EuGH-Schlussanträge: Staatliche Beihilfe – selektiver steuerrechtlicher Vorteil – OECD-Verrechnungspreisleitlinien als Bezugssystem – Bindung des Gerichtshofs
GAin Kokott, Schlussanträge vom 8.6.2023 – C-457/21 P; Europäische Kommission gegen Großherzogtum Luxemburg, Amazon.com, Inc., Amazon EU S.à.r.l.; ECLI:EU:C:2023:466
Volltext BB-Online BBL2023-1429-1
Schlussanträge
1. Im Ergebnis sind beide Rechtsmittelgründe der Kommission unbegründet. Das angefochtene Urteil stellt sich im Ergebnis – wenn auch aus anderen Grün-den als denen, auf die sich das Gericht gestützt hat – als richtig heraus. Der Beschluss war bereits deswegen für nichtig zu erklären, weil die Kommission das falsche Bezugssystem (OECD-Verrechnungspreisleitlinien statt das luxemburgische Recht) zugrunde gelegt hat.
2. Darüber hinaus ist dem Steuervorbescheid auch keine offensichtlich falsche – für den Steuerpflichtigen zu günstige – Anerkennung der Höhe der Lizenzzahlung zu entnehmen. Auch wenn die Einbeziehung einer Obergrenze des zu versteuernden Betrages des Lizenznehmers offensichtlich mit der Methode der Be-rechnung einer unter Dritten üblichen Lizenzzahlung nicht zu vereinbaren ist, hat die Kommission im Beschluss nicht dargelegt, dass damit auch ein Vorteil gewährt wurde.
Aus den Gründen
I. Einleitung
1. Das vorliegende Rechtsmittel betrifft erneut(2) die Überprüfung eines Steuervorbescheids anhand des Beihilferechts. Während solche Steuervorbescheide einerseits der Rechtssicherheit dienen, besteht andererseits mitunter der latente Verdacht, dass sie in einigen Mitgliedstaaten auf wettbewerbsschädlichen Absprachen zwischen Steuerbehörden und Steuerpflichtigen beruhen.
2. Wiederum(3) geht es um Verrechnungspreise, die möglicherweise vom Fremdvergleichsgrundsatz abweichen. Die luxemburgische Steuerverwaltung hatte sich im Jahr 2003 gegenüber Amazon.com zur angemessenen Höhe einer Lizenzgebühr zwischen zwei Tochtergesellschaften geäußert. Deren Höhe hat Auswirkung auf die Körperschaftsteuerschuld der in Luxemburg ansässigen Amazon EU S.à.r.l. Je höher die Lizenzgebühr angesetzt wird, desto weniger Körperschaftsteuer fällt in Luxemburg an. Zur Bestimmung der angemessenen Lizenzgebühr wurde von Luxemburg und Amazon.com einvernehmlich eine bestimmte Methode zugrunde gelegt. Diese Verrechnungspreisvereinbarung sah die Kommission als eine Beihilfe an, da sie nicht den Fremdvergleichsgrundsätzen der OECD entsprochen habe. Die Kommission führte eine eigene Berechnung der angemessenen Höhe der Lizenzgebühr nach Maßgabe einer anderen Methode durch und kam zu einer geringeren Lizenzgebühr. Da dies eine höhere Körperschaftsteuerbelastung zur Folge gehabt hätte, habe der Steuervorbescheid der Tochtergesellschaft, die die Lizenzgebühr zahlte, einen selektiven Vorteil gewährt.
3. Im Verfahren gegen diesen Beihilfebeschluss der Kommission vor dem Gericht haben sich die Beteiligten vor allem über die Einzelheiten der angewendeten bzw. anzuwendenden Methode gestritten. Nicht gestritten wurde über die Frage, ob die Fremdvergleichsgrundsätze der OECD hier das zutreffende Bezugssystem einer Beihilfekontrolle sein können. Das Gericht konnte keine fehlerhafte Bestimmung der Verrechnungspreise feststellen und erklärte diesen Beschluss wegen des fehlenden Nachweises eines selektiven Vorteils für nichtig.
4. Zeitlich nach diesem Urteil des Gerichts stellte der Gerichtshof in der Rechtssache Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission(4) klar, dass die OECD-Grundsätze allenfalls dann als Bezugssystem zur Bestimmung eines selektiven Vorteils herangezogen werden können, wenn sie in das nationale Recht übernommen wurden. Dies ist im luxemburgischen Recht nicht der Fall. Dennoch ist die Kommission der Auffassung, dass die Nichtigerklärung ihres Beschlusses durch das Gericht rechtsfehlerhaft erfolgt sei. Da das Bezugssystem zwischen allen Beteiligten unstreitig sei, habe das Urteil in der Rechtssache Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission keinen Einfluss auf das vorliegende Rechtsmittel. Die Kommission beruft sich insoweit auf den Ultra-petita-Grundsatz.
5. Sollte dies zutreffen, dann würde sich anschließend die Frage stellen, inwieweit der Gerichtshof für die Überprüfung der „richtigen“ Berechnung eines Verrechnungspreises im Rechtsmittel zuständig ist. Die Kommission rügt insbesondere, dass das Gericht bestimmte Punkte (rechtliches Eigentum an den immateriellen Vermögenswerten, vertragliche Zuweisung von Rechten und Pflichten, Funktionsanalyse der eingeschalteten Tochtergesellschaften etc.) anders als sie gewürdigt habe. Allerdings ist für die Tatsachenwürdigung grundsätzlich das Gericht zuständig, und im Rechtsmittel vor dem Gerichtshof kann allenfalls eine Verfälschung von Tatsachen gerügt werden. Rechtsfragen fallen im Rechtsmittel hingegen in die originäre Zuständigkeit des Gerichtshofs.(5) Der vorliegende Fall zeigt jedoch, dass diese Abgrenzung bei der Überprüfung eines selektiven Vorteils Schwierigkeiten bereitet. Möglicherweise ist eine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte (d. h. ein modifizierter Prüfungsmaßstab) geboten, sofern der Gerichtshof das nationale Steuerrecht im Hinblick auf das Bestehen eines selektiven Vorteils auslegt.
II. Rechtlicher Rahmen
A. Unionsrecht
6. Den unionsrechtlichen Rahmen bilden die Art. 107 ff. AEUV.
B. Luxemburgisches Recht
7. Art. 164 Abs. 3 des geänderten Gesetzes vom 4. Dezember 1967 über die Einkommensteuer (loi concernant l’impot sur le revenu, im Folgenden: LIR) bestimmt:
„Verdeckte Gewinnausschüttungen sind der Bemessungsgrundlage zuzurechnen. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt insbesondere vor, wenn ein Aktionär, ein Gesellschafter oder eine interessierte Partei entweder direkt oder indirekt Gewinne von einem Unternehmen oder einem Verein bezieht, die er bzw. sie ohne diese Eigenschaft normalerweise nicht erhalten hätte.“
C. OECD-Musterabkommen und Leitlinien
8. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (im Folgenden: OECD) hat mehrere nicht verbindliche Leitlinien zur internationalen Steuerpraxis veröffentlicht. Insbesondere bildet das OECD-Musterabkommen auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen die Grundlage vieler bilateraler Steuerabkommen zwischen OECD-Mitgliedstaaten und einer zunehmenden Anzahl von Nichtmitgliedstaaten. Es enthält auch Vorschriften über eine angemessene Gewinnaufteilung zwischen Gesellschaften innerhalb eines multinationalen Konzerns. Diesbezüglich heißt es in der von 2003 bis 2014 geltenden Fassung von Art. 9 Abs. 1 des OECD-Musterabkommens:
„[Wenn] die beiden Unternehmen in ihren kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen gebunden sind, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden, so dürfen die Gewinne, die eines der Unternehmen ohne diese Bedingungen erzielt hätte, wegen dieser Bedingungen aber nicht erzielt hat, den Gewinnen dieses Unternehmens zugerechnet und entsprechend besteuert werden.“
9. Die OECD gibt darüber hinaus Steuerbehörden und multinationalen Konzernen mit ihren Verrechnungspreisleitlinien Hinweise zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes an die Hand; diese Leitlinien werden ständig weiterentwickelt. Für die hier betroffenen Jahre sind vor allem die am 13. Juli 1995 angenommenen Verrechnungspreisleitlinien (im Folgenden: OECD-Verrechnungspreisleitlinien 1995) von Bedeutung.
10. Ziff. 1.13 der OECD-Verrechnungspreisleitlinien 1995 lautet:
„Der Fremdvergleichsgrundsatz ist in seinem theoretischen Ansatz fundiert, da er beim Austausch von Wirtschaftsgütern … oder der Erbringung von Dienstleistungen zwischen verbundenen Unternehmen der Funktionsweise des freien Marktes am nächsten kommt. Mag er auch in der Praxis nicht immer einfach anzuwenden sein, führt er doch im Allgemeinen zu angemessenen Gewinnverhältnissen zwischen Unternehmen von multinationalen Konzernen, die auch für Steuerverwaltungen akzeptabel sind. Er spiegelt die wirtschaftliche Realität der jeweiligen Tatsachen und Umstände des verbundenen Unternehmens wider und übernimmt als Maßstab das normale Marktgeschehen.“
11. In den OECD-Verrechnungspreisleitlinien werden diesbezüglich fünf Methoden zur Ermittlung eines Fremdvergleichspreises für konzerninterne Geschäftsvorfälle beschrieben: (i) die Preisvergleichsmethode (CUP-Methode), (ii) die Kostenaufschlagsmethode („Cost-plus-Methode“), (iii) die Wiederverkaufspreis-Methode, (iv) die TNMM (Transactional Net Margin Method = geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode) und (v) die geschäftsvorfallbezogene Gewinnmethode. Im Allgemeinen muss nach den Gegebenheiten im Einzelfall die am besten geeignete Verrechnungspreismethode angewendet werden. In schwierigen Fällen, bei denen keine dieser Methoden zielführend wäre, können in einem flexiblen Ansatz auch mehrere Methoden gemeinsam zur Anwendung kommen. Es steht multinationalen Konzernen frei, Methoden zur Festlegung von Verrechnungspreisen anzuwenden, die in diesen Leitlinien nicht beschrieben werden, vorausgesetzt, dass die ermittelten Preise dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen.
III. Hintergrund des Rechtsstreits
12. Dem Rechtsstreit liegen Steuervorbescheide zugrunde, die das Großherzogtum Luxemburg auf Antrag von Amazon.com zur körperschaftsteuerrechtlichen Behandlung von zwei in Luxemburg neugegründeten Gesellschaften für die Zwecke der luxemburgischen Körperschaftsteuer im Jahr 2003 für die Jahre 2006 bis 2014 erlassen hat.
A. Darstellung des Steuervorbescheides
13. Hintergrund war eine geplante Umstrukturierung der Tätigkeiten der Amazon.com, Inc. mit Sitz in den Vereinigten Staaten und der von ihr kontrollierten Unternehmen (im Folgenden zusammen: Amazon-Gruppe). Die Unternehmen der Amazon-Gruppe in Europa üben Online-Tätigkeiten aus, insbesondere Online-Einzelhandel und die Erbringung verschiedener Online-Dienstleistungen. Zu diesem Zweck betreibt die Amazon-Gruppe mehrere Websites in verschiedenen Sprachen der Europäischen Union, darunter amazon.de, amazon.fr, amazon.it und amazon.es.
