu dieser Frage erklärt hatte, den Kontakt nicht darstellen zu können, weil sie zu aufgeregt sei; dies solle vielmehr schriftsätzlich erfolgen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift des Erörterungstermins vom 15.7.2013 Bezug genommen.


Im Nachgang zum Erörterungstermin führte die Klägerin dann mit Schriftsatz vom 29.7.2013 aus: Bei Berechnung der Umsatzsteuerforderung gemäß § 14c UStG i.H.v. 147.069,63 EUR sei von der Steuerfahndung M auch die Umsatzsteuer aus der letzten Rechnung der Antragstellerin vom 23.9.2011 an die E-GmbH (Nr. 2011400446 über EUR 57.062,88 netto) i.H.v. 10.841,95 € berücksichtigt worden. Die 10.646,65 € Vorsteuer ausweisende korrespondierende Eingangsrechnung der "K Handel und Frachtvermittlung K" vom 23.9.2011 sei hingegen nicht berücksichtigt worden, so dass sich der Saldo aus den insgesamt ausgewiesenen 147.069,63 € Umsatzsteuer und den nicht anerkannten Vorsteuerbeträgen (133.788,51 €) um weitere 10.646,60 € vermindere und nur noch 2.634,52 € betrage. Eine höhere Zahlung an das FA von über 10.000 € wie im Erörterungstermin angedacht sei der Klägerin nicht möglich.


Ferner sei unklar, warum das FA der E-GmbH die Vorsteuer aus dieser Rechnung zur Verrechnung zugelassen habe. Das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren der Steuerfahndung gegen Herrn E1 wegen Umsatzsteuerhinterziehung betreffend 2009 und 2010 sei seit 2010 betrieben werden. Es sei nicht dargelegt, warum die Steuerfahndung über das Jahr 2010 hinaus bis Ende September 2011 zur Aufklärung des Sachverhalts benötigt habe. Hätte die Steuerfahndung M schneller reagiert, wäre die Klägerin in dieser Zeit nicht auf die Betrugsmasche der Herren V und E1 hereingefallen und zumindest ein großer Teil des Schadens hätte verhindert werden können.


Insbesondere hinsichtlich der Ausgangsrechnungen der Klägerin vom 9.9.2011 und 23.9.2011 stelle sich die Frage, ob insoweit nicht von einem überwiegenden Verschulden des Fiskus auszugehen und eine Freistellung der Klägerin von der Haftung geboten sei. So seien die Räumlichkeiten der Klägerin im Ermittlungsverfahren gegen die Herren V und E1 am 27.9.2009 durchsucht worden. Aus dem Aktenvermerk der Steuerfahndung M vom 27.9.2011 werde deutlich, dass man dort seit längerem auf die "Handelskreisläufe mit Alufolie" aufmerksam geworden war. Die Vorsteuer aus den September-Rechnungen habe daher frühestens am 10.10.2011 bzw. im Fall einer Dauerfristverlängerung sogar erst zum 10.11.2011 geltend gemacht werden können. Vor diesem Hintergrund sei es unverständlich, dass das für Herrn E1 bzw. die E-GmbH zuständige Finanzamt die Vorsteuer aus den Rechnungen der Klägerin auch nach dem 27.9.2011 weiterhin zur Verrechnung zugelassen habe. Die vom Rechnungsaussteller gesetzte Gefährdungshaftung bestehe nicht mehr fort, wenn der Fiskus die Zweifelhaftigkeit der Lieferung kenne, so dass kein Raum für eine Gefährdungshaftung bleibe.


