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Steuerrecht
19.09.2024
Steuerrecht
EuGH: Staatliche Beihilfen – Art. 107 Abs. 1 AEUV – von einem Mitgliedstaat erteilte Steuervorbescheide (tax rulings) – selektive Steuervergünstigungen

EuGH, Urteil vom 10.9.2024 – C-465/20 P

ECLI:EU:C:2024:724

Volltext BB-Online BBL2024-2197-1

Tenor

1. Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 15. Juli 2020, Irland u. a./Kommission (T-778/16 und T-892/16, EU:T:2020:338), wird insoweit aufgehoben, als mit ihm den Rügen, die Irland im Rahmen des ersten, des zweiten und des dritten Klagegrundes in der Rechtssache T-778/16 und die Apple Sales International Ltd und die Apple Operations Europe Ltd im Rahmen des ersten, des zweiten, des dritten, des vierten und des fünften Klagegrundes in der Rechtssache T-892/16 erhoben haben, stattgegeben, der Beschluss (EU) 2017/1283 der Kommission vom 30. August 2016 über die staatliche Beihilfe SA.38373 (2014/C) (ex 2014/NN) (ex 2014/CP) Irlands zugunsten von Apple für nichtig erklärt und über die Kosten entschieden wird.

2. Die Klage von Irland und die Klage der Apple Sales International Ltd und der Apple Operations International Ltd werden abgewiesen.

3. Irland und die Apple Sales International Ltd und die Apple Operations Europe Ltd tragen neben ihren eigenen Kosten die, die der Europäischen Kommission im Rechtsmittelverfahren und im ersten Rechtszug entstanden sind.

4. Das Großherzogtum Luxemburg, die Republik Polen und die EFTA-Überwachungsbehörde tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

 

Aus den Gründen

1          Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Europäische Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 15. Juli 2020, Irland u. a./Kommission (T‑778/16 und T‑892/16, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2020:338), mit dem der Beschluss (EU) 2017/1283 der Kommission vom 30. August 2016 über die staatliche Beihilfe SA.38373 (2014/C) (ex 2014/NN) (ex 2014/CP) Irlands zugunsten von Apple (ABl. 2017, L 187, S. 1, im Folgenden: streitiger Beschluss) für nichtig erklärt wurde.

 

I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

2          Die Vorgeschichte des Rechtsstreits (angefochtenes Urteil, Rn. 1 bis 47) lässt sich für die Zwecke des Rechtsmittelverfahrens wie folgt zusammenfassen.

 

A. Entwicklung des Apple-Konzerns

1. Apple-Konzern

3          Der 1976 gegründete Apple-Konzern mit Sitz in Cupertino (Vereinigte Staaten) besteht aus der Apple Inc. und allen von dieser Gesellschaft kontrollierten Unternehmen (im Folgenden zusammen: Apple-Konzern). Er entwickelt, fertigt und vermarktet u. a. mobile Kommunikations- und Mediengeräte, Personal Computer und tragbare digitale Musikabspielgeräte; außerdem bietet er Software, sonstige Dienstleistungen, Netzwerklösungen sowie digitale Inhalte und Anwendungen von Drittanbietern an. Seine Produkte und Dienstleistungen bietet der Apple-Konzern Verbrauchern, Unternehmen und staatlichen Stellen auf der ganzen Welt zum Verkauf an. Der Vertrieb erfolgt über die eigenen Ladengeschäfte, die eigenen Online-Shops und direkt sowie über als Drittanbieter tätige Mobilfunkbetreiber, Großhändler, Einzelhändler und Wiederverkäufer. Die weltweite Geschäftstätigkeit des Apple-Konzerns ist nach Hauptfunktionsbereichen gegliedert, die von in Cupertino ansässigen Mitgliedern der Geschäftsleitung von den Vereinigten Staaten aus verwaltet und gesteuert werden.

 

2. ASI und AOE

4          Innerhalb des Apple-Konzerns ist die Apple Operations International Ltd (AOI) eine 100%ige Tochtergesellschaft der Apple Inc., die Apple Operations Europe Ltd (AOE) – vormals Apple Computer Ltd (ACL) – eine 100%ige Tochtergesellschaft von AOI und die Apple Sales International Ltd (ASI) – vormals zunächst Apple Computer Accessories Ltd (ACAL), dann Apple Computer International – eine 100%ige Tochtergesellschaft von AOE. ASI und AOE sind Gesellschaften irischen Rechts, jedoch nicht in Irland steueransässig.

 

5          Nach den Erwägungsgründen 113 bis 115 des streitigen Beschlusses waren die Vorstandsmitglieder von ASI und AOE größtenteils bei der Apple Inc. angestellt und in Cupertino tätig. Im 115. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses sind auszugsweise Protokolle der Hauptversammlungen und Vorstandssitzungen von ASI und AOE sowie Beschlüsse, die bei diesen Versammlungen und Sitzungen gefasst wurden, wiedergegeben. Gegenstand der Beschlüsse waren in der Regel Themen wie die Zahlung von Dividenden, die Annahme der Vorstandsberichte oder die Ernennung und der Rücktritt von Vorstandsmitgliedern. Gelegentlich ging es auch um die Gründung von Tochtergesellschaften und die Erteilung von Vollmachten an bestimmte Vorstandsmitglieder für verschiedene Tätigkeiten wie z. B. die Verwaltung von Bankkonten, die Beziehungen zu Regierungen und Behörden, Rechnungsprüfungen, den Abschluss von Versicherungen, Mietverträge, den Kauf und Verkauf von Vermögenswerten, die Entgegennahme von Warenlieferungen und Handelsverträge.

 

6          Zwischen der Apple Inc. einerseits und ASI und AOE andererseits bestand eine Vereinbarung über die Aufteilung der Kosten (im Folgenden: Kostenteilungsvereinbarung). Die Kostenteilungsvereinbarung bezog sich insbesondere auf die Kosten für die Forschung und die Entwicklung der Technologien der Produkte des Apple-Konzerns. Sie war ursprünglich im Dezember 1980 zwischen der Apple Inc. (damals Apple Computer Inc.) und ACL geschlossen worden. 1999 trat ihr dann Apple Computer International bei. Die Kostenteilungsvereinbarung wurde mehrfach geändert, insbesondere, um Änderungen der einschlägigen Rechtsvorschriften Rechnung zu tragen.

 

7          Mit der Kostenteilungsvereinbarung stimmten die Parteien einer Teilung der Kosten und Risiken der Tätigkeiten der Forschung und Entwicklung betreffend die im Rahmen des Programms der Entwicklung der Produkte und Dienstleistungen des Apple-Konzerns entwickelten immateriellen Güter zu. Außerdem vereinbarten die Parteien, dass die Apple Inc. formal Inhaberin der immateriellen Güter des Apple-Konzerns, einschließlich des geistigen Eigentums, auf die sich die Kostenteilungsvereinbarung bezog, bleiben sollte. Ferner erteilte die Apple Inc. ASI und AOE gebührenfreie Lizenzen für die Benutzung des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns u. a. zur Herstellung und Veräußerung der betreffenden Produkte in sämtlichen Gebieten außerhalb des amerikanischen Kontinents. Die Parteien der Kostenteilungsvereinbarung hatten die mit der Vereinbarung verbundenen Risiken zu übernehmen, wobei das Hauptrisiko in der Verpflichtung zur Tragung der Kosten der Entwicklung der Rechte am geistigen Eigentum des Apple-Konzerns bestand.

 

8          2008 schloss ASI mit der Apple Inc. eine Vereinbarung über Marketingdienstleistungen, in der sich die Apple Inc. verpflichtete, für sie Vertriebsdienstleistungen zu erbringen, die u. a. die Erarbeitung, Entwicklung und Durchführung von Marketingstrategien sowie von Werbeprogrammen und ‑kampagnen umfassten. ASI verpflichtete sich, an die Apple Inc. hierfür eine Gebühr in Höhe eines um einen Gewinnaufschlag erhöhten Prozentsatzes der der Apple Inc. dadurch „entstandenen angemessenen Kosten“ zu zahlen.

 

3. Irische Zweigniederlassungen

9          ASI und AOE haben beide eine Zweigniederlassung (engl. „branch“) in Irland. Diese Zweigniederlassungen haben keine eigene Rechtspersönlichkeit.

 

10        Aufgabe der irischen Zweigniederlassung von ASI ist insbesondere die Ausführung der Beschaffungs‑, Verkaufs- und Vertriebsaktivitäten im Zusammenhang mit der Veräußerung von Produkten der Marke Apple an verbundene Unternehmen und Drittkunden in den Regionen Europa, Nahost, Indien und Afrika (EMEIA) sowie im asiatisch-pazifischen Raum (APAC). Zu ihren wichtigsten Funktionen gehören die Beschaffung von Fertigerzeugnissen der Marke Apple von Drittherstellern und verbundenen Herstellern, Vertriebsaktivitäten im Zusammenhang mit dem Verkauf von Produkten an verbundene Unternehmen in der EMEIA- und der APAC‑Region, Verkaufs- und Vertriebsaktivitäten im Zusammenhang mit dem Verkauf von Produkten an Drittkunden in der EMEIA-Region, der Online-Verkauf, die Logistik und der Kundendienst. Wie die Kommission im 55. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses festgestellt hat, werden viele Aktivitäten, die mit dem Vertrieb in der APAC‑Region zusammenhängen, von verbundenen Unternehmen im Rahmen von Dienstleistungsaufträgen ausgeübt.

 

11        Aufgabe der irischen Zweigniederlassung von AOE ist die Fertigung und Montage einer Reihe spezialisierter Produkte – u. a. Desktop-Computer, Laptops und anderes Computerzubehör – in Irland, die für die EMEIA-Region bestimmt sind und an verbundene Unternehmen geliefert werden. Zu ihren wichtigsten Hauptfunktionen gehören die Produktionsplanung und ‑steuerung, die Verfahrenstechnik, die Produktion und Fertigung, die Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle sowie das Refurbishing.

 

B. Beanstandete Steuervorbescheide

12        Mit Schreiben vom 29. Januar 1991 und vom 23. Mai 2007 erteilte die irische Finanzverwaltung sogenannte „tax rulings“ (Steuervorbescheide) betreffend die Bestimmung des von ASI und AOE in Irland zu versteuernden Gewinns (im Folgenden zusammen: beanstandete Steuervorbescheide). Sie folgte dabei den Vorschlägen der Bevollmächtigten des Apple-Konzerns. Die beanstandeten Steuervorbescheide sind in den Erwägungsgründen 59 bis 62 des streitigen Beschlusses beschrieben.

 

1. Steuervorbescheid von 1991

a)         Steuerbemessungsgrundlage von ACL (Rechtsvorgängerin von AOE)

13        Mit Schreiben an die irische Finanzverwaltung vom 12. Oktober 1990 beschrieben die Steuerberater des Apple-Konzerns die Tätigkeiten von ACL in Irland und die Tätigkeiten der irischen Zweigniederlassung dieser Gesellschaft in Cork (Irland). In den Schreiben hieß es, dass dieser Zweigniederlassung zwar die für die Produktionstätigkeit eingesetzten Vermögenswerte gehörten, die verwendeten Rohstoffe und die Halbfertig- und Fertigerzeugnisse jedoch im Eigentum der ACL stünden.

 

14        Nach einem Schriftwechsel folgte die irischen Finanzverwaltung mit Schreiben vom 29. Januar 1991 dem Vorschlag des Apple-Konzerns, den von ACL in Irland zu versteuernden Gewinn aus Einkünften der irischen Zweigniederlassung dieser Gesellschaft nach folgender Methode zu berechnen:

 

–  Der der irischen Zweigniederlassung zuzuweisende Nettogewinn beträgt 65 % der Betriebskosten der Zweigniederlassung bis zu einem jährlichen Betrag von [vertraulich](1) und 20 % der diesen Betrag übersteigenden Betriebskosten.

–  Liegt der Gesamtgewinn der irischen Zweigniederlassung unter dem so ermittelten Betrag, wird dieser Gesamtgewinn für die Bestimmung des Nettogewinns der Zweigniederlassung herangezogen.

–  Die bei der Bestimmung des Nettogewinns der irischen Zweigniederlassung zu berücksichtigenden Betriebskosten umfassen alle Betriebsaufwendungen der Zweigniederlassung mit Ausnahme der zum Verkauf bestimmten Gegenstände und der Kosten immaterieller Güter, die von mit dem Apple-Konzern verbundenen Unternehmen in Rechnung gestellt werden.

–  Steuerliche Abschreibungen könnten geltend gemacht werden, soweit sie den in den einschlägigen Abschlüssen genannten Abschreibungsbetrag um nicht mehr als [vertraulich] überschreiten.

 

b) Steuerbemessungsgrundlage von ACAL (Rechtsvorgängerin von ASI)

15        Mit Schreiben vom 2. Januar 1991 teilten die Steuerberater des Apple-Konzerns der irischen Finanzverwaltung mit, dass es nun die ACAL gebe, deren irische Zweigniederlassung die Aufgabe habe, bei irischen Herstellern zur Ausfuhr bestimmte Produkte zu beschaffen.

 

16        Am 16. Januar 1991 übersandten die Vertreter des Apple-Konzerns der irischen Finanzverwaltung ein Schreiben, in dem der Wortlaut einer Vereinbarung über die Bestimmung des von ACAL zu versteuernden Gewinns zusammengefasst war, die der Apple-Konzern bei einem Treffen am 3. Januar 1991 mit der irischen Finanzverwaltung geschlossen hatte. Diesem Schreiben zufolge sollte bei der Berechnung des Gewinns der Zweigniederlassung ein Aufschlag von 12,5 % der Betriebskosten, abzüglich zum Verkauf bestimmter Gegenstände, zugrunde gelegt werden.

 

17        Mit Schreiben vom 29. Januar 1991 bestätigte die irische Finanzverwaltung den im Schreiben vom 16. Januar 1991 wiedergegebenen Inhalt der Vereinbarung.

 

2. Steuervorbescheid von 2007

18        Mit Schreiben vom 16. Mai 2007 schlugen die Steuerberater des Apple-Konzerns der irischen Finanzverwaltung vor, die Methode der Bestimmung der Steuerbemessungsgrundlage der irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE zu überarbeiten.

 

19        Der der irischen Zweigniederlassung von ASI zugewiesene zu versteuernde Gewinn sollte mit [vertraulich] % der Betriebskosten angesetzt werden, abzüglich Kosten wie etwa von Konzerngesellschaften in Rechnung gestellter Beträge oder Materialkosten.

 

20        Bei der irischen Zweigniederlassung von AOE sollte der ihr zugewiesene zu versteuernde Gewinn bestimmt werden, indem [vertraulich] % ihrer Betriebskosten, abzüglich Kosten wie etwa von Konzerngesellschaften in Rechnung gestellter Beträge oder Materialkosten, für Erträge aus geistigem Eigentum, nämlich den von ihr entwickelten verfahrenstechnischen Prozessen, ein Betrag in Höhe von [vertraulich] ihres Umsatzes hinzugerechnet würden. Es sollte ein Abzug für „auf übliche Weise berechnete und zugelassene“ steuerliche Abschreibungen auf Anlagen und Gebäude vorgenommen werden.

 

21        Die neue Vereinbarung sollte für beide Zweigniederlassungen am 1. Oktober 2007 in Kraft treten, bei unveränderten Umständen fünf Jahre lang gelten und dann jährlich verlängert werden. Sie sollte, sofern die Tätigkeiten denjenigen entsprächen, die von AOE bzw. ASI ausgeübt würden, auch für neue Einheiten gelten, die gegebenenfalls innerhalb des Apple-Konzerns gegründet oder umgewandelt würden.

 

22        Mit Schreiben vom 23. Mai 2007 stimmte die irische Finanzverwaltung allen Vorschlägen, die im Schreiben vom 16. Mai 2007 enthalten waren, zu. Die neue Vereinbarung wurde bis zum Ende des Steuerjahrs 2014 (27. September 2014) angewandt.

 

C. Verwaltungsverfahren vor der Kommission

23        Die Kommission ersuchte Irland mit Schreiben vom 12. Juni 2013 um Auskunft über die in Irland üblichen Steuervorbescheide, insbesondere über die bestimmten Unternehmen des Apple-Konzerns wie ASI und AOE erteilten Bescheide.

 

24        Mit Beschluss vom 11. Juni 2014 eröffnete die Kommission in Bezug auf die beanstandeten Steuervorbescheide das förmliche Prüfverfahren gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV (im Folgenden: Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens). Sie war der Ansicht, dass diese Bescheide möglicherweise eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten. Die Kommission prüfte, ob mit den in den beanstandeten Steuervorbescheiden enthaltenen Absprachen über die Verrechnungspreise von den Bedingungen, die zwischen unabhängigen Marktteilnehmern gegolten hätten, abgewichen worden sei (Fremdvergleichsgrundsatz). Sie gelangte zu dem Schluss, dass die beanstandeten Steuervorbescheide geeignet seien, den Unternehmen, denen sie gewährt worden seien, einen Vorteil zu verschaffen. Der Beschluss wurde am 17. Oktober 2014 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

 

25        Mit Schreiben vom 5. September bzw. 17. November 2014 nahmen Irland und Apple Inc. zum Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens Stellung.

 

26        Im förmlichen Prüfverfahren wurden zwischen der Kommission, der irischen Finanzverwaltung und der Apple Inc. verschiedene Schreiben gewechselt, und es wurden mehrere Besprechungen abgehalten. Außerdem legten Irland und die Apple Inc. zwei von den jeweiligen Steuerberatern verfasste Ad-hoc-Berichte über die Gewinnzuweisung an die irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE vor.

 

D. Streitiger Beschluss

27        Am 30. August 2016 erließ die Kommission den streitigen Beschluss über die beanstandeten Steuervorbescheide. Nach einer Darstellung der Sach- und Rechtslage (Abschnitt 2) und des Verwaltungsverfahrens (Abschnitte 3 bis 7) prüft die Kommission, ob Beihilfen vorlagen (Abschnitt 8).

 

28        Sie stellt erstens fest, dass die streitigen Steuervorbescheide von der irischen Finanzverwaltung erteilt worden und somit dem Staat zuzurechnen seien. Da durch die beanstandeten Steuervorbescheide die Steuerschuld von ASI und AOE verringert worden sei, habe Irland auf Steuereinnahmen verzichtet, was zu einem Verlust staatlicher Mittel geführt habe (streitiger Beschluss, 221. Erwägungsgrund).

 

29        Zweitens seien die beanstandeten Steuervorbescheide, da ASI und AOE dem Apple-Konzern angehörten, der in sämtlichen Mitgliedstaaten tätig sei, geeignet gewesen, den Handel innerhalb der Europäischen Union zu beeinträchtigen (angefochtener Beschluss, 222. Erwägungsgrund).

 

30        Drittens hätten die beanstandeten Steuervorbescheide ASI und AOE einen Vorteil verschafft, da sie bei diesen Gesellschaften die Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Körperschaftsteuer in Irland verringert hätten (angefochtener Beschluss, 223. Erwägungsgrund).

 

31        Die Kommission nimmt an, dass bei den beanstandeten Steuervorbescheiden, da sie ausschließlich ASI und AOE gewährt worden seien, die Vermutung greife, dass es sich um einen selektiven Vorteil gehandelt habe. Der Vollständigkeit halber stellt sie jedoch fest, dass die beanstandeten Steuervorbescheide eine Abweichung vom relevanten Bezugsrahmen, dem allgemeinen Körperschaftsteuersystem in Irland, darstellten (angefochtener Beschluss, 224. Erwägungsgrund).

 

32        Viertens stellt die Kommission fest, dass die beanstandeten Steuervorbescheide, da sie zu einer Verringerung der Steuerschuld von ASI und AOE geführt hätten, die Wettbewerbssituation dieser Gesellschaften stärkten und somit den Wettbewerb verfälschten oder zu verfälschen drohten (angefochtener Beschluss, 222. Erwägungsgrund).

 

1. Vorliegen eines selektiven Vorteils

33        In Abschnitt 8.2 des streitigen Beschlusses prüft die Kommission gemäß der Rechtsprechung in drei Stufen, ob im vorliegenden Fall ein selektiver Vorteil gegeben war. Zunächst bestimmt sie den Bezugsrahmen und begründete die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes. Sodann prüft sie, ob aufgrund einer Abweichung vom Bezugsrahmen ein selektiver Vorteil vorliegt. Sie gelangt aufgrund von Haupterwägungen, Hilfserwägungen und alternativen Erwägungen zu dem Schluss, dass ASI und AOE ihre Steuerschuld in Irland aufgrund der beanstandeten Steuervorbescheide während deren Geltungsdauer – d. h. von 1991 bis 2014 (im Folgenden: relevanter Zeitraum) – hätten reduzieren können und dass darin ein Vorteil gegenüber anderen Unternehmen zu sehen sei, die sich in einer vergleichbaren Situation befänden. Schließlich stellt die Kommission fest, dass weder Irland noch die Apple Inc. Argumente vorgebracht hätten, um diesen selektiven Vorteil zu rechtfertigen.

 

a) Zum Bezugsrahmen

34        In den Erwägungsgründen 227 bis 243 des streitigen Beschlusses stellt die Kommission fest, dass der Bezugsrahmen das allgemeine irische Körperschaftsteuersystem sei. Dessen Ziel sei die Besteuerung der Gewinne aller in Irland steuerpflichtigen Unternehmen, unabhängig davon, ob diese gebietsansässig oder gebietsfremd seien. Im Hinblick auf diese Zielsetzung befänden sich integrierte und nicht integrierte Unternehmen in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation. Section 25 des Taxes Consolidation Act 1997 (Steuerkonsolidierungsgesetz von 1997, im Folgenden: TCA 97), in der die Besteuerung der Einkünfte gebietsfremder Unternehmen aus Handelsgeschäften geregelt sei, die unmittelbar oder mittelbar über eine in Irland tätige Zweigniederlassung erzielt worden seien, sei daher als integraler Bestandteil des Bezugsrahmens und nicht als ein gesonderter Bezugsrahmen anzusehen.

 

b) Fremdvergleichsgrundsatz

35        In den Erwägungsgründen 244 bis 263 des streitigen Beschlusses weist die Kommission darauf hin, dass sich aus dem Wortlaut und dem Zweck von Section 25 TCA 97 ergebe, dass diese Bestimmung, der nicht zu entnehmen sei, wie der zu versteuernde Gewinn einer irischen Zweigniederlassung zu ermitteln sei, nur in Verbindung mit einer Gewinnzuweisungsmethode angewandt werden könne. Eine solche Methode müsse auf dem Fremdvergleichsgrundsatz beruhen. Das gebiete Art. 107 Abs. 1 AEUV. Darauf, ob Irland diesen Grundsatz in sein nationales Rechtssystem aufgenommen habe oder nicht, komme es nicht an. Die Kommission stützt sich insoweit auf zwei Annahmen. Zum einen müsse jede steuerliche Maßnahme eines Mitgliedstaats den Vorschriften über staatliche Beihilfen entsprechen. Zum anderen ergebe sich aus dem Urteil vom 22. Juni 2006, Belgien und Forum 187/Kommission (C‑182/03 und C‑217/03, EU:C:2006:416), dass eine Verringerung der Steuerbemessungsgrundlage aufgrund einer steuerlichen Maßnahme, die einem Steuerzahler die Möglichkeit biete, Verrechnungspreise bei konzerninternen Transaktionen anzuwenden, die nicht mit Preisen des freien Wettbewerbs vergleichbar seien, diesem Steuerzahler einen selektiven Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verschaffe.

 

36        Die Kommission gelangt deshalb zu dem Schluss, dass der Fremdvergleichsgrundsatz einen Maßstab für die Feststellung biete, ob einem Konzernunternehmen aufgrund einer steuerlichen Maßnahme, die seine Verrechnungspreise und mithin seine Steuerbemessungsgrundlage bestimme, ein selektiver Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verschafft werde. Mit dem Fremdvergleichsgrundsatz solle sichergestellt werden, dass konzerninterne Transaktionen und Transaktionen zwischen nicht integrierten, autonomen Unternehmen steuerlich gleichbehandelt würden. Mit seiner Anwendung könne eine ungleiche Behandlung von Unternehmen in vergleichbarer tatsächlicher und rechtlicher Lage verhindert werden. Es sei nämlich Ziel des allgemeinen Körperschaftsteuersystems, dass die Gewinne aller Unternehmen, die dieser Steuer unterlägen, besteuert würden.

 

37        Zu den im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erarbeiteten Leitlinien stellt die Kommission fest, dass es sich hierbei lediglich um nützliche Orientierungshilfen für die Finanzbehörden handele, mit denen gewährleistet werden könne, dass die Gewinnzuweisungsmethode und das Verfahren zur Ermittlung der Verrechnungspreise zu marktkonformen Ergebnissen führten.

 

c) Zu den Haupterwägungen der Kommission zum Vorliegen eines selektiven Vorteils aufgrund der Nichtzuweisung der mit den von ASI und AOE gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums erwirtschafteten Gewinne an die irischen Zweigniederlassungen

 

38        Die Kommission stellt in den Erwägungsgründen 265 bis 321 des streitigen Beschlusses fest, dass die Tatsache, dass die irische Finanzverwaltung in den streitigen Steuervorbescheiden die Annahme akzeptiert habe, dass die von ASI und AOE gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns Konzerneinheiten außerhalb Irlands zuzuweisen seien, dazu geführt habe, dass der in Irland zu versteuernde Jahresgewinn von ASI und AOE von einer verlässlichen Annäherung an ein marktbasiertes Ergebnis im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz abgewichen sei.

 

39        Die von ASI und AOE gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums für die Beschaffung, die Herstellung, den Verkauf und den Vertrieb von Produkten des Apple-Konzerns außerhalb des amerikanischen Kontinents hätten erheblich zum Einkommen dieser Gesellschaften beigetragen.

 

40        Die irische Finanzverwaltung habe den Verwaltungssitzen von ASI und AOE, die außerhalb des irischen Hoheitsgebiets weder über eine physische Präsenz noch über Mitarbeiter verfügt hätten, daher zu Unrecht Vermögenswerte, Funktionen und Risiken zugewiesen. Insbesondere hätten die Funktionen im Bereich der Lizenzen des geistigen Eigentums nicht allein von den Vorständen von ASI und AOE ausgeübt werden können. Auf der Ebene der Verwaltungssitze dieser Gesellschaften habe es hierfür an Mitarbeitern gefehlt. In den Vorstandssitzungsprotokollen, die ihr vorgelegt worden seien, würden keine Diskussionen oder Beschlüsse über das geistige Eigentum erwähnt. Die Gewinne aus der Benutzung der Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns hätten in einem fremdvergleichskonformen Kontext daher nicht den Verwaltungssitzen von ASI und AOE zugewiesen werden dürfen, die außerstande gewesen seien, diese Lizenzen zu verwalten und zu kontrollieren. Sie hätten vielmehr den Zweigniederlassungen von ASI und AOE zugewiesen werden müssen, die als Einzige in der Lage gewesen seien, Funktionen im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum des Apple-Konzerns tatsächlich auszuüben, die von wesentlicher Bedeutung für die Geschäftstätigkeit von ASI und AOE gewesen seien.

 

41        Somit habe die irische Finanzverwaltung dadurch, dass sie die mit dem geistigen Eigentum des Apple-Konzerns erwirtschafteten Gewinne entgegen dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht den Zweigniederlassungen von ASI und AOE zugewiesen habe, diesen Gesellschaften einen Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verschafft, und zwar in Form einer Verringerung ihres jeweiligen zu versteuernden Jahresgewinns. Dieser Vorteil sei selektiv, da er zu einer Verringerung der Steuerschuld von ASI und AOE in Irland im Vergleich zu nicht integrierten Unternehmen geführt habe, deren zu versteuernde Gewinne sich aus marktbasierten, nach dem Fremdvergleichsgrundsatz ausgehandelten Preisen ergäben. Nach dem „Authorised OECD Approach“ zur Betriebsstättengewinnermittlung (im Folgenden: AOA) komme man zu einem vergleichbaren Ergebnis.

 

d) Hilfserwägungen der Kommission zum Vorliegen eines selektiven Vorteils aufgrund der Wahl einer unrichtigen Methode für die Zuweisung von Gewinnen an die irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE

42        Die Kommission weist in den Erwägungsgründen 325 bis 360 des angefochtenen Beschlusses ergänzend darauf hin, dass, selbst unterstellt, die irische Finanzverwaltung habe die von ASI und AOE gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns zu Recht Konzerneinheiten außerhalb Irlands zugewiesen, die Gewinnzuweisungsmethoden, die mit den angefochtenen Steuervorbescheiden gebilligt worden seien, jedenfalls zu einer Abweichung des in Irland zu versteuernden Jahresgewinns von ASI und AOE von einer verlässlichen Annäherung an ein marktbasiertes Ergebnis im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz geführt hätten. Sie beruhten nämlich auf falschen methodischen Entscheidungen, was zu einer Verringerung der Steuerschuld von ASI und AOE im Vergleich zu nicht integrierten Unternehmen geführt habe, bei denen sich der nach der allgemeinen Regelung der Gewinnbesteuerung in Irland zu versteuernde Gewinn aus marktbasierten, fremdvergleichskonformen Preisen ergebe. Mit den beanstandeten Steuervorbescheiden, mit denen diese Methoden gebilligt worden seien, sei ASI und AOE somit ein selektiver Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verschafft worden.

 

e) Alternative Erwägungen der Kommission zum Vorliegen eines selektiven Vorteils aufgrund einer Abweichung vom Bezugsrahmen (Section 25 TCA 97)

43        In den Erwägungsgründen 369 bis 403 des streitigen Beschlusses vertritt die Kommission alternativ die Ansicht, dass die beanstandeten Steuervorbescheide ASI und AOE, selbst unterstellt, das Bezugssystem bestehe allein aus Section 25 TCA 97, einen selektiven Vorteil in Form einer Verringerung ihrer Bemessungsgrundlage in Irland verschafft hätten. Zum einen liege der Anwendung von Section 25 TCA 97 in Irland der Fremdvergleichsgrundsatz zugrunde. Im vorliegenden Fall habe sie aber aufgezeigt, dass mit den beanstandeten Steuervorbescheiden von einer verlässlichen Annäherung an ein marktbasiertes Ergebnis im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz abgewichen worden sei, wodurch ASI und AOE ein wirtschaftlicher Vorteil verschafft worden sei. Zum anderen sei selbst für den Fall, dass der Anwendung von Section 25 TCA 97 nicht der Fremdvergleichsgrundsatz zugrunde liege, jedenfalls festzustellen, dass die beanstandeten Steuervorbescheide von der irischen Finanzverwaltung in Ermangelung objektiver mit dem irischen Steuersystem verbundener Kriterien nach freiem Ermessen erteilt worden seien, weshalb ASI und AOE mit ihnen ein selektiver Vorteil verschafft worden sei.

 

f) Ergebnis der Kommission zum Vorliegen eines selektiven Vorteils

44        Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass durch die beanstandeten Steuervorbescheide die Kosten vermindert worden seien, die ASI und AOE im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit normalerweise hätten tragen müssen. Mit den beanstandeten Steuervorbescheiden seien diesen Gesellschaften also Betriebsbeihilfen gewährt worden. Da ASI und AOE aber dem multinationalen Apple-Konzern angehörten, der nach der Rechtsprechung als wirtschaftliche Einheit anzusehen sei, sei der Apple-Konzern als Ganzes in den Genuss der staatlichen Beihilfen gekommen, die von Irland mit den beanstandeten Steuervorbescheiden gewährt worden seien (streitiger Beschluss, Abschnitte 8.3 und 8.4).

