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Steuerrecht
08.05.2025
Steuerrecht
EuGH: Steuerliche Behandlung ausländischer Organismen, die mit OGAW vergleichbar sind, aber Rechtspersönlichkeit besitzen – Vergleichbarkeit einer grenzüberschreitenden Situation mit einer inländischen Situation (Österreichisches Vorabentscheidungsersuchen)

EuGH, Urteil vom 30.4.2025 – C-602/23; Finanzamt für Großbetriebe

ECLI:EU:C:2025:290

Volltext BB-Online BBL2025-1109-2

Tenor

Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, die bewirkt, dass ein gebietsfremdes Gebilde, das einerseits die gleichen Merkmale aufweist wie ein Organismus zur gemeinsamen Veranlagung in Wertpapieren (OGAW) im Sinne der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), andererseits jedoch Rechtspersönlichkeit besitzt und insoweit mit einer gebietsansässigen juristischen Person vergleichbar ist, obwohl nach der nationalen Regelung ein gebietsansässiger OGAW steuerlich als transparent angesehen wird und nicht als juristische Person tätig werden kann, von der Erstattung der Kapitalertragsteuer ausgeschlossen wird, keine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt, sofern die von dem gebietsfremden Gebilde erzielten Einkünfte seinen Anteilinhabern zugerechnet werden und in seinem Sitzstaat nicht auf seiner Ebene, sondern auf Ebene seiner Anteilinhaber besteuert werden.

 

Aus den Gründen

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 63 AEUV.

2        Es ergeht im Rahmen einer Revision, die vom Finanzamt für Großbetriebe (Österreich) (im Folgenden: Finanzamt) gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts (Österreich) eingelegt wurde, mit dem der Klage von Franklin Mutual Series Funds – Franklin Mutual European Fund (im Folgenden: Franklin) auf Rückerstattung der Kapitalertragsteuer für das Jahr 2013 stattgegeben wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

AEU-Vertrag

3        Art. 63 AEUV bestimmt:

„(1)      Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.

(2)      Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.“

Richtlinie 2009/65/EG

4        Art. 1 der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. 2009, L 302, S. 32) sieht vor:

„(1)      Diese Richtlinie gilt für die im Gebiet der Mitgliedstaaten niedergelassenen Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW).

(2)      Für die Zwecke dieser Richtlinie und vorbehaltlich des Artikels 3 bezeichnet der Ausdruck ‚OGAW‘ Organismen,

a)      deren ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapieren und/oder anderen in Artikel 50 Absatz 1 genannten liquiden Finanzanlagen zu investieren, und

b)      deren Anteile auf Verlangen der Anteilinhaber unmittelbar oder mittelbar zu Lasten des Vermögens dieser Organismen zurückgenommen oder ausgezahlt werden. Diesen Rücknahmen oder Auszahlungen gleichgestellt sind Handlungen, mit denen ein OGAW sicherstellen will, dass der Kurs seiner Anteile nicht erheblich von deren Nettoinventarwert abweicht.

Die Mitgliedstaaten können eine Zusammensetzung der OGAW aus verschiedenen Teilfonds genehmigen.

(3)      Die Organismen im Sinne von Absatz 2 können die Vertragsform (von einer Verwaltungsgesellschaft verwaltete Investmentfonds), die Form des Trust (‚unit trust‘) oder die Satzungsform (Investmentgesellschaft) haben.

…“

Österreichisch-amerikanisches Abkommen

5        Art. 10 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen vom 31. Mai 1996 (BGBl. III Nr. 6/1998, im Folgenden: österreichisch-amerikanisches Abkommen) bestimmt:

„(1) Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, dürfen im anderen Staat besteuert werden.

(2) Diese Dividenden dürfen jedoch auch in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden; die Steuer darf aber, wenn der Empfänger der Dividenden der Nutzungsberechtigte ist, nicht übersteigen:

b)      15 [%] des Bruttobetrags der Dividenden in allen anderen Fällen.“

Österreichisches Recht

6        Gemäß § 93 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988) vom 7. Juli 1988 (BGBl. Nr. 400/1988) in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: EStG 1988) wurde die Einkommensteuer bei in Österreich erzielten Kapitalerträgen durch Steuerabzug erhoben und als „Kapitalertragsteuer“ bezeichnet.