Zu der im Erörterungstermin aufgeworfenen Frage, warum Herr V die Vermittlungsgeschäfte nicht selbst durchgeführt habe, habe sich dieser äußerst diffus dahin geäußert, dass er aufgrund seiner (früheren) Handelsvertreter- bzw. Beratertätigkeit (für andere Unternehmen) bestimmten Restriktionen unterliege und deshalb nicht offen auftreten könne, ohne allerdings konkret zu werden. Er habe ihr zudem das Gefühl gegeben, bei der Vermittlung dieser Geschäfte auch selbst seinen "Schnitt" zu machen. Vor diesem Hintergrund habe die Klägerin angenommen, dass Herr V entweder vom jeweiligen Lieferanten oder dem Abnehmer oder eventuell sogar von beiden eine Provision erhalte. Die Klägerin habe keinen Argwohn gegenüber Herrn V gehabt, da sich dieser auf die langjährige Freundschaft zu Frau W habe berufen können und die Klägerin das Angebot von Herrn V in gewisser Weise auch als kleinen "Freundschaftsdienst" von Frau W wegen der Beschäftigung in der Zeit von Dezember 2010 bis Februar 2011 in ihrem Betrieb verstanden habe. Sie sei seinerzeit psychisch in einem schlechten Zustand gewesen. Die Klägerin habe ihr helfen und ihre Freundin wieder "aus dem Loch" holen wollen, in das sie nach dem Autounfall des Ehemannes gefallen sei. Wegen des geringeren Auftragsvolumens sei jedoch eine Fortsetzung der Beschäftigung nicht mehr möglich gewesen, zumal Frau W auch selbst nicht mehr habe arbeiten wollen. So sei das Arbeitsverhältnis zum 31.3.2011 im gegenseitigen Einvernehmen beendet worden.


Zu den aufgeführten Geschäftsvorfällen äußert sich die Klägerin wie folgt: Zunächst sei eine Bestellung oder eine Voranfrage der E-GmbH eingegangen. Anschließend habe die Klägerin Herrn V informiert und ihn um Mitteilung eines Lieferanten gebeten, was dieser dann kurzfristig getan habe. Die Klägerin habe dann bei diesem telefonisch oder per E-Mail angefragt, ob dieser die gewünschte Menge liefern könne bzw. um ein Angebot gebeten. Mit den Herren V und E1 habe ein enger persönlicher Kontakt bestanden (Besuche von Herrn V, E-Mail, Fax oder Telefon). Am 8.6.2011 hätten die Herren V und Herr E1 zusammen die Druckerei der Antragstellerin besichtigt. Erst jetzt wisse sie, dass Herr V die Informationen von der Klägerin benötigte habe, um aus dem Hintergrund die gesamte Lieferkette zu steuern.


Den Schriftverkehr mit den jeweiligen Lieferanten überreicht die Klägerin als Anlagenkonvolut K26, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Im Wesentlichen handelt es sich um Auftragsbestätigungen und Lieferscheine, teilweise per E-Mail; eingehenderer E-Mail-Verkehr betrifft die Firma K. So schreibt die Klägerin, gerne eine dauerhafte Geschäftsbeziehung aufbauen zu wollen, nachdem sich Herr K per E-Mail bei der Klägerin vorgestellt hatte. Außerdem enthalten ist eine E-Mail der F Handels GmbH, in welcher der Klägerin im Mai mitteilt wird, man könne nur noch bestimmte Mengen an Paletten liefern. Des Weiteren überreicht die Klägerin den E-Mail-Verkehr mit der E-GmbH als Anlagenkonvolut K27 und K28, auf den ebenfalls wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.


Zum Nachweis der Vorkasse-Praxis (Verrechnungsscheck-Ausstellung an den jeweiligen Lieferanten immer erst nach Geldeingang auf dem Geschäftskonto der Klägerin) legt die Klägerin eine entsprechende Übersicht vor (Anlage K21). Die Zahlungen an die "K Handel und Frachtvermittlung K" seien dann nicht mehr per Verrechnungsscheck erfolgt, sondern per Überweisung. Ferner beigefügt seien die Abfragen der USt-ID-Nr. (F Handels GmbH vom 25.3.2011 und 9.3.2011, E-GmbH vom 18.4.2011, H Nürnberg GmbH vom 7.6.2011, G GmbH vom 7.6.2011, H Leipzig GmbH 3.8.2011, Anlagenkonvolut K24). Die Ausdrucke der Handelsregisterauszüge zu den einzelnen Firmen lägen der Klägerin seit der Durchsuchung am 27.9.2011 zwar nicht mehr vor. Allerdings habe die Klägerin seinerzeit von den HR-Einträgen nochmals Ausdrucke gefertigt (Anlagenkonvolut K25). Die Antragstellerin habe auf die Auskünfte lt. Internet-Abfragen bei "www.handelsregister.de" und ihre Abfragen betreffend die Umsatzsteuer- Id-Nr. beim BZSt vertraut.