 

2. Unvereinbarkeit, Rechtswidrigkeit und Rückforderung der Beihilfen

45        Die Kommission stellt fest, dass die Beihilfemaßnahmen nicht gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar seien und, da sie nicht angemeldet worden seien, unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV durchgeführte rechtswidrige staatliche Beihilfen darstellten (streitiger Beschluss, Abschnitte 8.5 und 9).

 

46        Für den Zeitraum vom 12. Juni 2003, dem Tag, ab dem die Rückforderung der Beihilfen nicht verjährt sei und die Beihilfen damit als „neue“ Beihilfen anzusehen seien, bis zum 27. September 2014, dem Tag, ab dem die Steuervorbescheide nicht mehr angewandt worden seien, habe Irland die durch die beanstandeten Steuervorbescheide gewährten Beihilfen zurückzufordern. Der Rückforderungsbetrag müsse anhand eines Vergleichs zwischen der tatsächlich gezahlten Steuer und der Steuer berechnet werden, die ohne Steuervorbescheide in Anwendung der allgemeinen Regelung der Gewinnbesteuerung zu zahlen gewesen wäre (streitiger Beschluss, Abschnitt 11).

 

47        Zu dem Vorbringen von Irland und der Apple Inc., dass im Verwaltungsverfahren ihre Verfahrensrechte verletzt worden seien, stellt die Kommission fest, dass sich der Gegenstand ihrer Beihilfeprüfung in der Zeit vom Erlass des Beschlusses über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens bis zur Annahme des streitigen Beschlusses nicht geändert habe, so dass die Verfahrensrechte von Irland und der Apple Inc. in vollem Umfang gewahrt worden seien (streitiger Beschluss, Abschnitt 10).

 

II.         Verfahren vor dem Gericht

48        Mit Klageschrift, die am 9. November 2016 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Irland Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses (Rechtssache T‑778/16).

 

49        ASI und AOE erhoben mit Klageschrift, die am 19. Dezember 2016 bei der Kanzlei des Gerichts einging, Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses (Rechtssache T‑892/16).

 

50        Mit Entscheidung vom 28. Juni 2017 gab der Präsident der Siebten erweiterten Kammer des Gerichts dem Antrag von Irland auf Zulassung zur Streithilfe zum Zweck der Unterstützung der Anträge von ASI und AOE (Rechtssache T‑892/16) statt.

 

51        Mit Beschlüssen vom 19. Juli 2017 gab der Präsident der Siebten erweiterten Kammer des Gerichts den Anträgen des Großherzogtums Luxemburg und der Republik Polen auf Zulassung zur Streithilfe zum Zweck der Unterstützung der Anträge Irlands bzw. der Kommission (Rechtssache T‑778/16) und dem Antrag der EFTA-Überwachungsbehörde auf Zulassung zur Streithilfe zum Zweck der Unterstützung der Anträge der Kommission (Rechtssache T‑892/16) statt.

 

III. Angefochtenes Urteil

52        Das Gericht beschloss, die Rechtssachen T‑778/16 und T‑892/16 wegen Zusammenhangs zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung zu verbinden (angefochtenes Urteil, Rn. 87). Es stellt fest, dass Irland neun und ASI und AOE 14 Klagegründe geltend machten, die sich weitgehend überschnitten.

 

53        Das Gericht weist im Hinblick auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit des streitigen Beschlusses vorab darauf hin, dass die Kommission im Rahmen der Kontrolle staatlicher Beihilfen bei der Untersuchung, ob die beanstandeten Steuervorbescheide solche Beihilfen darstellten, habe nachweisen müssen, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt gewesen seien, insbesondere, dass die beanstandeten Steuervorbescheide einen selektiven Vorteil verschafft hätten (angefochtenes Urteil, Rn. 100 und 101).

 

54        Sodann steigt das Gericht in die eigentliche Prüfung der geltend gemachten Klagegründe ein. Es weist als Erstes den achten Klagegrund in der Rechtssache T‑778/16 und den 14. Klagegrund in der Rechtssache T‑892/16 zurück, mit denen geltend gemacht wurde, dass die Kommission ihre Befugnisse überschritten und in die der Mitgliedstaaten eingegriffen habe (angefochtenes Urteil, Rn. 103 bis 123). Es meint deshalb, dass im Anschluss daran, da die Kommission befugt gewesen sei, im Rahmen der Kontrolle staatlicher Beihilfen zu prüfen, ob die beanstandeten Steuervorbescheide solche Beihilfen dargestellt hätten, auf die Klagegründe einzugehen sei, mit denen Irland und ASI und AOE die Stichhaltigkeit der einzelnen Argumente in Frage stellten, auf die sich die Kommission im angefochtenen Beschluss gestützt habe, um darzutun, dass im vorliegenden Fall ein selektiver Vorteil gegeben gewesen sei (angefochtenes Urteil, Rn. 124).

 

55        Als Zweites prüft das Gericht die Klagegründe, mit denen Fehler im Rahmen der Haupterwägungen der Kommission gerügt wurden (angefochtenes Urteil, Rn. 125 bis 313).

 

56        Zunächst stellt es fest, dass die Rügen betreffend die gemeinsame Prüfung der Kriterien des Vorteils und der Selektivität (angefochtenes Urteil, Rn. 133 bis 139) und den im streitigen Beschluss bestimmten Bezugsrahmen (angefochtenes Urteil, Rn. 140 bis 164) nicht begründet seien.

 

57        Sodann nimmt das Gericht an, dass, weil der im streitigen Beschluss als das allgemeine irische Körperschaftsteuersystem bestimmte Bezugsrahmen insbesondere die Bestimmungen von Section 25 TCA 97 mit einschließe, die Rügen zu prüfen seien, mit denen sich Irland sowie ASI und AOE gegen die Auslegung dieser Bestimmungen durch die Kommission wendeten (angefochtenes Urteil, Rn. 165).

 

58        Insoweit lässt das Gericht die Haupterwägungen der Kommission betreffend das Vorliegen eines Vorteils aus zwei Gründen nicht gelten.

 

59        Erstens stellt das Gericht fest, dass der Kommission bei ihren Haupterwägungen bei der Anwendung von Section 25 TCA 97 (angefochtenes Urteil, Rn. 187), des Fremdvergleichsgrundsatzes (angefochtenes Urteil, Rn. 229) und des AOA (angefochtenes Urteil, Rn. 244 und 245) Fehler unterlaufen seien. Die Haupterwägungen der Kommission beruhten daher auf einer fehlerhaften Beurteilung der normalen Besteuerung gemäß dem im vorliegenden Fall einschlägigen irischen Steuerrecht.

 

60        Zweitens gibt das Gericht den „[d]er Vollständigkeit halber“ geprüften (angefochtenes Urteil, Rn. 250) Rügen der Kläger statt, mit denen die Tatsachenwürdigungen der Kommission in Bezug auf die Tätigkeiten innerhalb des Apple-Konzerns angegriffen wurden. Es stellt insoweit fest, dass die Kommission im vorliegenden Fall nicht habe nachweisen können, dass die durch die Nutzung der Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns erwirtschafteten Gewinne bei der Ermittlung des in Irland zu versteuernden Jahresgewinns von ASI und AOE in Anbetracht der von den irischen Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten und Funktionen sowie der außerhalb dieser Zweigniederlassungen getroffenen und implementierten strategischen Entscheidungen den Zweigniederlassungen hätten zugewiesen werden müssen (angefochtenes Urteil, Rn. 310 und 311). Das Gericht stellt in diesem Zusammenhang zum einen darauf ab, dass die Tätigkeiten der irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE, wie sie im streitigen Beschluss beschrieben seien, begrenzt gewesen seien, und zum anderen darauf, dass die strategischen Entscheidungen außerhalb der Zweigniederlassungen von ASI und AOE von den Mitgliedern der Geschäftsleitung und den Mitarbeitern von Apple (angefochtenes Urteil, Rn. 255 bis 302) und von den Geschäftsführern von ASI und von AOE (angefochtenes Urteil, Rn. 301 und 303 bis 309) getroffen und umgesetzt worden seien.

 

61        Als Drittes gibt das Gericht, was die Hilfserwägungen der Kommission zum Vorliegen eines Vorteils angeht, den Rügen statt, die erstens gegen die Feststellung der Kommission, dass bei Anwendung der den beanstandeten Steuervorbescheiden zugrunde liegenden Gewinnzuweisungsmethoden zu Unrecht auf die irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE als untersuchte Unternehmen abgestellt worden sei (angefochtenes Urteil, Rn. 328 bis 351), zweitens gegen die Feststellungen der Kommission zur methodisch fehlerhaften Wahl der Betriebskosten als Gewinnindikator bei den irischen Zweigniederlassungen von ASI und von AOE (angefochtenes Urteil, Rn. 352 bis 417) und drittens gegen die Feststellungen der Kommission zu dem methodischen Fehler hinsichtlich der Höhe der in den beanstandeten Steuervorbescheiden akzeptierten Vergütungen (angefochtenes Urteil, Rn. 418 bis 478) erhoben wurden. Das Gericht stellt hierzu fest, dass aus den festgestellten methodischen Mängeln bei der Ermittlung des zu versteuernden Gewinns von ASI und AOE hervorgehe, dass die beanstandeten Steuervorbescheide lückenhaft und stellenweise widersprüchlich seien. Diese Mängel reichten für den Nachweis des Vorliegens eines Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV jedoch allein nicht aus (angefochtenes Urteil, Rn. 479).

 

62        Als Viertes stellt das Gericht schließlich fest, dass den Klagegründen, mit denen Irland sowie ASI und AOE geltend machten, dass der Kommission im Rahmen ihrer alternativen Erwägungen nicht der Nachweis gelungen sei, dass ein selektiver Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV gegeben sei, stattzugeben sei, ohne dass es einer Prüfung der Rügen bedürfe, mit denen ASI und AOE der Kommission vorwarfen, bei ihren alternativen Erwägungen wesentliche Formvorschriften und das Recht auf Anhörung verletzt zu haben (angefochtenes Urteil, Rn. 486 bis 504).

 

63        Auf der Grundlage der Annahme, dass die Kommission rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen habe, dass ein Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vorgelegen habe, hat das Gericht den streitigen Beschluss deshalb – ohne auf die übrigen Klagegründe und Rügen von Irland und ASI und AOE einzugehen – in vollem Umfang für nichtig erklärt, der Europäischen Kommission ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kläger im Rahmen der Rechtssachen T‑778/16 und T‑892/16 auferlegt und entschieden, dass Irland im Rahmen der Rechtssache T‑892/16 seine eigenen Kosten trägt und das Großherzogtum Luxemburg, die Republik Polen und die EFTA-Überwachungsbehörde jeweils ihre eigenen Kosten tragen.

 

IV.        Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien des Rechtsmittelverfahrens

64        Mit einem am 25. September 2020 eingereichten Schriftsatz hat die Kommission das vorliegende Rechtsmittel eingelegt.

 

65        Die Rechtsanwälte von ASI und AOE haben dem Gerichtshof mit einem am 23. April 2023 eingereichten Schriftsatz mitgeteilt, dass AOE im Wege einer nach irischem Recht durchgeführten Verschmelzung mit Wirkung ab dem 2. April 2023 von AOI aufgenommen worden sei. AOE ist als Partei der vorliegenden Rechtssache also durch AOI ersetzt worden.

 

66        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Kommission,

–   das angefochtene Urteil aufzuheben;

–  den ersten, den zweiten, den dritten, den vierten und den achten Klagegrund in der Rechtssache T‑778/16 und den ersten, den zweiten, den dritten, den vierten, den fünften, den achten und den 14. Klagegrund in der Rechtssache T‑892/16 zurückzuweisen;

–  die Sache zur Entscheidung über die nicht geprüften Klagegründe an das Gericht zurückzuverweisen;

–  die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Rechtsmittelverfahrens vorzubehalten.

 

67        Irland beantragt,

–  das Rechtsmittel als unzulässig und/oder unbegründet zurückzuweisen;

–            der Kommission die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

 

68        ASI und AOI beantragen,

–  das Rechtsmittel zurückzuweisen;

–            der Kommission ihre Kosten aufzuerlegen.

 

69        Das Großherzogtum Luxemburg beantragt,

–  das Rechtsmittel zurückzuweisen;

–  der Kommission die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

 

70        Die EFTA-Überwachungsbehörde beantragt,

–  dem Rechtsmittel in vollem Umfang stattzugeben;

–  die Sache zur Entscheidung der Klagegründe, über die es noch nicht entschieden hat, an das Gericht zurückzuverweisen;

–  die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Rechtsmittelverfahrens vorzubehalten.

 

V. Zum Rechtsmittel

71        Die Kommission macht zwei Rechtsmittelgründe geltend. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund werden die Randnummern des angefochtenen Urteils angegriffen, in denen das Gericht entschieden hat, dass die Haupterwägungen, aufgrund deren die Kommission angenommen hat, dass ein Vorteil vorliege, unzutreffend seien, mit dem zweiten die Randnummern des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht auf die Hilfserwägungen der Kommission eingeht.

 

A. Vorbemerkungen

72        Die Kommission macht geltend, dass das Rechtsmittel im Wesentlichen die Frage betreffe, ob das Gericht bei der Zurückweisung der im streitigen Beschluss getroffenen Feststellung, dass ASI und AOE mit den beanstandeten Steuervorbescheiden ein Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verschafft worden sei, die von der Apple Inc. ausgeübten Funktionen habe berücksichtigen dürfen. Indem es dies getan habe, habe das Gericht grundlegende Prinzipien des Steuerrechts und die Regeln, mit denen diese Prinzipien konkretisiert würden, missachtet und damit den Begriff des Vorteils nicht richtig angewandt, was einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle. In der Erwiderung hat die Kommission klargestellt, dass das Gericht zwar das richtige rechtliche Kriterium für die Feststellung des Vorliegens einen Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV gebilligt habe, das auf einem Vergleich der Funktionen von ASI und AOE mit den Funktionen der Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften beruhe, bei der Zurückweisung der im streitigen Beschluss zum Vorliegen eines Vorteils getroffenen Feststellungen aber ein anderes, unzutreffendes Kriterium angewandt habe, das auf einem Vergleich der Funktionen dieser Zweigniederlassungen mit den Funktionen der Apple Inc. beruhe.

 

73        Nach ständiger Rechtsprechung sind Maßnahmen der Mitgliedstaaten in Bereichen, die nicht unionsrechtlich harmonisiert sind, nicht vom Anwendungsbereich der Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Kontrolle staatlicher Beihilfen ausgenommen. Die Mitgliedstaaten dürfen daher keine steuerliche Maßnahme erlassen, die eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen kann (Urteil vom 5. Dezember 2023, Luxemburg u. a./Kommission, C‑451/21 P und C‑454/21 P, EU:C:2023:948, Rn. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

74        Zur Einstufung einer nationalen Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV müssen nach ständiger Rechtsprechung folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein: Erstens muss es sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. Zweitens muss die Maßnahme geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss dem Begünstigten durch die Maßnahme ein selektiver Vorteil verschafft werden. Viertens muss die Maßnahme den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (Urteil vom 5. Dezember 2023, Luxemburg u. a./Kommission, C‑451/21 P und C‑454/21 P, EU:C:2023:948, Rn. 105 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

75        Die Voraussetzung des selektiven Vorteils erfordert die Feststellung, ob die in Rede stehende nationale Maßnahme im Rahmen einer konkreten rechtlichen Regelung geeignet ist, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen zu begünstigen, die sich im Hinblick auf das mit der Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden und somit eine unterschiedliche Behandlung erfahren, die der Sache nach als diskriminierend eingestuft werden kann (Urteil vom 5. Dezember 2023, Luxemburg u. a./Kommission, C‑451/21 P und C‑454/21 P, EU:C:2023:948, Rn. 106 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

76        Zur Einstufung einer nationalen steuerlichen Maßnahme als „selektiv“ muss die Kommission in einem ersten Schritt das Bezugssystem, d. h. die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende „normale“ Steuerregelung, bestimmen und in einem zweiten Schritt dartun, dass die in Rede stehende steuerliche Maßnahme insoweit von diesem Bezugssystem abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit dem Bezugssystem verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden. Maßnahmen, die eine Unterscheidung zwischen Unternehmen, die sich im Hinblick auf das mit der in Rede stehenden rechtlichen Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, einführen und damit a priori selektiv sind, fallen jedoch dann nicht unter den Begriff „staatliche Beihilfe“, wenn der betreffende Mitgliedstaat in einem dritten Schritt nachweisen kann, dass diese Unterscheidung gerechtfertigt ist, weil sie sich aus der Natur oder dem Aufbau des Systems ergibt, in das sich die Maßnahmen einfügen (Urteil vom 5. Dezember 2023, Luxemburg u. a./Kommission, C‑451/21 P und C‑454/21 P, EU:C:2023:948, Rn. 107 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

77        Bei steuerlichen Maßnahmen kommt der Bestimmung des Bezugsrahmens eine besondere Bedeutung zu, da das Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV nur im Verhältnis zu einer sogenannten „normalen“ Besteuerung festgestellt werden kann (Urteil vom 5. Dezember 2023, Luxemburg u. a./Kommission, C‑451/21 P und C‑454/21 P, EU:C:2023:948, Rn. 108).

 

78        Somit hängt die Bestimmung aller Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, von der vorherigen Bestimmung der rechtlichen Regelung ab, im Hinblick auf deren Ziel gegebenenfalls die Vergleichbarkeit der jeweiligen tatsächlichen und rechtlichen Situation der durch die in Rede stehende Maßnahme begünstigten Unternehmen und der durch sie nicht begünstigten Unternehmen zu prüfen ist (Urteil vom 5. Dezember 2023, Luxemburg u. a./Kommission, C‑451/21 P und C‑454/21 P, EU:C:2023:948, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

79        Bei der Beurteilung der Selektivität einer steuerlichen Maßnahme kommt es also darauf an, dass das in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende allgemeine Steuersystem oder Bezugssystem im Beschluss der Kommission zutreffend bestimmt und von dem mit einer gegen diese Bestimmung gerichteten Rüge befassten Gericht untersucht wird. Da die Bestimmung des Bezugssystems den Ausgangspunkt für die vergleichende Prüfung darstellt, die im Zusammenhang mit der Beurteilung der Selektivität zu erfolgen hat, führt ein bei dieser Bestimmung begangener Fehler zwangsläufig dazu, dass die gesamte Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Selektivität mit einem Mangel behaftet ist (Urteil vom 5. Dezember 2023, Luxemburg u. a./Kommission, C‑451/21 P und C‑454/21 P, EU:C:2023:948, Rn. 110 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

80        In diesem Zusammenhang ist erstens darauf hinzuweisen, dass sich die Bestimmung des Bezugsrahmens, die nach einer kontradiktorischen Erörterung mit dem betreffenden Mitgliedstaat erfolgen muss, aus einer objektiven Prüfung des Inhalts, des Zusammenhangs und der konkreten Wirkungen der nach dem nationalen Recht dieses Staates anwendbaren Vorschriften ergeben muss (Urteil vom 5. Dezember 2023, Luxemburg u. a./Kommission, C‑451/21 P und C‑454/21 P, EU:C:2023:948, Rn. 111 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

81        Zweitens ist es außerhalb der Bereiche, in denen das Steuerrecht der Union harmonisiert wurde, der betreffende Mitgliedstaat, der in Wahrnehmung seiner eigenen Zuständigkeiten im Bereich der direkten Steuern aufgrund seiner Steuerautonomie die grundlegenden Merkmale der Steuer bestimmt, die grundsätzlich das „normale“ Bezugssystem oder die „normale“ Steuerregelung definieren, anhand deren die Voraussetzung der Selektivität zu prüfen ist. Dies gilt insbesondere für die Festlegung der steuerlichen Bemessungsgrundlage, des Steuertatbestands und etwaiger Steuerbefreiungen (Urteil vom 5. Dezember 2023, Luxemburg u. a./Kommission, C‑451/21 P und C‑454/21 P, EU:C:2023:948, Rn. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

82        Daraus folgt, dass bei der Bestimmung des Bezugssystems im Bereich der direkten Steuern nur das im betreffenden Mitgliedstaat anwendbare nationale Recht zu berücksichtigen ist. Diese Bestimmung ist wiederum eine unerlässliche Voraussetzung für die Beurteilung nicht nur der Frage, ob ein Vorteil vorliegt, sondern auch der Frage, ob dieser selektiv ist (Urteil vom 5. Dezember 2023, Luxemburg u. a./Kommission, C‑451/21 P und C‑454/21 P, EU:C:2023:948, Rn. 113 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

83        Diese Schlussfolgerung lässt jedoch die Möglichkeit der Feststellung unberührt, dass der sich aus dem nationalen Recht ergebende Bezugsrahmen selbst mit dem Unionsrecht im Bereich staatlicher Beihilfen unvereinbar ist, wenn das in Rede stehende Steuersystem nach offensichtlich diskriminierenden Parametern gestaltet wurde, durch die das Unionsrecht umgangen werden sollte (Urteil vom 5. Dezember 2023, Luxemburg u. a./Kommission, C‑451/21 P und C‑454/21 P, EU:C:2023:948, Rn. 114 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

84        Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Kommission im streitigen Beschluss nicht darauf abgestellt hat, dass das in Rede stehende Steuersystem im Sinne der in der vorstehenden Randnummer angeführten Rechtsprechung nach offensichtlich diskriminierenden Parametern gestaltet worden wäre, durch die die nach den Vorschriften des Unionsrecht über staatliche Beihilfen geltenden Grundsätze hätten umgangen werden sollen.

 

85        Die Kommission hat im Rahmen ihrer Haupterwägungen nämlich angenommen, dass die irische Finanzverwaltung den gebietsfremden irischen Gesellschaften ASI und AOE mit den beanstandeten Steuervorbescheiden, die zur Bestimmung von deren zu versteuerndem Gewinn gemäß Section 25 TCA 97 gedient hätten, durch die Nichtzuweisung der durch die Nutzung des geistigen Eigentums des Apple-Konzernes erwirtschafteten Gewinne an die Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften, die gegen den Fremdvergleichsgrundsatz verstoßen habe, in Gestalt einer Ermäßigung des zu versteuernden Jahresgewinns im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV einen Vorteil verschafft habe. Hilfsweise hat die Kommission festgestellt, dass, selbst unterstellt, die irische Finanzverwaltung habe diese Gewinne zu Recht Einheiten außerhalb von Irland zugerechnet, die mit den beanstandeten Steuervorbescheiden gebilligten Gewinnzuweisungsmethoden jedenfalls dazu geführt hätten, dass der in Irland zu versteuernde Jahresgewinn von ASI und AOE von einer verlässlichen Annäherung an ein marktbasiertes Ergebnis im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz abgewichen sei.

 

86        Die Prüfung des Rechtsmittels erfolgt nach Maßgabe dieser Vorbemerkungen.

 

B. Zum ersten Rechtsmittelgrund: Fehler bei der Beurteilung der Haupterwägungen zum Vorliegen eines Vorteils

87        Mit dem ersten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, dass dem Gericht bei der Feststellung, dass die Haupterwägungen, die sie im streitigen Beschluss zum Vorliegen eines Vorteils angestellt habe, rechtswidrig seien, mehrere Fehler unterlaufen seien. Der erste Rechtsmittelgrund besteht aus drei Teilen.

 

88        Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in ihren Haupterwägungen im Wesentlichen angenommen hat, dass den Verwaltungssitzen von ASI und AOE, da sie die Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns weder hätten kontrollieren noch verwalten können, die Gewinne aus der Nutzung dieser Lizenzen „in einem fremdvergleichskonformen Kontext“ nicht hätten zugewiesen werden dürfen. Diese hätten den Zweigniederlassungen von ASI und AOE zugewiesen werden müssen, die als Einzige in der Lage gewesen seien, Funktionen im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum des Apple-Konzerns tatsächlich wahrzunehmen, die von wesentlicher Bedeutung für die Geschäftstätigkeit von ASI und AOE gewesen seien. Die Kommission hat also angenommen, dass die irische Finanzverwaltung mit den beanstandeten Steuervorbescheiden zu Unrecht akzeptiert habe, dass die Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns und die damit erwirtschafteten Gewinne in vollem Umfang Einheiten außerhalb von Irland, nämlich den Verwaltungssitzen von ASI und AOE, zuzuweisen seien, ohne geprüft zu haben, ob sie gemäß Section 25 TCA 97 nicht ganz oder teilweise den irischen Zweigniederlassungen dieser Gesellschaft zuzuweisen seien.

 

89        Wie sich aus den Erwägungsgründen 265 bis 321 des streitigen Beschlusses ergibt, beruhen die Haupterwägungen der Kommission also auf der Annahme, dass die zuständigen irischen Behörden, um die Gewinne nach dem Ansatz der gesonderten Einheit und dem Fremdvergleichsgrundsatz, wie sie in Section 25 TCA 97 verbürgt seien, richtig zuzuweisen, hätten prüfen müssen, ob die durch die Nutzung der von ASI und AOE gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns erwirtschafteten Gewinne nicht ganz oder teilweise den irischen Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften zuzuweisen seien. Die Nichtvornahme der nach Section 25 TCA 97 vorzunehmenden Überprüfungen habe zu einer Verringerung der Steuerlast von ASI und AOE geführt und diesen Gesellschaften damit einen selektiven Vorteil verschafft.

 

90        Die Kommission ist zu diesem Schluss gelangt, nachdem sie insbesondere festgestellt hatte, dass nicht erwiesen sei, dass die Verwaltungssitze von ASI und AOE im Zusammenhang mit den Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns Entscheidungen getroffen oder Funktionen ausgeübt hätten oder auch nur in der Lage gewesen wären, dies zu tun (streitiger Beschluss, Erwägungsgründe 281 bis 293), die irischen Zweigniederlassungen hingegen mehrere Funktionen ausgeübt hätten, die für die Nutzung dieser Lizenzen von zentraler Bedeutung gewesen seien (streitiger Beschluss, Erwägungsgründe 294 bis 304). Die Kommission erkennt im streitigen Beschluss an, dass die Hauptfunktionen im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum des Apple-Konzerns von der Apple Inc. ausgeübt worden seien, entweder in ihrer Eigenschaft als Muttergesellschaft des Apple-Konzerns oder gemäß der Kostenteilungsvereinbarung. Sie weist aber darauf hin, dass dieser Umstand für die nach dem betreffenden Bezugsrahmen allein maßgebliche Aufteilung der Gewinne von ASI und AOE zwischen dem jeweiligen Verwaltungssitz und der jeweiligen Zweigniederlassung nicht von Belang sei (streitiger Beschluss, Erwägungsgründe 308 bis 318).

 

91        Das Gericht hat diese Haupterwägungen aus zwei Gründen zurückgewiesen, die zum einen die Ausführungen der Kommission zur normalen Besteuerung gemäß dem im vorliegenden Fall anwendbaren irischen Steuerrecht betreffen, die mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes angegriffen werden, und zum anderen die Ausführungen der Kommission zu den Tätigkeiten innerhalb des Apple-Konzerns, die mit dem zweiten und dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes angegriffen werden (siehe oben, Rn. 312).

 

92        Im Einzelnen hat das Gericht festgestellt,

–  dass die Kommission mit der Annahme, dass die Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns, da ASI und AOE außerhalb der irischen Zweigniederlassungen weder über Mitarbeiter noch über eine physische Präsenz verfügt hätten, standardmäßig den Zweigniederlassungen hätten zugewiesen werden müssen, die Gewinne „im Wege eines Ausschlussverfahrens“ zugewiesen habe, dass sie die Tätigkeiten von ASI und AOE in Irland nicht richtig beurteilt habe und dass sie bei ihren Erwägungen von einer unrichtigen Beurteilung der normalen Besteuerung nach irischen Recht ausgegangen sei (angefochtenes Urteil, Rn. 166 bis 249);

–  dass die Zweigniederlassungen von ASI und AOE in Irland die Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns nicht kontrolliert hätten und nicht die Gewinne erwirtschaftet hätten, die sie nach den Behauptungen der Kommission erwirtschaftet haben sollen (angefochtenes Urteil, Rn. 251 bis 295);

–  dass die Vereinbarungen und die Tätigkeiten von ASI und AOE außerhalb von Irland zeigten, dass diese Gesellschaften in der Lage gewesen seien, das geistige Eigentum des Apple-Konzerns außerhalb von Irland zu entwickeln und zu verwalten und außerhalb von Irland Gewinne zu erwirtschaften, und dass diese deshalb in Irland nicht steuerpflichtig gewesen seien (angefochtenes Urteil, Rn. 296 bis 311).

 

1. Zum ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

a)         Vorbringen der Parteien

93        Mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Kommission geltend, dass das angefochtene Urteil, weil das Gericht entschieden habe, dass sie eine Prüfung „im Wege eines Ausschlussverfahrens“ vorgenommen habe, unter einem Rechtsfehler, einen Verfahrensfehler und einen Begründungsfehler leide.

 

94        Erstens habe das Gericht in den Rn. 125, 183 bis 187, 228, 242, 243 und 249 des angefochtenen Urteils den streitigen Beschluss nicht richtig aufgefasst, indem es angenommen habe, dass sie in ihren Haupterwägungen zum Vorliegen eines Vorteils allein auf das Fehlen von Mitarbeitern und einer physischen Präsenz an den Verwaltungssitzen von ASI und AOE abgestellt und nicht versucht habe, nachzuweisen, dass die irischen Zweigniederlassungen tatsächlich Funktionen ausgeübt hätten, die die Zuweisung der Gewinne aus der Nutzung der von ASI und AOE gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns an sie gerechtfertigt hätten.

 

95        Anders als das Gericht angenommen habe, habe sie im streitigen Beschluss keine Prüfung „im Wege eines Ausschlussverfahrens“ vorgenommen, um ihre Haupterwägungen zum Vorliegen eines Vorteils zu stützen. Wie sich aus dem Aufbau und dem Inhalt des streitigen Beschlusses ergebe, habe sie, um die steuerrechtliche Zuweisung der Gewinne aus der Nutzung der von ASI und AOE gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns an die Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften zu rechtfertigen, vielmehr ganz offenkundig geprüft, welche Funktionen sowohl die Verwaltungssitze als auch die irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE im Zusammenhang mit diesen Lizenzen tatsächlich ausgeübt hätten. Die Rn. 255 bis 295 des angefochtenen Urteils bestätigten, dass sie geprüft habe, welche Funktionen die Zweigniederlassungen von ASI und AOE im Zusammenhang mit den Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns tatsächlich ausgeübt hätten. Das Gericht möge ihre Auffassung, dass den irischen Zweigniederlassungen wegen der von ihnen ausgeübten Funktionen die Gewinne aus der Nutzung der Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns hätten zugewiesen werden können, nicht geteilt haben. Mit dem zweiten Grund, aus dem es die Haupterwägungen der Kommission zurückgewiesen habe, habe es sich ja auch dahin geäußert. Dass sie im streitigen Beschluss geprüft habe, welche Funktionen die irischen Zweigniederlassungen ausgeübt hätten, stehe jedoch außer Zweifel.

 

96        Indem es angenommen habe, dass sie bei der Zuweisung der von ASI und AOE gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns an die irischen Zweigniederlassungen eine Prüfung „im Wege eines Ausschlussverfahrens“ vorgenommen habe, habe das Gericht den streitigen Beschluss mithin nicht richtig aufgefasst und somit einen Rechtsfehler begangen.