7        § 21 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens von Körperschaften (Körperschaftsteuergesetz 1988) vom 7. Juli 1988 (BGBl. Nr. 401/1988) in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: KStG 1988) sah vor:

„(1) Bei beschränkt Steuerpflichtigen … gilt Folgendes:

1.      Die Steuerpflicht erstreckt sich nur auf Einkünfte im Sinne des § 98 des Einkommensteuergesetzes 1988. Wie die Einkünfte zu ermitteln sind, bestimmt sich nach dem Einkommensteuergesetz 1988 und diesem Bundesgesetz. …

1a.      Beschränkt Steuerpflichtigen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem [Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen)], mit dem eine umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe besteht, ansässig sind, ist die Kapitalertragsteuer für die von ihnen bezogenen Einkünfte … auf Antrag zurückzuzahlen, soweit die Kapitalertragsteuer nicht auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens im Ansässigkeitsstaat angerechnet werden kann. Der Steuerpflichtige hat den Nachweis zu erbringen, dass die Kapitalertragsteuer ganz oder teilweise nicht angerechnet werden kann.

…“

8        § 2 des Bundesgesetzes über Investmentfonds (Investmentfondsgesetz 2011) vom 1. August 2011 (BGBl. I 77/2011) in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: InvFG 2011) bestimmte:

„(1) Ein Organismus zur gemeinsamen Veranlagung in Wertpapieren (OGAW)

1.      dient dem ausschließlichen Zweck der Veranlagung der beim Publikum beschafften Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikostreuung … und

2.      seine Anteile werden auf Verlangen der Anteilinhaber unmittelbar oder mittelbar zu Lasten des Vermögens des OGAW zurückgenommen und ausgezahlt; diesen Rücknahmen und Auszahlungen gleichgestellt sind Handlungen, mit denen sichergestellt werden soll, dass der Kurs der Anteile des OGAW nicht erheblich von deren Nettoinventarwert abweicht; und

3.      er ist gemäß § 50 bewilligt oder gemäß Art. 5 der Richtlinie 2009/65/EG in seinem Herkunftsmitgliedstaat bewilligt.

(2)      Ein OGAW kann in Österreich nur als Sondervermögen gemäß § 46, das in gleiche, in Wertpapieren verkörperte Anteile zerfällt und im Miteigentum der Anteilinhaber steht, errichtet werden. Sofern in diesem Bundesgesetz Pflichten des OGAW festgelegt werden, bezieht sich eine daraus folgende Handlungspflicht auf die diesen OGAW verwaltende Verwaltungsgesellschaft.

(3)      Ein OGAW kann sich aus verschiedenen Teilfonds zusammensetzen; für die Zwecke des 2. Teiles 3. Hauptstück 3. Abschnitt gilt jeder Teilfonds eines OGAW als eigener OGAW. …“

9        In § 3 Abs. 2 InvFG 2011 heißt es:

„(2) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind:

19.      Kapitalanlagefonds: OGAW in der Form eines Sondervermögens gemäß § 2 Abs. 2 und Alternative Investmentfonds (AIF) gemäß § 3 Abs. 2 Z 31 lit. a und c;

…“

10      § 46 Abs. 1 InvFG 2011 bestimmte:

„Ein OGAW in der Form eines Sondervermögens gemäß § 2 Abs. 2 hat keine eigene Rechtspersönlichkeit; es zerfällt in gleiche, in Wertpapieren verkörperte Anteile (Anteilscheine). Die Anteilscheine sind Finanzinstrumente …; sie verkörpern die Miteigentumsanteile an den Vermögenswerten des OGAW und die Rechte der Anteilinhaber gegenüber der Verwaltungsgesellschaft sowie der Depotbank. Die Anteilscheine können auf den Inhaber oder auf Namen lauten. …“

11      § 186 Abs. 1 InvFG 2011 bestimmte:

„Die ausgeschütteten Erträge aus Einkünften … abzüglich der damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen eines Kapitalanlagefonds sind beim Anteilinhaber steuerpflichtige Einnahmen. …“

12      In §188 InvFG 2011 hieß es:

„Die Bestimmungen des § 186 sind auch für ausländische Kapitalanlagefonds anzuwenden. Als solche gilt, ungeachtet der Rechtsform, jedes einem ausländischen Recht unterstehende Vermögen, das nach dem Gesetz, der Satzung oder der tatsächlichen Übung nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt ist. …“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

13      Franklin ist eine Investmentgesellschaft mit Sitz in den Vereinigten Staaten und eine von sieben Series – eigenständigen Teilvermögen – eines im Bundesstaat Delaware (Vereinigte Staaten) ansässigen Trusts.

14      Der Verwaltungsgerichtshof (Österreich) – das vorlegende Gericht – weist zunächst darauf hin, dass dieser Trust nach amerikanischem Recht (Delaware Statutory Trust Act, 12 Del. C., §§ 3801 ff.) eine eigenständige juristische Person sei, die vor Gericht klagen und verklagt werden könne, die „zivilrechtliche Eigentümerin“ des Franklin zuzurechnenden Vermögens sei und die nach ihren Angaben in den Anträgen auf Erstattung der Quellensteuer „wirtschaftliche Eigentümerin“ der Vermögensmasse sei.