Die Klägerin habe im Anschluss an den Erörterungstermin noch am 15.7.2013 bei der Staatsanwaltschaft O Strafanzeige/Strafantrag gegen die Herren V, E1 und K sowie auch gegen Frau W gestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sie aus panischer Angst vor der Reaktion der vorbenannten Herren von einer Anzeige abgesehen. Sie habe befürchtet, diese könnten sie körperlich oder psychisch massiv bedrängen. Nach dem entstandenen Vertrauensbruch habe die Klägerin diesen alles zugetraut. So hätten die Herren V und E1 nach der Durchsuchung am 27.9.2011 permanent versucht, die Klägerin auf ihrem Büroanschluss und ihrem Handy zu erreichen. Am 17.10.2010 sei Herr E1 sogar unangemeldet bei der Klägerin aufgetaucht. Mit der Ausrede, seine Ex-Frau habe ihn angezeigt, habe er sogar noch versucht, die Klägerin zu weiteren Geschäften zu überreden (Hinweis auf die E-Mail der Antragstellerin vom 17.10.2011, Anlage K18).


Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin im März 2013 per E-Mail von der Fa. "X Handel Transport Bau GmbH" aus Y angeschrieben und um ein Angebot für Bandstretchfolien gebeten worden sei. Der Klägerin sei aufgefallen, dass mit der Firmierung etwas nicht gestimmt habe. Danach habe man die E-Mail noch im März 2013 bei der Steuerfahndung in O und auch in M vorgelegt, weil man den Eindruck gehabt habe, möglicherweise auch hier in ein Umsatzsteuerbetrugsmodell hineingezogen werden zu sollen.


Die Klägerin beantragt nach ausführlicher Erörterung ihres Begehrens in der mündlichen Verhandlung,


den Umsatzsteuerbescheid vom 9.10.2012 und die Einspruchsentscheidung vom 4.3.2013 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2011 wie erklärt (GA Bl. 39 ff.) auf 17.498,75 € festgesetzt wird.


Der Beklagte beantragt,


die Klage abzuweisen.


Der Beklagte führt ergänzend aus: Die Gefährdung des Steueraufkommens sei im vorliegenden Fall gemäß § 14 c Absatz 2 Satz 4 UStG erst beseitigt, wenn der Empfänger der Rechnungen die daraus geltend gemachten Vorsteuern an die zuständige Finanzbehörde (hier: Finanzamt J) zurückgezahlt habe. Die Berichtigung der geschuldeten Steuerbeträge wäre dann gemäß § 14c Abs. 2 S. 5 UStG beim zuständigen Finanzamt Z zu beantragen und in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des § 14c Abs. 2 S. 4 UStG eingetreten seien.


Der Umsatzsteuerbescheid für 2011 des Finanzamtes J gegenüber Herrn E1 datiere vom 14.2.2013. Die Festsetzung der umsatzsteuerlichen Prüfungsfeststellungen einschließlich der Versagung des Vorsteuerabzugs aus den hier streitigen Rechnungen für die E-GmbH sei aufgrund der bestehenden umsatzsteuerlichen Organschaft beim Einzelunternehmen des Herrn E1 als Organträger erfolgt. Allerdings habe Herr E1 dagegen noch im Februar 2013 Einspruch eingelegt, über den noch nicht abschließend entschieden sei. Eine Rückzahlung der fraglichen Vorsteuern sei derzeit noch nicht erfolgt. Damit seien die Voraussetzungen des § 14c Abs. 2 Sätze 3 und 4 UStG derzeit nicht erfüllt.


Aus den Gründen


Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch den vorliegend streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheid für 2011 vom 9.10.2012 nicht in ihren Rechten verletzt. Zwischen den Beteiligten unstreitig ist dabei der Teilbetrag von 15.059 € (nach Kürzung der Scheingeschäfte verbleibende Zahllast). Diesen Teilbetrag hat der Beklagte zu Recht gemäß § 14c Abs. 2 S. 2 UStG um 147.069,63 € erhöht, die nach den Feststellungen der Steuerfahndung unberechtigt ausgewiesenen worden waren. Den Vorsteuerabzug aus den zugehörigen Rechnungen hat der Beklagte ebenfalls zu Recht versagt.