 

97        Zweitens sei dem Gericht ein Verfahrensfehler unterlaufen, weil es weder den Aufbau und den Inhalt des streitigen Beschlusses noch die in ihren Schriftsätzen enthaltenen Ausführungen zu den Funktionen, die die Verwaltungssitze und die irischen Zweigniederlassungen im Zusammenhang mit den von ASI und AOE gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns ausgeübt hätten, gebührend berücksichtigt habe.

 

98        Drittens leide das angefochtene Urteil unter einer widersprüchlichen Begründung und damit unter einem Begründungsmangel. Das Gericht habe in den Rn. 268 bis 283, 286 und 287 des angefochtenen Urteils nämlich anerkannt, dass sie im streitigen Beschluss, um die steuerrechtliche Zuweisung der Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns an die irischen Zweigniederlassungen zu rechtfertigen, geprüft habe, welche Funktionen diese ausgeübt hätten.

 

99        In der Erwiderung macht die Kommission geltend, dass der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, mit dem geltend gemacht werde, dass das Gericht den streitigen Beschluss nicht richtig aufgefasst habe, anders als Irland und ASI und AOI behaupteten, weder ins Leere gehe noch unzulässig sei. Zur Begründetheit des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes macht sie geltend, dass die einzigen Erwägungsgründe des streitigen Beschlusses, auf die das Gericht, Irland und ASI und AOI ihre Annahme stützten, dass sie eine Prüfung „im Wege eines Ausschlussverfahrens“ vorgenommen habe, nämlich die Erwägungsgründe 288 und 289, überhaupt nicht zu der in den Erwägungsgründen 294 bis 304 des streitigen Beschlusses vorgenommen Prüfung der Tätigkeiten der irischen Zweigniederlassungen gehörten, aufgrund deren sie die Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns diesen Zweigniederlassungen zugewiesen habe. Mit den Erwägungsgründen 288 und 289 des streitigen Beschlusses sei auf ein Argument eingegangen worden, dass die Apple Inc. im Verwaltungsverfahren vorgebracht habe.

 

100      Irland meint, das Gericht habe zu Recht angenommen, dass die Kommission „im Wege eines Ausschlussverfahrens“ vorgegangen sei. Aus dem streitigen Beschluss gehe nämlich hervor, dass die Kommission tatsächlich angenommen habe, dass die Gewinne einer gebietsfremden Gesellschaft, sofern sie nicht anderen Teilen dieser Gesellschaft zugewiesen werden könnten, den irischen Zweigniederlassungen zuzuweisen seien. Das Gericht habe nicht nur entschieden, dass eine solche Vorgehensweise in keiner Weise mit dem irischen Recht, dem Fremdvergleichsgrundsatz und dem AOA vereinbar sei, sondern auch angenommen, dass die tatsächlichen Feststellungen der Kommission zu dem angeblichen „Fehlen einer jeglichen Tätigkeit von [ASI und AOE] außerhalb von Irland im Zusammenhang mit den Lizenzen [des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns]“ unzutreffend seien. Insoweit habe das Gericht in den Rn. 251 bis 310 ausführliche Tatsachenfeststellungen zu den Zweigniederlassungen und dem Entscheidungsprozess von ASI und AOE in den Vereinigten Staaten getroffen und angenommen, dass die Feststellungen, die die Kommission zu den tatsächlichen Tätigkeiten der irischen Zweigniederlassungen und der Verwaltungssitze dieser Gesellschaften getroffen habe, unzutreffend seien.

 

101      Im Übrigen sei der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, da die Kommission keinen Rechtsfehler bezeichne, unzulässig und/oder unbegründet. Er gehe auch ins Leere. Denn selbst unterstellt, dem Gericht sei ein Rechtsfehler unterlaufen, ergäbe sich aus den Tatsachenfeststellungen, die es zu den irischen Zweigniederlassungen vorgenommen habe, dass die weltweit mit den Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns erwirtschafteten Gewinne nicht diesen Zweigniederlassungen zugewiesen werden könnten, so dass sich ein solcher Rechtsfehler nicht auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Urteils auswirken würde.

 

102      ASI und AOI machen geltend, dass der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, sofern mit ihm geltend gemacht werde, dass das Gericht den streitigen Beschluss nicht richtig aufgefasst habe, als unzulässig, jedenfalls aber in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen sei.

 

103      Die Annahme des Gerichts, dass die Kommission, um nachzuweisen, dass ein Vorteil vorliege, eine Prüfung „im Wege eines Ausschlussverfahrens“ vorgenommen habe, sei nicht zu beanstanden. Das Gericht habe zu Recht angenommen, dass die Kommission größtenteils darauf abgestellt habe, dass die Gewinne von ASI und AOE den irischen Zweigniederlassungen hätten zugewiesen werden müssen, „da ASI und AOE weder über eine physische Präsenz noch über Mitarbeiter außerhalb dieser Zweigniederlassungen verfügt hätten und somit nicht in der Lage gewesen seien, die Lizenzen [des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns] zu kontrollieren“ (angefochtenes Urteil, Rn. 39 und 183). Diese Feststellung stehe in Einklang mit der Erwägung, die die Kommission im 289. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses angestellt habe, nämlich, dass die betreffenden Funktionen und Risiken „nur von den irischen Zweigstellen, und nicht von den Verwaltungssitzen, übernommen und durchgeführt werden [konnten]“, weil Letztere keine Mitarbeiter gehabt hätten. Im Übrigen versuche die Kommission, den Sinn des angefochtenen Urteils zu verfälschen. Das Gericht habe ausdrücklich anerkannt, dass der streitige Beschluss nicht auf eine Prüfung „im Wege eines Ausschlussverfahrens“ beschränkt sei. Das angefochtene Urteil leide auch nicht unter einem Verfahrensfehler. Das Gericht sei ausführlich auf das Vorbringen der Kommission zu den Tätigkeiten der irischen Zweigniederlassungen und der Verwaltungssitze außerhalb von Irland eingegangen. Und das Gericht habe ausführlich dargelegt, warum es das Vorbringen der Kommission zurückgewiesen habe, so dass die Parteien hätten erkennen können, von welchen Erwägungen sich das Gericht im angefochtenen Urteil habe leiten lassen, und der Gerichtshof in der Lage sei, seine Kontrolle vorzunehmen. Jedenfalls greife die Kommission mit ihrem Vorbringen letztlich die Tatsachenfeststellungen des Gerichts an. Ihr Vorbringen sei deshalb unzulässig.

 

104      Das Großherzogtum Luxemburg macht geltend, dass das Gericht zu Recht angenommen habe, dass die Kommission eine Zuweisung der Gewinne vorgenommen habe, die nicht mit dem irischen Steuerrecht vereinbar sei. Die Kommission wende sich mit ihrem Rechtsmittel nicht gegen die Auslegung von Section 25 TCA 97, die das Gericht vorgenommen habe. Es gehe ihr vielmehr darum, dieselbe Prüfung „im Wege eines Ausschlussverfahrens“ vorzunehmen wie die, die sie im streitigen Beschluss vorgenommen habe.

 

105      Die EFTA-Überwachungsbehörde macht geltend, dass die Kommission bei ihren Ausführungen zur Zuweisung der Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns keine Prüfung „im Wege eines Ausschlussverfahrens“ vorgenommen habe. Die Kommission habe vielmehr eingehend geprüft, welche Funktionen die Verwaltungssitze von ASI und AOE und die irischen Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften im Zusammenhang mit diesen Lizenzen ausgeübt, welche Wirtschaftsgüter sie insoweit eingesetzt und welche Risiken sie insoweit übernommen hätten. Die Annahme des Gerichts, dass die Kommission im streitigen Beschluss bei der Zuweisung der durch die Nutzung der Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns erwirtschafteten Gewinne an diese Zweigniederlassungen eine Prüfung „im Wege eines Ausschlussverfahrens“ vorgenommen habe, beruhe mithin auf einem unrichtigen Verständnis des streitigen Beschlusses und sei damit rechtsfehlerhaft.

 

b)         Würdigung durch den Gerichtshof

106      Mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes wendet sich die Kommission gegen die Rn. 125, 183 bis 187, 228, 242, 243 und 249 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht angenommen habe, dass sie dadurch, dass sie die durch die Nutzung der Lizenzen des geistigen Eigentums erwirtschafteten Gewinne steuerrechtlich den irischen Zweigniederlassungen zugewiesen habe, weil die Verwaltungssitze von ASI und AOE weder über Mitarbeiter noch über eine physische Präsenz verfügt hätten, um die Lizenzen kontrollieren und verwalten zu können, eine Prüfung „im Wege eines Ausschlussverfahrens“ vorgenommen habe, die weder mit Section 25 TCA 97 noch mit Fremdvergleichsgrundsatz und dem AOA vereinbar sei. Die Kommission erhebt insoweit im Wesentlichen drei Rügen: Das Gericht habe den streitigen Beschluss nicht richtig aufgefasst, ihm sei ein Verfahrensfehler unterlaufen, und die Begründung des angefochtenen Urteils sei widersprüchlich.

 

107      Zunächst ist darüber zu befinden, ob der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes unzulässig ist und ins Leere geht, wie Irland und ASI und AOI geltend machen.

 

1)         Zur Zulässigkeit und zur Schlüssigkeit des Vorbringens der Kommission

108      Was als Erstes die Zulässigkeit des Vorbringens der Kommission angeht, meinen Irland und ASI und AOI, dass der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, soweit geltend gemacht werde, dass das Gericht den streitigen Beschluss nicht richtig aufgefasst habe, als unzulässig zurückzuweisen sei. Sie machen im Wesentlichen geltend, dass ein unrichtiges Verständnis des streitigen Beschlusses nicht einem vor dem Gerichtshof rügbaren Rechtsfehler gleichgesetzt werden könne. Das Vorbringen der Kommission könnte nur dann für zulässig erachtet werden, wenn erwiesen wäre, dass das Gericht den Inhalt des streitigen Beschlusses verfälscht hätte.

 

109      Diese Einrede der Unzulässigkeit ist zurückzuweisen.

 

110      Wie sich aus Art. 256 Abs. 1 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt, ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt. Für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen ist allein das Gericht zuständig. Die Würdigung der Tatsachen ist – außer im Fall ihrer Verfälschung – keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 29, und vom 25. Januar 2022, Kommission/European Food u. a., C‑638/19 P, EU:C:2022:50, Rn. 71).

 

111      Wenn sie geltend macht, dass das Gericht zu Unrecht angenommen habe, dass sie im streitigen Beschluss eine Prüfung „im Wege eines Ausschlussverfahrens“ vorgenommen habe, die nicht mit der Funktionsanalyse zu vereinbaren sei, die nach irischem Recht, insbesondere Section 25 TCA 97, vorzunehmen sei, wendet sich die Kommission aber dagegen, wie das Gericht die im streitigen Beschluss enthaltene Erwägung aufgefasst hat, und damit letztlich gegen das rechtliche Kriterium, das bei der Feststellung des Bestehens eines Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV für die Gesellschaften des Apple-Konzerns für maßgeblich erachtet wurde.

 

112      Eine solche Frage ist eine Rechtsfrage, die dem Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels zur Überprüfung vorgelegt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. März 2022, Kommission/Freistaat Bayern u. a., C‑167/19 P und C‑171/19 P, EU:C:2022:176, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

113      Was als Zweites die Schlüssigkeit des Vorbringens zum ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes angeht, macht Irland zu Unrecht geltend, dass, selbst unterstellt, dem Gericht sei der mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes gerügte Rechtsfehler tatsächlich unterlaufen, sich aus den im angefochtenen Urteil enthaltenen Tatsachenfeststellungen zu den Tätigkeiten der irischen Zweigniederlassungen ergäbe, dass die weltweit mit den Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns erwirtschafteten Gewinne diesen Zweigniederlassungen nicht hätten zugewiesen werden können.

 

114      Nach ständiger Rechtsprechung geht ein Rechtsmittelgrund, mit dem Entscheidungsgründe eines angefochtenen Urteils beanstandet werden, die sich nicht auf den Tenor des angefochtenen Urteils auswirken, ins Leere und ist daher zurückzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Juli 2001, Kommission und Frankreich/TF1, C‑302/99 P und C‑308/99 P, EU:C:2001:408, Rn. 26 bis 29, und vom 20. Dezember 2017, EUIPO/European Dynamics Luxembourg u. a., C‑677/15 P, EU:C:2017:998, Rn. 49 und 50).

 

115      Wie der Generalanwalt im Wesentlichen in Nr. 22 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, hat das Gericht bei den Haupterwägungen der Kommission auf die beiden oben in Rn. 91 genannten Gründe abgestellt, so dass die Kommission mit ihrem Rechtsmittel gegen diese beiden Gründe gerichtete Rügen zu erheben hatte. Dass die im Rahmen der einzelnen Teile des ersten Rechtsmittelgrundes vorgebrachten Rügen isoliert betrachtet im Fall ihres Durchgreifens jeweils nicht ausreichen würden, um die Aufhebung des angefochtenen Urteils zu erreichen, bedeutet daher noch nicht, dass sie ins Leere gingen. Es ist insoweit nämlich eine Gesamtwürdigung des ersten Rechtsmittelgrundes vorzunehmen.

 

116      Das Vorbringen, dass der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ins Leere gehe, ist daher zurückzuweisen. Somit ist zu prüfen, ob der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes begründet ist.

 

2)         Zur Begründetheit

i)          Zur ersten Rüge des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes: unrichtige Auslegung des streitigen Beschlusses

117      Die Kommission macht geltend, dass das Gericht in den Rn. 125, 183 bis 187, 228, 242, 243 und 249 den streitigen Beschluss nicht richtig aufgefasst habe, indem es angenommen habe, dass sie in ihren Haupterwägungen zum Vorliegen eines Vorteils allein auf das Fehlen von Mitarbeitern und einer physischen Präsenz in den Verwaltungssitzen von ASI und AOE abgestellt und nicht versucht habe, nachzuweisen, dass die irischen Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften tatsächlich Funktionen ausgeübt hätten, die die Zuweisung der Gewinne aus der Nutzung der von ASI und AOE gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns an sie gerechtfertigt hätten. Das Gericht habe aus dem streitigen Beschluss daher zu Unrecht abgeleitet, dass sie die Gewinne „im Wege eines Ausschlussverfahrens“ zugewiesen habe.

 

118      Die Feststellung des Gerichts in den Rn. 180 bis 182, 184, 209, 227 und 242 des angefochtenen Urteils, dass die Kommission bei der Zuweisung der durch die Nutzung der Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns erwirtschafteten Gewinne an ASI und AOE, um festzustellen, welche Tätigkeiten die irischen Zweigniederlassungen im Zusammenhang mit diesen Lizenzen „tatsächlich“ ausgeübt hätten, verpflichtet gewesen sei, eine Funktionsanalyse vorzunehmen, anstatt unter Hinweis auf das Fehlen von Mitarbeitern und physischer Präsenz an den Verwaltungssitzen von ASI und AOE zu vermuten, dass solche Tätigkeiten ausgeübt worden seien, wird von der Kommission mit ihrem Rechtsmittel nicht angegriffen. Wie die Kommission in der Erwiderung klargestellt hat, geht es ihr also nicht darum, in Zweifel zu ziehen, dass die Prüfung „im Wege eines Ausschlussverfahrens“ nicht mit dem irischen Steuerrecht, insbesondere nicht mit Section 25 TCA 97 zu vereinbaren ist.

 

119      Die Kommission meint aber, dass sie, indem sie angenommen habe, dass die durch die Nutzung der Lizenzen des geistigen Eigentums erwirtschafteten Gewinne, weil die Verwaltungssitze von ASI und AOE außerhalb ihrer irischen Zweigniederlassungen weder über Mitarbeiter noch über physische Präsenz verfügt hätten, um diese Lizenzen kontrollieren und verwalten zu können, steuerrechtlich den Zweigniederlassungen hätten zugewiesen werden müssen, gar keine Prüfung „im Wege eines Ausschlussverfahrens“ vorgenommen habe.

 

120      Hierzu ist erstens festzustellen, dass sich aus dem streitigen Beschluss ergibt, dass die Kommission bei ihren Erwägungen davon ausgegangen ist, dass bei der Anwendung von Section 25 TCA 97, die selbst keine Methode der Gewinnzuweisung festlege, zunächst eine Methode der Gewinnzuweisung festgelegt werden müsse und dass diese Methode zu einem Ergebnis führen müsse, das mit dem Fremdvergleichsgrundsatz in Einklang stehe. Das Gericht hat diese Annahme nicht beanstandet. Es hat jedoch – in Einklang mit dem, was im Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 96 bis 105), entschieden wurde – darauf hingewiesen, dass Art. 107 Abs. 1 AEUV für die Mitgliedstaaten, anders als die Kommission annehme, nicht die Verpflichtung begründe, unabhängig vom Inhalt des auf die Besteuerung der betreffenden Gesellschaften anwendbaren nationalen Steuerrechts den Fremdvergleichsgrundsatz anzuwenden.

 

121      Es hat in der Rn. 221 des angefochtenen Urteils nämlich ganz klar festgestellt, dass die Annahme der Kommission, dass sich aus Art. 107 Abs. 1 AEUV eine eigenständige Pflicht zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes ergebe und die Mitgliedstaaten diesen Grundsatz danach horizontal und in allen Bereichen ihres nationalen Steuerrechts anzuwenden hätten, nicht zutreffe.

 

122      In Rn. 224 des angefochtenen Urteils hat das Gericht hierzu weiter ausgeführt, dass sich die sogenannte „normale“ Besteuerung nach den Vorschriften des nationalen Steuerrechts bestimme und das tatsächliche Vorliegen eines Vorteils anhand dieser Vorschriften festzustellen sei. Es hat aber klargestellt, dass die Kommission, wenn die Zweigniederlassungen gebietsfremder Unternehmen bezüglich der Gewinne aus ihren Handelsgeschäften in Irland und gebietsansässige Unternehmen aufgrund dieser nationalen Vorschriften steuerlich gleichbehandelt würden, nach Art. 107 Abs. 1 AEUV überprüfen dürfe, ob die Gewinne, die solchen Zweigniederlassungen zugewiesen und von den nationalen Behörden zur Bestimmung des zu versteuernden Gewinns dieser gebietsfremden Unternehmen akzeptiert worden seien, in ihrer Höhe den Gewinnen entsprächen, die erzielt worden wären, wenn die Handelsgeschäfte unter Marktbedingungen betrieben worden wären.

 

123      Wie das Gericht in den Rn. 210, 211, 218 bis 220 und 247 des angefochtenen Urteils anerkannt hat, sind Grundlage für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im vorliegenden Fall daher die Vorschriften des irischen Körperschaftsteuerrechts, also das von der Kommission bestimmte und vom Gericht bestätigte Bezugssystem. Insoweit hat das Gericht in Rn. 239 des angefochtenen Urteils ausdrücklich anerkannt, dass die von Irland beschriebene Anwendung von Section 25 TCA 97 entgegen dem Vorbringen von Irland im Kern der funktions- und sachverhaltsbezogenen Analyse entspreche, die auf der ersten Stufe des AOA vorgenommen werde, die dazu diene, die Vermögenswerte, Funktionen und Risiken zu ermitteln, die der Betriebsstätte eines Unternehmens zuzuweisen seien.

 

124      Aufgrund dieser Feststellungen hat das Gericht insbesondere in den Rn. 247 und 248 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Kommission insoweit nicht fehlerhaft gehandelt habe, als sie sich im Rahmen der Überprüfung, ob bei der Anwendung von Section 25 TCA 97 durch die irische Finanzverwaltung die mit den beanstandeten Steuervorbescheiden akzeptierten Gewinne, die den Zweigniederlassungen von ASI und AOE für ihre Handelsgeschäfte in Irland zugewiesen worden seien, in ihrer Höhe den Gewinnen entsprochen hätten, die erzielt worden wären, wenn die Handelsgeschäfte unter Marktbedingungen betrieben worden wären, auf den Fremdvergleichsgrundsatz als Hilfsmittel berufen und sich bei der Anwendung von Section 25 TCA 97, indem sie die Aufteilung der Vermögenswerte, der Funktionen und der Risiken zwischen den Zweigniederlassungen und den anderen Teilen von ASI und AOE berücksichtigt habe, im Wesentlichen auf den AOA gestützt habe. Da sie im Rechtsmittelverfahren von den übrigen Parteien nicht wirksam angegriffen worden sind, sind diese Feststellungen verbindlich.

 

125      Zweitens ist festzustellen, dass die Kommission, was die auf dem Fremdvergleichsgrundsatz beruhende Methode der Gewinnzuweisung angeht, die die irische Finanzverwaltung nach Section 25 TCA 97 ihrer Auffassung nach hätte anwenden müssen, angenommen hat, dass die einer Zweigniederlassung einer gebietsfremden Gesellschaft nach dieser Vorschrift zuzuweisenden Gewinne die Gewinne seien „die diese Zweigniederlassung unter Wettbewerbsbedingungen erzielt hätte, insbesondere im Rahmen ihrer Geschäfte mit den anderen Teilen des Unternehmens, wäre es ein separates und unabhängiges Unternehmen, das dieselben oder ähnliche Tätigkeiten unter denselben oder ähnlichen Bedingungen ausübt, unter Berücksichtigung der durch das Unternehmen über seine Zweigniederlassung und über die anderen Teile des Unternehmens eingesetzten Vermögenswerte, wahrgenommenen Funktionen und übernommenen Risiken“ (streitiger Beschluss, 272. Erwägungsgrund). Danach hatte die irische Finanzverwaltung im vorliegenden Fall nach Auffassung der Kommission vor einer Billigung der von der Apple Inc. vorgeschlagenen Methode der Gewinnzuweisung zu prüfen, ob die Lizenzen des geistigen Eigentums und die entsprechenden Gewinne, wie von der Apple Inc. behauptet, Einheiten außerhalb Irlands zuzuweisen seien. Hierzu hätte sie vergleichen müssen, welche Funktionen ASI und AOE über ihre Verwaltungssitze und welche sie über ihre irischen Zweigniederlassungen ausgeübt hätten, welche Vermögenswerte diese Gesellschaften über ihre Verwaltungssitze und welche sie über ihre irischen Zweigniederlassungen eingesetzt hätten und welche Risiken sie über ihre Verwaltungssitze und welche sie über ihre irischen Zweigniederlassungen übernommen hätten (streitiger Beschluss, 273. Erwägungsgrund)

 

126      Drittens hat die Kommission nacheinander geprüft, inwieweit die Funktionen, die von den Verwaltungssitzen (streitiger Beschluss, Erwägungsgründe 276 bis 294) und den Zweigniederlassungen (streitiger Beschluss, Erwägungsgründe 295 bis 304) von ASI und AOE sowie von der Apple Inc. (streitiger Beschluss, Erwägungsgründe 308 bis 318) ausgeübt wurden, relevant waren und auch tatsächlich ausgeübt wurden. Sie ist insbesondere zu dem Schluss gelangt, dass eine Zuweisung der durch die von ASI und AOE gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums erwirtschafteten Gewinne an Einheiten außerhalb von Irland von den irischen Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften nicht akzeptiert worden wäre, wenn es sich bei ihnen um gesonderte, selbständige Unternehmen gehandelt hätte, die unter Marktbedingungen gehandelt hätten, und dass die Lizenzen des geistigen Eigentums in Anbetracht der Funktionen, die von den Verwaltungssitzen nicht ausgeübt worden seien, und/oder der Funktionen, die von den irischen Zweigniederlassungen ausgeübt worden seien, steuerlich Letzteren hätten zugewiesen werden müssen (streitiger Beschluss, 305. Erwägungsgrund).

 

127      Viertens ist die Kommission insgesamt zu dem Schluss gelangt, dass die beanstandeten Steuervorbescheide wegen der von der irischen Finanzverwaltung angewandten Methode der Zuweisung der Lizenzen des geistigen Eigentums und der entsprechenden Gewinne zu einer erheblichen Verringerung des in Irland zu versteuernden Jahresgewinns von ASI und AOE geführt und diesen Gesellschaften damit einen selektiven Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verschafft hätten (streitiger Beschluss, Erwägungsgründe 320 und 321).

 

128      Aus den einzelnen Stufen der im streitigen Beschluss dargestellten Prüfung ergibt sich somit, dass die Kommission zunächst angenommen hat, dass zur Bestimmung des in Irland zu versteuernden Gewinns von ASI und AOE nach dem Fremdvergleichsgrundsatz gemäß Section 25 TCA 97 die Funktionen, die von den Verwaltungssitzen im Zusammenhang mit den Lizenzen des geistigen Eigentums ausgeübt worden seien, mit denjenigen zu vergleichen seien, die von den irischen Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften insoweit ausgeübt worden seien. Sodann hat sie nach diesem Kriterium einzeln geprüft, welche Rolle die Verwaltungssitze von ASI und AOE und deren irische Zweigniederlassungen jeweils im Zusammenhang mit den Lizenzen des geistigen Eigentums gehabt haben. Sie ist zu dem Schluss gelangt, dass die Verwaltungssitze im Zusammenhang mit den Lizenzen des geistigen Eigentums keine Funktionen ausgeübt hätten und – insbesondere in den Erwägungsgründen 296 bis 303 des streitigen Beschlusses –, dass die irischen Zweigniederlassungen, weil sie im Zusammenhang mit der Verwaltung und Nutzung dieser Lizenzen eine Reihe von Funktionen ausgeübt und eine Reihe von Risiken übernommen hätten, eine aktive Rolle gespielt hätten. Die Feststellung, dass die Verwaltungssitze keine „aktive[n] oder kritische[n] Funktionen“ ausgeübt hätten, wird darauf gestützt, dass die Apple Inc. das Gegenteil nicht bewiesen habe und dass die Verwaltungssitze überhaupt nicht in der Lage gewesen seien, solche Funktionen auszuüben. Die Kommission hat im Rahmen ihrer Haupterwägungen mithin nicht allein darauf abgestellt, dass die Verwaltungssitze im Zusammenhang mit den Lizenzen des geistigen Eigentums keine Funktionen ausgeübt hätten, sondern auch geprüft, welche Funktionen die Zweigniederlassungen im Zusammenhang mit diesen Lizenzen tatsächlich ausgeübt haben.

 

129      Wie der Generalanwalt im Wesentlichen in Nr. 29 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist die Kommission also nicht deshalb zu dem Schluss gelangt, dass die Lizenzen des geistigen Eigentums und die entsprechenden Gewinne den irischen Zweigniederlassungen zuzuweisen seien, weil sie festgestellt hat, dass die Verwaltungssitze außerhalb dieser Zweigniederlassungen weder über Mitarbeiter noch über physische Präsenz verfügt hätten, sondern nach einer Verknüpfung zwei gesonderter Feststellungen, nämlich der Feststellung, dass die Verwaltungssitze keine aktiven oder kritischen Funktionen ausgeübt und keine Risiken übernommen hätten, und der Feststellung, dass die Zweigniederlassungen vielfältige Kernfunktionen ausgeübt und vielfältige Kernrisiken übernommen hätten, und zwar gemäß dem im 272. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses genannten Kriterium.

 

130      Mit der Feststellung in Rn. 186 des angefochtenen Urteils, dass „[d]ie Kommission … sich im Rahmen ihrer Hauptargumentation … nicht bemüht [hat], nachzuweisen, dass die irischen Zweigniederlassungen von ASI und von AOE die Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns tatsächlich kontrolliert hatten, als sie befand, die irische Finanzverwaltung hätte die Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns diesen Zweigniederlassungen zuweisen … müssen“, wird mithin der Inhalt des streitigen Beschlusses verfälscht.

 

131      Somit ist festzustellen, dass das Gericht, indem es den streitigen Beschluss unrichtig aufgefasst hat, rechtsfehlerhaft angenommen hat, dass sich die Kommission bei ihren Haupterwägungen auf eine Prüfung „im Wege eines Ausschlussverfahrens“ beschränkt habe.

 

132      Die erste Rüge des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes greift mithin durch.

 

ii) Zur zweiten und zur dritten Rüge des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes

133      Da der ersten Rüge des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes stattgegeben wird, sind die übrigen Rügen des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes, mit denen dieselben Ausführungen des Gerichts angegriffen werden, nicht zu prüfen.

 

2. Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

a)         Vorbringen der Parteien

134      Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Kommission geltend, dass das angefochtene Urteil, weil das Gericht in den Rn. 255 bis 302 des angefochtenen Urteils implizit anerkannt habe, dass bei der Bestimmung des in Irland zu versteuernden Gewinns von ASI und AOE die von der Apple Inc. ausgeübten Funktionen zu berücksichtigen seien, unter Verfahrensfehlern, einem Begründungsmangel, Rechtsfehlern und einer Verfälschung des anwendbaren nationalen Rechts leide.

 

135      Erstens sei dem Gericht in diesen Randnummern des angefochtenen Urteils ein Verfahrensfehler unterlaufen, und das Gericht sei seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen. Die Kommission habe in den Erwägungsgründen 308 bis 318 des streitigen Beschlusses und in ihren erstinstanzlichen Schriftsätzen dargelegt, warum es bei der Beurteilung der beanstandeten Steuervorbescheide nicht darauf ankomme, welche Funktionen die Apple Inc. im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum des Apple-Konzerns „zum Nutzen“ von ASI und AOE oder „im Namen“ dieser Gesellschaften ausgeübt habe. Dass das Gericht bei der Zurückweisung ihrer Haupterwägungen auf die Funktionen der Apple Inc. abgestellt habe, ohne ihre Erläuterungen zu berücksichtigen und ohne auf die Frage einzugehen, ob bei den Mitarbeitern der Apple Inc. im Zusammenhang mit der Zuweisung der Gewinne davon ausgegangen werden könne, dass sie Funktionen „im Namen“ von ASI und AOE ausgeübt hätten, stelle einen Verfahrensfehler und einen Begründungsmangel dar. Indem es auf die Funktionen der Apple Inc. abgestellt habe, habe sich das Gericht auch in Widerspruch zu dem rechtlichen Kriterium gesetzt, das es in den Rn. 240 und 248 des angefochtenen Urteils bei der Anwendung von Section 25 TCA 97 gebilligt habe, in denen es darauf abgestellt habe, welche Funktionen die Zweigniederlassungen und die Gesellschaften, zu denen diese gehört hätten, ausgeübt, welche Vermögenswerte sie eingesetzt und welche Risiken sie übernommen hätten, ohne die von der Apple Inc. ausgeübten Funktionen zu erwähnen. Dieser Widerspruch stelle einen Begründungsmangel dar.

 

136      Zweitens macht die Kommission geltend, dass das Gericht in den Rn. 267, 269, 273 bis 275, 277, 281, 283 und 298 bis 302 des angefochtenen Urteils, indem es bei der Zurückweisung der Zuweisung der von ASI und AOE gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns an die irischen Zweigniederlassungen auf die von der Apple Inc. ausgeübten Funktionen abgestellt habe, gegen den Ansatz der gesonderten Einheit und gegen den Fremdvergleichsgrundsatz verstoßen habe. Entsprechend habe das Gericht mit der Feststellung, dass sie im streitigen Beschluss nicht dargetan habe, dass ein Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliege, die in den Rn. 251 bis 311 des angefochtenen Urteils dargestellten Tatsachen rechtlich nicht richtig qualifiziert.