15      Jede Series sei eine nach amerikanischem Recht steuerpflichtige Körperschaft. Der Steuerpflicht in den Vereinigten Staaten unterlägen alle in- und ausländischen Einkünfte einer Series einschließlich der Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen. Die Zurechnung dieser Einkünfte an die Anteilinhaber in den Vereinigten Staaten setze deren Ausschüttung voraus. Andernfalls würden die Einkünfte den Series zugeordnet, was bedeute, dass sie nicht Gegenstand einer Durchgriffsbesteuerung der Anteilseigner seien.

16      Schließlich seien die Series, sofern sie mindestens 90 % der steuerpflichtigen Einkünfte ohne realisierte Wertsteigerungen ausschütteten, in den Vereinigten Staaten berechtigt, die Ausschüttung steuerlich geltend zu machen, wodurch die zu zahlende amerikanische Bundeseinkommensteuer auf bis zu null reduziert werden könne.

17      Das Bundesfinanzgericht stellte in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Gerichtsverfahren erstens fest, dass Franklin ihre gesamten Einkünfte für das Jahr 2013 ausgeschüttet habe, so dass sie für jenes Jahr keine amerikanische Bundeseinkommensteuer entrichtet habe. Zweitens stellte das Bundesfinanzgericht fest, dass Franklin ein frei handelbarer Publikumsfonds sei, der vorwiegend in europäische börsennotierte Aktien investiere, der in seinem Ansässigkeitsstaat einer Finanzmarktaufsicht nach einem dem europäischen und nationalen Aufsichtsrecht vergleichbaren Regelwerk unterliege, und dessen Verwaltung nach den gleichen Grundsätzen und Investitionskriterien erfolge wie bei einem gleichnamigen, in Luxemburg zugelassenen Investmentfonds. Die Tätigkeit von Franklin entspreche in allen wesentlichen Belangen, wie Anlegerschutz, Informationspflichten, insbesondere Prospektpflicht, Halbjahres- und Jahresberichte, zulässige Geschäftstätigkeit, Wirksamkeit der Aufsicht und Kontrolle, einem österreichischen Investmentfonds und damit einem OGAW im Sinne der Richtlinie 2009/65.

18      Im Jahr 2013 erhielt Franklin von zwei österreichischen börsennotierten Aktiengesellschaften, an denen sie Beteiligungen von weniger als 10 % hielt, Dividenden, auf die Kapitalertragsteuer zum Satz von 25 % einbehalten wurde.

19      Auf Antrag von Franklin, den diese im Namen und für Rechnung von Franklins Anteilinhabern stellte, setzte das Finanzamt auf der Grundlage des österreichisch-amerikanischen Abkommens den Steuersatz der Kapitalertragsteuer auf 15 % herab und erstattete Franklin für ihre in den Vereinigten Staaten ansässigen und unter dieses Abkommen fallenden Anteilinhaber den Differenzbetrag auf die mit 25 % einbehaltene Kapitalertragsteuer.

20      Da Franklin der Ansicht war, dass die Anwendung von § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 gemäß Art. 63 AEUV auf Rechtssubjekte aus Drittstaaten erstreckt werden müsse, stellte sie auf der Grundlage der letztgenannten Bestimmung im eigenen Namen Anträge auf Rückerstattung des Restbetrags der auf die fraglichen Erträge für das Jahr 2013 einbehaltenen Quellensteuer.

21      Nachdem das Finanzamt diese Anträge mit der Begründung abgewiesen hatte, dass Franklin nicht in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens ansässig sei, erhob diese beim Bundesfinanzgericht Beschwerde, die mit Erkenntnis vom 3. Oktober 2017 abgewiesen wurde.

22      Das Erkenntnis vom 3. Oktober 2017 wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 13. Jänner 2021 mit der Begründung aufgehoben, dass für die Prüfung, ob eine Rückerstattung der Kapitalertragsteuer zu erfolgen habe, zunächst in einem „Typenvergleich“ ermittelt werden müsse, ob das ausländische Gebilde mit einer österreichischen Körperschaft vergleichbar sei, und in einem zweiten Schritt die Zurechnung der Einkünfte geprüft werden müsse. Stehe nur § 188 InvFG 2011 einer Zurechnung der Einkünfte an das ausländische Gebilde entgegen, liege eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs vor, deren Rechtfertigung zu prüfen sei.