1. Der Beklagte hat zu Recht 147.069,63 € gemäß § 14c Abs. 2 S. 2 UStG festgesetzt, die nach den Feststellungen der Steuerfahndung unberechtigt ausgewiesenen worden waren.


a) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet gemäß § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt (§ 14c Abs. 2 Satz 2 UStG). Die Regelung beruht auf Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG (früher Art. 21 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 77/388/EWG) wonach die Mehrwertsteuer - unabhängig von einer tatsächlichen Lieferung - von jeder Person geschuldet wird, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist.


b) Die Vorschrift stellt auf den Steuerausweis in einer "Rechnung" ab, ohne den Rechnungsbegriff selbst oder mittels einer Verweisung zu definieren. Unter einer Rechnung ist dementsprechend gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG jedes Dokument zu verstehen, "... mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird". Es reicht aus, wenn es sich um ein Dokument handelt, das den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung, sowie das Entgelt und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ausweist (BFH Urteil vom 17.02.2011 - V R 39/09, BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734, DB 2011, 1200 m.w.N. aus der Rechtsprechung des EuGH).


c) Die Vorschrift des § 14c UStG ist als Gefährdungstatbestand in das Gesetz aufgenommen worden, um Missbräuche durch Ausstellung von Rechnungen mit offenem Steuerausweis zu verhindern und der Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens durch ein Ungleichgewicht von Steuer und Vorsteuerabzug zu begegnen (BFH Urteil vom 17.2.2011 - V R 39/09, BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734, DB 2011, 1200 unter Hinweis auf BR-Drucks. 630/03 vom 5.9.2003, zu Art. 4 zu Nr. 17). Bereits daraus ergibt sich, dass § 14c Abs. 2 Satz 3 und 4 UStG im Rahmen der Berichtigungsmöglichkeit die Beseitigung der "Gefährdung des Steueraufkommens" voraussetzt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Steuerfestsetzung um ein Massenverfahren handelt, bei dem die Verwaltung nicht in der Lage ist, die gesetzlichen Voraussetzungen der geltend gemachten Vorsteuerbeträge vor der regelmäßig unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerfestsetzung zu prüfen. Auch ist vor dem Hintergrund der Berichtigungsmöglichkeit nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG kein schutzwürdiges Interesse eines Rechnungsausstellers erkennbar, risikolos Dokumente in den Rechtsverkehr zu bringen, die als Abrechnungen über angebliche umsatzsteuerpflichtige Vorgänge erscheinen und dem Rechnungsempfänger einen unberechtigten Vorsteuerbetrug erst ermöglichen. Für die Anwendung des § 14c Abs. 2 UStG reicht es deshalb aus, dass das Dokument als Abrechnung über eine (angebliche umsatzsteuerpflichtige) Leistung durch einen (angeblichen) Unternehmer wegen des Ausweises der Umsatzsteuer abstrakt die Gefahr begründet, vom Empfänger oder einem Dritten zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs gebraucht zu werden (BFH Urteil vom 17.02.2011 - V R 39/09, BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734, DB 2011, 1200).


d) Genau diese Gefahr hat sich auch im Streitfall durch die von der Klägerin ausgestellten und an die E-GmbH ausgegebenen Rechnungen verwirklicht, denen unstreitig keine Leistungen zugrunde lagen. Dies gilt entgegen der Auffassung der Klägerin auch für die Ausgangsrechnungen vom 9.9.2011 und 23.9.2011. Die Gefährdungshaftung des rechnungstellenden Unternehmers ist verschuldensunabhängig. Nach der Wertung des Gesetzes reicht es aus, wenn sich die Gefahr wie im Streitfall tatsächlich verwirklicht. Eine Freistellung der Klägerin kommt deshalb nach Auffassung des erkennenden Gerichts trotz des möglicherweise vorliegenden Mitverschuldens der Steuerfahndung nicht in Betracht, die beim FA J einen entsprechenden Sperrvermerk veranlassen und einen weiteren Vorsteuerabzug in den Monaten Oktober bzw. November 2011 hätte verhindern können, zumal man dort bereits seit längerem auf die "Handelskreisläufe mit Alufolie" aufmerksam geworden war und gegen die Herren V und E1 ermittelte. Die Auffassung der Klägerin, die vom Rechnungsaussteller gesetzte Gefährdung bestehe nicht mehr fort, wenn der Fiskus die Zweifelhaftigkeit der Lieferung kenne bzw. kennen müsse, findet demgegenüber keine Stütze im Gesetz.