14. Vor Mai 2006 wurde das Europageschäft der Amazon-Gruppe von den Vereinigten Staaten aus geleitet. Insbesondere wurden die Tätigkeiten des Einzelhandels und der Dienstleistungen auf den europäischen Websites von zwei in den Vereinigten Staaten ansässigen Unternehmen betrieben, nämlich Amazon.com International Sales, Inc. (im Folgenden: AIS) und Amazon International Marketplace (im Folgenden: AIM) sowie von anderen Unternehmen mit Sitz in Frankreich, in Deutschland und im Vereinigten Königreich.
15. Die Umstrukturierung, die im Jahr 2006 durchgeführt wurde, betraf die Gründung zweier Gesellschaften mit Sitz in Luxemburg. Konkret handelte es sich zum einen um die Amazon Europe Holding Technologies SCS (im Folgenden: LuxSCS), eine geschlossene Kommanditgesellschaft nach luxemburgischem Recht (Société en Commandite Simple), deren Gesellschafter amerikanische Unternehmen waren, und zum anderen um die Amazon EU S.à.r.l (im Folgenden: LuxOpCo).
16. LuxSCS schloss in einem ersten Schritt mehrere Vereinbarungen mit bestimmten Unternehmen der Amazon-Gruppe mit Sitz in den Vereinigten Staaten, nämlich:
– die Lizenzvereinbarung und die Abtretungsvereinbarung über bereits bestehende Rechte des geistigen Eigentums (License and Assignment Agreements for Preexisting Intellectual Property, im Folgenden zusammen: Eintrittsvereinbarung) mit der Amazon Technologies, Inc. (im Folgenden: ATI), einem in den Vereinigten Staaten ansässigen Unternehmen der Amazon-Gruppe;
– eine Kostenteilungsvereinbarung, die 2005 mit ATI und der A 9.com, Inc., einem in den Vereinigten Staaten ansässigen Unternehmen der Amazon-Gruppe, geschlossen wurde. Mit der Eintrittsvereinbarung und der Kostenteilungsvereinbarung erwarb LuxSCS das Recht zur Verwertung bestimmter Rechte des geistigen Eigentums und von „Nebenprodukten“ für diese immateriellen Wirtschaftsgüter, die im Eigentum von A 9.com und ATI standen und von diesen weiterentwickelt wurden. Die von der Kostenteilungsvereinbarung erfassten immateriellen Wirtschaftsgüter beinhalteten im Wesentlichen drei Kategorien geistigen Eigentums, nämlich Technologie, Kundendaten und Marken. Nach der Kostenteilungsvereinbarung und der Eintrittsvereinbarung konnte LuxSCS auch die immateriellen Wirtschaftsgüter in Unterlizenz vergeben, um insbesondere die europäischen Websites zu betreiben. Für diese Rechte musste LuxSCS Eintrittszahlungen leisten und einen jährlichen Anteil der Kosten des Programms zur Weiterentwicklung der Kostenteilungsvereinbarung übernehmen.
17. In einem zweiten Schritt schloss LuxSCS ihrerseits mit Wirkung zum 30. April 2006 eine Lizenzvereinbarung mit LuxOpCo, die sich auf die oben angeführten immateriellen Wirtschaftsgüter bezog (im Folgenden: Lizenzvereinbarung). Nach dieser Vereinbarung erwarb LuxOpCo als Lizenznehmer gegen Zahlung einer Lizenzgebühr an LuxSCS (im Folgenden: Lizenzgebühr) das Recht zur Verwertung der immateriellen Wirtschaftsgüter.
18. Schließlich traf LuxSCS eine Vereinbarung über die Abtretung von Rechten des geistigen Eigentums und eine Lizenzvereinbarung mit der Amazon.co.uk Ltd, der Amazon.fr S.à.r.l und der Amazon.de GmbH, nach denen LuxSCS die Rechte zur Nutzung bestimmter Marken und von Rechten des geistigen Eigentums an den europäischen Websites erhielt.
19. Im Jahr 2003 beantragte Amazon.com einen entsprechenden Steuervorbescheid. Er betraf die Berechnung der Höhe der Lizenzgebühr, die LuxOpCo ab 30. April 2006 an LuxSCS zahlen sollte, und stützte sich auf einen Verrechnungspreisbericht. Die Verfasser dieses Berichts schlugen im Wesentlichen eine Methode zur Festsetzung der Verrechnungspreise vor, anhand derer sich die Körperschaftsteuerschuld bestimmen lasse, die LuxOpCo in Luxemburg entrichten müsse. Insbesondere hatte Amazon.com um Bestätigung ersucht, dass die Verrechnungspreisvereinbarung für die Ermittlung der Höhe der jährlichen Lizenzgebühr zu einem „angemessenen und annehmbaren Ertrag“ für LuxOpCo im Hinblick auf die Verrechnungspreispolitik und auf Art. 56 sowie Art. 164 Abs. 3 LIR führe. Die Methode zur Berechnung der von LuxOpCo an LuxSCS zu zahlenden Lizenzgebühr wurde im Antrag wie folgt beschrieben:
„1. Berechnung des ‚Ertrags von LuxOpCo‘ und Zuordnung zu LuxOpCo, der sich entweder auf a) [vertraulich] % der gesamten Betriebskosten von LuxOpCo in der EU im betreffenden Jahr oder auf b) das gesamte den europäischen Websites zuzuordnende Betriebsergebnis in der EU für das betreffende Jahr beläuft, wobei der jeweils geringere Betrag maßgeblich ist;
2. die jährliche Lizenzgebühr beläuft sich auf die Höhe des Betriebsergebnisses in der EU abzüglich des Ertrags von LuxOpCo, darf aber nicht kleiner als null sein;
3. die Lizenzgebühr für das betreffende Jahr ergibt sich aus der Division der jährlichen Lizenzgebühr durch die Summe der Einnahmen in der EU im betreffenden Jahr;
4. unbeschadet dieser Regelung beträgt der Jahresertrag von LuxOpCo nie weniger als 0,45 % der Einnahmen in der EU und nie mehr als 0,55 % der Einnahmen in der EU;
5.a) wenn der in Schritt 1 ermittelte Ertrag von LuxOpCo weniger als 0,45 % der Einnahmen in der EU beträgt, wird der Ertrag von LuxOpCo i) auf 0,45 % der Einnahmen oder des Betriebsergebnisses in der EU oder ii) auf die Höhe des Betriebsergebnisses in der EU angehoben, wobei der jeweils geringere Betrag maßgeblich ist;
b) wenn der in Schritt 1 ermittelte Ertrag von LuxOpCo mehr als 0,55 % der Einnahmen in der EU beträgt, wird der Ertrag von LuxOpCo i) auf 0,55 % der Einnahmen oder des Betriebsergebnisses in der EU oder ii) auf die Höhe des Betriebsergebnisses in der EU reduziert, wobei der jeweils geringere Betrag maßgeblich ist.“
20. Außerdem ersuchte Amazon die luxemburgischen Finanzbehörden um die Bestätigung der steuerlichen Behandlung von LuxSCS, ihrer in den Vereinigten Staaten ansässigen Partner und der Dividenden, die innerhalb dieser Struktur ausgeschüttet wurden. In diesem Schreiben wurde erläutert, dass LuxSCS als Société en Commandite Simple (Kommanditgesellschaft) kein von seinen Gesellschaftern unabhängiges eigenes steuerliches Rechtssubjekt sei und daher in Luxemburg weder der Körperschaftsteuer noch der Vermögensteuer unterliege.
21. Dieser Würdigung und Berechnung stimmte die luxemburgische Finanzverwaltung im November 2003 durch einen Steuervorbescheid zu.
B. Verfahren und Beschluss der Kommission
22. Am 24. Juni 2014 ersuchte die Europäische Kommission das Großherzogtum Luxemburg um Informationen über die der Amazon-Gruppe gewährten Steuervorbescheide. Am 7. Oktober 2014 veröffentlichte sie den Beschluss über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV.
23. Im Rahmen der somit eingeleiteten Untersuchung ersuchte die Kommission das Großherzogtum Luxemburg und Amazon.com um verschiedene Auskünfte. Mit den Antworten auf die Auskunftsersuchen legte Amazon.com eine Kopie einer Beurteilung des United States Tax Court (Bundesfinanzgericht der Vereinigten Staaten) vom 23. März 2017 vor, die im Rahmen einer Klage des Internal Revenue Service (Bundessteuerbehörde, Vereinigte Staaten, IRS) über die Höhe der Zahlungen im Zusammenhang mit den oben in Nr. 16 genannten Vereinbarungen ergangen war.
24. Außerdem legte Amazon der Kommission einen neuen Verrechnungspreisbericht aus 2017 vor, mit dem nachträglich untersucht werden sollte, ob die in Übereinstimmung mit dem fraglichen Steuervorbescheid von LuxOpCo an LuxSCS gezahlte Lizenzgebühr fremdvergleichskonform war.
25. Am 4. Oktober 2017 erließ die Kommission den Beschluss (EU) 2018/859 über die staatliche Beihilfe Luxemburgs SA.38944 (2014/C) (ex 2014/NN) zugunsten von Amazon (im Folgenden: streitiger Beschluss).(6)
26. Art. 1 dieses Beschlusses lautet auszugsweise wie folgt:
„Der [fragliche] Steuervorbescheid …, mit dem Luxemburg eine … Verrechnungspreisvereinbarung gebilligt hat, nach der [LuxOpCo] ihre Körperschaftsteuerschuld in Luxemburg in den Jahren 2006 bis 2014 berechnen konnte, und die anschließende Annahme der jährlichen Körperschaftsteuererklärung auf der Grundlage dieser Vereinbarung stellt eine Beihilfe … dar …“
27. Dabei führte die Kommission aus, dass, wenn ein Steuervorbescheid ein Ergebnis billige, das nicht zuverlässig eine normale Anwendung des allgemeinen Steuersystems widerspiegele, dieser dem Begünstigten einen selektiven Vorteil verschaffe. Diese selektive Behandlung führe zu einer Verringerung der Steuerschuld des Steuerpflichtigen und zu einem Vorteil gegenüber anderen Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Situation befänden. Der fragliche Steuervorbescheid habe LuxOpCo im vorliegenden Fall einen selektiven Vorteil durch die Senkung ihrer Körperschaftsteuerschuld in Luxemburg verschafft. Diese Schlussfolgerung beruht auf einer hauptsächlichen und drei ergänzenden Feststellungen.
28. In Abschnitt 9.2.1 des streitigen Beschlusses vertrat die Kommission die Auffassung, dass der Steuervorbescheid zu einem Ergebnis führe, das von einer verlässlichen Annäherung an ein marktbasiertes Ergebnis abweiche. Die Billigung einer Verrechnungspreisvereinbarung, die für LuxOpCo eine Vergütung ausschließlich für die von LuxOpCo ausgeübten sogenannten „routinemäßigen“ Funktionen vorsehe und den von LuxOpCo generierten Gewinn, soweit er die gezahlte Vergütung in Form einer Lizenzzahlung überschreite, vollständig LuxSCS zurechne, entspräche nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz.
29. Nach Auffassung der Kommission wäre nämlich statt der CUP-Methode die TNM-Methode am besten zur Ermittlung der nach der Lizenzvereinbarung von LuxOpCo geschuldeten Vergütung geeignet gewesen. Die Partei, die einzigartige und wertvolle Funktionen ausgeübt habe, sei jedoch nicht LuxSCS, sondern LuxOpCo. Folglich hätte bei der Anwendung der TNMM nicht LuxOpCo, sondern LuxSCS die untersuchte Partei sein sollen. Daraus hätte sich eine niedrigere Lizenzgebühr und folglich eine höhere Körperschaftsteuerbelastung von LuxOpCo ergeben.