23      Im Anschluss an das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Jänner 2021 gewährte das Bundesfinanzgericht Franklin die Rückerstattung des Restbetrags der einbehaltenen Kapitalertragsteuer. Es stellte nach einem „Typenvergleich“ fest, dass Franklin einer österreichischen Körperschaft entspreche, der nach den allgemeinen Regeln auch die Einkünfte zuzurechnen seien, und dass § 188 InvFG 2011, der eine solche Zurechnung verhindere, eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstelle.

24      Das Finanzamt legte gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts Revision beim vorlegenden Gericht ein und machte im Wesentlichen geltend, dass in die Vergleichspaarbildung der Umstand miteinzubeziehen sei, dass es sich bei Franklin auch nach dem Aufsichtsrecht ihres Herkunftsstaats um einen Investmentfonds handle, dass ein solches Gebilde innerhalb der Union nach der Richtlinie 2009/65 genehmigungspflichtig sei und dass inländische Gebilde, die aufsichtsrechtlich als Investmentfonds qualifiziert würden und einem OGAW entsprächen, im Jahr 2013 ausnahmslos der transparenten Fondsbesteuerung unterlägen. Im Fall eines ausländischen Gebildes, das nach ausländischem Aufsichtsrecht ebenfalls als Investmentfonds zu qualifizieren sei und einem OGAW entspreche, hätte Gleiches gelten müssen.

25      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass nach § 2 Abs. 2 InvFG 2011 inländische Investmentfonds, die als OGAW anzusehen seien, aufsichtsrechtlich ausschließlich als Sondervermögen errichtet werden durften und keine Rechtspersönlichkeit gehabt hätten. Die von diesen Organismen erzielten Einkünfte, die nach § 186 InvFG 2011 steuerlich transparent gewesen seien, seien den Anteilinhabern zugerechnet worden, die allein steuerpflichtig gewesen seien.

26      Da folglich ein solcher inländischer Investmentfonds, der Dividenden aus einer Beteiligung unter 10 % an einer gebietsansässigen Kapitalgesellschaft bezogen habe, steuerlich transparent gewesen sei, hätten nur die Anteilinhaber die Rückerstattung oder Anrechnung einbehaltener Kapitalertragsteuer verlangen können. Gebietsfremde Anteilinhaber hätten die Möglichkeit, nach Maßgabe des mit ihrem Ansässigkeitsstaat abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens eine Erstattung der Kapitalertragsteuer zu erhalten.

27      Dagegen habe eine österreichische Gesellschaft, die einem OGAW nicht gleichzustellen gewesen sei, wenn sie Dividenden aus einer Beteiligung an einer gebietsansässigen Gesellschaft erhalten habe, die Kapitalertragsteuer auf ihre Körperschaftsteuer anrechnen können. Eine solche Körperschaft sei unabhängig von ihrer Geschäftstätigkeit stets nach den Grundsätzen des Körperschafsteuerrechts besteuert worden.

28      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass Körperschaften, die in Österreich weder Geschäftsleitung noch Sitz gehabt hätten und die u. a. hinsichtlich ihrer Satzung oder des Umstands, dass sie Rechtspersönlichkeit besessen hätten, mit einer österreichischen Körperschaft vergleichbar gewesen seien, beschränkt steuerpflichtig gewesen seien. Nach § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 habe eine in einem Mitgliedstaat der Union oder in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens ansässige Gesellschaft, wenn die Kapitalerträge dieser Gesellschaft und nicht ihren Anteilinhabern zuzurechnen gewesen seien, einen Antrag auf Rückerstattung der auf die von einer gebietsansässigen Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden erhobenen Kapitalertragsteuer stellen können, sofern § 186 InvFG 2011 nach § 188 InvFG 2011 auf sie nicht anwendbar gewesen sei.

29      Im Rahmen der Prüfung der bei ihm anhängigen Revision hegt das vorlegende Gericht Zweifel, ob das Unionsrecht es gebietet, die Anwendung von § 188 InvFG 2011 im Fall ausländischer Publikumsfonds auszuschließen, die, wenn sie in Österreich ansässig wären, dort nur als OGAW auftreten könnten, nicht steuerpflichtig wären und daher weder eine Kapitalertragsteuer-Rückerstattung erhalten könnten noch diese Steuer auf ihren Körperschaftsteuerbeitrag hätten anrechnen können, weil die Einkünfte gemäß § 186 InvFG 2011 zwingend den Anteilinhabern zuzurechnen wären.

30      Unter diesen Umständen hat der Verwaltungsgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Stellt eine Bestimmung wie § 188 InvFG 2011, die bewirkt, dass ausländische Gebilde, die einer inländischen Körperschaft vergleichbar sind, in Österreich von der Rückerstattung der Kapitalertragsteuer ausgenommen werden, wenn sie materiell OGAW im Sinne der Richtlinie 2009/65 entsprechen und daher im Inland nicht als Körperschaften tätig sein dürfen, weil für derartige Gebilde in Österreich nur die Rechtsform als transparentes Sondervermögen vorgesehen ist, eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV dar?