 

137      Dieser Rechtsfehler bestehe als Erstes in einer unzutreffenden Auslegung von Art. 107 Abs. 1 AEUV und in einer Verfälschung des nationalen Rechts. Da die Apple Inc. nicht Inhaberin der Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns sei, könne es bei der Zuweisung dieser Lizenzen an die Verwaltungssitze oder Zweigniederlassungen von ASI und AOE nicht darauf ankommen, welche Funktionen die Apple Inc. im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum des Apple-Konzerns ausübe. Es ergebe sich aus dem Ansatz der gesonderten Einheit und dem Fremdvergleichsgrundsatz, dass die Apple Inc. einerseits und ASI und AOE andererseits steuerrechtlich als gesonderte Einheiten zu behandeln seien und dass ihre geschäftlichen und finanziellen Beziehungen, die durch konzerninterne Transaktionen bestimmt würden, nach dem Fremdvergleichsgrundsatz bewertet werden müssten. Für die Aufteilung der Gewinne von ASI und AOE auf die Verwaltungssitze und Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften sei allein maßgeblich, welche Funktion diese ausgeübt hätten. Die Funktionen im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum des Apple-Konzerns, die die Apple Inc. „zum Nutzen“ von ASI und AOE oder „im Namen“ dieser Gesellschaften ausgeübt habe, könnten deshalb grundsätzlich nur den Verwaltungssitzen oder Zweigniederlassungen von ASI und AOE zugewiesen werden. Konzernrichtlinien könnten zwar als Grundlage für konzerninterne Transaktionen zwischen verbundenen Gesellschaften eines multinationalen Konzerns dienen. Wie sie im 317. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses und in ihren erstinstanzlichen Schriftsätzen dargelegt habe, könnten sie aber nicht bei der Zuweisung der Gewinne an eine Betriebsstätte einer gebietsfremden Konzerngesellschaft berücksichtigt werden.

 

138      Als Zweites habe das Gericht, indem es bei der Zurückweisung ihrer nach dem Ansatz der gesonderten Einheit und dem Fremdvergleichsgrundsatz im Hinblick auf die Struktur des Apple-Konzerns getroffenen Entscheidung, die von ASI und AOE gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns den irischen Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften zuzuweisen, zu Unrecht auf die von der Apple Inc. ausgeübten Funktion abgestellt habe, gegen den Ansatz der gesonderten Einheit und den Fremdvergleichsgrundsatz verstoßen. Es habe damit in den Rn. 255 bis 302 des angefochtenen Urteils den Begriff des Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht richtig angewandt und/oder das nationale Recht verfälscht.

 

139      Zu der Qualitätskontrolle, dem Management der Einrichtungen für Forschung und Entwicklung und dem Management der unternehmerischen Risiken (angefochtenes Urteil, Rn. 259 bis 267 und 288) macht die Kommission geltend, dass die Funktionen und Risiken, auf die das Gericht abgestellt habe, um ihre Haupterwägungen zum Vorliegen eines Vorteils zurückzuweisen, allesamt von der Apple Inc. ausgeübt worden seien, entweder als Muttergesellschaft des Apple-Konzerns im Rahmen der Konzernrichtlinien oder gemäß der Kostenteilungsvereinbarung „zum Nutzen“ von ASI und AOE. Wie sie in den Erwägungsgründen 308 bis 318 des streitigen Beschlusses dargelegt habe, seien diese Aufgaben und diese Risiken für die Aufteilung des Gewinns von ASI und AOE auf die Verwaltungssitze und Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften nicht relevant.

 

140      Weiter habe das Gericht in den Rn. 268 bis 284 des angefochtenen Urteils bei der Prüfung der einzelnen Funktionen, die nach den von ihr im streitigen Beschluss getroffenen Feststellungen von der irischen Zweigniederlassung von ASI ausgeübt worden seien, zu Unrecht auf von der Apple Inc. ausgeübte Funktionen abgestellt. Die von der Apple Inc. entwickelten Richtlinien und Strategien spielten für die Aufteilung des Gewinns von ASI auf den Verwaltungssitz und die Zweigniederlassung dieser Gesellschaft nämlich keine Rolle.

 

141      Zu den von der irischen Zweigniederlassung von AOE ausgeübten Funktionen (angefochtenes Urteil, Rn. 285 bis 295) macht die Kommission geltend, dass das Gericht zu Unrecht angenommen habe, dass diese es nicht rechtfertigten, dass sie dieser die Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns zugewiesen habe.

 

142      Was die Beispiele für strategische Entscheidungen des Apple-Konzerns (angefochtenes Urteil, Rn. 298 bis 302) angeht, macht die Kommission schließlich geltend, dass diese für die Aufteilung des Gewinns von ASI und AOE auf die Verwaltungssitze und Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften nicht relevant seien. Die angeblichen Beweise für Verträge, die „von der Muttergesellschaft, Apple Inc., … ausgehandelt und unterzeichnet [wurden]“ (angefochtenes Urteil, Rn. 301), seien im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegt worden, sondern erstmals im Verfahren vor dem Gericht in der Rechtssache T‑892/16. Sie seien deshalb unzulässig. Von den Vollmachten, auf deren Grundlage die Mitglieder der Geschäftsleitung der Apple Inc. diese Verträge „für“ ASI unterzeichnet hätten, seien drei erst mit der Erwiderung (Rechtssache T‑892/16) vorgelegt worden. Indem es diese Vollmachten, deren Nichtvorlage im Stadium der Klageschrift nicht gerechtfertigt gewesen sei, herangezogen habe, habe das Gericht einen Verfahrensfehler begangen. Jedenfalls seien die genannten Beweise für die Aufteilung des Gewinns von ASI und AOE auf die Verwaltungssitze und Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften nicht relevant.

 

143      In der Erwiderung weist die Kommission das Vorbringen der übrigen Parteien des Verfahrens zurück, dass das Gericht angenommen habe, dass für die Anwendung von Section 25 TCA 97 allein die von den irischen Zweigniederlassungen ausgeübten Funktionen maßgeblich seien, und daher, um ihre Haupterwägungen zum Vorliegen eines Vorteils zurückzuweisen, auf die von der Apple Inc. ausgeübten Funktionen nicht abgestellt habe und auch nicht habe abstellen müssen.

 

144      In den Rn. 240, 242, 247 und 248 des angefochtenen Urteils habe das Gericht das von ihr in den Erwägungsgründen 265 bis 274 des streitigen Beschlusses dargestellte rechtliche Kriterium gebilligt, nach dem für die Feststellung des Vorliegens eines Vorteils allein maßgeblich sei, welche Tätigkeiten die Verwaltungssitze und die Zweigniederlassungen von ASI und AOE ausgeübt, welche Vermögenswerte sie eingesetzt und welche Risiken sie übernommen hätten. Auch wenn Irland, ASI, AOI und das Großherzogtum Luxemburg die in diesen Randnummern des angefochtenen Urteils getroffenen Feststellungen nicht für richtig hielten, seien diese, weil sie nicht mit einem Anschlussrechtsmittel angegriffen worden seien, nunmehr rechtskräftig (Urteil vom 4. März 2021, Kommission/Fútbol Club Barcelona, C‑362/19 P, EU:C:2021:169, Rn. 110). Und, anders als Irland, ASI, AOI und das Großherzogtum Luxemburg behaupteten, habe das Gericht tatsächlich ein anderes Kriterium angewandt als das, das es gebilligt habe. Dieses andere Kriterium beruhe auf einem Vergleich zwischen den Funktionen, die die irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE ausgeübt hätten, mit den Funktionen, die Apple Inc. ausgeübt habe.

 

145      Irland meint, die Behauptungen der Kommission zu den „von der Apple [Inc.] ausgeübten“ Funktionen seien unzulässig und gingen ins Leere, seien jedenfalls aber unbegründet.

 

146      Erstens werde mit ihnen das angefochtene Urteil verfälscht. Anders als die Kommission behaupte, seien die Haupterwägungen der Kommission im angefochtenen Urteil nicht wegen der angeblich „von der Apple [Inc.] ausgeübten Funktionen“ zurückgewiesen worden, die für die Beurteilung der Tätigkeiten der irischen Zweigniederlassungen überhaupt nicht relevant seien, sondern wegen der Tätigkeiten, die diese Zweigniederlassungen tatsächlich ausgeübt hätten, und weil die Kommission nicht dargetan gehabt habe, dass die Zweigniederlassungen tatsächlich Kernfunktionen ausgeübt und im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum des Apple-Konzerns Risiken verwaltet hätten. Das Gericht habe zu den Behauptungen der Kommission festgestellt, dass die strategischen Entscheidungen in Bezug auf das geistige Eigentum des Apple-Konzerns nachweislich allesamt in den Vereinigten Staaten getroffen worden seien und dass die Vorstandsmitglieder von ASI und AOE tatsächlich in der Lage gewesen seien, die wesentlichen Funktionen dieser Gesellschaften auszuüben, und dies auch getan hätten.

 

147      Zweitens sei dem Gericht kein Verfahrensfehler unterlaufen. Und das angefochtene Urteil leide auch nicht unter einem Begründungsmangel. Das Gericht, das nicht verpflichtet gewesen sei, auf jeden einzelnen Punkt des Vorbringens der Parteien einzugehen, habe das Vorbringen der Kommission zur Rolle der Mitarbeiter der Apple Inc. durchaus geprüft. Bei den Beweisen für die Unterzeichnung von Verträgen, die die Kommission für unzulässig halte, handele es sich lediglich um einen Teil der Beweise, die das Gericht zur Stützung seiner Feststellung in Rn. 302 des angefochtenen Urteils herangezogen habe. Jedenfalls könne eine Nichtigkeitsklage, anders als die Kommission behaupte, durchaus auf Informationen gestützt werden, die im Verwaltungsverfahren nicht erteilt worden seien, sofern die Informationen seinerzeit verfügbar gewesen seien und von der Kommission hätten geprüft werden müssen (Urteile vom 20. September 2017, Kommission/Frucona Košice, C‑300/16 P, EU:C:2017:706, Rn. 71, und vom 22. Mai 2019, Real Madrid Club de Fútbol/Kommission, T‑791/16, EU:T:2019:346, Rn. 118).

 

148      Drittens gehe es der Kommission mit ihrem Vorbringen, dass das Gericht gegen Art. 107 AEUV verstoßen und diese Vorschrift nicht richtig angewandt und das nationale Recht verfälscht habe, in Wirklichkeit darum, die Tatsachenfeststellungen des Gerichts anzugreifen. Insbesondere habe die Kommission zu ihrer Behauptung, dass das Gericht das irische Recht verfälscht habe, nichts weiter vorgetragen und auch keine Beweise vorgelegt. Dieses Vorbringen der Kommission sei daher unzulässig. Die Kommission habe auch nicht dargelegt, inwiefern das angefochtene Urteil wegen einer Verletzung oder Verkennung des Ansatzes der gesonderten Einheit oder des Fremdvergleichsgrundsatzes gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV verstieße.

 

149      Jedenfalls gehe das Vorbringen der Kommission ins Leere. Die vom Gericht festgestellten Tatsachen zeigten, dass die Gewinne, auf die ASI und AOE tatsächlich Steuern gezahlt hätten, bei Anwendung des AOA, auf die sich die Kommission berufe, dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprochen hätten. Selbst wenn dem Gericht Rechtsfehler unterlaufen wären und es gegen Art. 107 AEUV verstoßen oder das nationale Recht verfälscht hätte, was nicht der Fall sei, könnte dies nichts an diesen Tatsachenfeststellungen ändern, die die Kommission, solange keine Verfälschung vorliege, nicht angreifen könne.

 

150      ASI und AOI meinen, der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes sei als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet und/oder ins Leere gehend zurückzuweisen.

 

151      Der grundlegende Fehler des Ansatzes der Kommission bestehe darin, dass diese die Tätigkeiten von ASI und AOE in Irland nicht richtig bewertet habe. Das Gericht habe die zahlreichen Beweise geprüft und zu Recht entschieden, dass die Höhe der Besteuerung dieser Gesellschaften in Irland in Anbetracht der Funktionen und Tätigkeiten, die die irischen Zweigniederlassungen ausgeübt hätten, dem nationalen Steuerrecht entspreche. Keins der von der Kommission vorgebrachten Argumente sei geeignet, das angefochtene Urteil zu entkräften.

 

152      Erstens mache die Kommission zu Unrecht geltend, dass das Gericht gegen Art. 107 AEUV verstoßen und das nationale Recht verfälscht habe. Die Kommission verfälschte das angefochtene Urteil. Es gehe ihr in Wirklichkeit darum, die Tatsachenfeststellungen des Gerichts anzugreifen. Die Kommission gebe aber nicht an, welche Beweise genau das Gericht auf welche Weise verfälscht haben soll.

 

153      Zweitens mache die Kommission zu Unrecht geltend, dass das angefochtene Urteil unter einem Verfahrensfehler und einem Begründungsmangel leide, weil das Gericht auf ihr Vorbringen zu den „Tätigkeiten, die von [der] Apple [Inc.] ausgeübt wurden“, und den Tätigkeiten, die von den Mitarbeitern der Apple Inc., die für ASI und AOE und im Namen dieser Gesellschaften gehandelt hätten, ausgeübt worden seien, nicht eingegangen sei. Das Gericht habe dieses Vorbringen geprüft und zurückgewiesen. Es habe eine ausreichende Begründung gegeben, anhand derer die Parteien hätten erkennen könnten, von welchen Erwägungen es sich habe leiten lassen, und anhand derer der Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren seine Kontrolle ausüben könne.

 

154      Drittens könne keine Rede davon sein, dass das Gericht unzulässige Beweise herangezogen hätte. Als Erstes sei festzustellen, dass die Kommission zu Unrecht rüge, dass das Gericht Beweise für die Tätigkeiten von ASI und AOE außerhalb von Irland herangezogen habe, die erstmals mit der in der Rechtssache T‑892/16 eingereichten Klageschrift vorgelegt worden seien. Das Gericht sei ohnehin verpflichtet gewesen, sämtliche relevanten Informationen zu berücksichtigen, die von der Kommission im Verwaltungsverfahren hätten erlangt werden können (Urteil vom 20. September 2017, Kommission/Frucona Košice, C‑300/16 P, EU:C:2017:706, Rn. 71). Als Zweites sei festzustellen, dass die Kommission ebenfalls zu Unrecht geltend mache, dass es sich bei bestimmten Vollmachten, die ASI und AOE erteilt hätten, um unzulässige Beweise handele. Diese Gesellschaften hätten die Kommission im Verwaltungsverfahren darauf hingewiesen, dass die Vollmachten von Bedeutung seien, insbesondere, indem sie der Kommission Protokolle der Vorstandssitzungen vorgelegt hätten. Sie seien daher befugt gewesen, diese Beweise in ihre Klageschrift aufzunehmen. Und das Gericht habe diese Beweise, auch wenn es sich dann am Ende in seinem Urteil auf den Sachverhalt und die Beweise, die in den Akten der Kommission dargestellt worden seien, gestützt habe, zu Recht für zulässig erachtet und geprüft. Im Übrigen gehe die Rüge der Kommission jedenfalls ins Leere, da die Vollmachten, die die Funktionen von ASI und AOE außerhalb von Irland beträfen, nicht geeignet seien, die Feststellung des Gerichts zu entkräften, dass die Kommission die Tätigkeiten dieser Gesellschaften in Irland nicht richtig beurteilt habe.

 

155      Das Großherzogtum Luxemburg weist darauf hin, dass es lediglich auf bestimmte Punkte des Rechtsmittels der Kommission eingehen wolle, nämlich die, die Fragen von allgemeiner Bedeutung, insbesondere die Haupterwägungen zum Vorliegen eines Vorteils, die für die Prüfung der beanstandeten Steuervorbescheide geltenden Grundsätze und das geltende Beweismaß, beträfen. Auf die Ausführungen der Kommission zur Aufteilung der Funktionen zwischen den verschiedenen Einheiten des Apple-Konzerns geht es hingegen nicht ein. Es weist insoweit lediglich darauf hin, dass es sich ausschließlich um Tatsachenfragen handele, die nach ständiger Rechtsprechung nicht Gegenstand eines Rechtsmittels sein könnten.

 

156      Zur Begründetheit macht das Großherzogtum Luxemburg erstens geltend, dass sich die Kommission nicht auf von ihr autonom ohne Rücksicht auf das nationale Steuerrecht definierte grundlegende Steuerprinzipien wie den Fremdvergleichsgrundsatz und den Ansatz der gesonderten Einheit berufen könne. Das Gericht habe zu Recht darauf hingewiesen, dass bereits das Vorliegen eines Vorteils nur in Bezug auf eine sogenannte „normale“ Besteuerung festgestellt werden könne (angefochtenes Urteil, Rn. 223) und dass die Kommission daher allein anhand des irischen Steuerrechts zu prüfen gehabt habe, ob die beanstandeten Steuervorbescheide einen Vorteil verschafft hätten (angefochtenes Urteil, Rn. 234). Zweitens lasse die Kommission den ersten Teil des angefochtenen Urteils völlig außer Betracht, in dem eindeutig festgestellt werde, dass die Kommission das irische Steuerrecht nicht richtig angewandt habe, und verschweige maßgebliche Feststellungen des Gerichts zur Auslegung dieses Rechts, insbesondere von Section 25 TCA 97, die die Besteuerung gebietsfremder Gesellschaften in Irland betreffe. Drittens habe das Gericht, auch wenn es für die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses nicht erforderlich gewesen sei, zu Recht berücksichtigt, welche Funktionen die Apple Inc. ausgeübt habe. Dies sei relevant gewesen, um zu bestätigen, dass die irischen Zweigniederlassungen nicht sämtliche Funktionen im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum des Apple-Konzerns „tatsächlich“ ausgeübt hätten.

 

157      Die EFTA-Überwachungsbehörde macht sich die Auffassung der Kommission zu eigen. Sie macht geltend, dass die irische Finanzverwaltung bei der Anwendung von Section 25 TCA 97 gemäß dem Ansatz der gesonderten Einheit und dem Fremdvergleichsgrundsatz hätte prüfen müssen, welche Funktionen die irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE im Zusammenhang mit den von diesen Gesellschaften gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns ausgeübt hätten, im Vergleich zu denen, die die Verwaltungssitze von ASI und AOE insoweit ausgeübt hätten. Das habe das Gericht in Rn. 248 des angefochtenen Urteils bestätigt, indem es festgestellt habe, dass „bei der Anwendung von Section 25 TCA 97 … die Zuweisung der Gewinne an die irische Zweigniederlassung eines gebietsfremden Unternehmens anhand der Aufteilung der Vermögenswerte, der Funktionen und der Risiken zwischen der Zweigniederlassung und den anderen Teilen dieses Unternehmens zu erfolgen [habe]“. Es habe dieses Kriterium bei der Zurückweisung der Haupterwägungen der Kommission in den Rn. 251 bis 302 des angefochtenen Urteils aber nicht angewandt.

 

b) Würdigung durch den Gerichtshof

158      Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes wendet sich die Kommission im Wesentlichen gegen die Rn. 251 bis 311 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht auf die Ausführungen der Kommission zu den im Apple-Konzern ausgeübten Tätigkeiten eingeht. Es prüft zunächst die Tätigkeiten der irischen Zweigniederlassung von ASI (angefochtenes Urteil, Rn. 255 bis 284), dann die Tätigkeiten der irischen Zweigniederlassung von AOE (angefochtenes Urteil, Rn. 285 bis 295) und schließlich die Tätigkeiten außerhalb dieser Zweigniederlassungen (angefochtenes Urteil, Rn. 296 bis 309).

 

159      Die Kommission macht insoweit geltend, dass die Apple Inc. eine von ASI und AOE gesonderte Einheit darstelle, so dass die Funktionen, die sie im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum des Apple-Konzerns in ihrer Eigenschaft als Muttergesellschaft des Apple-Konzerns oder in Durchführung von konzerninternen Vereinbarungen „zum Nutzen“ des gesamten Konzerns oder speziell von ASI und AOE oder „im Namen“ von ASI und AOE ausgeübt habe, für die Aufteilung der Gewinne aus der Nutzung der von ASI und AOE für den Kauf, die Herstellung, den Verkauf und den Vertrieb von Produkten des Konzerns außerhalb des amerikanischen Kontinents gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums des Konzerns nicht relevant seien.

 

160      Die Kommission erhebt in diesem Zusammenhang zwei Rügen. Mit der ersten macht sie geltend, dass dem Gericht ein Verfahrensfehler unterlaufen sei und die Begründung des angefochtenen Urteils unzureichend und widersprüchlich sei, mit der zweiten, dass das Gericht gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV verstoßen habe, das irische Recht verfälscht habe und ihm wegen der Heranziehung unzulässiger Beweise ein Verfahrensfehler unterlaufen sei.

 

161      Irland, ASI und AOI und das Großherzogtum Luxemburg, deren Vorbringen sich insoweit größtenteils deckt, meinen, die von der Kommission erhobenen Rügen seien teilweise unzulässig und gingen ins Leere, seien jedenfalls aber unbegründet.

 

162      Es bietet sich an, als Erstes auf die zweite Rüge der Kommission einzugehen.

 

1) Zur zweiten Rüge des zweiten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes: Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV, Verfälschung des irischen Rechts und Verfahrensfehler

163      Die Kommission macht geltend, dass das Gericht, indem es auf die von der Apple Inc. ausgeübten Funktionen abgestellt habe, gegen den Ansatz der gesonderten Einheit und gegen den Fremdvergleichsgrundsatz verstoßen habe, die Section 25 TCA 97 zugrunde lägen. Da ein Fehler bei der Auslegung oder Anwendung des nationalen Rechts nach der Rechtsprechung einen Fehler bei der Auslegung und Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle, habe das Gericht auch gegen diese Vorschrift verstoßen. Indem es in Rn. 248 des angefochtenen Urteils angenommen habe, dass „bei der Anwendung von Section 25 TCA 97 … die Zuweisung der Gewinne an die irische Zweigniederlassung eines gebietsfremden Unternehmens anhand der Aufteilung der Vermögenswerte, der Funktionen und der Risiken zwischen der Zweigniederlassung und den anderen Teilen dieses Unternehmens zu erfolgen [habe]“, habe das Gericht das irische Recht richtig ausgelegt. In den Rn. 255 bis 302 des angefochtenen Urteils habe es dann aber, indem es die von den irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE ausgeübten Tätigkeiten anstatt mit den von den Verwaltungssitzen von ASI und AOE in Irland ausgeübten Tätigkeiten mit den von der Apple Inc. ausgeübten Tätigkeiten verglichen habe, ein anderes, unrichtiges „rechtliches Kriterium“ angewandt.

 

164      Die Kommission macht ferner geltend, dass dem Gericht ein Verfahrensfehler unterlaufen sei, weil es unzulässige Beweise herangezogen habe.

 

i) Zur Zulässigkeit

165      Gegen die Zulässigkeit der zweiten Rüge des zweiten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes werden zweierlei Einwände erhoben.

 

166      Erstens halten Irland, ASI und AOI und das Großherzogtum Luxemburg die Rüge für unzulässig, weil es der Kommission damit darum gehe, die vom Gericht vorgenommene Würdigung der Tatsachen und Beweise anzugreifen.

 

167      Dieses Vorbringen greift nicht durch.

 

168      Der Gerichtshof ist im Rechtsmittelverfahren nicht zur Feststellung von Tatsachen befugt und darf die Beweise, auf die das Gericht seine Feststellungen zu diesen Tatsachen gestützt hat, grundsätzlich nicht überprüfen. Sofern diese Beweise nämlich ordnungsgemäß erhoben und die allgemeinen Rechtsgrundsätze sowie die Vorschriften über die Beweislast und die Beweisaufnahme eingehalten worden sind, ist es allein Sache des Gerichts, den Wert der ihm vorgelegten Beweise zu würdigen. Diese Würdigung ist daher – sofern die dem Gericht vorgelegten Beweise nicht verfälscht werden – keine Rechtsfrage, die der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt (Urteil vom 11. Mai 2017, Dyson/Kommission, C‑44/16 P, EU:C:2017:357, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

169      Die Befugnis des Gerichtshofs zur Kontrolle der Tatsachenfeststellungen des Gerichts erstreckt sich daher insbesondere darauf, ob sich aus den Verfahrensakten ergibt, dass diese Feststellungen tatsächlich falsch sind, ob Beweise verfälscht wurden, wie diese rechtlich zu qualifizieren sind und ob die Vorschriften über die Beweislast und das Beweisverfahren eingehalten wurden (Urteil vom 11. Mai 2017, Dyson/Kommission, C‑44/16 P, EU:C:2017:357, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

170      Im vorliegenden Fall macht die Kommission geltend, dass dem Gericht, weil es auf die von der Apple Inc. ausgeübten Funktionen abgestellt habe, ein Fehler unterlaufen sei, wegen dessen die Tatsachenwürdigung, die es in den Rn. 251 bis 311 des angefochtenen Urteils vorgenommen habe, und die Ergebnisse, zu denen es dabei gelangt sei, rechtswidrig seien und das nationale Recht nicht richtig angewandt worden und gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV verstoßen worden sei. Die Kommission wendet sich mit der zweiten Rüge des zweiten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes aber im Wesentlichen gegen das bei dieser Tatsachenwürdigung angewandte Kriterium, das ihrer Auffassung nach nicht mit dem relevanten Bezugsrahmen vereinbar ist, und die vom Gericht insoweit vorgenommene Einstufung der Tatsachen. Das Vorbringen der Kommission ist daher nicht als unzulässig zurückzuweisen.

 

171      Zweitens machen Irland und ASI und AOI geltend, dass die zweite Rüge des zweiten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes unzulässig sei, weil damit die Ausführungen des Gerichts zum irischen Recht angegriffen würden, ohne dass dessen Verfälschung geltend gemacht würde. Irland macht insbesondere geltend, dass die Annahme der Kommission, dass jeder Fehler bei der Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts einen Fehler bei der Auslegung und Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle, auf einem unzutreffenden Verständnis der durch das Urteil vom 28. Juni 2018, Andres (Insolvenz Heitkamp BauHolding)/Kommission (C‑203/16 P, EU:C:2018:505), begründeten Rechtsprechung beruhe.

 

172      Auch diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

 

173      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Zuständigkeit des Gerichtshofs, über ein gegen eine Entscheidung des Gerichts eingelegtes Rechtsmittel zu befinden, in Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV geregelt ist. Danach ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen zu beschränken und „nach Maßgabe der Bedingungen und innerhalb der Grenzen [einzulegen], die innerhalb der Satzung vorgesehen sind“. In einer abschließenden Aufzählung der Rechtsmittelgründe, die in diesem Rahmen geltend gemacht werden können, stellt Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union klar, dass das Rechtsmittel auf eine Verletzung des Unionsrechts durch das Gericht gestützt werden kann (Urteil vom 5. Dezember 2023, Luxemburg u. a./Kommission, C‑451/21 P und C‑454/21 P, EU:C:2023:948, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

174      Zwar kann der Gerichtshof, wenn er im Rahmen eines Rechtsmittels Beurteilungen des nationalen Rechts durch das Gericht prüft, die im Bereich staatlicher Beihilfen Tatsachenwürdigungen darstellen, grundsätzlich nur prüfen, ob das nationale Recht verfälscht wurde. Dem Gerichtshof kann jedoch nicht die Möglichkeit genommen werden, nachzuprüfen, ob solche Beurteilungen nicht selbst eine Verletzung des Unionsrechts darstellen (Urteil vom 5. Dezember 2023, Luxemburg u. a./Kommission, C‑451/21 P und C‑454/21 P, EU:C:2023:948, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

175      Die Frage, ob das Gericht den einschlägigen Bezugsrahmen angemessen abgegrenzt und damit die ihn bildenden Bestimmungen richtig ausgelegt hat, ist jedoch eine Rechtsfrage, die Gegenstand einer Überprüfung durch den Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren sein kann. Vorbringen, mit dem die Wahl des Bezugsrahmens oder seine Bedeutung im ersten Schritt der Prüfung des Vorliegens eines selektiven Vorteils in Frage gestellt wird, ist nämlich zulässig, da diese Prüfung auf einer rechtlichen Qualifizierung des nationalen Rechts auf der Grundlage einer unionsrechtlichen Vorschrift beruht (Urteil vom 5. Dezember 2023, Luxemburg u. a./Kommission, C‑451/21 P und C‑454/21 P, EU:C:2023:948, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

176      Ließe man zu, dass der Gerichtshof nicht die Möglichkeit hätte, festzustellen, ob sich das Gericht die Abgrenzung des maßgeblichen Bezugsrahmens sowie dessen Auslegung und Anwendung als entscheidenden Parameter bei der Prüfung des Vorliegens eines selektiven Vorteils rechtsfehlerfrei zu eigen gemacht hat, liefe das darauf hinaus, die Möglichkeit in Kauf zu nehmen, dass das Gericht gegebenenfalls eine Bestimmung des Primärrechts der Union, nämlich Art. 107 Abs. 1 AEUV, verletzt hat, ohne dass diese Verletzung im Rahmen des Rechtsmittels festgestellt werden könnte, was gegen Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV verstieße (Urteil vom 5. Dezember 2023, Luxemburg u. a./Kommission, C‑451/21 P und C‑454/21 P, EU:C:2023:948, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

177      Im vorliegenden Fall macht die Kommission geltend, dass das Gericht in Rn. 248 des angefochtenen Urteils das nach dem irischen Recht maßgebliche rechtliche Kriterium richtig bestimmt habe, in den Haupterwägungen zum Vorliegen eines Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV aber ein anderes Kriterium angewandt habe, das zur Folge habe, dass die Wahl des Bezugssystems, in Bezug auf das im Rahmen in einer ersten Stufe (siehe oben, Rn. 79) zu prüfen ist, ob ein selektiver Vorteil vorliegt, in Zweifel gezogen werde. Die Kommission wendet sich mit ihrem Vorbringen insbesondere gegen die Ausführungen des Gerichts zu Section 25 TCA 97. Dieser Gesichtspunkt ist für die nach Art. 107 Abs. 1 AEUV vorzunehmende Prüfung von entscheidender Bedeutung, weil er sich auf die Bestimmung der sogenannten „normalen“ Besteuerung nach irischem Recht auswirkt, die maßgeblich dafür ist, ob ein Vorteil im Sinne dieser Vorschrift vorliegt.

 

178      Indem sie den Gerichtshof darum ersucht, zu überprüfen, ob das Gericht die Tragweite des auf die Besteuerung der gebietsfremden Gesellschaften anwendbaren nationalen Rechts richtig bestimmt und dieses Recht im vorliegenden Fall richtig angewandt hat, wendet sich die Kommission mithin gegen das Bezugssystem, das das Gericht im Rahmen der Prüfung der Frage, ob ein selektiver Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt, bei der Bestimmung der normalen Besteuerung für richtig erachtet hat.

 

179      Folglich sind die von Irland, ASI und AOI bzw. dem Großherzogtum Luxemburg geltend gemachten Unzulässigkeitsgründe zurückzuweisen.

 

ii) Zur Begründetheit

– Zur Verwertung unzulässiger Beweise

180      Die Kommission macht geltend, dass das Gericht seine Feststellung, dass die Verträge mit Drittherstellern (Original Equipment Manufacturers, im Folgenden: OEM), die für die Herstellung eines Großteils der von ASI veräußerten Produkte verantwortlich gewesen seien, und die Verträge mit Kunden wie etwa Telekommunikationsunternehmen von Vorstandsmitgliedern des Apple-Konzerns ausgehandelt und von der Apple Inc. und von ASI unmittelbar über deren jeweilige Geschäftsführer oder durch Bevollmächtigte unterzeichnet worden seien, zu Unrecht auf die in Rn. 301 des angefochtenen Urteils genannten Beweise gestützt habe.