30. In Abschnitt 9.2.2 („Ergänzende Feststellung zum Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils“) des streitigen Beschlusses legte die Kommission ihre alternative Feststellung zum Vorteil dar, wonach, selbst wenn die im Verrechnungspreisbericht von 2003 vorgenommene Funktionsanalyse für LuxSCS zutreffend gewesen wäre, die von dem fraglichen Steuervorbescheid gebilligte Verrechnungspreisvereinbarung jedenfalls auf unangemessenen Voraussetzungen beruhe, die zu einem Ergebnis geführt hätten, das von einer verlässlichen Annäherung an ein marktbasiertes Ergebnis abweiche. Insoweit hat die Kommission drei verschiedene ergänzende Feststellungen getroffen.
31. Im Rahmen ihrer ersten ergänzenden Feststellung führte die Kommission aus, dass die Feststellung, wonach LuxOpCo ausschließlich „routinemäßige“ Verwaltungsfunktionen ausübe, unzutreffend gewesen sei und dass die Gewinnaufteilungsmethode mit Beitragsanalyse hätte angewandt werden müssen. Im Rahmen ihrer zweiten ergänzenden Feststellung stellte die Kommission fest, dass die Annahme von Betriebskosten als Gewinnindikator falsch gewesen sei. Im Rahmen ihrer dritten ergänzenden Feststellung zum Vorteil war die Kommission der Ansicht, dass die Einführung einer Obergrenze von 0,55 % des Umsatzes in der Union unangemessen sei.
C. Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
32. Mit Klageschrift, die am 14. Dezember 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Großherzogtum Luxemburg die Klage in der Rechtssache T‑816/17 erhoben.
33. Mit Klageschrift, die am 22. Mai 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben Amazon EU und Amazon.com (im Folgenden zusammen: Amazon) die Klage in der Rechtssache T‑318/18 erhoben.
34. Mit Schriftsatz, der am 16. April 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Irland beantragt, als Streithelfer in der Rechtssache T‑816/17 zur Unterstützung der Anträge des Großherzogtums Luxemburg zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 29. Mai 2018 hat der Präsident der Siebten erweiterten Kammer des Gerichts dem Streithilfeantrag Irlands stattgegeben.
35. Die Rechtssachen T‑816/17 und T‑318/18 wurden zum gemeinsamen mündlichen Verfahren und später zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
36. Das Großherzogtum Luxemburg und Amazon stützten ihre Klagen auf mehrere Klagegründe, die sich größtenteils überschneiden. Im Kern wendeten sich das Großherzogtum Luxemburg und Amazon gegen die Feststellung der Kommission zum Vorliegen eines Vorteils zugunsten von LuxOpCo im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV. Dabei beanstandeten sie auch die ergänzenden Feststellungen der Kommission zum Vorliegen eines Steuervorteils zugunsten von LuxOpCo im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV. Insbesondere rügten sie die Feststellungen und ergänzenden Feststellungen der Kommission zur Selektivität des fraglichen Steuervorbescheids. Dabei machte das Großherzogtum Luxemburg auch geltend, die Kommission habe gegen die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der direkten Steuern verstoßen. Sie bestritten insbesondere, dass die OECD-Leitlinien von 2017, wie sie die Kommission beim Erlass des streitigen Beschlusses verwendet habe, im vorliegenden Fall einschlägig seien.
37. In seinem Streithilfeschriftsatz macht Irland u. a. einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV geltend, da die Kommission das Vorliegen eines Vorteils zugunsten von LuxOpCo und die Selektivität der Maßnahme nicht nachgewiesen habe und einen Verstoß gegen die Art. 4 und 5 EUV, da die Kommission eine verschleierte steuerliche Harmonisierung vorgenommen habe.
38. Mit dem angefochtenen Urteil gab das Gericht der Klage statt und erklärte den streitigen Beschluss der Kommission für nichtig. Das Vorbringen Irlands, wonach die Kommission einen nicht im luxemburgischen Recht verankerten Fremdvergleichsgrundsatz nach Maßgabe der OECD-Leitlinien angewandt habe, wies das Gericht in den Rn. 133 ff. des angegriffenen Urteils jedoch als unzulässig zurück, da das Vorbringen Irlands nichts mit den Erwägungen des Großherzogtums Luxemburg in seinen Klagegründen zu tun habe.
39. Irland beziehe sich mit seinem Vorbringen im Wesentlichen auf die Rechtsgrundlage, auf die sich die Kommission in Bezug auf die dem Großherzogtum Luxemburg auferlegte Verpflichtung beruft, den Fremdvergleichsgrundsatz anzuwenden. Irland stelle daher die Rechtsquellen dieses Grundsatzes in Frage, wie ihn die Kommission im streitigen Beschluss angewandt hat. Darüber hinaus beziehe sich das Vorbringen Irlands auf die Auslegung des Inhalts dieses Grundsatzes und nicht auf seine Anwendung mittels einer Verrechnungspreismethode. Der erste Klagegrund des Großherzogtums Luxemburg beziehe sich aber weder auf die Frage, aus welcher Rechtsquelle dieser Grundsatz stammt, noch auf Fragen der Auslegung dieses Grundsatzes.
IV. Verfahren vor dem Gerichtshof
40. Am 27. Juli 2021 hat die Kommission gegen das Urteil des Gerichts das vorliegende Rechtsmittel eingelegt. Die Kommission beantragt,
– das Urteil des Gerichts der Europäischen Union (Siebte Erweiterte Kammer) vom 12. Mai 2021 in den verbundenen Rechtssachen T‑816/17 und T‑318/18, Luxemburg u. a./Kommission (EU:T:2021:252) aufzuheben;
– den ersten Klagegrund in der Rechtssache T‑816/17 und den zweiten, den vierten, den fünften und den achten Klagegrund in der Rechtssache T‑318/18 zurückzuweisen;
– die Rechtssache an das Gericht der Europäischen Union zur Würdigung der noch nicht beurteilten Klagegründe zurückzuverweisen;
– hilfsweise, gemäß Art. 61 der Satzung des Gerichtshofs endgültig in der Sache zu entscheiden;
– bei einer Zurückverweisung die Kosten vorzubehalten oder bei einer endgültigen Entscheidung Luxemburg, Amazon EU und Amazon.com die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
41. Luxemburg, Amazon EU und Amazon.com beantragen, der Gerichtshof möge das Rechtsmittel zurückweisen und der Kommission die Kosten auferlegen. Luxemburg beantragt hilfsweise, das Verfahren an das Gericht der Europäischen Union zurückzuverweisen.
42. Vor dem Gerichtshof haben mit Ausnahme von Irland sämtliche Beteiligte schriftlich zu den vom Gerichtshof übermittelten Fragen Stellung genommen und am 16. März 2023 unter Beteiligung von Irland mündlich über das Rechtsmittel verhandelt.
V. Rechtliche Würdigung
43. Die Kommission stützt ihr Rechtsmittel auf zwei Rechtsmittelgründe. Der erste Rechtsmittelgrund greift die in den Rn. 162 bis 297 des angefochtenen Urteils dargelegte Beanstandung des im streitigen Beschlusses festgestellten Vorteils an. Zum einen habe das Gericht den Fremdvergleichsgrundsatz unzutreffend angewendet, als es die Funktionsanalyse der Kommission als fehlerhaft beurteilt hat. Zum anderen habe das Gericht die Berechnung der angemessenen Lizenzgebühr im streitigen Beschluss zu Unrecht beanstandet.
44. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund greift die Kommission die in den Rn. 314 bis 538 des angefochtenen Urteils erfolgte Zurückweisung des hilfsweise im Beschluss angenommenen Vorteils an. Hier habe sich das Gericht zum einen bei den Beweisanforderungen für einen Vorteil geirrt. Zum anderen habe es den Fremdvergleichsgrundsatz falsch angewendet und außerdem eigene Argumente zur Verneinung des selektiven Vorteils angeführt, die von den Klägern nicht vorgebracht worden seien.
45. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsmittelgründe stellt sich zunächst die Frage, ob der Gerichtshof sich mit den Details der Berechnung des „richtigen“ Verrechnungspreises für die Lizenzgebühr nach Maßgabe der OECD-Fremdvergleichsgrundsätze beschäftigen muss. Dies würde voraussetzen, dass diese Grundsätze das maßgebliche Bezugssystem bildeten, was seit der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission(7) fraglich ist (dazu unter A.1.b.3). Er müsste sich jedoch mit den Details der Berechnung des „richtigen“ Verrechnungspreises beschäftigen, wenn sich die Frage nach dem zutreffenden Bezugssystem hier nicht mehr stellt, weil im Verfahren vor dem Gericht dazu kein entsprechender Klagegrund vorgetragen wurde (dazu unter A.1.b.2).
46. Für den Fall, dass die OECD-Fremdvergleichsleitlinien 1995 einzubeziehen wären, ist zu klären, inwieweit der Gerichtshof im Rechtsmittel die „richtige“ Berechnung eines Verrechnungspreises durch das Gericht überprüfen kann. Insofern ist auch eine Abgrenzung zwischen der Würdigung von Tatsachen und der Beurteilung von Rechtsfragen vorzunehmen (dazu unter A.2.b.1). Von Bedeutung ist des Weiteren der maßgebliche Prüfungsmaßstab bei der Beurteilung der Anwendung nationalen Steuerrechts (dazu unter A.2.b.2). Diese Fragen betreffen auch den zweiten Rechtsmittelgrund (dazu unter B.).
A. Zum ersten Rechtsmittelgrund: fehlerhafte Beanstandung des im streitigen Beschluss festgestellten Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV
1. Zum Vorliegen einer Beihilfe (selektiver Vorteil)
47. Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, dass das Gericht in den Rn. 162 bis 297 des angefochtenen Urteils zu Unrecht den Ansatz der Kommission beanstandet habe, wonach LuxOpCo einzigartige und wertvolle Funktionen ausübe, weswegen die Lizenzzahlungen an die LuxSCS überhöht gewesen wären. Insofern habe das Gericht den Fremdvergleichsgrundsatz falsch angewendet und deswegen den streitigen Beschluss zu Unrecht für nichtig erklärt.
48. Im Ergebnis rügt die Kommission, dass das Gericht in Übereinstimmung mit der Auffassung von Luxemburg und Amazon in den Steuervorbescheiden keine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV gesehen hat.
a) Feststellungen des Gerichts
49. Begründet hat das Gericht das Fehlen einer Beihilfe in Rn. 296 des angefochtenen Urteils damit, dass die Kommission keinen selektiven Vorteil nachgewiesen habe. Die zur Feststellung des Vorteils angeführten Umstände erlaubten nicht den Nachweis, dass die Steuerlast von LuxOpCo aufgrund einer Überbewertung der Lizenzgebühr künstlich gesenkt wurde. Die von Luxemburg angewandte Berechnung der angemessenen Lizenzgebühr, die LuxOpCo an LuxSCS gezahlt hat, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Luxemburg habe die maßgebenden OECD-Leitlinien zutreffend angewandt.
50. Das Gericht hat insoweit in Rn. 137 festgestellt, dass der Fremdvergleichsgrundsatz, wie er im vorliegenden Fall anwendbar sei, aus Art. 164 Abs. 3 LIR hergeleitet werden könne. Dies gehe aus dem 241. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses hervor, ohne dass diese Schlussfolgerung von den Parteien in Frage gestellt worden wäre.
51. In Rn. 154 hat das Gericht festgestellt, dass sich die Kommission zur Bestimmung eines selektiven Vorteils auf die OECD-Leitlinien 1995 stützen konnte. Demgegenüber hätten die damals noch nicht geltenden OECD-Leitlinien 2017, anders als im Beschluss geschehen, nicht herangezogen werden können. In den Rn. 162 ff. hat es weiterhin festgestellt, dass die von der Kommission im streitigen Beschluss gewählte TNM-Methode und deren Anwendung auf LuxSCS unzutreffend war.
