R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Steuerrecht
31.01.2014
Steuerrecht
FG Niedersachsen: Solidaritätszuschlaggesetz 1995 verfassungswidrig - Vorlage an das BVerfG

FG Niedersachsen, Vorlagebeschluss vom 21.8.2013 - 7 K 143/08


Leitsätze


1. Die Regelung der Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags gemäß § 3 SolZG 1995 verstößt gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie in Verbindung mit § 35 EStG von den nach verfassungsrechtlichen Vorgaben insoweit gleich zu behandelnden Gruppen der gewerblichen Einkünfte und der nichtgewerblichen Einkünfte nur gewerbliche Einkünfte bzw. in Verbindung mit § 34c EStG bzw. § 26 KStG von den insoweit gleich zu behandelnden ausländischen und inländischen Einkünften nur ausländische Einkünfte durch eine Reduzierung der Bemessungsgrundlage von dem Solidaritätszuschlag teilweise entlastet. Für diese Ungleichbehandlung fehlen hinreichend tragfähige Rechtfertigungsgründe. Eine Begünstigung der gewerblichen Einkünfte bei der Erhebung des Solidaritätszuschlags gegenüber nichtgewerblichen Einkünften ist vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt worden; ausweislich der Gesetzesbegründung soll die Belastung aller Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit erfolgen. Auf die Feststellungen des Bundesrechnungshofs hat - nach dessen Angaben - das Bundesministerium der Finanzen eingeräumt, dass ausländische Einkünfte derzeit nur eingeschränkt in die Berechnung des Solidaritätszuschlags einbezogen werden.


2. Nach den Rechtsgrundsätzen des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtsstaatlichkeit des Besteuerungseingriffs des Staates gegenüber dem Bürger als Teil der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG und unter Beachtung der Vorstellungen (Motive) des Verfassungsgebers kann überdies nicht begründet werden, dass der Solidaritätszuschlag nach dem SolZG 1995 noch eine zulässige Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 105 Abs. 2, 106 Abs. 1 Nr. 6 GG ist, mit der der Kläger im Streitjahr 2007 belastet werden darf. Die Gesetzgebungs bzw. die Gesetzfortführungskompetenz für den Solidaritätszuschlag sind im Streitjahr 2007 entfallen. Das SolZG 1995 verletzt im Streitjahr 2007 die Finanzverfassung und damit die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne der Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG und verstößt mithin gegen das allgemeine Freiheitsrecht des Steuerpflichtigen und gegen das Rechtsstaatsprinzip. Der Gesetzgeber hat sich nicht an die vom Verfassungsgeber gesetzten Regeln der Finanzverfassung gehalten.


3. Der Solidaritätszuschlag darf als Ergänzungsabgabe allein zur Deckung (vorübergehender) Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt erhoben werden, weil sich die Ergänzungsabgabe im Vergleich zu den sonstigen Steuern, die in der Finanzverfassung aufgezählt sind, wie die seltene Ausnahme zur Regel verhält. Zwar muss eine Ergänzungsabgabe nicht von vornherein befristet erhoben werden, jedoch verbietet der Ausnahmecharakter der Ergänzungsabgabe eine dauerhafte, eine immerwährende Erhebung dieser Steuer. Dies ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien zur Einführung des Finanzierungsinstruments der Ergänzungsabgabe in das Grundgesetz im Jahre 1955. Die Fortführung des Solidaritätszuschlags widerspricht auch deshalb den erkennbaren Vorstellungen des Verfassungsgebers, weil es in den letzten Jahren immer wieder umfassende und auf Dauer angelegte allgemeine und punktuelle Steuerermäßigungen gab, obwohl der Solidaritätszuschlag weitgehend unverändert erhoben worden ist. Der damalige Bundesrat bezeichnete es im Jahr 1954 ausdrücklich als "nicht vertretbar", das Zuschlagsrecht (Ergänzungsabgabe) im Zusammenhang mit einer Steuertarifsenkung auszuüben und dadurch die steuerliche Entlastung zum Teil wieder aufzuheben (Bundestags-Drucksache 2/484 vom 29. April 1954, S. 1); entsprechend wurde - wegen der anstehenden Steuertarifsenkung - der damalige Plan, zeitgleich mit der Änderung des Art. 106 Abs. 1 GG ein Gesetz über die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer einzuführen, nicht umgesetzt. Der Verfassungsgeber hatte nach den Materialien erkennbar die Vorstellung, dass eine einmal eingeführte Ergänzungsabgabe in Zeiten von geplanten Steuersenkungen zunächst entfallen muss, bevor Tarifsenkungen bei der Einkommensteuer greifen.