2. Den Vorsteuerabzug aus den zugehörigen Rechnungen hat der Beklagte ebenfalls zu Recht versagt. Die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 UStG lagen hinsichtlich der streitigen Vorsteuerbeträge nicht vor. Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes können im Umsatzsteuer-Festsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden.


a) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.


aa) Nach ständiger Rechtsprechung ist das Recht der Steuerpflichtigen zum Abzug der Mehrwertsteuer, die für die von ihnen erworbenen Gegenstände und empfangenen Dienstleistungen als Vorsteuer geschuldet oder entrichtet wurde, ein fundamentaler Grundsatz des durch das Unionsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems. Durch die Abzugsregelung soll der Unternehmer vollständig von der im Rahmen aller seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet folglich die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck oder ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten grundsätzlich selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (EuGH-Urteil vom 6.9.2012 - C-324/11 (Tóth), BFH/NV 2012, 1757, UR 2012, 851, DB 2012, 2142).


bb) Eine ordnungsgemäße Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis gehört zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung müssen die Angaben im Abrechnungspapier eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers ermöglichen. Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer müssen grundsätzlich identisch sein. Hierfür ist die Angabe der zutreffenden Anschrift in der Rechnung erforderlich, die allein dem FA die Überprüfung ermöglicht, ob tatsächlich der abrechnende Unternehmer den in der Rechnung ausgewiesenen Umsatz ausgeführt hat. Der Vorsteuerabzug steht dem Unternehmer im Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben deshalb erst bei Vorlage einer Rechnung mit der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers zu; die Angabe einer Anschrift, an der im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfinden, reicht als zutreffende Anschrift demgegenüber nicht aus (BFH-Urteil vom 30.4.2009 - V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, DB 2009, 1631, UR 2009, 816 m.w.N.).


cc) Das Tatbestandsmerkmal "Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen" erfordert, dass die Leistung tatsächlich ausgeführt worden ist. Das UStG erfasst nur tatsächliche wirtschaftliche Vorgänge und nicht vorgetäuschte Umsätze. Deshalb ist ein Vorsteuerabzug aus Rechnungen unzulässig, denen tatsächlich keine Leistung zugrundeliegt (BFH-Urteil vom 10.12.2008 - XI R 57/06, BFH/NV 2009, 1156).


b) Die von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerbeträge sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes abziehbar.


aa) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sieht § 15 UStG den Schutz des guten Glaubens an die Erfüllung der Voraussetzungen zum Vorsteuerabzug nicht vor (BFH-Urteil vom 30.4.2009 - V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, DB 2009, 1631, UR 2009, 816 m.w.N.).


bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem EuGH-Urteil vom 6.7.2006 - Rs. C-439/04 und C-440/04, Kittel und Recolta Recycling (Slg. 2006, I-6161, BFH/NV Beilage 2006, 454). Diese Entscheidung betrifft nicht - wie vorliegend - den Fall, dass die objektiven Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug fehlen und der Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug unter Hinweis auf die Grundsätze von Treu und Glauben gleichwohl beansprucht. Vielmehr ist nach dieser Entscheidung der Vorsteuerabzug selbst dann zu verweigern, wenn die objektiven Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug zwar vorliegen, jedoch aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war (Randnr. 59). Diese Rechtsprechung erweitert danach nicht das Recht auf Vorsteuerabzug hinsichtlich des Vertrauensschutzes, sondern begrenzt es, weil eine "betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht ... nicht erlaubt" ist (BFH-Urteil vom 30.4.2009 - V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, DB 2009, 1631, UR 2009, 816).


cc) Allerdings haben die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Gemeinschaftsrichtlinien übertragen, die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung sind, zu beachten. Hierzu zählen insbesondere die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es dabei, dass die Mitgliedstaaten Mittel einsetzen, die es zwar erlauben, das vom innerstaatlichen Recht verfolgte Ziel zu erreichen, die jedoch die Ziele und Grundsätze des einschlägigen Gemeinschaftsrechts möglichst wenig beeinträchtigen. Demnach ist es zwar legitim, dass die Maßnahmen der Mitgliedstaaten darauf abzielen, die Ansprüche der Staatskasse möglichst wirksam zu schützen; sie dürfen aber nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (BFH-Urteil vom 30.4.2009 - V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, DB 2009, 1631, UR 2009, 816 m.w.N.).