52. Im Ergebnis hat das Gericht bei der Prüfung der Klagegründe von Luxemburg und Amazon, die sich gegen das Vorliegen eines selektiven Vorteils gerichtet haben, Art. 164 Abs. 3 LIR in Verbindung mit den OECD-Leitlinien 1995 als das maßgebende Bezugssystem angesehen, welches die Kommission zugrunde gelegt habe. Unter Anwendung dieses Bezugssystems kam es zu dem Ergebnis, dass die Kommission in ihrem Beschluss durch die Wahl der TNM-Methode, angewandt auf LuxSCS, fehlerhaft einen selektiven Vorteil angenommen hat.
b) Würdigung
1) Vorliegen eines selektiven Vorteils
53. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt die Qualifizierung als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV, dass es sich erstens um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handelt. Zweitens muss sie geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss sie dem Begünstigten einen selektiven Vorteil gewähren. Viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen.(8)
54. Problematisch ist hier allein das Vorliegen eines selektiven Vorteils. Für steuerrechtliche Maßnahmen ist die Selektivität nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs in mehreren Stufen zu bestimmen. Dazu ist in einem ersten Schritt die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende allgemeine oder „normale“ Steuerregelung (das sogenannte Bezugssystem) zu ermitteln.(9) Ausgehend von dieser allgemeinen oder „normalen“ Steuerregelung ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob die in Rede stehende steuerliche Maßnahme vom allgemeinen System insoweit abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit dieser allgemeinen Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden.(10) Wurde eine Abweichung von der „Normalbesteuerung“ festgestellt, ist in einem letzten Schritt zu prüfen, ob die Abweichung gerechtfertigt ist.
55. Ausgangspunkt bei der Bestimmung des Bezugssystems kann dabei immer nur die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers sein, was dieser als die „normale“ Besteuerung ansieht. Die grundlegenden steuerlichen Belastungsentscheidungen, insbesondere die Entscheidungen über die Besteuerungstechnik, aber auch die Ziele und Prinzipien der Besteuerung, stehen daher dem Mitgliedstaat zu.(11) Somit können weder die Kommission noch der Gerichtshof das nationale Steuerrecht an einem idealen oder fiktiven Steuersystem messen.(12) Denn außerhalb der Bereiche, in denen das Steuerrecht der Union harmonisiert wurde, obliegt es dem betreffenden Mitgliedstaat, in Wahrnehmung seiner eigenen Zuständigkeiten aufgrund seiner Steuerautonomie die grundlegenden Merkmale der Steuer zu bestimmen, die das „normale“ Bezugssystem oder die „normale“ Steuerregelung definieren, anhand deren die Voraussetzung der Selektivität zu prüfen ist.(13)
56. Die Bestimmung dieses Bezugssystems stellt den Ausgangspunkt für die vergleichende Prüfung dar, die im Zusammenhang mit der Beurteilung der Selektivität zu erfolgen hat. Daher führt ein bei dieser Bestimmung begangener Fehler zwangsläufig dazu, dass die gesamte Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Selektivität und damit einer Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV mit einem Mangel behaftet ist.(14) Folglich kann das Rechtsmittel der Kommission nur dann erfolgreich sein, wenn das Gericht zu Unrecht eine Beihilfe verneint hat, obwohl das von der Kommission zugrunde gelegte Bezugssystem das richtige gewesen war (dazu unter A.1.b.3). Gleiches würde möglicherweise gelten, wenn der Gerichtshof an das vom Gericht zugrunde gelegte und für zutreffend befundene Bezugssystem gebunden ist (dazu sogleich unter A.1.b.2).
2) Überprüfung des Bezugssystems im Rechtsmittel
57. Zu klären ist zunächst, ob sich ein möglicher Fehler bei der Bestimmung des Bezugssystems im streitigen Beschluss auf das Urteil des Gerichts auswirken könnte. Die Kommission verneint dies, weil weder Luxemburg noch Amazon die Bestimmung des Bezugssystems mit ihren Klagen in Frage gestellt hätten. Das Gericht sei auch von dem Bezugssystem, welches die Kommission zugrunde gelegt hat, ausgegangen. Folglich könne der Gerichtshof diese Wahl des Bezugssystems nicht mehr beanstanden. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.
58. Sowohl Luxemburg, unterstützt durch Irland, als auch Amazon haben das Vorliegen eines selektiven Vorteils bestritten und somit die Rechtmäßigkeit des streitigen Beschlusses im Licht des objektiven Beihilfebegriffs nach Art. 107 Abs. 1 AEUV in Frage gestellt. Das Gericht hat den Beschluss daraufhin wegen des fehlenden Nachweises eines selektiven Vorteils für nichtig erklärt. Die Kommission greift diese Nichtigkeitserklärung also wegen der Verkennung dieses Beihilfebegriffs an.
59. Diese Nichtigkeitserklärung ist aber nur dann fehlerhaft, wenn der angefochtene Beschluss das Vorliegen eines selektiven Vorteils zu Recht festgestellt hat. Dann wäre das anderslautende Urteil des Gerichts aufzuheben. Die Rechtmäßigkeit dieser Feststellung und derjenigen des Vorliegens einer verbotenen Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV setzt jedoch – wie oben in Nr. 56 ausgeführt – zwingend die korrekte Bestimmung des Bezugssystems voraus. Ohne sie ist die Vergleichsprüfung, die Voraussetzung für die Beurteilung der Selektivität des Vorteils ist, nicht möglich. Die Frage, ob das Bezugssystem im streitigen Beschluss zutreffend bestimmt worden ist, ist untrennbar mit derjenigen des Vorliegens eines selektiven Vorteils verbunden. Sie bildet daher als conditio sine qua non eine im Rechtsmittel mit zu überprüfende Rechtsfrage.
60. Luxemburg und Amazon haben die Rechtmäßigkeit des streitigen Beschlusses wegen des Fehlens eines selektiven Vorteils in Frage gestellt. Die darin erfolgte Feststellung des Bezugssystems kann nicht isoliert betrachtet werden. Sie kann auch nicht isoliert bestandskräftig geworden und damit einer weiteren Kontrolle durch die Unionsgerichte entzogen sein. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass weder Luxemburg noch Amazon explizit das von der Kommission verwendete Bezugssystem angegriffen haben. Vielmehr haben diese mit ihren Klagegründen, die sich gegen das Vorliegen eines selektiven Vorteils richten, zugleich alle Bedingungen angefochten, die notwendig sind, um einen selektiven Vorteil bejahen zu können. Dazu gehört auch das richtig bestimmte Bezugssystem, weil andernfalls – wie der Gerichtshof schon mehrfach entschieden hat(15) – die Prüfung eines selektiven Vorteils per se fehlerhaft ist.
61. Aus diesem Grund ist auch unschädlich, dass das Gericht das Vorbringen des Streithelfers Irland in den Rn. 136 ff. des angefochtenen Urteils aus rein formellen Gründen als unzulässig zurückgewiesen hat. Irland hatte sich auf das Bezugssystem fokussiert. Zwar hat Irland diese Zurückweisung nicht angegriffen. Jedoch gehörte die Frage des richtigen Bezugssystems als conditio sine qua non zur Frage des Vorliegens eines selektiven Vorteils, die von den übrigen Beteiligten (Luxemburg und Amazon) aufgeworfen wurde.
62. Anders als die Kommission in ihrer Antwort auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs meint,(16) verstößt dies auch nicht gegen den Grundsatz ultra petita. Mit einer Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses wegen der falschen Wahl des Bezugssystems wird nicht über die Klageanträge hinausgegangen. Diese waren ja gerade auf diese Nichtigerklärung wegen des fehlenden Vorliegens eines selektiven Vorteils gerichtet. Gleiches gilt für das Rechtsmittel, denn die Kommission ist ja der Auffassung, dass das Gericht zu Unrecht einen selektiven Vorteil verneint habe.
63. Insofern kann (und muss) der Gerichtshof hier zunächst prüfen, ob das von dem Gericht und der Kommission zugrunde gelegte Bezugssystem zutreffend bestimmt wurde und sich daraus, wie das Gericht meinte, kein selektiver Vorteil ergab. Ist das nicht der Fall, kann er dem Gericht im Ergebnis keinen Rechtsfehler vorwerfen.
64. Möglicherweise war die Begründung des Gerichts fehlerhaft, das Ergebnis bliebe dann gleichwohl richtig, so dass sich der Fehler nicht auf den Tenor der Entscheidung des Gerichts ausgewirkt hätte.(17) Wenn zwar die Gründe des Urteils des Gerichts eine Verletzung des Unionsrechts erkennen lassen, der Tenor des Urteils sich aber aus anderen Rechtsgründen als richtig erweist, zieht ein solcher Verstoß nicht die Aufhebung des angefochtenen Urteils nach sich. Vielmehr ist lediglich eine Ersetzung von Gründen vorzunehmen.(18)
3) Zur Wahl des richtigen Bezugssystems
65. Daher ist zu klären, ob das von der Kommission in dem streitigen Beschluss zugrunde gelegte Bezugssystem zutreffend gewählt worden ist.
66. Die Kommission hat in Rn. 241 des streitigen Beschlusses Art. 164 Abs. 3 LIR als den relevanten nationalen Rechtsrahmen identifiziert, der als Verankerung des Fremdvergleichsgrundsatzes bis Ende 2016 gegolten habe. Da dieser nicht zwischen internationalen und nationalen Geschäftsvorfällen unterscheide, sei somit festzustellen, dass die Luxemburger Verrechnungspreisvorschriften den OECD-Verrechnungspreisleitlinien entsprechen, auch wenn Art. 164 Abs. 3 LIR nicht ausdrücklich auf diese Leitlinien Bezug nimmt. In der dortigen Fußnote verweist die Kommission jedoch auf Rn. 294 des streitigen Beschlusses, in dem die Auffassung Luxemburgs dargelegt wird, wonach das luxemburgische Recht nicht auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien 1995 verwiesen habe. Vielmehr wären damals nationale Verrechnungspreisvorschriften angewandt worden.
67. Insofern bleibt das maßgebliche Bezugssystem unklar, anhand dessen die Kommission das Vorliegen eines selektiven Vorteils geprüft und bejaht hat. In den Ausführungen zur beihilferechtlichen Würdigung der Maßnahme in den Rn. 392 ff. des streitigen Beschlusses spricht die Kommission von nicht fremdvergleichskonform verhandelten Preisen (Rn. 402) oder von einem Abweichen von einer verlässlichen Annäherung an ein marktbasiertes Ergebnis (Rn. 406; ebenso Rn. 584), ohne jedoch unter konkrete Rechtsnormen des luxemburgischen Rechts zu subsumieren.
68. Allerdings geht aus den Fußnoten hervor, dass die Kommission sich ausschließlich auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien aus verschiedenen Zeiträumen bezieht. So beruft sie sich zur Überprüfung eines Steuervorbescheides aus dem Jahre 2003 auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2010 (vgl. nur Fn. 409, 419, 429, 646, 677) oder sogar auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2017 (vgl. Fn. 410, 417, 447, 679) bzw. auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien 1995 (siehe Fn. 411, 418, 430, 647) oder gleich auf alle drei zusammen (vgl. nur die Fn. 426, 427 und 428, 635, 649).