2.      Wenn die erste Frage bejaht wird: Liegt eine objektiv vergleichbare Situation zwischen einer inländischen Körperschaft, die ihr Vermögen nach den Grundsätzen der Risikostreuung anlegt, aber mangels beim Publikum beschaffter Gelder kein OGAW ist und deshalb auch im Inland als Körperschaft tätig sein darf, einerseits und einer ausländischen Investmentfondsgesellschaft, die wegen beim Publikum beschaffter Gelder nach inländischen Grundsätzen ein OGAW wäre und deshalb im Inland nicht als Körperschaft tätig sein dürfte, andererseits vor?

3.      Wenn die zweite Frage bejaht wird: Liegt für die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit der Rechtfertigungsgrund der Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse vor, weil die §§ 186 und 188 InvFG 2011 sicherstellen wollen, dass weder ein inländischer noch ein ausländischer Publikumsfonds in Bezug auf die Anteilinhaber eine steuerliche Abschirmwirkung entfalten kann und damit eine Entlastung der Kapitalertragsteuer nur in jenen Fällen auf Ebene der Anteilinhaber erfolgen soll, in denen die Republik Österreich in einem Doppelbesteuerungsabkommen auf ihr Besteuerungsrecht verzichtet hat?

Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

31      Die Europäische Kommission hält das Vorabentscheidungsersuchen für unzulässig, weil die Anwendung von Art. 63 AEUV, um dessen Auslegung ersucht werde, für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens nicht erforderlich sei. Die im eigenen Namen handelnde Franklin sei nämlich nicht berechtigt, die Erstattung der Kapitalertragsteuer auf der Grundlage von § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 zu beantragen. Ein solcher Antrag müsse von den Anteilinhabern gestellt werden, sofern sie die in dieser Bestimmung festgelegten Voraussetzungen erfüllten.

32      Außerdem laufe der Antrag von Franklin, der gestellt worden sei, nachdem Franklin eine Erstattung gemäß Art. 10 Abs. 2 des österreichisch-amerikanischen Abkommens erhalten habe, der zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika vereinbarten Aufteilung der Befugnisse zur Besteuerung zuwider und bezwecke, die Verpflichtung zu umgehen, nachzuweisen, dass die verbleibende österreichische Kapitalertragsteuer nicht ganz oder teilweise auf die Steuer in den Vereinigten Staaten hätte angerechnet werden können. Dieser Antrag könne zu einer ungerechtfertigten Bereicherung von Franklin führen, die dann Erstattungen erhielte, die möglicherweise jemand anderem zustünden, nämlich den Inhabern ihrer Anteile, und er könne sogar als missbräuchlich angesehen werden.

33      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein das mit dem Rechtsstreit befasste nationale Gericht, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen hat. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 17. Oktober 2024, FA.RO. di YK & C., C‑16/23, EU:C:2024:886, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Folglich spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann das Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann zurückweisen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht, das Problem hypothetischer Natur ist oder er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 17. Oktober 2024, FA.RO. di YK & C., C‑16/23, EU:C:2024:886, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung erfordert es im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht dienlichen Auslegung des Unionsrechts zu gelangen, dass dieses Gericht die Anforderungen an den Inhalt eines Vorabentscheidungsersuchens, die ausdrücklich in Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs aufgeführt sind, sorgfältig beachtet (Urteil vom 17. Oktober 2024, FA.RO. di YK & C., C‑16/23, EU:C:2024:886, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      So ist es nach Art. 94 Buchst. c der Verfahrensordnung insbesondere unerlässlich, dass das Vorabentscheidungsersuchen eine Darstellung der Gründe, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung oder der Gültigkeit bestimmter Vorschriften des Unionsrechts hat, und den Zusammenhang enthält, den es zwischen diesen Vorschriften und dem auf das Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Recht herstellt (Urteil vom 17. Oktober 2024, FA.RO. di YK & C., C‑16/23, EU:C:2024:886, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Im vorliegenden Fall ist nicht offensichtlich, dass die erbetene Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht oder dass das Problem hypothetischer Natur wäre. Außerdem verfügt der Gerichtshof über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind.

38      Denn erstens scheint, obwohl den Anteilinhabern auf den von Franklin in ihrem Namen gestellten Antrag hin ein Teil der Quellensteuer erstattet wurde, die Zulässigkeit des Antrags von Franklin in Bezug auf den verbleibenden Teil der Quellensteuer vor dem vorlegenden Gericht nicht angefochten worden zu sein. Dieses hat im Übrigen insoweit auch keine Zweifel geäußert. Außerdem zeugen die in den Rn. 20 bis 24 des vorliegenden Urteils beschriebenen Verfahrensschritte von den Gegebenheiten des Ausgangsverfahrens.