 

181      Das Gericht habe diese Beweise – zum einen verschiedene E‑Mails betreffend die Verträge mit den OEM und den Telekommunikationsunternehmen, die zwischen Vorstandsmitgliedern der Apple Inc. ausgetauscht wurden, und zum anderen vier Vollmachten, die ASI den Vorstandmitgliedern der Apple Inc. für die Unterzeichnung der Verträge mit den OEM und den Telekommunikationsunternehmen erteilt hat – nicht verwerten dürfen. Sie seien im Verwaltungsverfahren nämlich nicht vorgelegt worden. Die Vollmachten seien im Verfahren vor dem Gericht erst mit der Erwiderung oder überhaupt nicht vorgelegt worden.

 

182      ASI und AOI bestreiten nicht, dass die genannten Beweise im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegt worden sind. Sie machen geltend, dass die Kommission von den Tätigkeiten der in den Vereinigten Staaten ansässigen Vorstandsmitglieder von ASI und AOE und von der Existenz und der Bedeutung der betreffenden Vollmachten Kenntnis gehabt habe und dass sie, wenn sie eine geeignete Untersuchung durchgeführt hätte, alle relevanten Beweise hätte erlangen können. Außerdem gehe die Rüge der Kommission ins Leere, da die betreffenden Vollmachten nicht geeignet seien, die Ausführungen des Gerichts zu der durch die Kommission vorgenommenen Bewertung der Tätigkeiten von ASI und AOE in Irland in Zweifel zu ziehen.

 

183      Nach ständiger Rechtsprechung ist die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses im Bereich staatlicher Beihilfen vom Unionsrichter anhand der Informationen zu beurteilen, über die die Kommission bei Erlass des Beschlusses verfügen konnte und die sie im Verwaltungsverfahren auf ihr Ersuchen hin hätte erhalten können (Urteil vom 10. November 2022, Kommission/Valencia Club de Fútbol, C‑211/20 P, EU:C:2022:862, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

184      Der Kommission kann nicht vorgeworfen werden, tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte, die im Verwaltungsverfahren hätten vorgebracht werden können, aber nicht vorgebracht worden sind, nicht berücksichtigt zu haben. Die Kommission ist nämlich nicht verpflichtet, Gesichtspunkte, die hätten vorgebracht werden können, von Amts wegen zu prüfen und insoweit Mutmaßungen anzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, EU:C:1998:154, Rn. 60).

 

185      Im vorliegenden Fall ist als Erstes zu den zwischen Vorstandsmitgliedern der Apple Inc. ausgetauschten E‑Mails betreffend die Verträge mit den OEM und den Telekommunikationsunternehmen festzustellen, dass sich aus den Akten des Verfahrens vor dem Gericht ergibt, dass in diesen E‑Mails im Wesentlichen lediglich im Rahmen der Kostenteilungsvereinbarung über die Tätigkeiten der Mitarbeiter der Apple Inc. berichtet wurde und nicht implizit oder ausdrücklich von ASI die Rede ist. Da sie die Tätigkeiten einer von ASI verschiedenen Einheit und konzerninterne Beziehungen betrafen, die mit dem Gegenstand der beanstandeten Steuervorbescheide nichts zu tun hatten, handelt es sich mithin um Dokumente, die mit dem Gegenstand des Verwaltungsverfahrens nichts zu tun hatten.

 

186      Dem Vorbringen, dass die Kommission, unterstellt, sie habe vermuten können, dass diese Beweise existierten, verpflichtet gewesen wäre, im Verwaltungsverfahren deren Vorlage zu verlangen, kann daher nicht gefolgt werden. Vielmehr oblag es ASI und AOE, der Kommission diese Beweise im Verwaltungsverfahren vorzulegen, wenn sie der Auffassung waren, dass sie bewiesen, dass die strategischen Entscheidungen im Apple-Konzern tatsächlich zentral von den Vorstandsmitgliedern des Konzerns in Cupertino getroffen wurden und dies relevant ist.

 

187      Was als Zweites die Vollmachten für die Unterzeichnung der Verträge mit den OEM und den Telekommunikationsunternehmen angeht, ist unstreitig, dass sich das Gericht in Rn. 301 des angefochtenen Urteils auf diese Beweise gestützt hat. Weiter ist unstreitig, dass die vollständige Liste der von den Vorstandsmitgliedern von ASI und AOE erteilten Vollmachten erst als Anlage zu der von diesen Gesellschaften eingereichten Klageschrift vorgelegt wurde, dass drei dieser Vollmachten, die die Verträge mit den OEM betrafen, erst im Stadium der Erwiderung vorgelegt wurden und dass die vierte, die die Verträge mit den Telekommunikationsunternehmen betraf, zu keinem Zeitpunkt vorgelegt worden ist. Es ist auch unstreitig, dass die Vollmachten für die Unterzeichnung der Verträge mit den OEM in den Protokollen der Vorstandssitzungen von ASI und AOE, die im Verwaltungsverfahren vorgelegt wurden (im Folgenden: von der Kommission untersuchte Protokolle), nicht erwähnt werden. Erwähnt wird dort lediglich die Vollmacht für die Unterzeichnung der Verträge mit den Telekommunikationsunternehmen, die, wie bereits ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt vorgelegt wurde.

 

188      Zu den Beweisen, von denen die Kommission im Verwaltungsverfahren Kenntnis erlangt hat, ist festzustellen, dass in den Erklärungen des Apple-Konzerns vom 7. September 2015, die im Verfahren vor dem Gericht als Anlage zur Klageschrift von ASI und AOE vorgelegt wurden, von einem System von Vollmachten, die von den Vorständen von ASI und AOE insbesondere für die Aushandlung und Unterzeichnung der Verträge mit den OEM und den Telekommunikationsunternehmen erteilt worden seien, die Rede ist, allerdings, wie der Generalanwalt in Nr. 50 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nur vage und unbestimmt.

 

189      Der Kommission kann daher nicht vorgeworfen werden, die betreffenden Vollmachten im Verwaltungsverfahren nicht erlangt zu haben. Insbesondere ist zu beachten, dass die Kommission sämtliche Protokolle der Vorstandssitzungen von ASI und AOE aus dem relevanten Zeitraum verlangt und geprüft hat. Darin werden die genannten Vollmachten nur mit wenigen Worten angesprochen.

 

190      Entgegen dem Vorbringen von ASI und AOE geht die erste Rüge des zweiten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes auch nicht ins Leere.

 

191      Das Gericht hat seine Annahme in Rn. 302 des angefochtenen Urteils, dass die Kommission zu Unrecht angenommen habe, dass das geistige Eigentum des Apple-Konzerns, dessen Lizenzen von ASI und AOE gehalten worden seien, zwangsläufig von den irischen ASI- und AOE‑Zweigniederlassungen verwaltet worden sei, nämlich auf die in Rn. 301 des angefochtenen Urteils genannten Beweise gestützt, insbesondere auf bestimmte Vollmachten.

 

192      Insbesondere im Hinblick auf diese Annahme hat das Gericht dann in Rn. 310 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Kommission nicht nachgewiesen habe, dass die Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns bei der Ermittlung des in Irland zu versteuernden Jahresgewinns von ASI und AOE den irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE hätten zugewiesen werden müssen, und hat es am Ende in Rn. 312 des angefochtenen Urteils den gegen die Hauptausführungen der Kommission gerichteten Klagegründen stattgegeben, mit denen geltend gemacht wurde, dass die irische Finanzverwaltung ASI und AOE keinen Vorteil gewährt habe.

 

193      Dem Vorbringen, dass sich das Gericht, indem es sich bei seinen Ausführungen in Rn. 301 des angefochtenen Urteils auf unzulässige Beweise gestützt habe, einen Verfahrensfehler begangen habe, ist daher stattzugeben.

 

– Zu dem nach irischem Recht für die Ermittlung des Gewinns einer gebietsfremden Gesellschaft maßgeblichen rechtlichen Kriterium

194      Die Parteien sind sich darin einig, dass bei der bei der Anwendung von Section 25 TCA 97 durchzuführenden Funktionsanalyse die Funktionen, die von einer Gesellschaft ausgeübt werden, die von der gebietsfremden Gesellschaft, deren in Irland zu versteuernder Gewinn zu ermitteln ist, verschieden ist – hier der Apple Inc. –, nicht relevant sind. Uneinigkeit besteht hinsichtlich der Tragweite und des Inhalts der nach irischem Recht durchzuführenden Analyse.

 

195      Die Kommission meint, das Gericht habe das nach irischem Recht für die Ermittlung des in Irland zu versteuernden Gewinns einer gebietsfremden Gesellschaft maßgebliche rechtliche Kriterium in Rn. 248 richtig bestimmt. Maßgeblich sei danach die „Aufteilung der Vermögenswerte, der Funktionen und der Risiken zwischen der Zweigniederlassung und den anderen Teilen dieses Unternehmens“.

 

196      Irland vertritt die Auffassung, dass sich die für die Anwendung von Section 25 TCA 97 maßgebliche Prüfung, wie das Gericht in Rn. 227 des angefochtenen Urteils angenommen und in weiteren Randnummern des angefochtenen Urteils bestätigt habe, auf die „tatsächliche Geschäftstätigkeit [der irischen Zweigniederlassungen einer gebietsfremden Gesellschaft] und auf den Marktwert“ dieser Geschäftstätigkeit beziehen müsse. ASI und AOI weisen darauf hin, dass das Gericht in den Rn. 182 bis 186 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass der irischen Zweigniederlassung einer gebietsfremden Gesellschaft die Gewinne aus dem geistigen Eigentum nach irischen Recht nur dann zugewiesen werden könnten, wenn das betreffende geistige Eigentum durch die Zweigniederlassungen kontrolliert werde.

 

197      Sowohl Irland als auch ASI und AOI, die meinen, dass die Tätigkeiten der Verwaltungssitze für die Anwendung von Section 25 TCA 97 in keiner Weise relevant seien, vertreten im Wesentlichen die Auffassung, dass Rn. 248 des angefochtenen Urteils, auf die sich die Kommission berufe, nicht die Anwendung von Section 25 TCA 97, sondern die Anwendung des AOA betreffe und dass sich jedenfalls insbesondere aus Rn. 242 des angefochtenen Urteils ergebe, dass die nicht mit dem irischen Recht vereinbare vergleichende Analyse, die die Kommission vorgenommen habe, im AOA keine Stütze finde.

 

198      Es ist unstreitig, dass das Gericht in Rn. 242 des angefochtenen Urteils angenommen hat, dass bei der Ermittlung des in Irland zu versteuernden Gewinns einer gebietsfremden Gesellschaft, um festzustellen, welche Tätigkeiten die Zweigniederlassung dieser Gesellschaft in Irland ausgeübt, welche Vermögenswerte sie eingesetzt und welche Risiken sie übernommen habe, sowohl nach Section 25 TCA 97 als auch nach dem AOA eine „funktionsbezogene“ Analyse durchzuführen sei.

 

199      Insoweit hat das Gericht zum einen eingeräumt, dass im Rahmen der Anwendung von Section 25 TCA 97 bei der Prüfung der Frage, welche Funktionen von der irischen Zweigniederlassung einer gebietsfremden Gesellschaft tatsächlich ausgeübt worden seien, „d[ie] Aufteilung der Vermögenswerte, der Funktionen und der Risiken zwischen der Zweigniederlassung und den anderen Teilen dieses Unternehmens“ zu berücksichtigen sei (angefochtenes Urteil, Rn. 240). Zum anderen hat es angenommen, dass die Analyse zur Ermittlung der Vermögenswerte, Funktionen und Risiken, die der Betriebsstätte eines Unternehmens unter Berücksichtigung der von diesem tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten zuzuweisen seien, „nicht abstrakt und ohne Rücksicht auf die Tätigkeiten und Funktionen erfolgen [kann], die innerhalb des Unternehmens in seiner Gesamtheit ausgeübt werden“ (angefochtenes Urteil, Rn. 242).

 

200      Eine solche Auslegung steht aber mit dem Wortlaut von Section 25 TCA 97 in Einklang, wonach zur Bestimmung des in Irland zu versteuernden Gewinns einer gebietsfremden Gesellschaft die „Einnahmen aus dem Handelsgeschäft, die direkt oder indirekt über die oder durch die Zweigniederlassung … erzielt werden, und Einkommen aus Vermögen oder Rechten, die von der Zweigniederlassung … genutzt oder von bzw. für eine solche gehalten werden …“, zu ermitteln sind. Es ergibt sich insbesondere aus Rn. 248 des angefochtenen Urteils, dass dies einen Vergleich der Tätigkeiten erfordert, die im Zusammenhang mit diesem Vermögen durch die verschiedenen Teile der Gesellschaft ausgeübt werden, wie der Generalanwalt im Wesentlichen in Nr. 57 seine Schlussanträge ausgeführt hat. Mit einem solchen Vergleich lässt sich überprüfen, ob die Aufteilung des Vermögens innerhalb des gebietsfremden Unternehmens, die von der Finanzverwaltung als Grundlage für die Ermittlung des in Irland zu versteuernden Gewinns akzeptiert wurde, mit der tatsächlichen Aufteilung der Funktionen, Vermögenswerte und Risiken zwischen den verschiedenen Teilen des Unternehmens in Einklang steht.

 

201      Die Auslegung, für die sich Irland und ASI und AOI aussprechen, nämlich, dass bei der Zuweisung der durch die Verwaltung der Rechte des geistigen Eigentums erwirtschafteten Gewinne gemäß Section 25 TCA 97 nur auf die Einheit abzustellen sei, die tatsächlich Inhaber dieser Rechte sei, liefe bei gebietsfremden Gesellschaften darauf hinaus, dass solche Gewinne stets deren Verwaltungssitzen zuzuweisen wären. Da diese aber begriffsnotwendig außerhalb von Irland liegen, würden solche Einkünfte in Irland generell nicht besteuert.

 

202      Hierzu hat das Gericht festgestellt, dass es bei der Anwendung von Section 25 TCA 97 zu berücksichtigen habe, wie die Vermögenswerte, die Funktionen und die Risiken zwischen den irischen Zweigniederlassungen und den anderen Teilen von ASI und AOE aufgeteilt seien. Es hat nicht angenommen, dass es nach irischem Recht der Frage nachzugehen hätte, welche Rolle die Apple Inc. gespielt habe.

 

203      Somit ist festzustellen, dass nach dem Kriterium für die Ermittlung des Gewinns einer gebietsfremden Gesellschaft, das das Gericht gemäß Section 25 TCA 97 für maßgeblich erachtet hat, zu berücksichtigen ist, wie die Vermögenswerte, die Funktionen und die Risiken zwischen der Zweigniederlassung und den übrigen Teilen der Gesellschaft aufgeteilt waren, ohne dass es darauf ankommt, welche Rolle gesonderte Einheiten gespielt haben.

 

204      Es ist deshalb zu prüfen, ob sich das Gericht – wie die Kommission geltend macht – tatsächlich auf die Funktionen gestützt hat, die Apple Inc. im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum des Apple-Konzerns ausgeübt hat, oder ob die Kommission das angefochtene Urteil – wie Irland und ASI und AOI geltend machen – mit ihrem Vorbringen insoweit verfälscht.

 

– Zur Berücksichtigung der Funktionen der Apple Inc. durch das Gericht

205      Die Kommission macht als Erstes geltend, dass das Gericht in den Rn. 259 bis 267 und 288 des angefochtenen Urteils bei der Prüfung der Erwägungsgründe 289 bis 295 des streitigen Beschlusses, in denen den irischen Zweigniederlassungen die Funktionen der Qualitätskontrolle, des Einrichtungsmanagements, der Forschung und Entwicklung und des Risikomanagements zugewiesen worden seien, auf die von der Apple Inc. ausgeübten Funktionen abgestellt habe.

 

206      Insoweit ergibt sich aus den Rn. 260 bis 264, 266 und 267 des angefochtenen Urteils, dass das Gericht bei der Würdigung der Tatsachen tatsächlich untersucht hat, welche Funktionen die Apple Inc. ausgeübt und welche Risiken sie übernommen hat. Irland und ASI und AOE waren sich darüber einig, dass diese Funktionen und Risiken, was das gesamte geistige Eigentum des Apple-Konzerns und die entsprechende Forschung und Entwicklung angehe, größtenteils zentral in Cupertino von der Apple Inc. als Muttergesellschaft des Konzerns oder im Rahmen der Kostenteilungsvereinbarung ausgeübt bzw. übernommen worden seien.

 

207      Als Zweites macht die Kommission geltend, dass das Gericht bei der Untersuchung der Funktionen, bei denen sie davon ausgegangen sei, dass sie von der Zweigniederlassung von ASI ausgeübt worden seien, zu Unrecht auf die Funktionen der Apple Inc. abgestellt habe.

 

208      In den Rn. 268 bis 284 habe das Gericht die Tätigkeiten und die Funktionen untersucht, bei denen sie in den Erwägungsgründen 296 bis 300 des streitigen Beschlusses angenommen gehabt habe, dass sie tatsächlich von der Zweigniederlassung von ASI ausgeübt worden seien. Es habe angenommen, dass diese Funktionen und Tätigkeiten es weder jede für sich allein noch alle zusammengenommen rechtfertigten, dieser Zweigniederlassung die Gewinne aus der Nutzung der Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns zuzuweisen. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang u. a. die Qualitätskontrolle, verschiedene Tätigkeiten der Forschung und Entwicklung und die Verwaltung der Kosten für lokales Marketing untersucht.

 

209      Was die Qualitätskontrolle angeht, ist mit der Kommission festzustellen, dass diese im streitigen Beschluss angenommen hat, dass diese Funktion zu den Funktionen gehöre, die in der Kostenteilungsvereinbarung angeführt und darin sowohl der Apple Inc. als auch ASI und AOE zugewiesen seien. Wenn das Gericht in Rn. 269 des angefochtenen Urteils das Vorbringen von ASI und AOE wiedergibt, dass „weltweit … Tausende von Personen mit der Qualitätskontrolle beschäftigt [seien], während in Irland nur eine einzige Person hiermit betraut sei“, stellt es mithin zwangsläufig auf Tätigkeiten ab, die von Einheiten ausgeübt werden, die von ASI und AOE verschieden sind, insbesondere auf die Tätigkeit der Apple Inc.

 

210      Was die Rn. 273 und 275 des angefochtenen Urteils angeht, ist festzustellen, dass das Gericht mit der Feststellung, dass es sich bei den Funktionen der Forschung und Entwicklung und den Tätigkeiten der Erhebung und Analyse regionaler Daten, die von den Mitarbeitern der Zweigniederlassung von ASI ausgeübt worden seien, um „Hilfstätigkeiten“ gehandelt habe, diese Funktionen und diese Tätigkeiten wiederum mit denen vergleicht, die weltweit von Einheiten außerhalb von ASI ausgeübt wurden. In Rn. 277 des angefochtenen Urteils ist schließlich ausdrücklich von den von der Apple Inc. getroffenen geschäftspolitischen und strategischen Entscheidungen des Konzerns die Rede. Das Gericht bezeichnet den Kunden- und Reparaturdienst AppleCare, für den die Zweigniederlassung von ASI in der Region EMEIA zuständig war, dort nämlich als eine der Dienstleistungen, „die in den in den Vereinigten Staaten festgelegten strategischen Leitlinien als ‚Vollzugsaufgaben‘ bezeichnet wurden“. Ebenso enthalten die Rn. 281 und 283 des angefochtenen Urteils allgemeine Ausführungen des Gerichts dazu, dass es sich bei den Tätigkeiten der Zweigniederlassung von ASI um „Hilfstätigkeiten“ und Tätigkeiten „zur Ausführung“ gehandelt habe.

 

211      Als Drittes macht die Kommission geltend, dass das Gericht bei der Prüfung der von der irischen Zweigniederlassung von AOE ausgeübten Funktionen, wie sie im 301. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses beschrieben seien, auf die Tätigkeiten der Apple Inc. abgestellt habe.

 

212      Hierzu ist festzustellen, dass das Gericht in Rn. 290 des angefochtenen Urteils zu den spezifischen Prozessen und der Fertigungskompetenz, die die irische Zweigniederlassung von AOE im Rahmen ihrer Produktionstätigkeit entwickelt hat, feststellt, dass, auch wenn diese Prozesse und diese Kompetenz unter den Schutz bestimmter Rechte des geistigen Eigentums fielen, „… es sich doch um einen auf die Tätigkeit dieser irischen Zweigniederlassung beschränkten Schutzbereich [handelt]“, der es nicht rechtfertige, dieser Zweigniederlassung sämtliche Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns zuzuweisen. Dass hier von sämtliche Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns die Rede ist, bedeutet implizit, aber zwangsläufig, dass das Gericht die von der irischen Zweigniederlassung von AOE entwickelten Kompetenzen in dieser Randnummer des angefochtenen Urteils, wie die Kommission zu Recht geltend macht, mit sämtlichen Funktionen der Forschung und Entwicklung betreffend das geistige Eigentum des Apple-Konzerns verglichen hat.

 

213      Als Viertes schließlich macht die Kommission geltend, dass das Gericht in den Rn. 298 bis 302 des angefochtenen Urteils bei der Prüfung der außerhalb der Zweigniederlassungen von ASI und AOE ausgeübten Tätigkeiten die von der Apple Inc. ausgeübten Funktionen berücksichtigt habe.

 

214      Hierzu ist festzustellen, dass das Gericht an mehreren Stellen des angefochtenen Urteils, insbesondere in den Rn. 299 und 300, auf die Funktionen der Apple Inc. und ihrer Rolle als Muttergesellschaft des Konzerns hinweist, zum einen, wenn es allgemein die „Zentralisierung der strategischen Entscheidungen innerhalb des Apple-Konzerns …, die von Führungskräften in Cupertino getroffen … wurden“, feststellt, zum anderen, wenn es speziell zu den Entscheidungen im Bereich Forschung und Entwicklung, auf dem das geistige Eigentum des Apple-Konzerns beruht, feststellt, dass „die Entscheidungen über die Entwicklung der Produkte … und über die FuE‑Strategie … von Führungskräften des Konzerns in Cupertino getroffen und implementiert worden waren“. Ebenso stellt das Gericht fest, dass „die Strategien zur Einführung neuer Produkte und namentlich die Organisation des Vertriebs auf den europäischen Märkten … auf Konzernebene, insbesondere von der Apple-Geschäftsführung (Executive Team) unter Leitung des Konzernchefs in Cupertino, festgelegt wurden“.

 

215      Wie der Generalanwalt in Nr. 67 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ergibt sich aus diesen Feststellungen, dass sich das Gericht in sämtlichen Randnummern des angefochtenen Urteils, die von der Kommission beanstandet werden, explizit oder implizit auf die Funktionen gestützt hat, die die Apple Inc. im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum des Apple-Konzerns im Rahmen der Kostenteilungsvereinbarung oder der Marketing-Dienstleistungsvereinbarung oder in ihrer Eigenschaft als Muttergesellschaft ausgeübt hat. Es hat diese Funktionen nämlich mit denen verglichen, die die irischen Zweigniederlassungen in Bezug auf die Lizenzen des geistigen Eigentums ausgeübt haben. Das Vorbringen der Kommission, dass das Gericht die von der Apple Inc. ausgeübten Funktionen berücksichtigt habe, beruht daher entgegen dem Vorbringen von Irland und ASI und AOE weder auf einem unrichtigen Verständnis noch auf einer Verfälschung des angefochtenen Urteils.

 

– Zu den Auswirkungen der Berücksichtigung der von der Apple Inc. ausgeübten Tätigkeiten und Funktionen auf die rechtliche Qualifizierung der Tatsachen

216      Irland und ASI und AOE machen im Wesentlichen geltend, dass das Vorbringen der Kommission zu der Berücksichtigung der Funktionen der Apple Inc. jedenfalls ins Leere gehe, da, selbst unterstellt, das Gericht habe diese Tätigkeiten berücksichtigt, die Ergebnisse, zu denen es nach Prüfung der Tatsachen gelangt sei, auf einer Prüfung der Tätigkeit der irischen Zweigniederlassungen und der Verwaltungssitze und auf der Feststellung beruhten, dass es sich bei den von den Zweigniederlassungen ausgeübten Tätigkeiten um „Routinetätigkeiten“ gehandelt habe, die nach Auffassung des Gerichts nicht ausreichten, um den Zweigniederlassungen die Lizenzen des geistigen Eigentums und die entsprechenden Gewinne zuzuweisen.

 

217      Insoweit ergibt sich aus Rn. 310 des angefochtenen Urteils, dass die Feststellung des Gerichts, dass die Kommission nicht nachgewiesen habe, dass die durch die Nutzung der Lizenzen des geistigen Eigentums erwirtschafteten Gewinne bei der Ermittlung des in Irland zu versteuernden Jahresgewinns von ASI und AOE den irischen Zweigniederlassungen hätten zugewiesen werden müssen, zum einen auf die Prüfung der tatsächlich von diesen Zweigniederlassungen ausgeübten Tätigkeiten und zum anderen auf die „außerhalb dieser Zweigniederlassungen getroffenen und implementierten strategischen Entscheidungen“ gestützt ist.

 

218      In den Rn. 298 bis 309 des angefochtenen Urteils hat das Gericht aber festgestellt, dass es im Apple-Konzern, auch was die Verwaltung und Entwicklung des geistigen Eigentums des Konzerns angehe, ein zentralisiertes Entscheidungssystem mit der Apple Inc. an der Spitze gegeben habe und dass die Verwaltungssitze von ASI und AOE in der Lage gewesen seien, durch ihre jeweiligen Vorstände oder durch ein System der Übertragung von Befugnissen an bestimmte Mitglieder des Vorstands „die für das Unternehmen … zentralen Entscheidungen – etwa die Genehmigung des Jahresabschlusses“ zu treffen. Es hat jedoch weder festgestellt, dass die Verwaltungssitze von ASI und AOE an den von der Apple Inc. getroffenen strategischen Entscheidungen beteiligt gewesen wären, noch, dass sie tatsächlich an der Durchführung dieser Entscheidungen oder an der aktiven Verwaltung der Lizenzen des geistigen Eigentums beteiligt gewesen wären. Die einzige Feststellung, die das Gericht insoweit getroffen hat, nämlich, dass sich aus den Angaben, die ASI und AOE gemacht hätten, ergebe, dass die verschiedenen Fassungen der Kostenteilungsvereinbarung von Mitgliedern ihrer jeweiligen Vorstände in Cupertino unterzeichnet worden seien (angefochtenes Urteil, Rn. 307), wird von der Kommission im Rahmen des dritten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes bestritten, auf den noch einzugehen sein wird.

 

219      In Anbetracht der Bedeutung, die der Prüfung der Tätigkeiten und Funktionen, die die Apple Inc. im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum des Apple-Konzerns ausgeübt hat, in der Systematik des angefochtenen Urteils zukommt, und in Anbetracht des engen Zusammenhangs, der zwischen der Prüfung dieser Tätigkeiten und Funktionen und der Prüfung der Tätigkeiten der Zweigniederlassungen von ASI und AOE in Irland besteht, kann mithin nicht angenommen werden, dass das Vorbringen zur Berücksichtigung dieser Tätigkeiten und Funktionen durch das Gericht ins Leere ginge.

 

220      Somit ist festzustellen, dass die Kommission zu Recht geltend macht, dass das Gericht bei der Annahme, dass es nicht genügend Beweise gebe, um die durch die Nutzung der Lizenzen des geistigen Eigentums erwirtschaften Gewinne den Zweigniederlassungen von ASI und AOE zuweisen zu können, die Funktionen, die diese Zweigniederlassungen im Zusammenhang mit diesen Lizenzen ausgeübt haben, zu Unrecht mit denen verglichen hat, die die Apple Inc. im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum des Apple-Konzerns ausgeübt hat, und nicht mit denen, die Verwaltungssitze im Zusammenhang mit den Lizenzen des geistigen Eigentums tatsächlich ausgeübt haben. Dies ergibt sich besonders deutlich aus den Zwischenergebnissen, zu denen das Gericht in den verschiedenen Stadien seiner Ausführungen zum Sachverhalts, insbesondere in den Rn. 266 und 302 des angefochtenen Urteils, gelangt ist, in denen es zum einen festgestellt hat, dass die Kommission sich nicht bemüht habe, nachzuweisen, dass die irischen Zweigniederlassungen die aktive Verwaltung „aller in Anlage B zur Kostenteilungsvereinbarung aufgeführten Funktionen und Risiken im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum des Apple-Konzerns“ im Tagesgeschäft tatsächlich übernommen habe, und zum anderen, dass, da die strategischen Entscheidungen, was die Entwicklung der Produkte des Apple-Konzerns betreffe, auf denen dessen geistiges Eigentum beruhe, für den gesamten Apple-Konzern in Cupertino getroffen worden seien, die Kommission zu Unrecht angenommen habe, dass dieses geistige Eigentum zwangsläufig von den irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE verwaltet worden sei.

 

221      Demnach ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil, dass die Annahme des Gerichts, dass die Kommission zu Unrecht angenommen habe, dass die Zweigniederlassungen von ASI und AOE „maßgeblichen Personalfunktionen“ im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum des Apple-Konzerns ausgeübt hätten, zum großen Teil auf einer Prüfung der auf der Ebene der Apple Inc. ausgeübten Funktionen beruht, die das Gericht nach seiner Auslegung des irischen Rechts für im vorliegenden Fall nicht relevant erachtet hat.

 

222      Das Vorbringen der Kommission, dass das Gericht zu Unrecht berücksichtig habe, welche Funktionen die Apple Inc. ausgeübt habe, ist daher begründet. Folglich ist auch der zweiten Rüge des zweiten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes stattzugeben.

 

2) Zur ersten Rüge des zweiten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes: unzureichende und widersprüchliche Begründung des angefochtenen Urteils und Verfahrensfehler

223      Da der zweiten Rüge des zweiten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes stattgegeben wird, ist die erste Rüge des zweiten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes, mit der dieselben Ausführungen des Gerichts angegriffen werden, nicht zu prüfen.

 

3. Zum dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

a)         Vorbringen der Parteien

224      Mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Kommission im Wesentlichen geltend, dass das Gericht in den Rn. 301 und 303 bis 309 des angefochtenen Urteils mit der Annahme, dass es sich bei den formalen Handlungen, die von den Vorstandsmitgliedern von ASI und AOE vorgenommen worden seien, um Funktionen handele, die von den Verwaltungssitzen dieser Gesellschaften im Zusammenhang mit den von ihnen gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns ausgeübt worden seien, gegen den Ansatz der gesonderten Einheit, den Fremdvergleichsgrundsatz und damit gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV verstoßen und das nationale Recht verfälscht habe. Dass das Gericht die Ausführungen im streitigen Beschluss und in ihren Schriftsätzen, mit denen sie erläutert habe, warum diese Handlungen im Zusammenhang mit der Anwendung des Ansatzes der gesonderten Einheit und des Fremdvergleichsgrundsatzes nicht als Funktionen angesehen werden könnten, die von den Verwaltungssitzen von ASI und AOE ausgeübt worden seien, nicht berücksichtigt habe, stelle einen Verfahrensfehler und einen Begründungsmangel dar. Einen weiteren Verfahrensfehler habe das Gericht dadurch begangen, dass es seine Annahme auf unzulässige Beweise gestützt habe.