69. Luxemburgisches Recht scheint bei dieser Prüfung hingegen keine Rolle gespielt zu haben. Deutlich wird dies in den Rn. 410 und 411 des streitigen Beschlusses. Den selektiven Vorteil sieht die Kommission in einer fehlerhaften Funktionsanalyse, wie sie sich aus den OECD-Verrechnungspreisleitlinien 1995, 2010 und 2017 ergeben würde.
70. Wie der Gerichtshof aber unlängst ausgeführt hat,(19) fällt die etwaige Festlegung der Methoden und Kriterien, anhand derer sich ein „fremdvergleichskonformes“ Ergebnis feststellen lässt, mangels einer entsprechenden Harmonisierung in das Ermessen der Mitgliedstaaten. Obwohl die Mitgliedstaaten der OECD anerkennen, dass es nützlich sein kann, auf den Fremdvergleichsgrundsatz zurückzugreifen, um die Gewinne von Unternehmen korrekt verschiedenen Ländern zuzuordnen, bestehen zwischen diesen Staaten erhebliche Unterschiede bei der Anwendung der Verrechnungspreismethoden im Einzelnen. Wie die Kommission in den Rn. 255 ff. des streitigen Beschlusses selbst ausgeführt hat, sehen die OECD-Leitlinien mehrere Methoden vor, um in Bezug auf Transaktionen und die Gewinnverteilung zwischen Unternehmen einer Gruppe eine Annäherung an die Preisgestaltung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu erreichen.
71. Bei der Prüfung der Frage, ob ein selektiver Steuervorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt, und der Feststellung, welche Steuerbelastung ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, dürfen Parameter und Regeln, die außerhalb des fraglichen nationalen Steuersystems liegen, nicht berücksichtigt werden, es sei denn, das nationale Steuersystem bezieht sich ausdrücklich darauf.(20) Wie der Gerichtshof weiter ausführt,(21) ist dies auch Ausdruck des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, der als allgemeiner Rechtsgrundsatz Teil der Unionsrechtsordnung ist und gebietet, dass jede Pflicht zur Entrichtung einer Steuer sowie alle wesentlichen Elemente, die die materiell-rechtlichen Aspekte der Steuer ausmachen, gesetzlich vorgesehen ist. Denn der Steuerpflichtige muss in der Lage sein, die Höhe der geschuldeten Steuer vorherzusehen und zu berechnen und den Fälligkeitszeitpunkt der Steuer zu bestimmen.(22)
72. Nimmt man den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Steuer ernst, dann ist eine Anwendung von OECD-Verrechnungspreisleitlinien wie geltendes Recht und als Bezugssystem nur möglich, wenn das geltende Recht ausdrücklich auf diese Leitlinien verweist. Meines Erachtens könnte auch noch eine ständige Verwaltungspraxis für die Konkretisierung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals (hier das der verdeckten Gewinnausschüttung) ausreichen, um das Bezugssystem ganz oder teilweise um die OECD-Verrechnungspreisleitlinien zu erweitern. Eine Berücksichtigung einer ständigen Verwaltungspraxis(23) als Bezugssystem setzt dann aber voraus, dass die Kommission diese Verwaltungspraxis in dem jeweiligen Mitgliedstaat ermittelt und dies in ihrer Entscheidung dargelegt hat. Daran fehlt es hier. Dass die Verwaltungspraxis in Luxemburg im Jahr 2003 die noch nicht verabschiedeten Verrechnungspreisleitlinien 2010 und 2017 bereits berücksichtigt hat, erscheint darüber hinaus objektiv ausgeschlossen zu sein.
73. Indem die Kommission bei der Überprüfung der angemessenen Höhe der Lizenzgebühr ausschließlich auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien aus den Jahren 1995, 2010 und sogar 2017 abgestellt hat, hat sie im Ergebnis – wie auch schon zuvor in der Rechtssache Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission(24) – einen anderen Fremdvergleichsgrundsatz angewandt, als den im luxemburgischen Recht festgelegten. Wie sich aus den Rn. 241 und 294 des streitigen Beschlusses ergibt, verweist das luxemburgische Recht nämlich nicht auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien.
74. Anders als die Kommission mündlich vorgetragen hat, ändert daran auch die Tatsache nichts, dass die luxemburgische Verwaltungspraxis im Jahr 2003 die OECD-Verrechnungspreisleitlinien 1995 bei der Findung von Verrechnungspreisen berücksichtigt hat. Letzteres haben Luxemburg und Amazon im Ergebnis zwar bestätigt. Allerdings betonten beide auch, dass die Berücksichtigung dieser OECD-Verrechnungspreisleitlinien von einer Anwendung wie ein verbindliches Gesetz zu unterscheiden sei. Es habe sich nur um unverbindliche Leitlinien gehandelt, die bei der Anwendung von Art. 164 Abs. 3 LIR mit in die Überlegungen einbezogen worden wären. Luxemburg hat auf eine schriftliche Frage des Gerichtshofs in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die OECD-Verrechnungspreisleitlinien als Auslegungsgrundsätze wichtig gewesen wären. Sie hätten damals jedoch keine Rechtsverbindlichkeit besessen und wären als nicht erschöpfend betrachtet worden. Daher hätten auch andere Verrechnungspreismethoden angewandt werden können.
75. In welchem konkreten Umfang die OECD-Verrechnungspreisleitlinien 1995 in Luxemburg berücksichtigt worden sind, ergibt sich nicht aus dem streitigen Beschluss. Die Tatsache, dass sich der angefochtene Beschluss wiederholt auf die damals noch nicht geltenden OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2010 und 2017 stützt, zeigt vielmehr, dass die Kommission die luxemburgische Rechtslage und Verwaltungspraxis bei Erlass des Steuervorbescheides im Jahr 2003 nicht zugrunde gelegt hat.
76. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Kommission in der mündlichen Vorhandlung, wonach die OECD nach Ansicht der Kommission mit den Verrechnungspreisleitlinien 2010 und 2017 die bereits existierende Verrechnungspreisrichtlinie von 1995 lediglich neu (deklaratorisch) beschreiben wollte und inhaltlich keine Änderungen vornahm. Die OECD hat mit den OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2010 und 2017 sehr wohl versucht, die Verrechnungspreisbestimmung inhaltlich fortzuentwickeln. So wurden auf Ebene der OECD im Rahmen der Aktionspunkte 8 bis 10 des sogenannten BEPS-Projekts die sogenannten DEMPE-Funktionen (damit sind die Wertschöpfungsbereiche der Entwicklung [Development], Verbesserung [Enhancement], Erhaltung [Maintenance], Schutz [Protection] und Verwertung [Exploitation] gemeint) entwickelt.(25)
77. Ziel dieser Entwicklung war es, die Verrechnungspreisbestimmungen an der Wertschöpfung zwischen nahestehenden Unternehmen auszurichten, um sicherzustellen, dass die Verrechnungspreise die wirtschaftlichen Umstände eines Geschäftsvorfalls abbilden. 2017 wurde das sogenannte DEMPE‑Konzept in die aktuelle Fassung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien übernommen. In den Verrechnungspreisleitlinien 1995 findet sich dieses Konzept hingegen nicht. 2003 war es mithin – wie auch Luxemburg in der mündlichen Verhandlung ausführte – noch unbekannt. Dennoch stellt die Kommission in dem streitigen Beschluss (vgl. nur Rn. 262 ff.) im Ergebnis genau darauf ab.
78. Die Kommission hat sich somit darauf beschränkt, in der Zielsetzung des allgemeinen luxemburgischen Körperschaftsteuersystems den abstrakten Ausdruck des Fremdvergleichsgrundsatzes zu identifizieren und den fraglichen Steuervorbescheid zu prüfen, ohne die Art und Weise zu berücksichtigen, in der dieser Grundsatz insbesondere in Bezug auf integrierte Unternehmen im luxemburgischen Recht konkret verankert ist bzw. angewendet wird.
79. Aus alledem ergibt sich, dass die Kommission nicht das bei Erlass des Steuervorbescheids geltende luxemburgische nationale Recht als das maßgebliche Bezugssystem ihrer Prüfung eines selektiven Vorteils zugrunde gelegt hat. Damit sind auch alle nachfolgenden Ausführungen in dem streitigen Beschluss rechtsfehlerhaft. Die Kommission hat folglich Art. 107 Abs. 1 AEUV rechtsfehlerhaft angewandt. Das Gericht hat den streitigen Beschluss der Kommission daher zu Recht – wenn auch aus anderen Gründen – mangels eines dargelegten selektiven Vorteils für nichtig erklärt. Ob diese anderen Gründe – die die Kommission mit ihrem Rechtsmittel explizit angreift – tragfähig sind, muss der Gerichtshof nicht entscheiden.
4) Ergebnis
80. Da die Kommission nicht das luxemburgische Recht (gegebenenfalls in Verbindung mit der damaligen luxemburgischen Verwaltungspraxis) als das maßgebliche Bezugssystem ihrer Prüfung eines selektiven Vorteils zugrunde gelegt hat, sind die Feststellungen im streitigen Beschluss mit einem Fehler behaftet. Das Gericht hat den streitigen Beschluss der Kommission zu Recht – wenn auch aus anderen Gründen als denen, auf die es sich gestützt hat – für nichtig erklärt. Der erste Rechtsmittelgrund der Kommission ist daher unbegründet.
2. Hilfsweise: fehlerhafte Funktionsanalyse durch das Gericht – Tatsachen- oder Rechtsfrage?
81. Würde der Gerichtshof hingegen der Argumentation der Kommission folgen, wonach die Wahl des zutreffenden Bezugssystems nicht mehr zu prüfen sei, weil die Beteiligten diese Wahl nicht ausdrücklich mit ihren Klagegründen angegriffen haben, dann wäre der erste Rechtsmittelgrund der Kommission näher zu untersuchen.
82. Mit diesem macht die Kommission geltend, dass das Gericht den Fremdvergleichsgrundsatz rechtsfehlerhaft angewendet habe, als es die Funktionsanalyse der Kommission als fehlerhaft beurteilt hat. Zum anderen habe das Gericht fehlerhaft die Berechnung der angemessenen Lizenzgebühr im streitigen Beschluss beanstandet.
a) Feststellungen des Gerichts
83. Begründet hat das Gericht das Fehlen einer Beihilfe in den Rn. 156 ff. des angefochtenen Urteils mit dem Fehlen eines selektiven Vorteils. Die von Luxemburg angewandte Berechnung der angemessenen Lizenzgebühr, die LuxOpCo an LuxSCS gezahlt hat, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die OECD-Leitlinien seien zutreffend angewandt worden, wie oben in den Nrn. 49 ff. ausgeführt.
b) Würdigung
1) Richtige Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes als Tatsachen- oder als Rechtsfrage?
84. Im Ergebnis macht die Kommission geltend, dass das Gericht bei der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes Rechtsfehler begangen habe. Insofern habe es unzutreffend die Funktionsanalyse der Kommission im streitigen Beschluss beanstandet. Die Würdigung der Kommission, wonach LuxSCS die am wenigsten komplexe Partei gewesen wäre, auf die die von der Kommission gewählte Fremdvergleichsmethode (hier die TNMM) anzuwenden war, sei zutreffend gewesen. Die Würdigung des Gerichts, dass LuxSCS aktive Funktionen ausgeübt habe (und daher LuxOpCo die zu untersuchende Gesellschaft gewesen sei), sei hingegen fehlerhaft gewesen.