39      Zweitens ergibt sich nach dem Vorabentscheidungsersuchen die Ablehnung der Rückerstattung der Quellensteuer, die Franklin entgegengehalten werden könne, aus der Anwendung von § 188 InvFG 2011 auf Franklin. Diese Vorschrift habe zur Folge, dass die steuerliche Behandlung der von Franklin erhaltenen Dividenden der steuerlichen Behandlung von Dividenden gleichgestellt werde, die ein österreichischer OGAW erhalte.

40      Indem das vorlegende Gericht seine Zweifel daran äußert, ob in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens die in § 188 InvFG 2011 vorgesehene Gleichstellung als Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 AEUV anzusehen ist und ob folglich § 188 InvFG 2011 nicht anzuwenden ist, legt es den Zusammenhang, den es zwischen der Bestimmung des Unionsrechts, um deren Auslegung es ersucht, und der im Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Regelung herstellt, hinreichend dar.

41      Drittens ist das Vorbringen der Kommission zur Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Republik Österreich, zur ungerechtfertigten Bereicherung von Franklin im Fall der Gewährung der beantragten Erstattung und zur etwaigen Missbräuchlichkeit eines solchen Erstattungsantrags nicht geeignet, die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens in Frage zu stellen, sondern gehört zur Prüfung in der Sache.

42      Folglich ist das Vorabentscheidungsersuchen zulässig.

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten und zur zweiten Frage

43      Mit seiner ersten Frage und seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 63 AEUV dahin auszulegen ist, dass eine nationale Regelung, die bewirkt, dass ein gebietsfremdes Gebilde, das einerseits die gleichen Merkmale aufweist wie ein OGAW im Sinne der Richtlinie 2009/65, andererseits jedoch Rechtspersönlichkeit besitzt und insoweit mit einer gebietsansässigen juristischen Person vergleichbar ist, obwohl nach der nationalen Regelung ein gebietsansässiger OGAW steuerlich als transparent angesehen wird und nicht als juristische Person tätig werden kann, von der Erstattung der Kapitalertragsteuer ausgeschlossen wird, eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt.

44      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verbietet Art. 63 Abs. 1 AEUV ganz allgemein Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern (Urteil vom 2. März 2023, PrivatBank u. a., C‑78/21, EU:C:2023:137, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Der Begriff „Beschränkung“ im Sinne dieser Bestimmung umfasst staatliche Maßnahmen, die insofern diskriminierend sind, als sie unmittelbar oder mittelbar eine Ungleichbehandlung zwischen dem innerstaatlichen und dem grenzüberschreitenden Kapitalverkehr schaffen, die nicht einem objektiven Unterschied der Sachverhalte entspricht, und die daher geeignet sind, natürliche oder juristische Personen aus anderen Mitgliedstaaten oder Drittstaaten von grenzüberschreitendem Kapitalverkehr abzuhalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. März 2023, PrivatBank u. a., C‑78/21, EU:C:2023:137, Rn. 48 und 49 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Demnach ist der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Einkünfte von gebietsfremden Organismen für gemeinsame Anlagen ungünstiger behandelt als Einkünfte, die gebietsansässigen Organismen für gemeinsame Anlagen zufließen, geeignet, die in einem anderen Staat als diesem Mitgliedstaat niedergelassenen Organismen davon abzuhalten, in diesem Mitgliedstaat zu investieren, und stellt daher eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die nach Art. 63 AEUV grundsätzlich verboten ist (Urteil vom 27. Februar 2025,  Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej [Art der Verwaltung eines OGA],  C‑18/23, EU:C:2025:119, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Darüber hinaus kann eine nationale Regelung, die unterschiedslos für gebietsansässige und gebietsfremde Wirtschaftsteilnehmer gilt, eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellen. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich nämlich, dass selbst eine auf objektiven Kriterien beruhende Differenzierung de facto grenzüberschreitende Sachverhalte benachteiligen kann (Urteil vom 27. Februar 2025,  Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej [Art der Verwaltung eines OGA] C‑18/23, EU:C:2025:119, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass Franklin im Ausgangsverfahren die Erstattung der Quellensteuer auf der Grundlage von § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 begehrt und dass nach Ansicht des vorlegenden Gerichts die mögliche Anwendung von § 188 InvFG 2011 dieser Erstattung entgegensteht.