 

225      Was als Erstes den Verfahrensfehler und den Begründungsmangel angeht, verweist die Kommission auf ihre Ausführungen in den Erwägungsgründen 280 bis 294 des streitigen Beschlusses und zu dem Vorbringen von Irland und ASI und AOE in ihren Klageschriften. Sie habe insbesondere ausgeführt, dass nicht angenommen werden könne, dass die Funktionen im Zusammenhang mit den von ASI und AOE gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums von den Verwaltungssitzen dieser Gesellschaften ausgeübt worden wären. Die Protokolle der Vorstandssitzungen von ASI und AOE, die einzigen Beweise für die von den Verwaltungssitzen dieser Gesellschaften getroffenen Entscheidungen, bewiesen nicht, dass die Verwaltungssitze solche Funktionen ausgeübt hätten. Indem es sich trotzdem auf diese Protokolle gestützt und sie gezwungen habe, nachzuweisen, dass die Kernentscheidungen von ASI und AOE nicht in den Vorstandssitzungen getroffen worden seien, habe das Gericht von ihr einen Beweis verlangt, den sie überhaupt nicht habe erbringen können. Und indem es dem Vorbringen von ASI und AOE gefolgt sei, dass die Erteilung von Vollmachten für die Unterzeichnung der Verträge mit den OEM und den Telekommunikationsunternehmen „im Namen“ von ASI und AOE an Mitglieder der Geschäftsleitung der Apple Inc. unter die von den Verwaltungssitzen dieser Gesellschaften ausgeübten Funktionen falle, obwohl die entsprechenden Beweise erstmals im Verfahren vor dem Gericht vorgelegt worden und damit unzulässig seien, habe das Gericht einen Verfahrensfehler begangen.

 

226      Als Zweites macht die Kommission geltend, dass das Gericht mit der Annahme, dass es sich bei den formalen Handlungen, die von den Mitgliedern der Geschäftsleitung von ASI und AOE vorgenommen worden seien, um Funktionen handele, die die Verwaltungssitze dieser Gesellschaften im Zusammenhang mit den Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns ausgeübt hätten, gegen den Ansatz der gesonderten Einheit und gegen den Fremdvergleichsgrundsatz verstoßen habe, was einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV und eine Verfälschung des nationalen Rechts darstelle.

 

227      Erstens sei bei der Zuweisung der Gewinne an eine Zweigniederlassung eine Funktionsanalyse durchzuführen, d. h. zu prüfen, welche Funktionen die Zweigniederlassung im Vergleich mit der Gesellschaft, zu der sie gehört, ausgeübt, welche Vermögenswerte sie eingesetzt und welche Risiken sie übernommen habe. Es gehe nach dem AOA darum, zu bestimmen, welche „maßgeblichen Personalfunktionen“ die Zweigniederlassung ausgeübt habe und welche „maßgeblichen Personalfunktionen“ die anderen Teile der Gesellschaft, zu der die Zweigniederlassung gehöre, ausgeübt hätten, wobei auf „auf de[n] aktiven Entscheidungsprozess und d[ie] Verwaltung … und nicht so sehr auf de[n] reinen Akt der Befürwortung oder Ablehnung eines Vorschlags“ abzustellen sei. Im vorliegenden Fall habe das Gericht die von den Vorstandsmitgliedern von ASI und AOE vorgenommenen formalen Handlungen in den Rn. 301 und 303 bis 309 des angefochtenen Urteils zu Unrecht mit von den Verwaltungssitzen dieser Gesellschaften ausgeübten Funktionen gleichgesetzt. Läge eine Ausübung von Funktionen nämlich bereits vor, wenn eine Vollmacht erteilt oder Verträge unterzeichnet würden, würde der bei der Funktionsanalyse maßgebliche Begriff der maßgeblichen Personalfunktionen ausgehöhlt.

 

228      Zweitens habe das Gericht, indem es in den Rn. 301, 306 und 307 des angefochtenen Urteils die Erteilung von Vollmachten, die Unterzeichnung von Verträgen mit den OEM und den Telekommunikationsunternehmen aufgrund solcher Vollmachten und die Unterzeichnung der Kostenteilungsvereinbarung mit von den Verwaltungssitzen von ASI und AOE ausgeübten Funktionen gleichgesetzt habe, gegen den Ansatz der gesonderten Einheit und gegen den Fremdvergleichsgrundsatz verstoßen, was eine unrichtige Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV und eine Verfälschung des nationalen Rechts darstelle. Außerdem leide das angefochtene Urteil unter einem Verfahrensfehler und einem Begründungsmangel, weil das Gericht in Rn. 308 des angefochtenen Urteils dem Vorbringen von Irland und von ASI und AOE, dass schon die physische Präsenz eines Vorstandsmitglieds eine von den Verwaltungssitzen ausgeübte Funktion darstelle, gefolgt sei, ohne ihr Vorbringen zu diesem Punkt zu prüfen und ohne es zurückzuweisen.

 

229      Irland macht als Erstes geltend, dass der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als ins Leere gehend zurückzuweisen sei. Das Vorbringen der Kommission sei nämlich nicht geeignet, die Haupttatsachenfeststellung des Gerichts zu entkräften, dass die Tätigkeiten der irischen Zweigniederlassungen es nicht rechtfertigten, ihnen die Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns und die entsprechenden Gewinne zuzuweisen. Der streitige Beschluss sei daher, soweit die Kommission darin zu Unrecht angenommen habe, dass die durch die Nutzung dieser Lizenzen erwirtschafteten Gewinne den irischen Zweigniederlassungen zuzuweisen seien, jedenfalls für nichtig zu erklären.

 

230      Als Zweites macht Irland geltend, dass das Vorbringen der Kommission jedenfalls nicht begründet sei.

 

231      Was erstens die Protokolle der Vorstandssitzungen angeht, macht Irland geltend, dass es der Kommission mit ihrem Vorbringen, dass ein Verfahrensfehler und ein Begründungsmangel vorlägen, in Wirklichkeit darum gehe, die zu den Vorstandssitzungen getroffenen Tatsachenfeststellungen anzugreifen und die Bedeutung zu kritisieren, die das Gericht den ihm vorgelegten Beweisen beigemessen habe.

 

232      Dasselbe gelte zweitens für die von den Verwaltungssitzen von ASI und AOE ausgeübten Funktionen. Die Kommission meine, das Gericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Verwaltungssitze von ASI und AOE in der Lage gewesen seien, Funktionen im Zusammenhang mit den Lizenzen des geistigen Eigentums auszuüben. Sie greife dabei im Wesentlichen die Tatsachenfeststellungen des Gerichts an und kritisiere die Bedeutung, die das Gericht den Beweisen beigemessen habe. Sie habe aber keinen Rechtsfehler bezeichnet, der dem Gericht insoweit unterlaufen wäre.

 

233      ASI und AOI machen geltend, dass der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, mit dem die Kommission versuche, den Sachverhalt erneut zum Gegenstand der Erörterung zu machen, unzulässig sei, jedenfalls aber unbegründet sei und ins Leere gehe.

 

234      Was als Erstes die Protokolle der Vorstandssitzungen angeht, machen ASI und AOI geltend, dass die Kommission die Beweise verfälsche, wenn sie behaupte, dass diese Protokolle die einzigen Beweise seien, die im Verwaltungsverfahren zu den außerhalb von Irland getroffenen Entscheidungen von ihnen vorgelegt worden seien. Das Gericht habe sich auf andere Beweise gestützt, die bewiesen, dass die Kostenteilungsvereinbarungen von ihren in den Vereinigten Staaten ansässigen Vorstandsmitgliedern unterzeichnet worden seien und das diese und die Personen, die in ihrem Namen gehandelt hätten, die Verträge mit den OEM und den Telekommunikationsunternehmen ausgehandelt und unterzeichnet hätten. Jedenfalls genügten die Ausführungen in Rn. 304 des angefochtenen Urteils, um es der Kommission zu ermöglichen, zu erkennen, von welchen Erwägungen sich das Gericht habe leiten lassen, und es dem Gerichtshof zu ermöglichen, seine Kontrolle auszuüben. Das Gericht habe von der Kommission auch keinen Beweis verlangt, den diese nicht habe erbringen können. Vielmehr habe es entschieden, dass sich die Kommission, da sie ihr mitgeteilt hätten, dass die Tätigkeiten der in den Vereinigten Staaten ansässigen Mitglieder des Vorstands in diesen Protokollen nicht alle angeführt seien, und der Kommission im Verwaltungsverfahren zahlreiche Beweise für diese Tätigkeiten vorgelegt hätten, nicht habe darauf beschränken können, die Protokolle ihrer Vorstandssitzungen zu prüfen.

 

235      Als Zweites machen ASI und AOI geltend, dass das Aushandeln und die Unterzeichnung der Verträge mit den OEM und den Telekommunikationsunternehmen durch die in den Vereinigten Staaten ansässigen Vorstandsmitglieder oder hierzu bevollmächtigte Mitarbeiter des Apple-Konzerns „maßgebliche Personalfunktionen“ dargestellt hätten, die von ihnen außerhalb von Irland ausgeübt worden seien. Außerdem habe sich das Gericht auf die Unterzeichnung der Kostenteilungsvereinbarungen oder die Erteilung von Vollmachten, anders als die Kommission geltend mache, nicht gestützt um darzutun, dass ihre Verwaltungssitze „maßgebliche Personalfunktionen“ ausgeübt hätten, sondern um in den Rn. 303 bis 309 des angefochtenen Urteils zu entscheiden, dass die Kommission zu Unrecht angenommen habe, dass ihre Leitungsorgane, insbesondere ihre Vorstände „nicht in der Lage gewesen seien, für [sie] wesentliche Unternehmensfunktionen … auszuüben“. Das angefochtene Urteil leide mithin weder unter einem Widerspruch noch unter einem Verstoß gegen den Begriff des Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV noch unter einer Verfälschung des nationalen Rechts.

 

236      Als Drittes machen ASI und AOI geltend, dass das Vorbringen der Kommission, dass das Gericht den Ansatz der gesonderten Einheit und den Fremdvergleichsgrundsatz nicht beachtet und damit gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV verstoßen und das nationale Recht verfälscht habe, auf der unzutreffenden Annahme beruhe, dass die Aushandlung und Unterzeichnung der betreffenden Verträge Funktionen gewesen seien, die nicht von den Personen, die im Namen von ASI gehandelt hätten, ausgeübt worden seien, sondern von der Apple Inc.

 

237      Das Großherzogtum Luxemburg macht sich das Vorbringen von Irland und von ASI und AOI zu eigen.

 

238      Die EFTA-Überwachungsbehörde macht sich das Vorbringen der Kommission zu eigen. Sie macht geltend, dass formale Handlungen wie die Erteilung einer Vollmacht oder die Unterzeichnung eines Vertrags keine Funktionen seien, die von den Verwaltungssitzen von ASI und AOE im Zusammenhang mit den Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns tatsächlich ausgeübt worden wären. Mit solchen Handlungen seien lediglich Funktionen durch die Vorstandsmitglieder von ASI und AOE formalisiert worden, die in Wirklichkeit durch die Apple Inc. ausgeübt worden seien, wie das Aushandeln und die Unterzeichnung von Verträgen mit Kunden wie Telekommunikationsunternehmen oder OEM. Deshalb habe das Gericht, auch wenn es in Rn. 242 des angefochtenen Urteils das richtige Kriterium für die Feststellung des Vorliegens eines Vorteils herausgearbeitet habe, bei der Zurückzuweisung der in den Rn. 303 bis 309 des angefochtenen Urteils dargestellten Haupterwägungen der Kommission ein unzutreffendes Kriterium angewandt.

 

b) Würdigung durch den Gerichtshof

239      Mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, mit dem die Rn. 301 und 303 bis 309 des angefochtenen Urteils angegriffen werden, wendet sich die Kommission insbesondere gegen die Ausführungen des Gerichts zu den Tätigkeiten der Verwaltungssitze von ASI und AOE.

 

240      Als Erstes macht die Kommission geltend, dass das Gericht nicht auf ihr Vorbringen eingegangen sei, dass die von ihr untersuchten Protokolle der einzige Beweis für von den Verwaltungssitzen ausgeübte Funktionen gewesen seien, den Irland und die Apple Inc. im Verwaltungsverfahren vorgelegt hätten.

 

241      Hierzu ist festzustellen, dass das Gericht in Rn. 305 des angefochtenen Urteils in Ausübung seiner Zuständigkeit für die Beweiswürdigung angenommen hat, dass sich den Auszügen aus den von der Kommission untersuchten Protokollen trotz ihres summarischen Charakters „entnehmen [lässt], wie die für das Unternehmen … zentralen Entscheidungen … erlassen und in den … Protokollen … vermerkt wurden“.

 

242      Eine solche Beurteilung, anhand der die Kommission erkennen kann, warum das Gericht den betreffenden Protokollen eine so große Bedeutung beigemessen hat, auch wenn die Protokolle der einzige Beweis für die Funktion der Verwaltungssitze sein mögen, der im Verwaltungsverfahren vorgelegt wurde, kann nicht Gegenstand eines Rechtsmittels vor dem Gerichtshof sein, es sei denn, es läge eine Verfälschung vor, was von der Kommission nicht geltend gemacht worden ist.

 

243      Als Zweites macht die Kommission geltend, dass in Rn. 304 des angefochtenen Urteils das Gericht von ihr einen Beweis verlangt habe, den sie überhaupt nicht habe erbringen können.

 

244      Das Gericht hat in Rn. 304 des angefochtenen Urteils angenommen, dass „[d]er Umstand, dass die [von der Kommission untersuchten] Protokolle … keine näheren Einzelheiten über die Entscheidungen bezüglich der Verwaltung der Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns, über die Kostenteilungsvereinbarung und über wichtige geschäftliche Entscheidungen enthalten, … nicht aus[schließt], dass es diese Entscheidungen tatsächlich gegeben hat“.

 

245      Die Ausführungen in Rn. 304 des angefochtenen Urteils würden, wenn sie bestätigt würden, bedeuten, dass die Kommission daraus, dass in den Protokollen der Vorstandssitzungen einer Gesellschaft bestimmte Arten von Entscheidungen nicht erwähnt werden, nicht ableiten könnte, dass es diese nicht gegeben hat, wie der Generalanwalt im Wesentlichen in Nr. 85 seiner Schlussanträge ausgeführt hat. Durch einen solcher Ansatz werden die Anforderungen an die Beweislast aber tatsächlich überspannt.

 

246      Als Drittes wendet sich die Kommission gegen Rn. 306 des angefochtenen Urteils, insbesondere gegen die Annahme des Gerichts, dass „… aus [den untersuchten] Protokollen hervor[geht], dass einzelnen Vorstandsmitgliedern sehr weitgehende Geschäftsführungsbefugnisse übertragen worden waren“. Sie macht geltend, dass in diesen Protokollen zwar hin und wieder von der Erteilung von Vollmachten durch die Vorstände die Rede sei, aber nur eine davon den Abschluss von Verträgen mit den OEM und den Telekommunikationsunternehmen betreffe.

 

247      Soweit die Kommission mit diesem Vorbringen die Beurteilung des Beweiswerts der Aufnahme der in der vorstehenden Randnummer genannten Vollmacht in das Protokoll angreift, ist festzustellen, dass für diese Beurteilung grundsätzlich allein das Gericht zuständig ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Juni 2000, Dorsch Consult/Rat und Kommission, C‑237/98 P, EU:C:2000:321, Rn. 50, und vom 12. Juli 2005, Kommission/CEVA und Pfizer, C‑198/03 P, EU:C:2005:445, Rn. 50). Und, wie der Generalanwalt in Nr. 87 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, verbietet keine Vorschrift und kein Grundsatz des Unionsrechts es dem Gericht, sich bei der Feststellung der relevanten Tatsachen auf einen einzigen Beweis zu stützen.

 

248      Als Viertes wendet sich die Kommission gegen die insbesondere in den Rn. 301, 306 und 307 des angefochtenen Urteils getroffene Feststellung des Gerichts, dass Handlungen wie die Erteilung von Vollmachten – hier zur Aushandlung, Unterzeichnung oder Änderung von Verträgen – Funktionen seien, die von den Verwaltungssitzen von ASI und AOE im Zusammenhang mit den Lizenzen des geistigen Eigentums tatsächlich ausgeübt worden seien. Sie räumt ein, dass das Aushandeln von geschäftlichen Verträgen wie den Verträgen mit den Originalgeräteherstellern und den Telekommunikationsunternehmen bei der gemäß Section 25 TCA 97 vorzunehmenden funktions- sowie sachverhaltsbezogenen Analyse als „wesentliche Personalfunktionen“ angesehen werden könnten. Im vorliegenden Fall seien diese Funktionen aber nicht von den Verwaltungssitzen von ASI und AOE, sondern von Mitarbeitern der Apple Inc. ausgeübt worden, im Namen des gesamten Apple-Konzerns oder zum Nutzen von ASI und AOE. Die Rn. 301, 306 und 307 des angefochtenen Urteils seien auch unzureichend und widersprüchlich begründet.

 

249      Dieses Vorbringen der Kommission beruht auf einem unrichtigen Verständnis des angefochtenen Urteils.

 

250      Mit der Feststellung, dass Vorstandsmitglieder von ASI und AOE unmittelbar oder durch Bevollmächtigte an Verhandlungen mit den OEM und den Telekommunikationsunternehmen oder dem Abschluss von geschäftlichen Verträgen oder konzerninternen Vereinbarungen beteiligt gewesen seien, wollte das Gericht nämlich nicht sagen, dass die Verwaltungssitze dieser Gesellschaften „wesentliche Personalfunktionen“ im Zusammenhang mit den Lizenzen des geistigen Eigentums ausgeübt hätten. Es hat – insbesondere in den Rn.302 und 309 des angefochtenen Urteils – lediglich festgestellt, dass die Kommission im streitigen Beschluss zu Unrecht angenommen habe, dass das geistige Eigentum des Apple-Konzerns zwangsläufig von den Zweigniederlassungen von ASI und AOE verwaltet worden sei, weil die Verwaltungssitze dieser Gesellschaften nicht in der Lage gewesen seien, Entscheidungen über die Verwaltung dieser Lizenzen zu treffen.

 

251      Dem oben in Rn. 248 zusammengefassten Vorbringen der Kommission kann deshalb – auch wenn die betreffenden Feststellungen des Gerichts auf unzulässigen Beweisen und auf einer zu Unrecht erfolgten Berücksichtigung der von der Apple Inc. ausgeübten Funktionen beruhen (siehe oben, Rn. 193 und 222) – nicht gefolgt werden.

 

252      Somit ist festzustellen, dass der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes aus dem oben in Rn. 245 genannten Grund teilweise begründet ist.

 

4. Ergebnis zum ersten Rechtsmittelgrund

253      Nach alledem ist dem ersten Rechtsmittelgrund stattzugeben.

 

254      Die Prüfung dieses Rechtsmittelgrundes hat erstens ergeben, dass das Gericht – insbesondere in den Rn. 183 bis 187, 228, 242 und 243 des angefochtenen Urteils – rechtsfehlerhaft angenommen hat, dass die Kommission bei der im Rahmen der Anwendung von Section 25 TCA 97 erfolgten Prüfung der Frage, welche Tätigkeiten die irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE ausgeübt, welche Vermögenswerte sie eingesetzt und welche Risiken sie übernommen haben, und damit bei der Ermittlung der in Irland zu versteuernden Gewinne dieser gebietsfremden Gesellschaften „im Wege eines Ausschlussverfahrens“ vorgegangen sei. Entsprechend hat es in Rn. 249 des angefochtenen Urteils zu Unrecht angenommen, dass die Haupterwägungen der Kommission auf einer fehlerhaften Beurteilung der normalen Besteuerung gemäß dem im vorliegenden Fall einschlägigen irischen Steuerrecht beruhten.

 

255      Dem Gericht ist außerdem ein Verfahrensfehler unterlaufen, weil es bei den Ausführungen in Rn. 301 des angefochtenen Urteils unzulässige Beweise herangezogen hat (siehe oben, Rn. 193).

 

256      Zweitens hat das Gericht, indem es bei der Prüfung der Erwägungen der Kommission zu den Tätigkeiten innerhalb des Apple-Konzerns auf die Funktionen und Risiken abgestellt hat, die die Apple Inc. im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum ausgeübt bzw. übernommen hat, anstatt sich allein auf die Tätigkeiten zu konzentrieren, die die irischen Zweigniederlassungen bzw. die Verwaltungssitze von ASI und AOE im Zusammenhang mit der Verwaltung und der Nutzung der Lizenzen des geistigen Eigentums ausgeübt haben, bei der Qualifizierung des untersuchten Sachverhalts ein anderes rechtliches Kriterium angewandt als das, das es selbst nach Section 25 TCA 97 für maßgeblich erachtet hat. Nach diesem Bezugsrahmen ist die Aufteilung der Vermögenswerte, der Funktionen und der Risiken zwischen der Zweigniederlassung und den anderen Teilen der gebietsfremden Gesellschaft zu berücksichtigen und ist die Berücksichtigung der Rolle gesonderter Einheiten wie einer Muttergesellschaft der gebietsfremden Gesellschaft nach den nach irischen Steuerrecht anzuwendenden Steuergrundsätzen ausgeschlossen (siehe oben, Rn. 222).

 

257      Drittens hat das Gericht, indem es in Rn. 304 des angefochtenen Urteils angenommen hat, dass der Umstand, dass die von der Kommission untersuchten Protokolle keine näheren Einzelheiten über die Entscheidungen bezüglich der Verwaltung der Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns, die Kostenteilungsvereinbarung und wichtige geschäftliche Entscheidungen enthielten, nicht ausschließe, dass es diese Entscheidungen tatsächlich gegeben habe, die Anforderungen an die Beweislast überspannt (siehe oben, Rn. 245).

 

258      Das Gericht hat deshalb zu Unrecht entschieden, dass die Haupterwägungen der Kommission auf unzutreffenden Annahmen betreffend die normale Besteuerung nach dem im vorliegenden Fall anwendbaren irischen Steuerrecht beruhten, und den von Irland und von ASI und AOE gegen die Tatsachenfeststellungen der Kommission betreffend die Tätigkeiten der irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE und die Tätigkeiten außerhalb dieser Zweigniederlassungen erhobenen Rügen zu Unrecht stattgegeben.

 

259      Wegen der Fehler, die im Rahmen der Prüfung des ersten Rechtsmittelgrundes festgestellt wurden, ist das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als den von Irland mit dem ersten, dem zweiten und dem dritten Klagegrund in der Rechtssache T‑778/16 und den von ASI und AOE mit dem ersten, dem zweiten, dem dritten, dem vierten und dem fünften Klagegrund in der Rechtssache T‑892/16 gegen die Haupterwägungen zum Vorliegen eines selektiven Vorteils erhobenen Rügen stattgegeben, der streitige Beschluss für nichtig erklärt und über die Kosten entschieden wird.

 

VI. Zu den Klagen

260      Hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf, kann er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen (Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union).

 

261      Wie sich aus den Klageschriften ergibt, wenden sich Irland und ASI und AOE mit ihren jeweiligen Klagegründen als Erstes gegen die Haupterwägungen der Kommission. Sie rügen Fehler betreffend die Erwägungen zum Vorliegen eines selektiven Vorteils (erster, zweiter und dritter Klagegrund in der Rechtssache T‑778/16, erster, zweiter, dritter, vierter, fünfter und sechster Klagegrund in der Rechtssache T‑892/16) und die Erwägungen zum Begriff der staatlichen Maßnahme (dritter Teil des zweiten Klagegrundes in der Rechtssache T‑778/16).

 

262      Als Zweites machen Irland und ASI und AOE geltend, dass die Kommission im Verwaltungsverfahren bei ihrer Untersuchung wesentliche Formvorschriften verletzt habe, insbesondere den Anspruch auf rechtliches Gehör (sechster Klagegrund in der Rechtssache T‑778/16, siebter und zwölfter Klagegrund in der Rechtssache T‑892/16).

 

263      Als Drittes beanstanden Irland und ASI und AOE die mit dem streitigen Beschluss angeordnete Rückforderung, die unter Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes erfolgt sei (siebter Klagegrund in der Rechtssache T‑778/16, elfter Klagegrund in der Rechtssache T‑892/16).

 

264      Als Viertes werfen Irland und ASI und AOE der Kommission vor, in die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten eingegriffen zu haben. Sie berufen sich insoweit insbesondere auf den Grundsatz der Steuerautonomie (achter Klagegrund in der Rechtssache T‑778/16, 14. Klagegrund in der Rechtssache T‑892/16).

 

265      Als Fünftes machen Irland und ASI und AOE schließlich geltend, dass der streitige Beschluss nicht hinreichend begründet sei (neunter Klagegrund in der Rechtssache T‑778/16, 13. Klagegrund in der Rechtssache T‑892/16).

 

266      Im vorliegenden Fall verfügt der Gerichtshof für die Entscheidung über diese Klagegründe, die in dem Verfahren vor dem Gericht streitig erörtert wurden und deren Prüfung im Hinblick auf die Fragen, die zu entscheiden sind, um den Rechtsstreit zu beenden, keine weitere prozessleitende Maßnahme und keine weitere Beweisaufnahme erfordert, über alle erforderlichen Angaben.

 

267      Er ist deshalb der Auffassung, dass die Klagen entscheidungsreif sind und, soweit der Rechtsstreit noch bei ihm anhängig ist, endgültig über sie zu entscheiden ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. März 2021, Kommission/Fútbol Club Barcelona, C‑362/19 P, EU:C:2021:169, Rn. 108 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 5. März 2024, Kočner/Europol, C‑755/21 P, EU:C:2024:202, Rn. 112).

 

A. Zu den gegen die Erwägungen zum Vorliegen eines selektiven Vorteils gerichteten Klagegründen

268      Im Rahmen der Beanstandung der Haupterwägungen der Kommission macht Irland erstens geltend, dass die Kommission die Begriffe des Vorteils und der Selektivität zu Unrecht zusammen geprüft habe (Teil des zweiten Klagegrundes in der Rechtssache T‑778/16).

 

269      Zweitens machen sowohl Irland als auch ASI und AOI geltend, dass die Kommission den Bezugsrahmen nicht richtig bestimmt habe, und zwar u. a. aufgrund einer unzutreffenden Würdigung der normalen Besteuerung nach irischem Recht (Teil des ersten und des zweiten Klagegrundes in der Rechtssache T‑778/16, erster Klagegrund in der Rechtssache T‑892/16), einer unrichtigen Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes (Teil des ersten Klagegrundes und dritter Klagegrund in der Rechtssache T‑778/16, Teil des ersten Klagegrundes und zweiter Klagegrund in der Rechtssache T‑892/16) und einer unsachgemäßen Anwendung des AOA (Teil des zweiten Klagegrundes in der Rechtssache T‑778/16, fünfter Klagegrund in der Rechtssache T‑892/16).

 

270      Drittens wenden sich Irland und ASI und AOE gegen die Tatsachenfeststellungen der Kommission zu den Tätigkeiten innerhalb des Apple-Konzerns (erster Klagegrund in der Rechtssache T‑778/16, dritter und vierter Klagegrund in der Rechtssache T‑892/16).

 

271      Viertens beanstanden sie die Erwägungen zum selektiven Charakter der beanstandeten Steuervorbescheide (Teil des zweiten Klagegrundes in der Rechtssache T‑778/16, sechster Klagegrund in der Rechtssache T‑892/16).

 

1. Zu der gemeinsamen Prüfung der Kriterien des Vorteils und der Selektivität

 

272      Irland macht im Wesentlichen geltend, dass die Kommission dadurch, dass sie die Kriterien des Vorteils und der Selektivität, die sie hätte getrennt prüfen müssen, miteinander vermengt habe, in der Rechtsprechung anerkannte Grundsätze missachtet habe.

 

273      Da das Gericht das Vorbringen von Irland, dass die Kommission die Kriterien des Vorteils und der Selektivität zu Unrecht zusammen geprüft habe, aus den in den Rn. 134 bis 138 des angefochtenen Urteils genannten Gründen zurückgewiesen hat und Irland diesen Teil des angefochtenen Urteils nicht mit einem Anschlussrechtsmittel angegriffen hat, lässt die Aufhebung durch den Gerichtshof das angefochtene Urteil, soweit das Gericht dieses Vorbringen der Kommission zurückgewiesen hat, unberührt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. März 2021, Kommission/Fútbol Club Barcelona, C‑362/19 P, EU:C:2021:169, Rn. 109, und vom 23. November 2021, Rat/Hamas, C‑833/19 P, EU:C:2021:950, Rn. 81).

 

274      Art. 178 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs bestimmt nämlich, dass die Anschlussrechtsmittelanträge auf die vollständige oder teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung des Gerichts gerichtet sein müssen, ohne die Reichweite dieser Anträge – anders als dies in Art. 169 Abs. 1 der Verfahrensordnung in Bezug auf Rechtsmittelanträge geregelt ist – auf die Entscheidung des Gerichts in der Gestalt der Entscheidungsformel zu beschränken. Im vorliegenden Fall hätte Irland also ein Anschlussrechtsmittel einlegen können, um sich gegen die Zurückweisung seines erstinstanzlichen Vorbringens durch das Gericht zu wehren. Da Irland dies nicht getan hat, ist das angefochtene Urteil, soweit das Gericht sein Vorbringen zurückgewiesen hat, rechtskräftig (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. März 2021, Kommission/Fútbol Club Barcelona, C‑362/19 P, EU:C:2021:169, Rn. 110, und vom 23. November 2021, Rat/Hamas, C‑833/19 P, EU:C:2021:950, Rn. 82).

 

275      Die Rüge, mit der sich Irland gegen die gemeinsame Prüfung der Kriterien des Vorteils und der Selektivität wendet, überschneidet sich jedoch teilweise mit den Rügen, die speziell gegen die Erwägungen zur Selektivität der beanstandeten Steuervorbescheide gerichtet sind, auf die unten in den Rn. 294 bis 311 eingegangen werden wird. Sie wird daher zusammen mit diesen Rügen geprüft werden.

 

2. Zur Bestimmung des Bezugsrahmens und zu den Erwägungen der Kommission zur normalen Gewinnbesteuerung nach dem irischen Steuerrecht

276      Was als Erstes die Bestimmung des Bezugsrahmens angeht, ist aus den oben in den Rn. 273 und 274 dargelegten Gründen festzustellen, dass das angefochtene Urteil, soweit mit ihm die Rügen von Irland und von ASI und AOE betreffend den im streitigen Beschluss bestimmten Bezugsrahmen aus den in den Rn. 144 bis 162 des angefochtenen Urteils genannten Gründen zurückgewiesen wurden, da kein Anschlussrechtsmittel eingelegt wurde, rechtskräftig ist. Der Gerichtshof hat über diese Rügen daher nicht zu entscheiden.

 

277      Was als Zweites die Erwägungen zur normalen Gewinnbesteuerung nach dem irischen Steuerrecht angeht, ist nicht erwiesen, dass die Kommission, indem sie angenommen hat, dass die Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns den irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE hätten zugewiesen werden müssen, da die Verwaltungssitze dieser Gesellschaften weder über die erforderlichen Mitarbeiter noch über die erforderliche physische Präsenz verfügt hätten, um diese Lizenzen verwalten zu können, den Gewinn allein „im Wege eines Ausschlussverfahrens“ zugewiesen hätte, das nicht mit Section 25 TCA 97 zu vereinbaren wäre (siehe oben, Rn. 120 bis 130). Es kann daher nicht angenommen werden, dass die Kommission sich nicht bemüht hätte, nachzuweisen, dass die irischen Zweigniederlassungen von ASI und von AOE die Tätigkeiten im Zusammenhang mit den Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns tatsächlich ausgeübt hätten, weshalb die irische Finanzverwaltung die von ASI und AOE gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns diesen Zweigniederlassungen hätte zuweisen und folglich nach Section 25 TCA 97 hätte annehmen müssen, dass alle geschäftlichen Einkünfte von ASI und von AOE aus dem Geschäftsbetrieb dieser Zweigniederlassungen herrührten.