85. Fraglich ist, ob diese angeblichen Fehler im Rechtsmittel überprüft werden können. Die Würdigung von Tatsachen – und darunter fällt grundsätzlich auch die Beurteilung des nationalen Rechts durch das Gericht(26) – und der Beweise ist nämlich keine Rechtsfrage, die der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels überprüfen kann.(27) Der Gerichtshof kann nur prüfen, ob dieses Recht verfälscht wurde.(28) Eine Tatsachenverfälschung wurde im Rechtsmittel der Kommission jedoch nicht geltend gemacht und scheint hier ausgeschlossen zu sein. Das Gericht hat „lediglich“ die Funktionen der betroffenen Gesellschaften (LuxOpCO und LucxSCS) anders gewürdigt, deshalb eine andere Fremdvergleichsmethode für richtig gehalten und anhand dieser den betreffenden Steuervorbescheid überprüft. Dabei konnte es in der darin gebilligten Höhe der Lizenzzahlungen von LuxOpCO an LucxSCS – anders als die Kommission – keinen selektiven Vorteil erkennen.
86. Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs ist mittlerweile geklärt, dass die korrekte Bestimmung des zutreffenden Bezugssystems durch die Kommission oder das Gericht eine Rechtsfrage ist, die im Rechtsmittel überprüft werden kann.(29) Denn die rechtliche Qualifizierung des nationalen Rechts durch das Gericht am Maßstab des Unionsrechts kann der Gerichtshof als Rechtsfrage überprüfen.(30) Dies ist im Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV entscheidend, denn der für die Annahme einer Beihilfe notwendige selektive Vorteil ergibt sich erst aus einem Abweichen vom „normalen“ nationalen Steuersystem, dem Bezugssystem. Ein Vorbringen, mit dem die Wahl des zutreffenden Bezugssystems im ersten Schritt der Prüfung eines selektiven Vorteils in Frage gestellt wird, ist daher auch in einem Rechtsmittelverfahren zulässig.
87. Noch nicht ausdrücklich geklärt ist hingegen die Frage, ob die konkrete Subsumtion unter dieses Bezugssystem (mithin die Anwendung des nationalen Rechts im konkreten Fall) als eine Rechtsfrage zu betrachten ist, die der Gerichtshof im Rechtsmittel überprüfen kann, oder ob diese Anwendung des nationalen Rechts vielmehr als eine Würdigung von Tatsachen zu behandeln ist.
88. Ich teile die Auffassung der Kommission, die im Ergebnis sowohl die zutreffende Bestimmung (Auslegung) des Bezugssystems als auch die zutreffende Subsumtion (Anwendung) unter dieses Bezugssystem identisch behandelt wissen möchte. Denn beides lässt sich kaum trennen, wie dieses Verfahren zeigt.
89. Ist die sich aus der richtigen Anwendung der OECD-Fremdvergleichsrichtlinien ergebende Verrechnungspreismethode (CUP- oder TNM-Methode) noch Teil des Bezugssystems und damit eine Rechtsfrage? Oder ist die Wahl der Verrechnungspreismethode eine Subsumtion unter das Bezugssystem (OECD-Fremdvergleichsleitlinien) und damit eine Tatsachenfrage? Der Unterschied wäre allenfalls gradueller Natur. Da die Bestimmung der zutreffenden Verrechnungspreismethode wie ein Tatbestand den Rahmen für die Berechnung des Verrechnungspreises vorgibt, gehört meines Erachtens auch diese Bestimmung der zutreffenden Verrechnungspreismethode zum rechtlichen Bezugssystem.
90. Allerdings führt dies zu dem Problem, dass der Gerichtshof im Rechtsmittel dazu aufgerufen ist, die tatsächlich wie rechtlich komplexe Frage des Vorliegens eines selektiven Vorteils im Detail nachzuprüfen. Wenn dies im Zusammenhang mit steuerrechtlichen Beihilfen ein Abweichen vom nationalen Bezugssystem voraussetzt, dann muss der Gerichtshof insoweit nationales Recht (hier wären es die luxemburgischen Fremdvergleichsgrundsätze bzw. nach Ansicht der Kommission die OECD-Fremdvergleichsgrundsätze) auslegen und anwenden. Wie ich bereits andernorts unlängst ausführlich dargelegt habe,(31) ist dies eigentlich nicht seine Aufgabe. Den damit verbundenen Problemen ist durch einen modifizierten Prüfungsmaßstab (dazu sogleich unter Rn. 91 ff.) Rechnung zu tragen.
2) Bessere Alternative: modifizierter Prüfungsmaßstab
91. Nicht jede für den Steuerpflichtigen günstige Abweichung von dem nationalen Bezugssystem (hier dem Steuergesetz), mithin nicht jeder zugunsten des Steuerpflichtigen unrichtige Steuervorbescheid kann eine Beihilfe im Sinne der Verträge darstellen.
92. Auch wenn eine solche Auslegung vom Wortlaut von Art. 107 Abs. 1 AEUV gedeckt wäre, würde dieses Ergebnis dem Prüfungsmaßstab widersprechen, den der Gerichtshof für Beihilferegelungen in Gestalt allgemeiner Steuergesetze entwickelt hat. So betont er, dass es den Mitgliedstaaten beim gegenwärtigen Stand der Harmonisierung des Steuerrechts der Union freisteht, das ihnen am geeignetsten erscheinende Steuersystem einzuführen.(32) Das gilt explizit auch für den Bereich der staatlichen Beihilfen.(33) Dieser Spielraum der Mitgliedstaaten erfasst die Bestimmung der grundlegenden Merkmale jeder Steuer und gilt insbesondere auch für die Implementierung und Ausgestaltung des Fremdvergleichsgrundsatzes für Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen.(34)
93. Die Grenzen dieses Spielraums der Mitgliedstaaten sind erst überschritten, wenn die Mitgliedstaaten ihr Steuerrecht dazu missbrauchen, einzelnen Unternehmen Vorteile „am Beihilferecht vorbei“ zu gewähren.(35) Ein solcher Missbrauch der Steuerautonomie kann bei einer offensichtlich inkohärenten Ausgestaltung des Steuergesetzes(36) angenommen werden. So nimmt der Gerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung eine beihilfenrechtliche Kontrolle allgemeiner steuerrechtlicher Belastungsentscheidungen nur vor, wenn diese in einer offensichtlich diskriminierenden Weise ausgestaltet wurden, um die Anforderungen zu umgehen, die sich aus dem Unionsrecht im Bereich staatlicher Beihilfen ergeben.(37)
94. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, diese Rechtsprechung nicht auf die fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten des Steuerpflichtigen zu übertragen. Daraus folgt dann, dass nicht jeder fehlerhafte, sondern nur offensichtlich falsche Steuervorbescheide zugunsten des Steuerpflichtigen einen selektiven Vorteil darstellen. Offensichtlich sind solche Abweichungen vom anwendbaren nationalen Bezugssystem, wenn sie einem Dritten wie der Kommission oder den Unionsgerichten nicht plausibel zu erklären und damit auch für den betroffenen Steuerpflichtigen offenkundig sind. Solche Fälle stellen eine Umgehung des Beihilfenrechts durch eine offensichtlich diskriminierende Weise der Gesetzesanwendung dar.
95. In diesem Sinne hat Generalanwalt Pikamäe ausgeführt, dass für die Feststellung der „normalen“ Besteuerung die Vorschriften des positiven Rechts maßgebend sind.(38) Bei der Anwendung dieses normativen Rahmens sei z. B. bei der Bestimmung der maßgebenden Verrechnungspreise ein gewisser Ermessensspielraum anzuerkennen.(39) Der Gerichtshof betont ebenfalls, dass die etwaige Festlegung der Methoden und Kriterien, anhand deren sich ein „fremdvergleichskonformes“ Ergebnis feststellen lässt, in das Ermessen der Mitgliedstaaten fällt.(40)
96. Daher sollte bei der Überprüfung einzelner Steuerbescheide (normaler Steuerbescheide wie Steuervorbescheide), insbesondere wenn darin Feststellungen zu einem angemessenen Verrechnungspreis getroffen werden, nur ein eingeschränkter Prüfungsmaßstab Anwendung finden. Wenn dieser auf eine Plausibilitätskontrolle beschränkt wird, begründet nicht jede unrichtige Anwendung des nationalen Steuerrechts einen selektiven Vorteil. Nur ein offensichtliches Abweichen des Steuervorbescheides (oder Steuerbescheides) von dem Bezugssystem zugunsten des Steuerpflichtigen kann einen selektiven Vorteil darstellen. Liegt keine solche offensichtliche Abweichung vor, dann mag der Bescheid rechtswidrig sein, stellt aber aufgrund dieses möglichen Abweichens vom Bezugssystem noch keine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV dar.
97. Folglich muss der Gerichtshof nicht prüfen, ob tatsächlich die CUP-Methode oder richtigerweise die TNMM anzuwenden gewesen wäre. Er muss – wenn die OECD-Leitlinien das relevante Bezugssystem wären – nur entscheiden, ob die von den luxemburgischen Finanzbehörden angewandte Methode (hier die CUP-Methode) offensichtlich die falsche war.
98. Das kann hier nicht behauptet werden. Beide Methoden werden in den OECD-Verrechnungspreisleitlinien genannt. Dabei gibt es kein zwingendes Vor- oder Nachrangverhältnis zwischen den Methoden. Vielmehr muss im Allgemeinen die Methode gewählt werden, die am besten geeignet ist.(41) In schwierigen Fällen, bei denen keine der Methoden zielführend wäre, können in einem flexiblen Ansatz auch mehrere Methoden gemeinsam zur Anwendung kommen. Es steht multinationalen Konzernen sogar frei, Methoden zur Festlegung von Verrechnungspreisen anzuwenden, die in diesen Leitlinien nicht beschrieben werden, vorausgesetzt, dass die ermittelten Preise dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen.
99. In Rn. 252 des streitigen Beschlusses erkennt die Kommission selbst an, dass die von Luxemburg gewählte CUP-Methode hier relevant sei. Die CUP-Methode wird von der Kommission in den Rn. 253 und 254 des streitigen Beschlusses als eine unmittelbare Verrechnungspreismethode, die TNMM als eine indirekte Methode beschrieben. Die Kommission benötigt dann die umfangreichen Ausführungen in den Rn. 392 bis 561 des streitigen Beschlusses und die damals noch nicht geltenden OECD-Verrechnungspreisleitlinien aus 2010 und 2017, um darzulegen, dass anstelle der CUP-Methode die TNMM die relevante Methode und anstelle von LuxOpCo die LuxSCS die dafür zu betrachtende Gesellschaft sei. Auch wenn dies (seit dem Jahr 2017) möglicherweise richtig ist, zeigt dies doch ebenfalls, dass die Wahl der CUP-Methode und das Abstellen auf LuxOpCo (damals) nicht auf den ersten Blick als falsch zu betrachten war.
100. Somit ist die von Luxemburg in den Steuervorbescheiden zugrunde gelegte Auslegung möglicherweise unzutreffend, sie ist aber keine offensichtlich falsche Auslegung des nationalen Rechts (bzw. hier der von der Kommission und dem Gericht zugrunde gelegten OECD-Verrechnungspreisleitlinien). Damit ist die Entscheidung des Gerichts, der Steuervorbescheid gewähre keinen selektiven Vorteil, im Ergebnis ebenfalls nicht zu beanstanden.
101. Folglich ist der erste Rechtsmittelgrund der Kommission nicht begründet. Das gilt auch, wenn hilfsweise das von der Kommission verfehlt gewählte und vom Gericht fälschlicherweise als zutreffend unterstellte Bezugssystem als gegeben hingenommen würde.
3. Zusammenfassung zum ersten Rechtsmittelgrund
102. Damit bleibt es dabei, dass der erste Rechtsmittelgrund der Kommission unter keinem Gesichtspunkt erfolgreich ist. Das angefochtene Urteil des Gerichts stellt sich als im Ergebnis richtig heraus, weil die Kommission im streitigen Beschluss das falsche Bezugssystem zugrunde gelegt hat und daher keinen selektiven Vorteil nachweisen konnte.