dd) Grundsätze des Vertrauensschutzes aufgrund besonderer Verhältnisse des Einzelfalles können nach nationalem Recht nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung, sondern nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gemäß §§ 163, 227 AO Berücksichtigung finden, ohne dass Gemeinschaftsrecht dem entgegenstünde. Denn mangels einer einschlägigen Gemeinschaftsregelung sind die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats (BFH-Urteil vom 30. 4. 2009 - V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, DB 2009, 1631, UR 2009, 816 m.w.N.).


ee) Die Entscheidung nach § 163 AO ist zwar grundsätzlich eine Ermessensentscheidung, die im finanzgerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt überprüfbar ist (§ 102 FGO). Erfordern aber gemeinschaftsrechtliche Regelungen eine Billigkeitsmaßnahme, ist das in § 163 AO eingeräumte Ermessen des FA auf Null reduziert. Macht der Steuerpflichtige - wie hier - Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes im Festsetzungsverfahren geltend, wird die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 Satz 3 AO regelmäßig mit der Steuerfestsetzung zu verbinden sein (BFH-Urteil vom 30.4.2009 - V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, DB 2009, 1631, UR 2009, 816 m.w.N.). In diesem Verfahren ist dann auch die Frage zu klären, ob es sich um Geschäfte gehandelt hat, in denen an die Sorgfalts- und Nachweispflichten des Unternehmers, der den Vorsteuerabzug begehrt, besonders hohe Anforderungen zu stellen sind (etwa Barkauf hochwertiger PKW; BFH-Urteil vom 30. 4. 2009 - V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, DB 2009, 1631, UR 2009, 816 m.w.N.).


ff) Ebenso wenig wie sich das Recht auf Vorsteuerabzug auf eine Steuer erstreckt, die ausschließlich deshalb geschuldet wird, weil sie in einer Rechnung ausgewiesen ist (EuGH-Urteil vom 13.12.1989 - Rs. C-342/87 --Genius Holding--, Slg. 1989, I-4227: tatsächliche Lieferung oder Leistung erforderlich; dem folgend BFH-Urteil vom 2.4.1998 - V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695), sah der BFH jedenfalls bislang das Vertrauen in die tatsächliche Erbringung einer Leistung nicht als schutzwürdig an, und hat es abgelehnt, das FA zu verpflichten, den begehrten Vorsteuerabzug für nicht erbrachte Leistungen aus Billigkeitsgründen zu gewähren, weil es nicht der gesetzlichen Wertung entspricht, den Vorsteuerabzug aus Rechnungen zuzulassen, denen tatsächlich keine Leistung zugrunde liegt (BFH-Urteil vom 10.12.2008 - XI R 57/06, BFH/NV 2009, 1156).


Dem steht auch nicht das EuGH-Urteil vom 12.1.2006 - Rs. C-354/03, C-355/03 und C-484/03 --Optigen-- (Slg. 2006, I-483), dem ein dem Streitfall nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag. Denn dort ging es nicht um den Vorsteuerabzug aus Rechnungen über Scheinlieferungen, sondern um den Vorsteuerabzug aus Rechnungen über tatsächliche Umsätze, die zu Lieferketten gehörten, an denen ohne Wissen der in den Ausgangsverfahren klagenden Gesellschaften ein Händler beteiligt war, der mehrwertsteuerpflichtig war, aber verschwand, ohne die Mehrwertsteuer an die Steuerbehörden entrichtet zu haben. Dieser Sachverhalt unterscheidet sich von dem des Streitfalles ganz wesentlich dadurch, dass dort tatsächlich ein Leistungsaustausch stattgefunden hat und Mehrwertsteuer entstanden ist. In einem solchen Fall wird das Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug dann nicht berührt, wenn er von dem betrügerischen Verhalten des an der Lieferkette beteiligten Händlers weder Kenntnis hatte noch haben konnte (vgl. BFH-Urteil vom 10.12.2008 - XI R 57/06, BFH/NV 2009, 1156; ebenfalls nicht vergleichbar ist danach der Fall des EuGH-Urteil vom 15.3.2007 - Rs. C-35/05 --Reemtsma--, Slg. 2007, I-2425, in welchem die aus der Rechnung geschuldete Mehrwertsteuer tatsächlich an den italienischen Fiskus entrichtet worden war).