 

278      Irland und ASI und AOE machen mit dem ersten Klagegrund in der Rechtssache T‑778/16 und mit dem ersten und dem zweiten Klagegrund in der Rechtssache T‑892/16 geltend, dass die Kommission die Anwendung von Section 25 TCA 97 durch die irische Finanzverwaltung nicht anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes daraufhin habe überprüfen dürfen, ob die mit den beanstandeten Steuervorbescheiden akzeptierten Gewinne, die den Zweigniederlassungen für ihre Handelsgeschäfte in Irland zugewiesen worden seien, in ihrer Höhe den Gewinnen entsprochen hätten, die erzielt worden wären, wenn die Handelsgeschäfte unter Marktbedingungen betrieben worden wären. Das angefochtene Urteil ist, soweit dieses Vorbringen mit ihm aus den in den Rn. 192 bis 225 des angefochtenen Urteils dargelegten Gründen zurückgewiesen wurde, da kein Anschlussrechtsmittel eingelegt wurde, aus den oben in den Rn. 273 und 274 dargelegten Gründen rechtskräftig. Über das betreffende Vorbringen ist daher nicht zu entscheiden.

 

279      Das Vorbringen, dass die Kommission ihre Annahme, dass die Zuweisung der Gewinne an die irische Zweigniederlassung eines gebietsfremden Unternehmens bei der Anwendung von Section 25 TCA 97 anhand der Aufteilung der Vermögenswerte, der Funktionen und der Risiken zwischen der Zweigniederlassung und den übrigen Teilen des Unternehmens zu erfolgen habe, zu Unrecht im Wesentlichen auf den AOA gestützt habe, ist vom Gericht aus den in den Rn. 233 bis 239 des angefochtenen Urteils genannten Gründen zurückgewiesen worden. Da kein Anschlussrechtsmittel eingelegt wurde, ist das angefochtene Urteil auch insoweit rechtskräftig. Über das betreffende Vorbringen ist daher nicht zu entscheiden.

 

280      Wie die Prüfung des ersten Rechtsmittelgrundes ergeben hat, ist nicht erwiesen, dass die Kommission in ihren Haupterwägungen den Fremdvergleichsgrundsatz nicht richtig angewandt hätte, weil sie die wirtschaftliche Realität, die Struktur und die Besonderheiten des Apple-Konzerns außer Acht gelassen hätte, insbesondere die in Cupertino ausgeübten Funktionen betreffend die Verwaltung des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns. Soweit mit ihm die Ergebnisse angegriffen werden, zu denen die Kommission in ihren Haupterwägungen nach dem Fremdvergleichsgrundsatz gelangt ist, ist das Vorbringen von Irland im Rahmen des dritten Klagegrundes in der Rechtssache T‑778/16 daher zurückzuweisen.

 

281      Die Klagegründe, die gegen die Erwägungen der Kommission betreffend die Bestimmung des Bezugsrahmens und die normale Besteuerung nach dem im vorliegenden Fall einschlägigen irischen Steuerrecht gerichtet sind, sind somit allesamt zurückzuweisen.

 

3. Zu den Erwägungen der Kommission betreffend die Tätigkeiten innerhalb des Apple-Konzerns

282      Irland und ASI und AOE machen im Wesentlichen geltend, dass die von der Kommission festgestellten Tätigkeiten und Funktionen der irischen Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften nur einen geringen Teil der wirtschaftlichen Tätigkeit und der Gewinne dieser Gesellschaften ausgemacht hätten. Auf jeden Fall hätten zu ihnen weder die Verwaltung des geistigen Eigentums noch der Erlass strategischer Entscheidungen über dessen Entwicklung und Vermarktung gehört.

 

283      Die strategischen Entscheidungen, vor allem im Zusammenhang mit Produktdesign und ‑entwicklung, seien allesamt gemäß einer umfassenden Geschäftsstrategie getroffen worden, die in Cupertino festgelegt worden sei. Umgesetzt worden seien sie dann von den Leitungsorganen von ASI und AOE, und zwar außerhalb der irischen Zweigniederlassungen. Daher sei es nicht gerechtfertigt, die Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns den irischen Zweigniederlassungen zuzuweisen.

 

284      Die Prüfung des ersten Rechtsmittelgrundes hat ergeben, dass das Gericht zu Unrecht angenommen hat, dass die von der Apple Inc. ausgeübten Funktionen für die Aufteilung des Gewinns von ASI und AOE auf die Verwaltungssitze und die Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften relevant seien (zweiter Teil des ersten Rechtsmittelgrundes), und dass es rechtsfehlerhaft festgestellt hat, dass die Leitungsorgane von ASI und AOE unmittelbar oder durch Bevollmächtigte wesentliche Funktionen betreffend die Lizenzen des geistigen Eigentums ausgeübt hätten (dritter Teil des ersten Rechtsmittelgrundes).

 

285      Außerdem folgen die steuerrechtliche Zuweisung der Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns an die irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE und die anschließende Zuweisung der durch die Nutzung dieser Lizenzen erwirtschafteten Gewinne, wie die Kommission geltend macht, unmittelbar aus einer richtigen Anwendung der einschlägigen Steuergrundsätze auf die Struktur des Apple-Konzerns, wie sie von der Apple Inc. selbst durch die Kostenteilungsvereinbarung (siehe oben, Rn. 6 und 7) geschaffen wurde.

 

286      Die Erforderlichkeit, bei der Anwendung von Section 25 TCA 97 die Aufteilung der Vermögenswerte, der Funktionen und der Risiken zwischen den irischen Zweigniederlassungen und den übrigen Teilen von ASI und AOE zu berücksichtigen, und zwar unabhängig von der Rolle, die die Apple Inc. gespielt haben mag, ergibt sich somit allein aus der vom Apple-Konzern getroffenen Entscheidung, die mit dem geistigen Eigentum zusammenhängenden Kosten und Risiken des Apple-Konzerns durch die Kostenteilungsvereinbarung zu verlagern.

 

287      Anders als das Gericht in Rn. 310 des angefochtenen Urteils entschieden hat, hat die Kommission mithin durchaus nachgewiesen, dass die durch die Nutzung der Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns erwirtschafteten Gewinne des Apple-Konzerns in Anbetracht der Tätigkeiten und Funktionen, die von den irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE tatsächlich ausgeübt wurden, und in Anbetracht fehlender übereinstimmender Beweise für strategische Entscheidungen, die von den außerhalb Irlands liegenden Verwaltungssitzen von ASI und AOE getroffen und umgesetzt worden wären, bei der Ermittlung des in Irland zu versteuerndem Jahresgewinns dieser Gesellschaften deren Zweigniederlassungen hätten zugewiesen werden müssen.

 

288      Daher sind auch die Rügen zurückzuweisen, mit denen Irland im Rahmen des ersten Klagegrundes in der Rechtssache T‑778/16 und ASI und AOE im Rahmen des dritten und des vierten Klagegrundes in der Rechtssache T‑892/16 die Tatsachenwürdigungen der Kommission betreffend die Tätigkeiten der irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE und die Tätigkeiten außerhalb dieser Zweigniederlassungen angreifen.

 

4. Zur Selektivität der beanstandeten Steuervorbescheide

a)         Vorbringen der Parteien

289      Irland und ASI und AOE machen – unterstützt durch das Großherzogtum Luxemburg – geltend, dass die Kommission die beanstandeten Steuervorbescheide zu Unrecht allein deshalb, weil sie nur für ASI und AOE gegolten hätten, als individuelle Beihilfemaßnahmen eingestuft und bei ihnen damit auch zu Unrecht vermutet habe, dass sie selektiv seien. Die Rechtsprechung, auf die sich die Kommission berufe, greife im vorliegenden Fall nicht. Erstens seien die Steuervorbescheide für alle Steuerpflichtigen verfügbar, die einen entsprechenden Antrag stellten. Zweitens werde mit ihnen lediglich Section 25 TCA 97 auf den Sachverhalt, wie er in den bei der irischen Finanzverwaltung gestellten Anträgen dargestellt werde, angewandt. Drittens hätten somit für jede Gesellschaft, die sich in einer vergleichbaren Situation wie ASI und AOE befunden hätte, bei Stellung eines entsprechenden Antrags vergleichbare Steuervorbescheide erteilt werden können.

 

290      Weiter machen Irland und ASI und AOE im Wesentlichen geltend, dass die Kommission bei der dreistufigen Prüfung der Selektivität „getrickst“ habe. Sie habe sich auf ein fiktives Bezugssystem berufen und behauptet, dass eine Abweichung von Regeln vorliege, die in Wirklichkeit für keinen Steuerpflichtigen, der sich in einer vergleichbaren Situation wie ASI und AOE befunden habe, gegolten habe.

 

291      Um nachzuweisen, dass die beanstandeten Steuervorbescheide selektiv gewesen seien, hätte die Kommission dartun müssen, dass die Steuervorbescheide zu einer unterschiedlichen Behandlung der Gesellschaften geführt hätten, die sich im Hinblick auf das Ziel der Maßnahme in einer vergleichbaren Situation befunden hätten. Im Hinblick auf das Ziel der beanstandeten Steuervorbescheide befänden sich gebietsansässige und gebietsfremde Gesellschaften hinsichtlich der Bestimmung des in Irland zu versteuernden Gewinns aber nicht in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Situation.

 

292      Schließlich macht Irland für den Fall, dass die Kommission nachgewiesen haben sollte, dass die beanstandeten Steuervorbescheide selektiv gewesen seien, was sie seiner Auffassung nach nicht getan hat, geltend, dass die unterschiedliche Behandlung der gebietsfremden Gesellschaften dann durch die Natur und den Aufbau des irischen Steuersystems, insbesondere durch die räumliche Reichweite der Besteuerungshoheit Irlands, gerechtfertigt gewesen sei.

 

293      Die Kommission tritt dem Vorbringen von Irland und von ASI und AOE entgegen. Sie wird hierbei von der Republik Polen und der EFTA-Überwachungsbehörde unterstützt.

 

b)         Würdigung durch den Gerichtshof

294      Irland und ASI und AOE machen im Wesentlichen geltend, dass die Kommission zu Unrecht zu dem Schluss gelangt sei, dass die beanstandeten Steuervorbescheide selektiv gewesen seien. Insoweit greife im vorliegenden Fall keine Vermutung, und weder ASI noch AOE hätten gegenüber anderen Unternehmen in vergleichbarer Lage eine abweichende oder selektive Behandlung erfahren. Irland meint, dass eine solche Behandlung, unterstellt, sie habe stattgefunden, jedenfalls wegen des Wesens und der Systematik des irischen Steuerrechts gerechtfertigt gewesen sei.

 

295      Zwar muss das aus Art. 107 Abs. 1 AEUV folgende Erfordernis der Selektivität klar vom begleitenden Nachweis eines wirtschaftlichen Vorteils unterschieden werden, so dass die Kommission, wenn sie das Vorliegen eines Vorteils – in einem weiten Sinne – entdeckt hat, der sich unmittelbar oder mittelbar aus einer bestimmten Maßnahme ergibt, weiterhin noch nachweisen muss, dass dieser Vorteil spezifisch einem oder mehreren Unternehmen zugutekommt (Urteil vom 21. September 2023, Fachverband Spielhallen und LM/Kommission, C‑831/21 P, EU:C:2023:686, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). Solange sich aus der von der Kommission vorgenommenen Prüfung ergibt, dass die betreffende Maßnahme dem Begünstigten einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft und dieser Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, nicht zugutekommt, ist eine gemeinsame Prüfung dieser Kriterien aber nicht zu beanstanden.

 

296      Bei steuerlichen Maßnahmen überschneiden sich die Prüfung des Vorteils und die Prüfung der Selektivität, da diese Kriterien beide den Nachweis verlangen, dass die beanstandete steuerliche Maßnahme zu einer Verringerung der Steuer führt, die der Begünstigte normalerweise hätte zahlen müssen, wenn bei ihm die „normalen“ Steuerregelung zur Anwendung gekommen wäre, die für die übrigen, sich in derselben Situation befindenden Steuerpflichtigen gilt.

 

297      Wie der Gerichtshof klargestellt hat, fällt die Prüfung, die die Kommission zur Feststellung der Selektivität einer Beihilferegelung steuerlicher Art vorzunehmen hat, hinsichtlich der Ermittlung des „normalen“ Bezugssystems bzw. der „normalen“ Steuerregelung mit der Prüfung zusammen, die vorzunehmen ist, um festzustellen, ob die beanstandete Maßnahme den Begünstigten einen Vorteil verschafft (Urteil vom 21. September 2023, Fachverband Spielhallen und LM/Kommission, C‑831/21 P, EU:C:2023:686, Rn. 41).

 

298      Im vorliegenden Fall hat sich die Kommission bei der gemeinsamen Prüfung des Vorteils und der Selektivität an das für die Prüfung der Selektivität einer nationalen Steuermaßnahme maßgebliche dreistufige Prüfungsschema gehalten: Bestimmung des geeigneten Bezugssystems, Prüfung der Frage, ob mit den beanstandeten Maßnahmen davon abgewichen wird, Prüfung der Frage, ob die Abweichung durch die Natur und den Aufbau des Bezugssystems gerechtfertigt ist.

 

299      Was als Erstes das Vorbringen der Kläger angeht, dass sich die Kommission zu Unrecht auf die nach der Rechtsprechung (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Juni 2015, Kommission/MOL, C‑15/14 P, EU:C:2015:362, und vom 30. Juni 2016, Belgien/Kommission, C‑270/15 P, EU:C:2016:489) für Einzelmaßnahmen geltende Vermutung der Selektivität gestützt habe, ist festzustellen, dass dieses Vorbringen ins Leere geht.

 

300      Denn, selbst unterstellt, mit den beanstandeten Steuervorbescheiden werde Section 25 TCA 97 – eine Vorschrift, die generell und abstrakt für sämtliche gebietsfremden Gesellschaften gilt – umgesetzt und die Steuervorbescheide könnten daher nicht als „Einzelbeihilfe“ eingestuft werden, ist festzustellen, dass die Prüfung der Steuervorbescheide nach dem gemäß der oben in Rn. 76 angeführten Rechtsprechung für steuerliche Beihilferegelungen maßgeblichen dreistufigen Prüfungsschema erfolgt ist.

 

301      Somit ist festzustellen, dass, selbst unterstellt, die Kommission habe sich im vorliegenden Fall zu Unrecht auf eine Vermutung der Selektivität gestützt, sich dies nur dann auf die von der Kommission vorgenommene Feststellung der Selektivität auswirken könnte, wenn die Kommission nach ihrer dreistufigen Prüfung der Selektivität nicht nachgewiesen hätte, dass die beanstandeten Steuervorbescheide zu einer Verringerung der Steuer geführt haben, die der Begünstigte normalerweise hätte zahlen müssen, wenn bei ihm die „normale“ Steuerregelung zur Anwendung gekommen wäre, die für die übrigen, sich in derselben Situation befindenden Steuerpflichtigen gilt.

 

302      Als Zweites ist festzustellen, dass nicht erwiesen ist, dass die Kommission bei ihrer dreistufigen Prüfung der Selektivität „getrickst“ hätte.

 

303      Was erstens die Bestimmung des Bezugsrahmens angeht, so ist das angefochtene Urteil, soweit mit ihm die Rügen von Irland und von ASI und AOE betreffend den im streitigen Beschluss bestimmten Bezugsrahmen zurückgewiesen wurden, da kein Anschlussrechtsmittel eingelegt wurde, rechtskräftig (siehe oben, Rn. 276).

 

304      Zweitens ist das Vorbringen, dass die Kommission nicht dargetan habe, dass mit den beanstandeten Steuervorbescheiden von dem von ihr bestimmten Bezugsrahmen abgewichen worden wäre, nicht stichhaltig.

 

305      Die Kommission hat nämlich hinreichend nachgewiesen, dass die beanstandeten Steuervorbescheide dazu führen, dass ASI und AOE eine günstigere steuerliche Behandlung erfahren als gebietsansässige Gesellschaften, die in Irland besteuert werden und – obwohl sie sich hinsichtlich des mit dem Bezugssystem verfolgten Ziels der Besteuerung der in Irland erwirtschafteten Gewinne in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden – nicht in den Genuss solcher Steuervorbescheide der Finanzverwaltung kommen können, nämlich insbesondere autonome, nicht integrierte Unternehmen, integrierte Konzernunternehmen, die Geschäfte mit Dritten abschließen oder integrierte Konzernunternehmen, die Geschäfte mit verbundenen Konzerngesellschaften abschließen und dabei die Preise unter Marktbedingungen festsetzen.

 

306      Da mit ihnen der jährliche Betrag der Steuer, die ASI und AOE im Vergleich zu nicht integrierten Gesellschaften, deren zu versteuernder Gewinn die Preise widerspiegelt, die auf dem Markt bestimmt worden sind und unter Marktbedingungen ausgehandelt worden sind, in Irland zu entrichten haben, verringert wird, stellten die beanstandeten Steuervorbescheide eine unterschiedliche Behandlung dar, die im Wesentlichen als abweichend und diskriminierend eingestuft werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 54).

 

307      Was als Drittes die Frage angeht, ob die durch die beanstandeten Steuervorbescheide bedingte Diskriminierung durch die Natur und die Logik des irischen Steuersystems gerechtfertigt ist, ist anerkannt, dass eine Maßnahme, die eine Ausnahme von der Anwendung des allgemeinen Steuersystems darstellt, gerechtfertigt sein kann, wenn sie unmittelbar auf den Grund- oder Leitprinzipien dieses Steuersystems beruht. Insoweit ist zu unterscheiden zwischen den mit einer bestimmten Steuerregelung verfolgten Zielen, die außerhalb dieser Regelung liegen, und den dem Steuersystem selbst inhärenten Mechanismen, die zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sind. Demzufolge können Steuervergünstigungen, denen ein Ziel zugrunde liegt, das dem Besteuerungssystem, in das sie sich einfügen, fremd ist, den Anforderungen von Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht entgehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. September 2011, Paint Graphos u. a., C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 65 bis 70, und vom 19. Dezember 2018, A‑Brauerei, C‑374/17, EU:C:2018:1024, Rn. 48).

 

308      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Kommission aufgrund der in den Erwägungsgründen 404 bis 411 des streitigen Beschlusses angestellten Überlegungen zu dem Schluss gelangt ist, dass keiner der im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Gesichtspunkte – im Wesentlichen: Ausübung des Ermessens der Irish Revenue (irische Finanzverwaltung), Verwaltungspraxis der Irish Revenue, „Wirksamkeit des Steuersystems“, zu der die beanstandeten Steuervorbescheide beitragen sollen – die Behandlung, in deren Genuss ASI und AOE gekommen seien, rechtfertige, die darin bestanden habe, dass diesen Gesellschaften ein selektiver Vorteil gewährt worden sei.

 

309      Irland hat nicht dargetan, inwieweit die Ausführungen der Kommission in diesem Teil des streitigen Beschlusses unrichtig wären. Insbesondere hat es nicht erläutert, inwieweit das Territorialprinzip, auf das es sich beruft, unbedingt eine günstige Behandlung der gebietsfremden Gesellschaften geböte. Es obliegt aber dem Mitgliedstaat, der eine Differenzierung zwischen Unternehmen im Bereich von steuerlichen Belastungen vorgenommen hat, darzutun, dass diese tatsächlich durch die Natur und den Aufbau des betreffenden Systems gerechtfertigt ist (Urteil vom 8. September 2011, Kommission/Niederlande, C‑279/08 P, EU:C:2011:551, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

310      Demnach hat die Kommission im streitigen Beschluss zu Recht angenommen, dass die durch die beanstandeten Steuervorbescheide bedingte unterschiedliche steuerliche Behandlung des Gewinns von ASI und AOE nicht durch die Natur und den Aufbau des irischen Steuersystems gerechtfertigt sei.

 

311      Das Vorbringen der Kläger zu der im streitigen Beschluss vorgenommenen Prüfung der Selektivität der beanstandeten Steuervorbescheide ist daher zurückzuweisen.

 

B. Zum Vorliegen staatlicher oder aus staatlichen Mitteln gewährter Beihilfen

1. Vorbringen der Parteien

312      Irland macht geltend, dass die Kommission zu Unrecht angenommen habe, dass staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen vorlägen. Erstens habe es überhaupt keine „Maßnahme“ gegeben. Im vorliegenden Fall änderten die von der irischen Finanzverwaltung erteilten Steuervorbescheide nichts an den Rechten und Pflichten des Steuerpflichtigen. Es werde lediglich das nationale Steuerrecht auf dessen besondere Situation angewandt. Zweitens habe Irland, indem es nicht auf den gesamten Gewinn von ASI und AOE Steuern erhoben habe, nicht auf Steuereinnahmen verzichtet. Nach Section 25 TCA 97 sei in Irland nämlich lediglich der Gewinn der Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften steuerpflichtig.

 

313      Die Kommission macht geltend, dass die beanstandeten Steuervorbescheide Irland zuzurechnen seien. Sie seien nämlich von der Finanzverwaltung, der Irish Revenue, erteilt worden, bei der es sich um eine Behörde handele. Die beanstandeten Steuervorbescheide und die auf deren Grundlage erfolgte Billigung der Steuererklärungen von ASI und AOE ließen sich nicht voneinander trennen. Im Übrigen habe Irland durchaus auf Steuereinnahmen und damit auf staatliche Mittel verzichtet. Durch die beanstandeten Steuervorbescheide sei nämlich der gemäß Section 25 TCA 97 zu versteuernde Gewinn von ASI und AOE verringert worden.

 

2. Würdigung durch den Gerichtshof

314      Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Maßnahme als staatliche Maßnahme oder als eine „aus staatlichen Mitteln“ gewährte Beihilfe eingestuft werden, wenn die Maßnahme zum einen unmittelbar oder mittelbar unter Inanspruchnahme dieser Mittel umgesetzt wird und zum anderen einem Mitgliedstaat zuzurechnen ist (Urteil vom 12. Januar 2023, DOBELES HES, C‑702/20 und C‑17/21, EU:C:2023:1, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

315      Was als Erstes die Voraussetzung angeht, dass die Maßnahme einem Mitgliedstaat zuzurechnen sein muss, ist zu prüfen, ob die öffentlichen Stellen auf irgendeine Weise am Erlass der Maßnahme beteiligt waren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission, C‑405/16 P, EU:C:2019:268, Rn. 49).

 

316      Im vorliegenden Fall hat die Kommission im 221. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses festgestellt, dass die beanstandeten Steuervorbescheide Irland zuzurechnen seien, weil sie von dessen Finanzverwaltung, der Irish Revenue, also einer Behörde, erteilt worden seien. Sie hat weiter festgestellt, dass die beanstandeten Steuervorbescheide der ASI und AOE als Grundlage für die Berechnung ihrer jährlichen Körperschaftsteuerschuld in Irland gedient hätten und dass die irische Finanzverwaltung diese Berechnungen gebilligt und somit akzeptiert habe, dass die von diesen Gesellschaften im relevanten Zeitraum in Irland gezahlten Steuern ihrer Körperschaftsteuerschuld entsprächen.

 

317      Damit hat die Kommission dargetan, dass die öffentlichen Stellen an dem Erlass der beanstandeten Steuervorbescheide beteiligt waren. Das Vorbringen von Irland, dass die beanstandeten Maßnahmen nicht als dem Staat zuzurechnende Maßnahmen einzustufen seien, ist daher zurückzuweisen.

 

318      Was als Zweites die Voraussetzung angeht, dass der Vorteil „aus staatlichen Mitteln“ gewährt worden sein muss, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass eine staatliche Maßnahme, nach der bestimmte Unternehmen nicht zur Zahlung einer Steuer verpflichtet sind, auch wenn sie keine Übertragung öffentlicher Mittel vorsieht, eine staatliche Beihilfe darstellt, sofern sie einen Verzicht der betroffenen Körperschaften auf die Steuereinnahmen darstellt, die diese normalerweise hätten erzielen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. November 2009, Presidente del Consiglio dei Ministri, C‑169/08, EU:C:2009:709, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

319      Es muss nämlich nicht in jedem Fall festgestellt werden, dass eine Übertragung staatlicher Mittel stattgefunden hat, damit der einem oder mehreren Unternehmen gewährte Vorteil als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV angesehen werden kann. Als Beihilfen gelten namentlich Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen (Urteil vom 19. März 2013, Bouygues u. a./Kommission u. a., C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, Rn. 100 und 101).

 

320      Im vorliegenden Fall ist die Annahme der Kommission im 221. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses, dass Irland auf Steuereinnahmen von ASI und AOE verzichtet habe, da mit den beanstandeten Steuervorbescheiden Methoden der Gewinnzuweisung gebilligt würden, die zu einem Ergebnis führten, das gesonderte, selbständige Unternehmen unter Marktbedingungen niemals akzeptiert hätten, nicht zu beanstanden. Mit den beanstandeten Steuervorbescheiden wird nämlich der gemäß Section 25 TCA 97 zu versteuernde Gewinn von ASI und AOE verringert und damit – im Vergleich zu den übrigen Gesellschaften, die in Irland besteuert werden und deren zu versteuernder Gewinn den auf dem Markt unter Marktbedingungen festgelegten Preis widerspiegelt – die Körperschaftsteuer, die diese Gesellschaften in Irland zu entrichten haben. Solche Maßnahmen vermindern also im Sinne der oben in Rn. 319 dargestellten Rechtsprechung die Belastungen, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat.

 

321      Somit ist auch der dritte Teil des zweiten Klagegrundes in der Rechtssache T‑778/16 zurückzuweisen.

 

C. Zu den Klagegründen, mit denen die Verletzung wesentlicher Formvorschriften, insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht werden

1. Vorbringen der Parteien

322      Irland macht geltend, dass die Kommission in dem Verwaltungsverfahren, das mit dem Erlass des streitigen Beschlusses geendet habe, mehrere wesentliche Formvorschriften verletzt habe, insbesondere den Anspruch auf rechtliches Gehör. Die Kommission habe Irland nicht wirklich Gelegenheit gegeben, an einer streitigen Erörterung teilzunehmen.

 

323      Erstens habe sich zwischen dem Erlass des Beschlusses über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens und dem Erlass des streitigen Beschlusses die Tragweite der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der beanstandeten Steuervorbescheide geändert. Die Kommission sei hinsichtlich der Rechtsgrundlage für das Erfordernis, dass die Irish Revenue bei den beanstandeten Steuervorbescheiden den Fremdvergleichsgrundsatz hätte anwenden müssen, nicht kohärent gewesen, der Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens und der streitige Beschluss seien, was die Vorgehensweise hinsichtlich des Bezugssystems angehe, nicht miteinander vereinbar und die irischen Behörden seien nicht in der Lage gewesen, zu der Frage, ob die Tatsachen zuträfen und relevant seien, und zu den Beweisen, auf die die Kommission ihre Feststellungen gestützt habe, Stellung zu nehmen.

 

324      Zweitens enthalte der streitige Beschluss Tatsachenfeststellungen, zu denen Irland nicht habe Stellung nehmen können. So seien Ausführungen zu den von den Klägern im Verwaltungsverfahren vorgelegten Sachverständigengutachten und Bescheiden der irischen Finanzverwaltung betreffend andere Steuerpflichtige erstmals im streitigen Beschluss gemacht worden, so dass Irland hierzu nicht habe Stellung nehmen können.

 

325      Drittens hätten Beamte der Kommission öffentliche Erklärungen abgegeben, die dem Ergebnis des förmlichen Prüfverfahrens vorgegriffen hätten, insbesondere 2015, also lange vor dem Erlass des streitigen Beschlusses.

 

326      Viertens sei die Kommission, was ihre Analyse des irischen Steuerrechts und die Berücksichtigung sämtlicher relevanter Gesichtspunkte angehe, ihren sich aus dem Grundsatz der guten Verwaltung ergebenden Verpflichtungen zur Sorgfalt und Unparteilichkeit nicht nachgekommen. Sie habe sich beim Erlass des streitigen Beschlusses offenbar von nicht relevanten Erwägungen leiten lassen, die nach dem irischen Steuerrecht und im Hinblick auf die Tätigkeiten des Apple-Konzerns nicht relevant seien. Insbesondere der Umstand, dass der Gewinn von ASI und AOE zum größten Teil in keinem Staat besteuert werde, auf den die Kommission hingewiesen habe, betreffe in Wirklichkeit die Verschiedenheiten und Unvereinbarkeiten des irischen und des amerikanischen Steuersystems.

 

327      Auch ASI und AOE machen geltend, dass die Kommission gegen mehrere wesentliche Formvorschriften verstoßen habe, und zwar erstens mit dem siebten Klagegrund. Sie weisen darauf hin, dass ein Unternehmen, dem zur Last gelegt werde, eine staatliche Beihilfe erhalten zu haben, in der Lage sein müsse, sich wirksam am förmlichen Prüfverfahren zu beteiligen. Die Haupterwägungen, die für die Kommission am Ende maßgeblich gewesen seien, nämlich, dass die von ihnen gehaltenen Rechte des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns den irischen Zweigniederlassungen zuzuweisen seien, seien in dem Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens aber nicht enthalten gewesen, und mit den informellen Mitteilungen der Kommission sei der Apple Inc. nicht hinreichend Gelegenheit gegeben worden, wirksam zu diesen Haupterwägungen Stellung zu nehmen.

 

328      Zweitens machen ASI und AOI mit dem zwölften Klagegrund geltend, dass die Kommission gegen die Verpflichtung zur sorgfältigen und unparteiischen Prüfung verstoßen habe, die ihr im Bereich der staatlichen Beihilfen obliege. Der streitige Beschluss beruhe auf der unzutreffenden Annahme, dass die Funktionen und Tätigkeiten ihrer Vorstände alle in den Sitzungsprotokollen aufgeführt seien. Die Apple Inc. habe aber das Gegenteil behauptet. Die Kommission hätte der Apple Inc. daher Gelegenheit geben müssen, insoweit ergänzende Angaben zu machen.

 

329      Die Kommission tritt diesem Vorbringen in vollem Umfang entgegen. Sie wird dabei von der Republik Polen und der EFTA-Überwachungsbehörde unterstützt.

 

2. Würdigung durch den Gerichtshof

330      Nach Art. 4 Abs. 4 der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 [AEUV] (ABl. 2015, L 248, S. 9) hat die Kommission ein förmliches Prüfverfahren über eine staatliche Beihilfe zu eröffnen, das die Information der Beteiligten vorsieht, wenn die Kommission nach einer vorläufigen Prüfung Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Maßnahme mit dem Binnenmarkt hat. Die Kommission braucht in dem Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens daher keine abgeschlossene Analyse der in Rede stehenden Maßnahme vorzulegen. Sie muss aber den Rahmen ihrer Prüfung hinreichend genau festlegen. Sonst würde das Recht der Beteiligten, Stellung zu nehmen, ausgehöhlt.