4. Über die Unterschiedlichkeit der Vorlagegegenstände zwischen dem des vorliegenden Vorlagebeschlusses und dem der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, S. 333 (BStBl. II 1972, S. 408) hinaus steht der Annahme einer Bindungswirkung für das vorlegende Finanzgericht gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG zudem die Divergenz zwischen den jeweiligen verfassungsrechtlichen Maßstäben entgegen. Aufgrund der mit verschiedenen Gesetzesnovellen vorgenommenen Verschiebungen der föderalen Kompetenzabgrenzung zugunsten der Länder muss von Verfassungs wegen eine im Vergleich zu dem Entscheidungsjahr 1972 restriktivere Auslegung der Bundeskompetenz nach Art. 105 Abs. 2 1. Variante in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG erfolgen. Soweit mit dem vorliegenden Beschluss eine Verletzung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG durch die Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 3 SolZG 1995 geltend gemacht wird, ist überdies der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG für das vorlegende Finanzgericht nicht zu entnehmen, da eine verfassungsgerichtliche Entscheidung über die Vereinbarkeit des § 3 SolZG 1995 (einschließlich vergleichbarer Vorgängervorschriften früherer Ergänzungsabgaben) mit Art. 3 Abs. 1 GG bisher nicht getroffen worden ist.


§ 3 SolZG 1995 vom 15.10.2002, § 1 Abs 1 SolZG 1995 vom 15.10.2002, § 26 KStG, § 31 Abs 1 BVerfGG, § 51a Abs 2 S 3 EStG, § 35 EStG, § 34c EStG, Art 106 Abs 1 Nr 6 GG, Art 105 Abs 2 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG


Aus den Gründen


A. Sachverhalt, Vortrag der Beteiligten, bisheriger Prozessverlauf


Streitig ist, ob die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für das Jahr 2007 auf einer verfassungsmäßigen Grundlage, nämlich dem Solidaritätszuschlaggesetz 1995 vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944/975), in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (BGBl. I S. 4130), geändert durch Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4621) und Jahressteuergesetz 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2878), im Folgenden: SolZG 1995, erfolgt ist.


Das beklagte Finanzamt setzte mit Bescheid über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom 10. Juli 2008 den Solidaritätszuschlag für 2007 gegenüber dem Kläger auf 941,43 Euro fest (= 5,5 % von der festzusetzenden Einkommensteuer in Höhe von 17.117 Euro). Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 15. Juli 2008 Sprungklage. Das beklagte Finanzamt stimmte der Sprungklage mit Schreiben vom 7. August 2008 (eingegangen bei Gericht am 14. August 2008) zu.


Der Kläger trägt zur verfassungsrechtlichen Problematik des SolZG 1995 vor. Er bezieht sich auch auf eine Schrift des Karl-Bräuer-Instituts des Bundes der Steuerzahler (Lothar Schemmel, Verfassungswidriger Solidaritätszuschlag - Unzumutbar und unzulässig, Heft 102, veröffentlicht im Februar 2008) sowie auf eine Schrift des Deutschen Steuerzahlerinstituts des Bundes der Steuerzahler (Jens Lemmer, Abbau des Solidaritätszuschlags geboten, Nr. 3 vom 5. August 2013).