Auch aus dem von der Klägerin angeführten EuGH-Urteil vom 6.9.2012 - C-324/11 -Tóth- (BFH/NV 2012, 1757, UR 2012, 851, DB 2012, 2142: Bauleistungen durch Subunternehmer) ergibt sich keine Verpflichtung des Beklagten, den Vorsteuerabzug aus Billigkeitsgründen zuzulassen. Denn auch dort ging es um den Abzug von Vorsteuer aus einer dem Unternehmer tatsächlich erbrachten Dienstleistung; angesichts des Grundsatzes der Steuerneutralität war der Vorsteuerabzug dort unzulässigerweise mit der Begründung versagt worden, dass der Aussteller der Rechnung nicht (mehr) über eine Unternehmerlizenz verfügt habe; ebenso unzulässig war die Versagung des Vorsteuerabzugs mit der Begründung, dass der Aussteller der Rechnung die von ihm eingesetzten Arbeitnehmer nicht angemeldet habe. Der EuGH hat in dieser Entscheidung als materielle Voraussetzung des Vorsteuerabzugsrechts aus Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 hervorgehoben, dass die zur Begründung dieses Rechts angeführten Gegenstände oder Dienstleistungen vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden müssen und dass diese Gegenstände oder Dienstleistungen auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht worden sein müssen. Die Besonderheit des Falles lag gerade darin, dass der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer unstreitig steuerbare Dienstleistungen (Bauarbeiten) erbracht hatte, allerdings nicht mittels seines eigenen Personals, sondern durch Inanspruchnahme von Subunternehmern. Es ging somit um von anderen Wirtschaftsteilnehmern tatsächliche erbrachte Leistungen, die vom Unternehmer auf der nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner eigenen steuerpflichtigen Umsätze verwendet worden waren (EuGH-Urteil vom 6.9.2012 - C-324/11 (Tóth), BFH/NV 2012, 1757, UR 2012, 851, DB 2012, 2142). Gerade daran fehlt es im Streitfall jedoch, so dass das Zitat der Klägerin aus dieser Entscheidung, die Behörde dürfe den Vorsteuerabzug wegen des Grundsatzes der Steuerneutralität nur ablehnen, wenn sie anhand objektiver Umstände nachweise, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz in eine Steuerhinterziehung einbezogen war, letztlich aus dem Zusammenhang gerissen ist.


gg) Soweit es somit um Vorsteuerabzug aus Gründen des Vertrauensschutzes geht, ist danach in der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgende Abstufung erkennbar: Unter der Voraussetzung, dass der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sich von der Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu überzeugen und seine Beteiligung an einem Betrug ausgeschlossen ist, wurde der Vorsteuerabzug im Wege einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen als Maßnahme des Vertrauensschutzes in Fällen erwogen, in denen die Leistung tatsächlich erbracht worden war, die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs aber wegen unzutreffender Rechnungsangaben nicht vorlagen, weil der in der Rechnung benannte Leistende entweder kein Unternehmer oder die in Rechnung gestellte Leistung von einem anderen als dem in der Rechnung als Leistenden genannten Unternehmer erbracht worden war (BFH-Urteil vom 30.4.2009 - V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, DB 2009, 1631, UR 2009, 816 m.w.N.: Aus Gründen der Normenklarheit keine pauschale "Karenzzeit", in der das Vertrauen des Rechnungsempfängers auf das Fortbestehen des Sitzes des Rechnungsausstellers geschützt wird). Abgelehnt hat die Rechtsprechung entsprechende Billigkeitsmaßnahmen bisher, wenn die in der Rechnung ausgewiesene Leistung überhaupt nicht stattgefunden hat (BFH-Urteil vom 10.12.2008 - XI R 57/06, BFH/NV 2009, 1156).