 

331      Im vorliegenden Fall hat die Kommission in dem nach einem Schriftwechsel zwischen den irischen Behörden und den Dienststellen der Kommission ergangenen Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens, in dem die Beteiligten aufgefordert wurden, Stellung zu nehmen, dargelegt, warum sie vorläufig zu dem Schluss gelangt ist, dass die beanstandeten Steuervorbescheide staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten, die Irland der Apple Inc., ASI und AOE gewährt habe, und dass diese staatlichen Beihilfen gemäß Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV mit dem Binnenmarkt unvereinbar seien. Die Kommission hat sich insbesondere gefragt, ob die mit den beanstandeten Steuervorbescheiden zur Ermittlung des in Irland zu versteuernden Gewinns von ASI und AOE gebilligten Methoden der Gewinnzuweisung eine Vergütung der irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE widerspiegelten, die ein unabhängiger, verständiger Wirtschaftsteilnehmer unter normalen Marktbedingungen akzeptiert hätte.

 

332      Erstens ist zu dem Vorbringen, dass die Kommission ihre Vorgehensweise zwischen dem Beschluss über die Eröffnung des mündlichen Prüfverfahrens und dem streitigen Beschluss geändert habe, festzustellen, dass die Kommission verpflichtet ist, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen, wenn nach einer ersten Prüfung Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der untersuchten Maßnahme mit dem Binnenmarkt bestehen.

 

333      Entscheidet sich die Kommission dafür, das förmlichen Prüfverfahren zu eröffnen, kann sie sich in dem entsprechenden Beschluss nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 auf eine Zusammenfassung der wesentlichen Sach- und Rechtsfragen, eine vorläufige Würdigung des Beihilfecharakters der in Rede stehenden Maßnahme und Ausführungen über die Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt beschränken.

 

334      Die in einem Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens enthaltene Einstufung der Maßnahme als staatliche Beihilfe ist also nicht endgültig. Mit der Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens soll es der Kommission ja gerade ermöglicht werden, alle Stellungnahmen zu erhalten, die erforderlich sind, damit sie selbst in der Lage ist, insoweit eine endgültige Entscheidung treffen zu können.

 

335      Entsprechend sieht Art. 9 der Verordnung 2015/1589 vor, dass die Kommission ihre Auffassung nach dem förmlichen Prüfverfahren ändern kann. Sie kann am Ende nämlich entscheiden, dass die Maßnahme keine Beihilfe darstellt oder die Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der Maßnahme ausgeräumt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 2023, EDP España/Naturgy Energy Group und Kommission, C‑693/21 P und C‑698/21 P, EU:C:2023:989, Rn. 63). Der Beschluss über die Eröffnung und der Beschluss über den Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens können daher in bestimmten Punkten voneinander abweichen, ohne dass Letzterer deshalb rechtswidrig wäre.

 

336      Auch wenn es durchaus vorkommen kann, dass die Kommission ihre Auffassung zwischen dem Beschluss über die Eröffnung und dem Beschluss über den Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens ändert, bedeutet dies also nicht zwangsläufig, dass der Beschluss über den Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens deshalb rechtswidrig wäre. Nur bei einer Änderung ihrer Auffassung, die das Wesen der beanstandeten Maßnahmen oder deren rechtliche Qualifizierung betrifft, mit der Folge, dass sich der Gegenstand des förmlichen Prüfverfahrens ändert, ist die Kommission unter Umständen verpflichtet, die Beteiligten erneut zu unterrichten, damit sie in der Lage sind, hierzu Stellung zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. November 2021, Autostrada Wielkopolska/Kommission und Polen, C‑933/19 P, EU:C:2021:905, Rn. 71).

 

337      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der Gegenstand des förmlichen Prüfverfahrens der Kommission mit dem Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens hinreichend bestimmt wurde. Dieser war klar genug, um es den Klägern zu ermöglichen, zu erkennen, welche Bedenken die Kommission hinsichtlich der Vereinbarkeit der beanstandeten Steuervorbescheide mit dem Binnenmarkt hatte, und ihnen Gelegenheit zu geben, Stellung zu nehmen.

 

338      Außerdem wird mit dem Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens hinreichend klar der Rahmen der Prüfung der Kommission bestimmt, und zwar auch, was den Fremdvergleichsgrundsatz angeht. Insoweit brauchte die Kommission die Beteiligten, solange der Gegenstand des förmlichen Prüfverfahrens nicht verändert wurde, nicht darüber zu unterrichten, wie sich ihre Sicht der Dinge im förmlichen Prüfverfahren entwickelt hat, noch auf jeden einzelnen Bericht einzugehen, der ihr vorgelegt wurde.

 

339      Zweitens sind die von ASI und AOE angesprochenen Erklärungen von Bediensteten der Kommission, mit denen nicht die Position der Kommission oder eines Mitglieds der Kommission wiedergegeben wird, nicht relevant. Denn die Äußerungen der Beamten und Bediensteten der Kommission, einmal unterstellt, dass diese hinsichtlich des Ergebnisses des förmlichen Prüfverfahrens betreffend die beanstandeten Steuervorbescheide eindeutig eine Meinung geäußert hätten, beweisen nicht, dass die Kommission ihrer Entscheidung vorgegriffen hätte.

 

340      Drittens ist nicht dargetan worden, dass die Kommission, wie Irland mit dem sechsten und ASI und AOE mit dem zwölften Klagegrund geltend machen, dadurch gegen den Grundsatz der guten Verwaltung verstoßen und keine sorgfältige und unparteiische Untersuchung der Akten vorgenommen hätte, dass sie Informationen nicht verlangt hat, die offenbar geeignet sind, andere Informationen, die für die Untersuchung der beanstandeten Maßnahme relevant sind, aber deren Zuverlässigkeit nicht hinreichend erwiesen ist, zu bestätigen oder zu entkräften.

 

341      Wenn die Kläger Informationen betreffend das irische Steuersystem und die Tätigkeiten von ASI und AOE außerhalb von Irland für relevant erachtet haben, hätten sie sie nach der oben in Rn. 184 dargestellten Rechtsprechung im Verwaltungsverfahren mitteilen müssen. Dass sie dies nicht getan haben, kann nicht darauf zurückgeführt werden, dass die Kommission ihrer Verpflichtung zur Durchführung einer sorgfältigen und unparteiischen Prüfung nicht nachgekommen wäre.

 

342      Die Kläger wurden auch hinreichend über die Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens betreffend die beanstandeten Steuervorbescheide informiert und darüber, dass es in dem Verfahren um die Frage gehe, ob die durch diese Steuervorbescheide gebilligten Gewinnzuweisungsmethoden richtig waren oder ob sie ASI und AOE einen selektiven Vorteil verschafften. Sie waren in der Lage, alle Angaben zu machen, die sie als Beteiligte für relevant erachteten, und haben von dieser Möglichkeit auch tatsächlich Gebrauch gemacht.

 

343      Irland und ASI und AOE machen deshalb zu Unrecht geltend, dass ihre Verfahrensrechte verletzt worden seien und die Kommission gegen den Grundsatz der guten Verwaltung verstoßen habe. Im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Mittel hat die Kommission ihre Aufgabe, die Beteiligten in die Lage zu versetzen, im förmlichen Prüfverfahren wirksam Stellung zu nehmen, ordnungsgemäß erfüllt.

 

344      Der sechste Klagegrund in der Rechtssache T‑778/16 und der siebte und der zwölfte Klagegrund in der Rechtssache T‑892/16 sind daher zurückzuweisen.

 

D. Zu den Klagegründen betreffend einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes

1. Vorbringen der Parteien

345      Irland und ASI und AOE machen im Wesentlichen geltend, dass die Kommission, indem sie auf der Grundlage einer bislang nicht dagewesenen Auslegung von Art. 107 Abs. 1 AEUV die Rückforderung der von ihr gewährten staatlichen Beihilfen angeordnet habe, gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen habe. Irland macht geltend, dass die Kommission deshalb auch gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen habe.

 

346      ASI und AOE machen geltend, dass die Auslegung der Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses der beanstandeten Steuervorbescheide in den Jahren 1991 und 2007 nicht vorhersehbar gewesen sei. Die Kommission habe sie in ihren Mitteilungen über staatliche Beihilfen nicht dargestellt gehabt. Außerdem habe es den AOA und die OECD-Verrechnungspreisleitlinien, auf die sich die Kommission im streitigen Beschluss gestützt habe, zum Zeitpunkt des Erlasses der beanstandeten Steuervorbescheide noch nicht gegeben. Der AOA und die OECD-Verrechnungspreisleitlinien seien 2010 angenommen worden. Die Kommission habe deshalb nicht gemäß Art. 16 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 die Rückforderung der Beihilfen anordnen dürfen.

 

347      Im Übrigen stellten die beanstandeten Steuervorbescheide eine Anwendung von nun in Section 25 TCA 97 enthalten Regeln über die Besteuerung gebietsfremder Gesellschaften dar, die zumindest seit 1967 und damit auch seit dem Beitritt Irlands zur Union nicht verändert worden seien. Die Beihilfemaßnahmen seien deshalb als bestehende Beihilfen anzusehen, so dass sie nicht zurückgefordert werden könnten.

 

348      Irland macht geltend, dass die Kommission, indem sie auf der Grundlage einer Auslegung von Art. 107 Abs. 1 AEUV, die zum Zeitpunkt des Erlasses der beanstandeten Steuervorbescheide nicht vorhersehbar gewesen sei, die Rückforderung der Beihilfen angeordnet habe, gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, das Rückwirkungsverbot und den Vertrauensschutz verstoßen habe. Insbesondere der Rückgriff der Kommission auf den Fremdvergleichsgrundsatz zeige, dass die Kommission bei staatlichen Beihilfen einen neuen Ansatz verfolge. Durch den streitigen Beschluss werde ganz offensichtlich auch das Recht der Apple Inc. verletzt, den Umfang ihrer rechtlichen Verpflichtungen zu kennen und nicht Gegenstand einer Rechtsanwendung zu sein, die zum Zeitpunkt des relevanten Sachverhalts nicht vorhersehbar gewesen sei. Auch deshalb habe die Kommission die Rückforderung der Beihilfen nicht anordnen dürfen.

 

349      Das Großherzogtum Luxemburg macht sich dieses Vorbringen im Großen und Ganzen zu eigen.

 

350      Die Kommission tritt ihm entgegen. Sie wird dabei von der Republik Polen und der EFTA-Überwachungsbehörde unterstützt.

 

2. Würdigung durch den Gerichtshof

351      Nach Art. 16 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 entscheidet die Kommission in Negativbeschlüssen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen, dass der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern, es sei denn, dies würde gegen einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts verstoßen.

 

352      Im vorliegenden Fall ist nicht zu beanstanden, dass die Kommission mit Art. 2 des streitigen Beschlusses die Rückforderung der Beihilfen durch Irland angeordnet hat. Ihr ist insoweit kein Rechtsfehler unterlaufen. Anders als die Kläger, unterstützt durch das Großherzogtum Luxemburg, geltend machen, verstößt die Verpflichtung zur Rückerstattung nämlich weder gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit noch gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes.

 

353      Insoweit ist als Erstes festzustellen, dass die Rechtsvorschriften nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sein müssen, damit sich die Betroffenen bei unter das Unionsrecht fallenden Tatbeständen und Rechtsbeziehungen orientieren können (Urteil vom 8. Dezember 2011, France Télécom/Kommission, C‑81/10 P, EU:C:2011:811, Rn. 100).

 

354      Die Betroffenen müssen also in der Lage sein, den Umfang der ihnen mit einer unionsrechtlichen Regelung auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen, ihre Rechte und Pflichten eindeutig zu erkennen und sich darauf einzustellen (Urteil vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien, C‑610/10, EU:C:2012:781, Rn. 49).

 

355      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Kommission durch das grundlegende Erfordernis der Rechtssicherheit daran gehindert, unbegrenzt lange zu warten, ehe sie von ihren Befugnissen Gebrauch macht (Urteile vom 24. September 2002, Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission, C‑74/00 P und C‑75/00 P, EU:C:2002:524, Rn. 140, und vom 22. April 2008, Kommission/Salzgitter, C‑408/04 P, EU:C:2008:236, Rn. 100).

 

356      Dieser Grundsatz kommt allerdings nur zum Tragen, wenn die Kommission bei der Ausübung ihrer Kontrollbefugnisse ganz offensichtlich ihre Sorgfaltspflicht verletzt und ganz offensichtlich untätig ist. Ist eine Beihilfe ohne Anmeldung gewährt worden, ist die Entscheidung über ihre Rückforderung nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil die Kommission die Rückforderung der Beihilfe verspätet angeordnet hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. April 2008, Kommission/Salzgitter, C‑408/04 P, EU:C:2008:236, Rn. 106).

 

357      Die Kommission weist im 440. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses darauf hin, dass ihr die beanstandeten Steuervorbescheide, obwohl sie 1991 und 2007 erteilt worden seien, zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt worden seien. Die Kommission wusste vor Mai 2013 und der Veröffentlichung des Berichts des Permanent Subcommittee on Investigations of the United States Senate (ständiger Unteruntersuchungsausschuss des Senats der Vereinigten Staaten) über Anhörungen betreffend die weltweite Besteuerung des Apple-Konzerns auch weder, dass es die beanstandeten Steuerbescheide gab, noch, welchen Inhalt sie hatten. Sie übermittelte Irland ihr erstes Auskunftsersuchen am 12. Juni 2013, also einen Monat später.

 

358      Auch wenn sich die Erwägungen der Kommission im vorliegenden Fall auf Steuervorbescheide bezogen, waren sie – wie die Beschlüsse zeigen, die die Kommission in ihren erstinstanzlichen Schriftsätzen angeführt hat – in der Entscheidungspraxis nicht neu und darüber hinaus in Anbetracht der Grundsätze, die bis dahin in der Rechtsprechung zu staatlichen Beihilfen steuerlicher Art aufgestellt worden waren, auch nicht unvorhersehbar.

 

359      Die Kommission hat mit der Anordnung der Rückforderung der Beihilfen also nicht gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen.

 

360      Als Zweites ist festzustellen, dass dasselbe für den Grundsatz des Vertrauensschutzes gilt, einen elementaren Grundsatz des Unionsrecht, auf den sich jeder Wirtschaftsteilnehmer berufen kann, bei dem ein Organ begründete Erwartungen geweckt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. März 2011, ISD Polska u. a./Kommission, C‑369/09 P, EU:C:2011:175, Rn. 123 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

361      Da die Überwachung der staatlichen Beihilfen durch die Kommission zwingend vorgeschrieben ist, dürfen die von einer Beihilfe begünstigten Unternehmen auf die Ordnungsmäßigkeit der Beihilfe grundsätzlich nur dann vertrauen, wenn sie unter Einhaltung des in Art. 108 AEUV vorgesehenen Verfahrens gewährt wurde (Urteil vom 24. November 2020, Viasat Broadcasting UK, C‑445/19, EU:C:2020:952, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

362      Es ist nicht ersichtlich, dass die Kommission mit ihrem Verhalten begründete Erwartungen hinsichtlich der beihilferechtlichen Unbedenklichkeit der beanstandeten Steuervorbescheide geweckt hätte.

 

363      Folglich hat sie mit der Anordnung der Rückforderung der Beihilfen nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen.

 

364      Als Drittes ist das Vorbringen der Kläger zurückzuweisen, dass die Kommission, indem sie den streitigen Beschluss auf den nach den beanstandeten Steuervorbescheiden angenommenen AOA gestützt habe, gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen habe. Wie sich aus dem 441. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses ergibt, hat die Kommission auf einem Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV abgestellt, der seit dem Beitritt Irlands im Jahr 1973 Bestandteil der Rechtsordnung Irlands ist, und nicht auf einen Verstoß gegen den OECD-Rahmen. Den OECD-Rahmen hat sie lediglich insoweit herangezogen, als dieser nützliche Orientierungshilfen dafür bietet, ob eine Methode zur Ermittlung des zu versteuernden Gewinns einer Zweigniederlassung zu einer zuverlässigen Annäherung an ein marktbasiertes Ergebnis im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz führt.

 

365      Als Viertes ist schließlich festzustellen, dass auch dem Vorbringen, dass die beanstandeten Maßnahmen, da Section 25 TCA 97 die Regeln übernehme, die vor dem Beitritt Irlands gegolten hätten, als „bestehende“ Beihilfen im Sinne von Art. 1 Buchst. b Ziff. iv der Verordnung 2015/1589 anzusehen seien, nicht gefolgt werden kann. Bei den relevanten Maßnahmen handelt es sich im vorliegenden Fall nämlich nicht um die Regeln, die nach irischem Recht für die Besteuerung der gebietsfremden Gesellschaften gelten, sondern um die beanstandeten Steuervorbescheide.

 

366      Somit sind der siebte Klagegrund in der Rechtssache T‑778/16 und der elfte Klagegrund in der Rechtssache T‑892/16 zurückzuweisen.

 

E. Zu den Klagegründen, mit denen geltend gemacht wird, dass die Kommission ihre Befugnisse überschritten und in die der Mitgliedstaaten eingegriffen habe, insbesondere unter Verstoß gegen den Grundsatz der Steuerautonomie

1. Vorbringen der Parteien

367      Irland und ASI und AOE machen unterstützt durch das Großherzogtum Luxemburg im Wesentlichen geltend, dass der streitige Beschluss gegen elementare Verfassungsgrundsätze der Rechtsordnung der Union betreffend die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten, wie sie insbesondere in den Art. 4 und 5 EUV verbürgt seien, und gegen den sich daraus ergebenden Grundsatz der Steuerautonomie der Mitgliedstaaten verstoße. Beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts falle der Bereich der direkten Besteuerung nämlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.

 

368      Die Kommission habe ihre Befugnisse insoweit überschritten, als sie sich auf eine einseitige und fehlerhafte Auslegung des irischen Steuerrechts, insbesondere von Section 25 TCA 97, gestützt habe, Verfahrensregeln für die Beurteilung der nationalen Besteuerung aufgestellt habe, die das irische Recht nicht kenne, und den Erlass des streitigen Beschlusses damit gerechtfertigt habe, dass ASI und AOE „steuerlich gesehen staatenlos“ seien.

 

369      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Sie wird dabei von der Republik Polen und der EFTA-Überwachungsbehörde unterstützt. Die Kommission macht im Wesentlichen geltend, dass, auch wenn die Mitgliedstaaten im Bereich der Steuern souverän seien, von ihnen erlassene Maßnahmen mit den unionsrechtlichen Regeln über staatliche Beihilfen in Einklang stehen müssten.

 

2. Würdigung durch den Gerichtshof

370      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Maßnahmen der Mitgliedstaaten in Bereichen, die nicht unionsrechtlich harmonisiert sind, nicht vom Anwendungsbereich der Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Kontrolle staatlicher Beihilfen ausgenommen. Die Mitgliedstaaten müssen ihre Zuständigkeit im Bereich der direkten Steuern – wie die Zuständigkeit für den Erlass von Steuervorbescheiden – somit im Einklang mit dem Unionsrecht ausüben, insbesondere im Einklang mit den durch den AEU-Vertrag eingeführten Vorschriften über staatliche Beihilfen. Sie müssen daher bei der Ausübung dieser Zuständigkeit davon absehen, Maßnahmen zu erlassen, die mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 107 AEUV darstellen können (Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 120 und 121 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

371      Sofern die oben in Rn. 74 genannten Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV alle erfüllt sind, können Maßnahmen der direkten Besteuerung – wie von den Mitgliedstaaten erteilte Steuervorbescheide – daher als staatliche Beihilfen eingestuft werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 119).

 

372      Was speziell die Voraussetzung angeht, dass die Maßnahme einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffen muss, ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung bei steuerlichen Maßnahmen das tatsächliche Vorliegen eines Vorteils nur in Bezug auf eine sogenannte „normale“ Besteuerung festgestellt werden kann (Urteil vom 6. September 2006, Portugal/Kommission, C‑88/03, EU:C:2006:511, Rn. 56).

 

373      Bei der Prüfung der Frage, ob eine Steuervergünstigung vorliegt, ist die Situation, in der sich der Empfänger der Beihilfe nach Anwendung der betreffenden Maßnahmen befindet, mit derjenigen zu vergleichen, in der er sich befände, wenn ohne die Maßnahme die normalen Regeln der Besteuerung zur Anwendung gekommen wären (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 92).

 

374      Im vorliegenden Fall ist erstens festzustellen, dass nach Section 25 TCA 97 bei gebietsfremden Gesellschaften, die ihre Geschäftstätigkeit in Irland über eine Zweigniederlassung ausüben, nur die Gewinne aus geschäftlichen Tätigkeiten, die der betreffenden irischen Zweigniederlassung unmittelbar oder mittelbar zugewiesen werden können, als Einkünfte aus geschäftlichen Tätigkeiten besteuert werden. Weiter ist festzustellen, dass Section 25 TCA 97 für die Bestimmung der Gewinne, die den irischen Zweigniederlassungen der gebietsfremden Gesellschaften zugewiesen werden können, keine spezielle Methode festlegt.

 

375      Wie aber Irland in seinen Schriftsätzen und die Parteien in der mündlichen Verhandlung ausgeführt haben, sind bei der Anwendung von Section 25 TCA 97 die Sachlage und die Situation der Zweigniederlassung in Irland zu berücksichtigen, insbesondere, welche Funktionen die Zweigniederlassung ausgeübt, welche Vermögenswerte sie eingesetzt und welche Risiken sie übernommen hat.

 

376      Um zu bestimmen, ob im vorliegenden Fall ein Vorteil vorlag, musste die Kommission nach der oben in Rn. 373 dargestellten Rechtsprechung deshalb die steuerliche Behandlung von ASI und AOE bei Anwendung der beanstandeten Steuervorbescheide mit der steuerlichen Behandlung dieser Gesellschaften, wenn ohne die Steuervorbescheide die normalen Regeln der Besteuerung in Irland zur Anwendung gekommen wären, vergleichen können.

 

377      Daher kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, bei der Prüfung der Frage, ob der nach den mit den streitigen Steuervorbescheiden gebilligten Gewinnzuweisungsmethoden berechnete in Irland zu versteuernde Gewinn von ASI und AOE dem Gewinn entsprach, der den irischen Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften ohne die Steuervorbescheide gemäß Section 25 TCA 97 nach den Funktionen, die sie ausgeübt, den Vermögenswerten, die sie eingesetzt und den Risiken, die sie übernommen haben, zugewiesen worden wäre, eine einseitige Anwendung der steuerlichen Sachvorschriften und eine faktische Steuerharmonisierung vorgenommen zu haben.

 

378      Zweitens macht Irland zur Stützung seines Vorbringens, dass die Kommission Verfahrensregeln für die Beurteilung der nationalen Besteuerung vorgegeben habe, die dem irischen Recht fremd seien, geltend, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 262, 274, 363 und 368 des streitigen Beschlusses festgestellt habe, dass die beanstandeten Steuervorbescheide nicht auf Gewinnzuweisungsberichten beruht hätten, dass sie nicht regelmäßig überprüft worden seien und dass die irische Finanzverwaltung vor dem Erlass der beanstandeten Steuervorbescheide keine Untersuchungen über andere Gesellschaften des Apple-Konzerns, ganz gleich, wo diese ihre Geschäftstätigkeit ausgeübt hätten, durchgeführt habe.

 

379      Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission einen selektiven Vorteil festgestellt hat, weil die Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns nicht den irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE erteilt worden seien (Haupterwägungen, streitiger Beschluss, Erwägungsgründe 265 bis 321), weil nicht die richtigen Methoden der Zuweisung der Gewinne an diese irischen Zweigniederlassungen gewählt worden seien (Hilfserwägungen, streitiger Beschluss, Rn. 325 bis 360) und weil mit den beanstandeten Steuervorbescheiden von Section 25 TCA 97 abgewichen worden sei, und zwar willkürlich (Alternativerwägungen, streitiger Beschluss, Erwägungsgründe 369 bis 403).

 

380      Daher kann nicht angenommen werden, dass sie ihre Schlussfolgerung, dass im vorliegenden Fall ein selektiver Vorteil vorliege, auf den Verstoß gegen Verfahrensregeln gestützt hätte. Das oben in Rn. 368 dargestellte Vorbringen Irlands ist deshalb als ins Leere gehend zurückzuweisen.

 

381      Drittens ist zu der Einstufung von ASI und AOE als „steuerlich gesehen staatenlos“ festzustellen, dass die Kommission diese Gesellschaften im Rahmen ihrer Erwägungen, mit denen sie festgestellt hat, dass diese Gesellschaften außerhalb Irlands physisch überhaupt nicht präsent seien, insbesondere in den Erwägungsgründen 52, 276, 277 und 281 des streitigen Beschlusses tatsächlich so eingestuft hat.

 

382      Dies bedeutet aber nicht, dass sie sich bei der Feststellung, dass ein selektiver Vorteil vorliege, darauf gestützt hätte. Wie aus den oben in Rn. 379 genannten Erwägungsgründen des streitigen Beschlusses hervorgeht, hat sie dies nicht getan.

 

383      Das Vorbringen von Irland und von ASI und AOE, dass die Kommission mit der Einstufung dieser Gesellschaften als „steuerlich gesehen staatenlos“ ihre Befugnisse überschritten habe, ist daher aus den oben in Rn. 380 genannten Gründen als ins Leere gehend zurückzuweisen.

 

384      Folglich sind der achte Klagegrund in der Rechtssache T‑778/16 und der 14. Klagegrund in der Rechtssache T‑892/16, mit denen geltend gemacht wird, dass die Kommission ihre Befugnisse überschritten und in die der Mitgliedstaaten eingegriffen habe, zurückzuweisen.

 

F. Zu den Klagegründen, mit denen ein Begründungsmangel des streitigen Beschlusses gerügt wird

1. Vorbringen der Parteien

385      Die Kläger machen geltend, dass der streitige Beschluss, der in mehrerer Hinsicht unter zahlreichen Begründungsmängeln leide, nicht den Anforderungen gemäß Art. 296 AEUV und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta der Grundrechte der Europäischen Union genüge.

 

386      Die Kommission habe ihre Überlegungen im streitigen Beschluss nicht klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht. Die Unionsgerichte könnten daher ihre Kontrollaufgabe wahrnehmen.

 

387      Was die Bestimmung der Vorschrift angehe, gegen die Irland verstoßen haben soll, sei der streitige Beschluss in sich nicht stimmig, insbesondere was die Quellen und die Tragweite des Fremdvergleichsgrundsatzes angehe, auf die in den Erwägungsgründen 255 bis 257 des streitigen Beschlusses eingegangen werde. Der 451. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses, in dem es heiße, dass der Betrag der zurückzufordernden Beihilfen gesenkt werden könne, wenn die von ASI in der EMEIA-Region erzielten Umsätze rückwirkend in anderen Ländern als Irland gebucht würden, stehe im Widerspruch zu der Feststellung der Kommission in den Erwägungsgründen 412 und 413 des streitigen Beschlusses, dass Irland Steuervorbescheide erteilt habe, mit denen der zu versteuernde Gewinn von ASI gegenüber dem, der besteuert worden wäre, wenn auf diese Gesellschaft die allgemeinen rechtlichen Regelungen Anwendung gefunden hätten, verringert worden sei. Die Kommission habe auch ihre Ausführungen zu der Frage, ob die angeblichen Beihilfen geeignet gewesen seien, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, nicht hinreichend begründet. Im Übrigen widerspreche sie sich, wenn sie in den Erwägungsgründen 50 und 416 des streitigen Beschlusses anerkenne, dass ASI und AOE von den Vereinigten Staaten aus verwaltet und kontrolliert worden seien, gleichzeitig aber im 286. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses annehme, dass ASI und AOE tatsächlich von Irland aus kontrolliert worden seien.

 

388      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Sie wird dabei von der Republik Polen und der EFTA-Überwachungsbehörde unterstützt.

 

2. Würdigung durch den Gerichtshof

389      Bei der Begründungspflicht handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um ein wesentliches Formerfordernis, das von der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört (Urteile vom 22. März 2001, Frankreich/Kommission, C‑17/99, EU:C:2001:178, Rn. 35, und vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 146 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

390      Die Begründung einer Entscheidung soll nämlich förmlich die Gründe zum Ausdruck bringen, auf denen sie beruht. Weisen die Gründe Fehler auf, so beeinträchtigen diese die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung, nicht aber deren Begründung, die, obwohl sie fehlerhafte Gründe enthält, zureichend sein kann. Daraus folgt, dass die Rügen und Argumente, die die Begründetheit eines Rechtsakts in Frage stellen sollen, im Rahmen eines Klagegrundes, mit dem eine fehlende oder unzureichende Begründung gerügt wird, unerheblich sind (Urteil vom 18. Juni 2015, Ipatau/Rat, C‑535/14 P, EU:C:2015:407, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

391      Die nach Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung muss dem Wesen des betreffenden Rechtsakts entsprechen und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (Urteil vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission, C‑501/00, EU:C:2004:438, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

392      In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen von Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteile vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, EU:C:1998:154, Rn. 63, und vom 2. September 2021, Kommission/Tempus Energy und Tempus Energy Technology, C‑57/19 P, EU:C:2021:663, Rn. 198 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

393      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass Irland und ASI und AOE eng in das förmliche Prüfverfahren einbezogen wurden und diese Gesellschaften – wie ihre erstinstanzlichen Schriftsätze zeigen – durchaus in der Lage waren, die Begründetheit des streitigen Beschlusses wirksam in Zweifel zu ziehen.

 

394      Der streitige Beschluss enthält auch keine Lücken, die den Gerichtshof daran gehindert hätten, seine Rechtmäßigkeitskontrolle in vollem Umfang durchzuführen.

 

395      Im Übrigen machen die Kläger letztlich nicht geltend, dass die Kommission die im streitigen Beschluss enthaltenen Feststellungen nicht begründet habe, sondern dass sie sie zu Unrecht getroffen habe.

 

396      Folglich sind der neunte Klagegrund in der Rechtssache T‑778/16 und der 13. Klagegrund in der Rechtssache T‑892/16 und damit sämtliche Klagegründe, die gegen die Haupterwägungen der Kommission gerichtet sind, als unbegründet zurückzuweisen.

 

397      Somit ist festzustellen, dass die Kommission mit den Haupterwägungen, die sie im streitigen Beschluss angestellt hat, rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass ASI und AOE durch die beanstandeten Steuervorbescheide ein selektiver Vorteil verschafft wurde. Auf die Klagegründe und Argumente, mit denen sich Irland und ASI und AOE gegen die Hilfs- und Alternativerwägungen der Kommission wenden, braucht daher nicht weiter eingegangen zu werden. Die Klagen sind mithin abzuweisen.

 

VII. Kosten

 

398      Wenn das Rechtsmittel unbegründet ist oder wenn das Rechtsmittel begründet ist und der Gerichtshof den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet, so entscheidet er über die Kosten (Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung).

 

399      Die unterliegende Partei ist auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen (Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren anwendbar).

 

400      Da im vorliegenden Fall dem Rechtsmittel der Kommission stattgegeben wird und die von Irland und von ASI und AOE gegen den streitigen Beschluss erhobenen Klagen abgewiesen werden, sind Irland und ASI und AOE, wie von der Kommission beantragt, neben ihren eigenen Kosten die Kosten aufzuerlegen, die der Kommission im Rechtsmittelverfahren und im ersten Rechtszug entstanden sind.

 

401      Die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, tragen ihre eigenen Kosten (Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren anwendbar).

 

402      Dem Großherzogtum Luxemburg und der Republik Polen sind daher ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

 

403      Die EFTA-Überwachungsbehörde trägt ihre eigenen Kosten, wenn sie dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten ist (Art. 140 Abs. 2 der Verfahrensordnung, nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren anwendbar).

 

404      Folglich sind der EFTA-Überwachungsbehörde ihre eigenen Kosten des ersten Rechtszugs und des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

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