103. Selbst wenn das fälschlicherweise zugrunde gelegte Bezugssystem (die OECD-Verrechnungspreisleitlinien der Jahre 1995, 2010 und eventuell sogar 2017) als Ausgangspunkt genommen würde, wäre die im luxemburgischen Steuervorbescheid gewählte CUP-Methode nicht offensichtlich die falsche Methode gewesen und sie ist auch nicht offensichtlich falsch angewandt worden. Aus diesem Grund konnte die Kommission im streitigen Beschluss mit den primären Feststellungen (Rn. 409 bis 561 des streitigen Beschlusses) ebenfalls nicht nachweisen, dass der Steuervorbescheid einen selektiven Vorteil zugunsten von Amazon gewährt hat.
B. Zum zweiten Rechtsmittelgrund: unrichtige Beweisanforderungen für das Vorliegen eines Vorteils und falsche Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes
104. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund greift die Kommission die in den Rn. 314 bis 538 des angefochtenen Urteils erfolgte Zurückweisung des hilfsweise und auf drei verschiedenen Wegen im Beschluss angenommenen Vorteils an. Hier habe sich das Gericht zum einen bei den Beweisanforderungen für einen Vorteil geirrt. Zum anderen habe es den Fremdvergleichsgrundsatz falsch angewendet und seine Entscheidung nicht hinreichend begründet.
1. Feststellungen des Gerichts
105. Das Gericht hat in Rn. 308 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Kommission nachweisen muss, dass ein Steuervorbescheid, der für die Berechnung der Vergütung eines Unternehmens verwendet wird, einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft. Dafür muss sie nachweisen, dass diese Vergütung von einem fremdvergleichskonformen Ergebnis in einem solchen Umfang abweicht, dass sie nicht als eine Vergütung angesehen werden kann, die unter Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt erzielt worden wäre.
106. Insoweit sei es (vgl. Rn. 310 des angefochtenen Urteils) zwar Sache der Kommission, konkret nachzuweisen, dass der methodische Fehler zu einer Verminderung der Steuerbelastung des Begünstigten des Steuervorbescheids geführt hat. Das Gericht schloss es aber nicht aus, dass in bestimmten Fällen ein methodischer Fehler so geartet sein kann, dass er es keinesfalls erlaubt, zu einer Annäherung an ein fremdvergleichskonformes Ergebnis zu führen, und dass er zwangsläufig zu einer Unterbewertung der Vergütung führt, die unter Marktbedingungen hätte erzielt werden müssen.
107. In Rn. 312 des angefochtenen Urteils stellte das Gericht aber fest, dass sich die Kommission darauf beschränkt habe, Fehler in der Verrechnungspreisanalyse festzustellen. Dies sei grundsätzlich nicht ausreichend, um nachzuweisen, dass die Steuerbelastung von LuxOpCo tatsächlich vermindert wurde. Dies sei dem Fehlen eines Vergleichs im streitigen Beschluss zwischen dem Ergebnis, das bei Anwendung der von der Kommission befürworteten Verrechnungspreismethode erzielt worden wäre, und dem Ergebnis, das in Anwendung des fraglichen Steuervorbescheids erzielt wurde, geschuldet.
108. Zur ersten ergänzenden Feststellung eines wirtschaftlichen Vorteils stellte das Gericht in Rn. 520 des angefochtenen Urteils fest, dass die Kommission nicht das Vorliegen eines Vorteils, sondern allenfalls die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines Vorteils nachgewiesen habe.
109. Der Kommission – so Rn. 530 des angefochtenen Urteils – sei der Nachweis nicht gelungen, dass, wenn die Gewinnaufteilungsmethode in der Variante der Beitragsanalyse angewandt worden wäre, die Vergütung für LuxOpCo höher gewesen wäre. Die erste ergänzende Feststellung könne daher nicht die Schlussfolgerung stützen, dass der fragliche Steuervorbescheid LuxOpCo einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft habe. Abgesehen davon, dass die Kommission nicht versucht habe, die fremdvergleichskonforme Vergütung von LuxOpCo im Hinblick auf die von der Kommission in ihrer eigenen Funktionsanalyse festgestellten Funktionen zu bestimmen, enthalte die erste ergänzende Feststellung nämlich keine konkreten Anhaltspunkte, die rechtlich hinreichend belegen könnten, dass die Fehler bei der Funktionsanalyse sowie der von der Kommission festgestellte methodische Fehler bei der Wahl der Methode als solche tatsächlich zu einer Verringerung der Steuerbelastung von LuxOpCo führten.
110. Zudem sei zur zweiten ergänzenden Feststellung eines wirtschaftlichen Vorteils festzustellen (Rn. 547 des angefochtenen Urteils), dass die Kommission nicht nachzuweisen versucht habe, welche Vergütung fremdvergleichskonform gewesen wäre, und erst recht nicht, ob die vom fraglichen Steuervorbescheid gebilligte Vergütung von LuxOpCo niedriger war als die Vergütung, die LuxOpCo unter Fremdvergleichsbedingungen erhalten hätte.
111. Außerdem hat das Gericht in Rn. 585 des angefochtenen Urteils zur dritten ergänzenden Feststellung eines wirtschaftlichen Vorteils festgestellt, dass die Kommission, so unangemessen der Mechanismus der Obergrenze gewesen sein mag und obwohl er in den OECD-Leitlinien in der Fassung von 1995 nicht vorgesehen ist, nicht nachgewiesen habe, dass sich dieser Mechanismus auf den fremdvergleichskonformen Charakter der von LuxOpCo an LuxSCS gezahlten Lizenzgebühr ausgewirkt habe.
112. Insgesamt sei es der Kommission mit ihren drei ergänzenden Feststellungen nicht gelungen, das Vorliegen eines Vorteils nachzuweisen (Rn. 537, 548 und 586 des angefochtenen Urteils).
2. Würdigung
113. Auch der zweite Rechtsmittelgrund ist unbegründet, da sich das Urteil des Gerichts auch hier – wenn auch aus anderen Gründen – als richtig erweist. Wie aus den Erläuterungen in den Nrn. 53 ff. dieser Schlussanträge hervorgeht, ist der angefochtene Beschluss für nichtig zu erklären, weil bereits das zugrunde gelegte Bezugssystem unzutreffend bestimmt wurde. Anstelle des luxemburgischen Rechts (Art. 164 Abs. 3 LIR) wurden ausschließlich die OECD-Verrechnungspreisleitlinien 1995 aus den Jahren vor und die nach Erlass des Steuervorbescheides im Jahr 2003 erlassenen OECD-Verrechnungspreisleitlinien aus 2010 und 2017 angewandt.
114. Nur für den Fall, dass der Gerichtshof davon ausgehen sollte, dass er an die Wahl des falschen Bezugssystems gebunden sei, weil Luxemburg und Amazon diese Wahl nicht ausdrücklich in der Klage angefochten haben, wäre der zweite Rechtsmittelgrund näher zu untersuchen.
115. Aber auch dann hätte das Vorbringen der Kommission keine Aussicht auf Erfolg. Denn im streitigen Beschluss hat die Kommission – wie das Gericht zutreffend festgestellt hat – nicht dargelegt, dass der Steuervorbescheid offensichtlich von dem Bezugssystem abgewichen ist und dadurch Amazon einen selektiven Vorteil gewährt hat.
116. Die ersten beiden selbständigen Feststellungen haben keinen offensichtlichen Verstoß gegen den Fremdvergleichsgrundsatz nach Maßgabe der OECD-Verrechnungspreisleitlinien aufgezeigt. Demgegenüber hat die Kommission – aus meiner Sicht zutreffend – im streitigen Beschluss (Rn. 575 ff.) im Rahmen der dritten ergänzenden Feststellung darauf hingewiesen, dass eine Begrenzung des zu besteuernden Ertrags des Lizenznehmers durch eine Limitierung auf 0,55 % des Jahresumsatzes mit der Bestimmung einer angemessenen Vergütung mittels eines Verrechnungspreises nicht zu vereinbaren ist. Da fremde Dritte untereinander eine Lizenzvergütung in der Regel nicht so ausgestalten, dass der Lizenznehmer niemals mehr als einen bestimmten Betrag (hier 0,55 % des Jahresumsatzes) zu versteuern hat, entspricht dieses Element – meines Erachtens sogar offensichtlich – nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz.
117. Dies hat allerdings auch das Gericht in den Rn. 575 ff. des angefochtenen Urteils so festgestellt. Wie das Gericht weiter zutreffend (Rn. 578) festgestellt hat, führt dieser methodische Fehler (auch wenn er offensichtlich ist) nicht dazu, dass dies schon einen selektiven Vorteil begründet, da die Vergütung auch nach Anwendung des Mechanismus der Obergrenze im fremdvergleichskonformen Bereich geblieben sei. Folglich habe die Kommission das Vorliegen eines Vorteils nicht nachgewiesen.
118. Diese Ausführungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs obliegt es der Kommission, den Beweis für das Vorliegen einer „staatlichen Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV zu erbringen, und somit auch den Beweis dafür, dass die Voraussetzung der Gewährung eines Vorteils an die Begünstigten erfüllt ist.(42) Dies setzt voraus, dass die Kommission hier nachweist, dass Amazon einen Vorteil erhalten hat. Der selektive Vorteil ergibt sich aber erst aus einer im Vergleich zur normalen Besteuerung günstigeren Behandlung durch den Steuervorbescheid. Diese günstigere Behandlung muss die Kommission nachweisen.
119. Die Kommission muss eine Gesamtwürdigung vornehmen und dabei jeden im betreffenden Fall erheblichen Anhaltspunkt berücksichtigen, der es ihr ermöglicht, festzustellen, ob das begünstigte Unternehmen derartige Erleichterungen nicht bereits nach dem normalen Steuersystem (Bezugssystem) erhalten hätte. Dies setzt im Anwendungsbereich der Verrechnungspreise voraus, dass die Kommission in der Lage ist, den „richtigen“ Verrechnungspreis zu berechnen.
120. Der Einwand der Kommission, dass dies sehr komplex sei, ist richtig. Er bestätigt aber erneut, dass nicht jede falsche Anwendung des nationalen Steuerrechts zugleich einen selektiven Vorteil darstellen kann,(43) sondern nur offensichtlich fehlerhafte Feststellungen des Steuerbescheides, die sich auf die Höhe der Steuerschuld auswirken.
121. Wenn die im Steuervorbescheid gebilligte Berechnung der Lizenzzahlung trotz ihrer bedenklichen Methodik niedriger als der übliche Verrechnungspreis gewesen wäre, dann fehlt es an einer im Vergleich zur normalen Besteuerung vorteilhaften Behandlung von Amazon. Denn ein üblicher höherer Verrechnungspreis hätte eine noch niedrigere Steuerlast zur Folge gehabt. Das Fehlen eines solchen Vergleichs hat das Gericht zu Recht beanstandet. Insofern ist auch der zweite Rechtsmittelgrund unbegründet.
C. Ergebnis
122. Im Ergebnis sind beide Rechtsmittelgründe der Kommission unbegründet. Das angefochtene Urteil stellt sich im Ergebnis – wenn auch aus anderen Gründen als denen, auf die sich das Gericht gestützt hat – als richtig heraus. Der Beschluss war bereits deswegen für nichtig zu erklären, weil die Kommission das falsche Bezugssystem (OECD-Verrechnungspreisleitlinien statt das luxemburgische Recht) zugrunde gelegt hat.