49      § 188 InvFG 2011 sehe im Wesentlichen vor, dass die Steuertransparenz, die in § 186 InvFG 2011 für gebietsansässige Investmentfonds festgelegt sei, unabhängig von deren Rechtsform auch für gebietsfremde Investmentfonds gelte, sofern ihr Vermögen nach dem Gesetz, der Satzung oder der tatsächlichen Übung nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt sei.

50      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass die Anwendung von § 188 InvFG 2011 zur Folge hätte, dass ein gebietsfremdes Gebilde, wie Franklin, der für gebietsansässige Investmentfonds geltenden Steuerregelung unterläge.

51      Unter der Voraussetzung, dass Dividenden, die an eine gebietsfremde Körperschaft wie Franklin ausgeschüttet werden, in Österreich nicht höher besteuert werden als Dividenden, die an einen gebietsansässigen Investmentfonds ausgeschüttet werden, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen sein wird, könnte die Gleichbehandlung von Franklin mit gebietsansässigen Investmentfonds nur dann eine Beschränkung im Sinne von Art. 63 AEUV darstellen, wenn Franklin nicht mit solchen Fonds vergleichbar wäre, sondern als mit einer gebietsansässigen juristischen Person vergleichbar anzusehen wäre, die steuerlich nicht transparent ist und eine Erstattung der Kapitalertragsteuer erhalten kann, wenn sie die in der anwendbaren Regelung vorgesehenen Voraussetzungen im Übrigen erfüllt.

52      Zur Beurteilung der Frage, ob ein gebietsfremdes Gebilde wie Franklin im Hinblick auf die §§ 186 und 188 InvFG 2011 als mit einem gebietsansässigen Investmentfonds objektiv vergleichbar angesehen werden kann, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum einen die Vergleichbarkeit eines grenzüberschreitenden Sachverhalts mit einem innerstaatlichen Sachverhalt unter Berücksichtigung des mit den Bestimmungen der betreffenden nationalen Regelung verfolgten Ziels sowie ihres Zwecks und ihres Inhalts zu prüfen ist und zum anderen, dass für die Beurteilung, ob die unterschiedliche Behandlung aufgrund dieser Regelung einem objektiven Unterschied der Situationen entspricht, nur die von der Regelung aufgestellten maßgeblichen Unterscheidungskriterien zu berücksichtigen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. April 2023, L Fund, C‑537/20, EU:C:2023:339, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53      Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass § 186 InvFG 2011 nach den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts eine transparente Besteuerung der Investmentfonds zum Ziel hat, was bedeutet, dass die Erträge den Anteilinhabern zugerechnet werden und nur Letztere unmittelbar steuerpflichtig sind.

54      Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass § 186 InvFG 2011 u. a. die steuerliche Behandlung der Einkünfte von Organismen betrifft, die unter § 2 Abs. 2 InvFG 2011 in Verbindung mit § 46 InvFG 2011 fallen, d. h. Organismen ohne Rechtspersönlichkeit, die Anlagetätigkeiten ausüben und bestimmte Voraussetzungen in Bezug auf die Beschaffung und Anlage von Kapital, die Zulassung und die Kontrolle erfüllen. Demnach hat § 186 InvFG 2011 nicht die steuerliche Behandlung der Einkünfte von Gesellschaften zum Gegenstand, die gewerbliche Tätigkeiten ausüben, die derartigen Voraussetzungen nicht unterliegen.

55      § 188 InvFG 2011 betrifft demzufolge ausländische Investmentfonds, stellt aber klar, dass ein Investmentfonds ungeachtet seiner Rechtsform jedes einem ausländischen Recht unterstehende Vermögen umfasst, das nach dem Gesetz, der Satzung oder der tatsächlichen Übung nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt ist. § 188 InvFG 2011 bezweckt demnach, dass die Regelung für gebietsansässige Investmentfonds auch auf gebietsfremde Gebilde Anwendung findet, die die Bedingung erfüllen, dass die Gelder nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt werden.

56      Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts soll mit § 186 InvFG 2011 u. a. sichergestellt werden, dass der Investmentfonds keinen Abschirmeffekt entfalte und nur die Anteilinhaber besteuert würden, während der Zweck von § 188 InvFG 2011 darin bestehe, die steuerliche Gleichbehandlung gebietsansässiger und gebietsfremder Investmentfonds sicherzustellen, damit auch gebietsfremde Investmentfonds keinen Abschirmeffekt erzeugten und die Besteuerung auf Ebene der Anteilinhaber erfolge.

57      Insoweit weist nach den in Rn. 17 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Feststellungen des Bundesfinanzgerichts im nationalen Gerichtsverfahren und denen des vorlegenden Gerichts ein Investmentfonds wie Franklin die gleichen Merkmale auf wie ein österreichischer Investmentfonds und ein OGAW im Sinne der Richtlinie 2009/65. Er ist daher aufgrund seiner Tätigkeit und vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen mit den in § 186 InvFG 2011 genannten gebietsansässigen Organismen vergleichbar.