Nach Ansicht des Klägers darf der Solidaritätszuschlag, weil er eine Ergänzungsabgabe ist, nur ausnahmsweise und nicht auf Dauer erhoben werden. Der Kläger formuliert als Ergebnis seiner verfassungsrechtlichen Darlegungen:


Der Solidaritätszuschlag sei mit den Vorschriften der Finanzverfassung nicht mehr zu rechtfertigen, eine noch längere Hinnahme dieses verfassungswidrigen Eingriffs in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit sei unzumutbar. Bei gesetzessystematischer Auslegung des Art. 106 GG ergebe sich, dass der Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe nur zur Deckung vorübergehender Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt erhoben werden dürfe. Der Ergänzungsabgabe komme nicht die Funktion eines flexiblen Elements bei der Einnahmenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu. Sie habe sich im Vergleich zu den Gemeinschaftssteuern so zu verhalten, wie die seltene Ausnahme zur Regel. Diesem Ausnahme-Regel-Verhältnis werde die Ergänzungsabgabe nur dann gerecht, wenn sie ausschließlich als letztes Mittel in außergewöhnlichen Haushaltssituationen vorübergehend eingesetzt sowie in Steuersatz und Erhebungsdauer eng begrenzt werde. Zudem verlange der Rückgriff auf die Ergänzungsabgabe, dass alljährlich geprüft werde, ob ihre Erhebung noch erforderlich sei. Der Solidaritätszuschlag genüge diesen Vorgaben der Verfassung an eine Ergänzungsabgabe in keinem Punkt und sei deshalb wegen Verstoßes gegen Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG verfassungswidrig. Die Belastung der Steuerzahler mit einem verfassungswidrigen Solidaritätszuschlag verstoße offensichtlich gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Es möge aus Anlass der deutschen Einheit durchaus finanzielle Engpässe beim Bund gegeben haben, insbesondere wegen der Abtretung von Umsatzsteueranteilen an die Länder. Einzuräumen sei auch, dass der Gesetzgeber die Erhebungsdauer des Solidaritätszuschlags nicht von vornherein auf ein oder zwei Jahre habe beschränken müssen. Jedoch müsse der Steuerzahler nicht hinnehmen, dass der Bund die Abtretung von Umsatzsteueranteilen an die Länder mit Hilfe des Solidaritätszuschlags dauerhaft refinanziere, denn damit überschreite er seine Gesetzgebungskompetenzen hinsichtlich der Ergänzungsabgabe. Die Zustimmung des Bundesrates zur Erhebung des Solidaritätszuschlags sei unerheblich, weil sie nicht den Vorgaben der Verfassung an die Form und das Quorum einer Verfassungsänderung genüge.


Die grundsätzlich zulässige Überbrückungsfinanzierung mit Hilfe eines Solidaritätszuschlags werde zudem für den Steuerzahler immer unzumutbarer, je länger sie anhalte. Da die überlange und überhohe Erhebung des Solidaritätszuschlags den Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei weitem überschreite, verstoße sie gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, das Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG normierten Rechtsstaatsprinzips sei. Eine Ergänzungsabgabe von der Art des Solidaritätszuschlags müsse der Steuerzahler selbst dann, wenn sie verfassungsrechtlich einwandfrei sei, wegen ihres Ausnahmecharakters allerhöchstens für wenige Jahre ertragen; was darüber hinausgehe, sei unzumutbar, und zwar erst recht dann, wenn zugleich verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich des Steuersatzes bestünden und der Gesetzgeber die alljährliche Prüfung der Ergänzungsabgabe auf ihre Notwendigkeit unterlasse.