123. Darüber hinaus ist dem Steuervorbescheid auch keine offensichtlich falsche – für den Steuerpflichtigen zu günstige – Anerkennung der Höhe der Lizenzzahlung zu entnehmen. Auch wenn die Einbeziehung einer Obergrenze des zu versteuernden Betrages des Lizenznehmers offensichtlich mit der Methode der Berechnung einer unter Dritten üblichen Lizenzzahlung nicht zu vereinbaren ist, hat die Kommission im Beschluss nicht dargelegt, dass damit auch ein Vorteil gewährt wurde.
VI. Zu den Kosten
124. Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist.
125. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da Amazon und Luxemburg einen solchen Antrag gestellt haben, ist die Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen, die Amazon und Luxemburg im vorliegenden Rechtsmittelverfahren entstanden sind.
126. Nach Art. 184 Abs. 4 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof einer erstinstanzlichen Streithilfepartei, die das Rechtsmittel nicht selbst eingelegt hat, ihre eigenen Kosten auferlegen, wenn sie am schriftlichen oder mündlichen Verfahren vor dem Gerichtshof teilgenommen hat. Im vorliegenden Fall hat Irland als erstinstanzliche Streithilfepartei, die das Rechtsmittel nicht selbst eingelegt hat, am mündlichen Verfahren vor dem Gerichtshof teilgenommen, aber nicht beantragt, der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Unter diesen Umständen ist zu entscheiden, dass Irland seine eigenen durch das Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten trägt.(44)
VII. Ergebnis
127. In Anbetracht des Vorstehenden schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten, die dem Großherzogtum Luxemburg, der Amazon EU S.à.r.l und der Amazon.com Inc. entstanden sind.
3. Irland trägt seine eigenen Kosten.
1 Originalsprache: Deutsch.
2 Siehe dazu insbesondere zuletzt Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859), und Schlussanträge des Generalanwalts Pikamäe in der Rechtssache Irland/Kommission (C‑898/19 P, EU:C:2021:1029) sowie meine Schlussanträge in der Rechtssache Engie Global LNG Holding u. a./Kommission und Luxembourg/Kommission (C‑454/21 P und C‑451/21 P, EU:C:2023:383).
3 Siehe dazu Urteile vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859), vom 15. Juli 2020, Irland u. a./Kommission (T‑778/16 und T‑892/16, EU:T:2020:338 – anhängig unter C‑465/20 P), und vom 24. September 2019, Niederlande u. a./Kommission (T‑760/15, EU:T:2019:669).
4 Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859)
5 Siehe Art. 58 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union.
6 ABl. 2018, L 153, S. 1.
7 Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859).
8 Urteile vom 16. März 2021, Kommission/Polen (C‑562/19 P, EU:C:2021:201, Rn. 27), vom 28. Juni 2018, Andres (Insolvenz Heitkamp BauHolding)/Kommission (C‑203/16 P, EU:C:2018:505, Rn. 82), vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 53) und Kommission/Hansestadt Lübeck (C‑524/14 P, EU:C:2016:971, Rn. 40).
9 Urteile vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 57) und Kommission/Hansestadt Lübeck (C‑524/14 P, EU:C:2016:971, Rn. 53 und 55).
10 Urteile vom 19. Dezember 2018, A-Brauerei (C‑374/17, EU:C:2018:1024, Rn. 36), vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 57), und vom 8. September 2011, Paint Graphos (C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 49).
11 Schlussanträge des Generalanwalts Pikamäe in der Rechtssache Irland/Kommission (C‑898/19 P, EU:C:2021:1029, Rn. 60 ff.); siehe auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Fossil (Gibraltar) (C‑705/20, EU:C:2022:181, Rn. 57), in der Rechtssache Kommission/Polen (C‑562/19 P, EU:C:2020:834, Rn. 39) und in der Rechtssache Kommission/Ungarn (C‑596/19 P, EU:C:2020:835, Rn. 43).
Bestätigt durch: Urteile vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 73), vom 15. September 2022, Fossil (Gibraltar) (C‑705/20, EU:C:2022:680, Rn. 59), vom 16. März 2021, Kommission/Polen (C‑562/19 P, EU:C:2021:201, Rn. 38 und 39) und Kommission/Ungarn (C‑596/19 P, EU:C:2021:202, Rn. 44 und 45).
12 Schlussanträge des Generalanwalts Pikamäe in der Rechtssache Irland/Kommission (C‑898/19 P, EU:C:2021:1029, Rn. 64).
In diese Richtung auch Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 74 – daraus folgt, dass bei der Bestimmung des Bezugssystems im Bereich der direkten Steuern nur das im betreffenden Mitgliedstaat anwendbare nationale Recht zu berücksichtigen ist).
13 Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 73), vom 16. März 2021, Kommission/Polen (C‑562/19 P, EU:C:2021:201, Rn. 38 und 39) und Kommission/Ungarn (C‑596/19 P, EU:C:2021:202, Rn. 44 und 45).
14 Urteile vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 71), und vom 6. Oktober 2021, World Duty Free Group und Spanien/Kommission (C‑51/19 P und C‑64/19 P, EU:C:2021:793, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).
15 Urteile vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 71), und vom 6. Oktober 2021, World Duty Free Group und Spanien/Kommission (C‑51/19 P und C‑64/19 P, EU:C:2021:793, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).
16 Rn. 24 des Schriftsatzes vom 22. Februar 2023.
17 Urteil vom 9. Juni 2011, Comitato „Venezia vuole vivere“ u. a./Kommission (C‑71/09 P, C‑73/09 P und C‑76/09 P, EU:C:2011:368, Rn. 65).
18 So ausdrücklich Urteil vom 9. Juni 2011, Comitato „Venezia vuole vivere“ u. a./Kommission (C‑71/09 P, C‑73/09 P und C‑76/09 P, EU:C:2011:368, Rn. 118), vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2008, FIAMM u. a./Rat und Kommission (C‑120/06 P und C‑121/06 P, EU:C:2008:476, Rn. 187 und die dort angeführte Rechtsprechung). Siehe insoweit auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Telefónica/Kommission (C‑274/12 P, EU:C:2013:204, Nr. 16).
19 Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 95).
20 Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 96 am Ende).
21 Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 97).
22 Vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 8. Mai 2019, Związek Gmin Zagłębia Miedziowego (C‑566/17, EU:C:2019:390, Rn. 39).
23 Zur beihilferechtlichen Relevanz einer ständigen Verwaltungspraxis siehe nur meine Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Belgien und Magnetrol International (C‑337/19 P, EU:C:2020:990, Nrn. 63 ff.) und Urteil vom 16. September 2021, Kommission/Belgien und Magnetrol International (C‑337/19 P, EU:C:2021:741, Rn. 71 ff.).
24 Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859)
25 OECD-Verrechnungspreisleitlinien von 2017, Kapitel VI, und BEPS-Abschlussbericht, Aktionspunkte 8 bis 10, S. 141 bis 160. Der Bericht wurde am 5. Oktober 2015 veröffentlicht und am 23. Juli 2016 vom OECD-Rat angenommen.
26 Vgl. Urteile vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 82), vom 28. Juni 2018, Andres (Insolvenz Heitkamp BauHolding)/Kommission (C‑203/16 P, EU:C:2018:505, Rn. 78), vom 3. April 2014, Frankreich/Kommission (C‑559/12 P, EU:C:2014:217, Rn. 79), und vom 24. Oktober 2002, Aéroports de Paris/Kommission (C‑82/01 P, EU:C:2002:617, Rn. 63).
27 Siehe Art. 58 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union.
28 Vgl. Urteile vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 82), und vom 28. Juni 2018, Andres (Insolvenz Heitkamp BauHolding)/Kommission (C‑203/16 P, EU:C:2018:505, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).
29 Siehe (zu einem angeblich im nationalen Recht vorhandenen Fremdvergleichsgrundsatz) unlängst Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 85), vgl. entsprechend Urteil vom 28. Juni 2018, Andres (Insolvenz Heitkamp BauHolding)/Kommission (C‑203/16 P, EU:C:2018:505, Rn. 80 und 81 zur falschen Auslegung von § 8c KStG durch das Gericht).
30 Urteil vom 28. Juni 2018, Andres (Insolvenz Heitkamp BauHolding)/Kommission (C‑203/16 P, EU:C:2018:505, Rn. 78), vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 21. Dezember 2016, Kommission/Hansestadt Lübeck (C‑524/14 P, EU:C:2016:971, Rn. 61 bis 63), und vom 3. April 2014, Frankreich/Kommission (C‑559/12 P, EU:C:2014:217, Rn. 83).
31 Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Engie Global LNG Holding u. a./Kommission und Luxembourg/Kommission (C‑454/21 P und C‑451/21 P, EU:C:2023:383, Nrn. 86 ff.).
32 Urteil vom 16. März 2021, Kommission/Polen (C‑562/19 P, EU:C:2021:201, Rn. 37), vgl. in diesem Sinne auch in Bezug zu den Grundfreiheiten Urteile vom 3. März 2020, Vodafone Magyarország (C‑75/18, EU:C:2020:139, Rn. 49), und Tesco-Global Áruházak (C‑323/18, EU:C:2020:140, Rn. 69 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
33 Urteile vom 15. September 2022, Fossil (Gibraltar) (C‑705/20, EU:C:2022:680, Rn. 59), und vom 16. März 2021, Kommission/Polen (C‑562/19 P, EU:C:2021:201, Rn. 37), vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 26. April 2018, ANGED (C‑233/16, EU:C:2018:280, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).
34 In diese Richtung geht auch Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 95 ff.).
35 Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 72).
36 Wie z. B. im Fall von Gibraltar: Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 101 ff.). Dort war das Vereinigte Königreich auch nicht in der Lage, den Sinn der zugrunde gelegten steuerrechtlichen Parameter zu erklären (Rn. 149).
37 Urteile vom 15. September 2022, Fossil (Gibraltar) (C‑705/20, EU:C:2022:680, Rn. 61), vom 16. März 2021, Kommission/Polen (C‑562/19 P, EU:C:2021:201, Rn. 42 ff., insbesondere Rn. 44) und Kommission/Ungarn (C‑596/19 P, EU:C:2021:202, Rn. 48 ff., insbesondere Rn. 50). Schon im Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 101), spricht der Gerichtshof von den rechtlichen Grundlagen, die „in der Praxis offensichtlich (Hervorhebung nur hier) zu einer unterschiedlichen Behandlung“ der Steuerpflichtigen führen.
38 Schlussanträge des Generalanwalts Pikamäe in der Rechtssache Irland/Kommission (C‑898/19 P, EU:C:2021:1029, Nr. 106).
39 Schlussanträge des Generalanwalts Pikamäe in der Rechtssache Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P, EU:C:2021:1028, Nr. 118).
40 Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission (C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 95).
41 Darauf weist auch die Kommission in Rn. 250 des streitigen Beschlusses hin.
42 So ausdrücklich: Urteil vom 4. März 2021, Kommission/Fútbol Club Barcelona (C‑362/19 P, EU:C:2021:169, Rn. 62). Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. September 2018, Kommission/Frankreich und IFP Énergies nouvelles (C‑438/16 P, EU:C:2018:737, Rn. 110 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteil vom 11. November 2021, Autostrada Wielkopolska/Kommission und Polen (C‑933/19 P, EU:C:2021:905, Rn. 108).
43 Vgl. dazu oben, Nrn. 91 ff.
44 Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. März 2021, Kommission/Polen (C‑562/19 P, EU:C:2021:201, Rn. 60), und vom 28. Juni 2018, Andres (Insolvenz Heitkamp BauHolding)/Kommission (C‑203/16 P, EU:C:2018:505, Rn. 113 und 114).