58      Im Unterschied zu gebietsansässigen Investmentfonds besitzt Franklin jedoch Rechtspersönlichkeit und entspricht insoweit nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts im nationalen Gerichtsverfahren einer gebietsansässigen Gesellschaft, der die Einkünfte ebenfalls nach den allgemeinen Regeln zuzurechnen waren.

59      Daher ist zu prüfen, ob der Umstand, dass Franklin Rechtspersönlichkeit besitzt, dazu führt, dass sie sich im Hinblick auf die §§ 186 und 188 InvFG 2011 in einer anderen Situation befindet als gebietsansässige Investmentfonds, und somit zur Folge hat, dass ihre Situation im Hinblick auf diese Vorschriften nicht objektiv mit der Situation eines gebietsansässigen Investmentfonds, der unter § 186 InvFG 2011 fällt, vergleichbar ist.

60      Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass der Umstand, dass ein Organismus für gemeinsame Anlagen die Satzungsform hat, ihn im Hinblick auf die Ziele, die Doppelbesteuerung der Einkünfte aus den Investitionen zu vermeiden und indirekt über Fonds getätigte Investitionen in gleicher Weise wie Direktinvestitionen steuerlich zu behandeln, nicht zwangsläufig in eine andere Situation versetzt als die eines Organismus für gemeinsame Anlagen in Vertragsform (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö [Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds], C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 73).

61      Solche Ziele können nämlich auch dann erreicht werden, wenn ein Organismus für gemeinsame Anlagen die Satzungsform aufweist, aber in dem Mitgliedstaat, in dem er niedergelassen ist, von der Einkommensteuer befreit oder steuerlich transparent ist (Urteil vom 7. April 2022, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö [Steuerbefreiung von in Vertragsform errichteten Investmentfonds], C‑342/20, EU:C:2022:276, Rn. 74).

62      Ebenso versetzt im Hinblick auf diese Ziele der Umstand, dass ein gebietsfremdes Gebilde, das die gleichen Merkmale aufweist wie ein gebietsansässiger Investmentfonds, Rechtspersönlichkeit besitzt, dieses nicht zwangsläufig in eine andere Situation als die eines gebietsansässigen Investmentfonds ohne Rechtspersönlichkeit, wenn die von dem Gebilde erhaltenen Dividenden seinen Anteilinhabern zugerechnet werden und in seinem Sitzstaat nicht auf Ebene des Gebildes, sondern auf Ebene seiner Anteilinhaber besteuert werden.

63      Das vorlegende Gericht wird zu prüfen haben, ob dies hier der Fall ist, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass zum einen das Bundesfinanzgericht im nationalen Gerichtsverfahren festgestellt hat, dass Franklin ihre gesamten Einkünfte für das Jahr 2013 ausgeschüttet habe, so dass sie für jenes Jahr keine US-amerikanische Bundeseinkommensteuer habe entrichten müssen, und dass zum anderen Franklin für ihre in den Vereinigten Staaten ansässigen und unter das österreichisch-amerikanische Abkommen fallenden Anteilinhaber eine Ermäßigung des Kapitalertragsteuersatzes auf 15 % und eine Rückerstattung des Differenzbetrags zur mit 25 % einbehaltenen Kapitalertragsteuer erhalten hat, die Steuerverwaltung somit anerkannt hat, dass diese Anteilinhaber Nutzungsberechtigte der Einkünfte im Sinne von Art. 10 des Abkommens waren.

64      Folglich ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 63 AEUV dahin auszulegen ist, dass eine nationale Regelung, die bewirkt, dass ein gebietsfremdes Gebilde, das einerseits die gleichen Merkmale aufweist wie ein OGAW im Sinne der Richtlinie 2009/65, andererseits jedoch Rechtspersönlichkeit besitzt und insoweit mit einer gebietsansässigen juristischen Person vergleichbar ist, obwohl nach der nationalen Regelung ein gebietsansässiger OGAW steuerlich als transparent angesehen wird und nicht als juristische Person tätig werden kann, von der Erstattung der Kapitalertragsteuer ausgeschlossen wird, keine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt, sofern die von dem gebietsfremden Gebilde erzielten Einkünfte seinen Anteilinhabern zugerechnet werden und in seinem Sitzstaat nicht auf seiner Ebene, sondern auf Ebene seiner Anteilinhaber besteuert werden.

Zur dritten Frage

65      Angesichts der Antwort auf die erste und die zweite Frage ist es nicht erforderlich, die dritte Frage zu beantworten.

Kosten

66      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

 

 

 

 

 

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