hh) Im Streitfall sieht das Gericht keine Veranlassung, von diesen bewährten Grundsätzen abzuweichen. Die Klägerin hat sich als "Zwischenhändlerin" auf von Herrn V vermittelte angebliche "Streckengeschäfte" eingelassen, ohne dass ihr die angeblichen Lieferanten tatsächlich bekannt waren und ohne dass sie die Existenz und die tatsächliche Geschäftstätigkeit der ihr nicht bekannten Lieferanten wirklich überprüft hätte. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung selbst vorgetragen, dass "Streckengeschäfte", bei denen ihr Lieferant auf ihre Veranlassung an den Letztabnehmer liefere, für sie nicht ungewöhnlich seien. Allerdings ist ihr bei diesen Geschäften der eigene Lieferant bekannt, was bei den streitigen Scheinumsätzen offensichtlich nicht der Fall war. So hätte eine tatsächliche Erkundigung beim Lieferanten schnell ergeben, dass dieser entweder nicht existent (F Handels GmbH; G GmbH i.L.) oder wirtschaftlich inaktiv (H Nürnberg GmbH; K Handel und Frachtvermittlung Inh. K) war; eine Kontaktaufnahme zum seinerzeit wirtschaftlich existenten Unternehmen "Firma H Leipzig GmbH" hätte die fehlenden Geschäftsbeziehungen sogar unmittelbar belegt. Die Abfrage der USt-ID-Nr. und des Handelsregistereintrags durch die Klägerin als zwischengeschaltete Unternehmerin sieht das erkennende Gericht jedenfalls dann nicht als ausreichend an, wenn der Umsatz letztlich von einer dritten Person (Herrn V) vermittelt wird, die die zusätzliche Zwischenschaltung des Steuerpflichtigen mit eigener Gewinnmarge nur "diffus" erklärt.


Hinzu kommt im Streitfall, dass auch der unübliche Zahlungsweg, bei dem sie - die Klägerin - die Verrechnungsschecks zur Bezahlung der an sie gerichteten Lieferungen nicht direkt dem Lieferanten, sondern an ihre Bekannte, Frau W, übergab, mit der Bitte, die Schecks an Herrn V weiterzuleiten, damit dieser sie an den jeweiligen Lieferanten weiterreiche, die Klägerin hätte stutzig machen müssen. Nicht nachvollziehbar ist auch das Nachtatverhalten der Klägerin, die zunächst keine Strafanzeige gegen die Herren V und E1 sowie gegen Frau W gestellt hatte, nachdem ihr klar geworden war, in ein Modell zur Umsatzsteuerhinterziehung verwickelt worden zu sein. Ihr Vortrag von angeblich "panischer Angst", die sie aus Anrufversuchen und einem unangemeldeten Besuch am 17.10.2010 herleitete, bei denen man versucht habe, die Klägerin zu weiteren Geschäften zu überreden, ist weder substantiiert noch nachvollziehbar.


Darüber hinaus kann im Streitfall nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Klägerin zumindest insoweit aktiv mitgewirkte, als sie die Vermerke "Palettentausch" bzw. "alle Paletten getauscht" bzw. "Abholung per Spedition" bzw. "die Lieferung erfolgt per Selbstabholung" bzw. "Abholung per Spedition" angebracht hat, obwohl die Folien It. ihrer eigenen Aussage zu keiner Zeit am Standort des Einzelunternehmens eingegangen bzw. gelagert und weitergeliefert worden sind, die Klägerin die Folien also letztlich nie gesehen hat. Auch wenn solche Vermerke im Geschäftsverkehr oft verlangt werden sollten, um Streitigkeiten zwischen Lieferanten, Spediteur und Kunden über angeblich mitgelieferte bzw. nicht mitgelieferte Paletten zu vermeiden, kann ein Unternehmer, der solche Vermerke auf Rechnungen anbringt, deren zugrunde liegende Warenlieferung er aber tatsächlich nie gesehen hat, nicht als gutgläubig bezeichnet werden. Ein solcher Unternehmer wird auch nicht dadurch "gutgläubiger", dass er derartige Vermerke auf Anweisung eines Dritten (Herrn V) anbringt, dem er vertraut haben will. Im Streitfall kommt hinzu, dass die Klägerin in ihrer Vernehmung gegenüber dem FA M diesbezüglich noch erklärt hatte, die Vermerke seien ihr vorgegeben worden, sie wisse allerdings nicht mehr, von wem.


3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


4. Die Revision wird zugelassen wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob und inwieweit im Falle eines Mitverschuldens des Fiskus am eingetretenen Steuerschaden, der die Zweifelhaftigkeit einer Lieferung zumindest hätte kennen müssen, eine Freistellung des rechnungstellenden Unternehmers im Rahmen des Gefährdungstatbestandes des § 14c Abs. 2 S. 2 UStG geboten ist.



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