Zudem macht sich der Kläger Hinweise des vorlegenden Finanzgerichts zu Eigen:


Der Kläger werde zudem als Arbeitnehmer mit inländischen Einkünften gegenüber Gewerbetreibenden und Inhabern ausländischer Einkünfte durch die Erhebung des Solidaritätszuschlags gleichheitswidrig belastet. Während bei Gewerbetreibenden eine Anrechnung der Gewerbesteuer und bei ausländischen Einkünften eine Anrechnung der ausländischen Steuer auf die Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags, also auf die Einkommensteuer, erfolge, würde der Kläger als Inhaber von inländischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ohne eine entsprechende Anrechnungsmöglichkeit in diskriminierender Weise höher belastet.


Der Kläger persönlich hat sich während des Prozesses zum Thema öffentlich zu Wort gemeldet (Zeitschrift Capital 3/2009, S. 22 f.):


„Das erinnert mich an die Schaumweinsteuer. ... Für mich ist der Solidaritätszuschlag ein Etikettenschwindel. Wenn der Staat mehr Geld braucht, soll er die Steuersätze erhöhen. Ich plädiere für eine transparente Lösung."


Der Kläger beantragt,


den Bescheid über die Festsetzung des Solidaritätszuschlages für das Streitjahr 2007 vom 10. Juli 2008 aufzuheben.


Das beklagte Finanzamt beantragt,


die Klage abzuweisen.


Es hält den Solidaritätszuschlag für verfassungsrechtlich unbedenklich und verweist auf die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zum Thema. Nach der Begründung der Zurückweisung einer Verfassungsbeschwerde im Jahre 1999 durch die 3. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 1167/96, HFR 2000, S. 134, NJW 2000, S. 797) sei der Solidaritätszuschlag 1991/92 verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Gegen den ab 1995 (nicht befristet) erhobenen Solidaritätszuschlag, konkret für das dortige Streitjahr 2002, habe der Bundesfinanzhof keine verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben (BFH-Beschluss vom 28. Juni 2006 VII B 324/05, BFHE 213, S. 573, BStBl. II 2006, S. 692). Die gegen diesen Beschluss des Bundesfinanzhofs erhobene Verfassungsbeschwerde mit dem Az. 2 BvR 1708/06 habe die 3. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 11. Februar 2008 (ohne Begründung) nicht zur Entscheidung angenommen (DStZ 2008, S. 229). Mit seinem ablehnenden Beschluss vom 28. April 2009 (Az. I B 199/08) habe der Bundesfinanzhof für den Solidaritätszuschlag 2004 auf BFH BStBl. II 2006, S. 692 Bezug genommen.


In der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2009 wies die damalige Vorsteherin des beklagten Finanzamts daraufhin, dass der Bund für die deutsche Einheit bislang mehr als eine Billion Euro aufgewendet habe und jährlich rund 100 Milliarden Euro an Vereinigungslasten hinzukämen. In der mündlichen Verhandlung vom 21. August 2013 erklärt die Vertreterin des beklagten Finanzamts:


„Ich wünsche mir, dass das Bundesverfassungsgericht mit mehr Personen als bisher eine inhaltliche Entscheidung trifft, weil das Solidaritätszuschlaggesetz eine breite Öffentlichkeit betrifft".


Mit Beschluss vom 25. November 2009 hat das Gericht unter Aussetzung des Verfahrens entschieden, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob das Solidaritätszuschlaggesetz vom 23. Juni 1993 in der für das Streitjahr geltenden Fassung verfassungswidrig ist.


Daraufhin hat die 1. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts die Richtervorlage mit Beschluss vom 8. September 2010, 2 BvL 3/10 (NJW 2011, S. 441, FR 2010, S. 999) für unzulässig erklärt. Die Vorlage sei unzulässig, da das vorlegende Finanzgericht weder die Reichweite der Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 1972, 1 BvL 16/69 (BVerfGE 32, S. 333, NJW 1972, S. 757), noch neue Aspekte zugunsten einer erneuten Überprüfung des SolZG 1995 erörtert habe. Mangels einer entsprechenden verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung fehle es an der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage. Nach der Einschätzung des Rechtswissenschaftlers Dieter Birk habe sich das Bundesverfassungsgericht mit seiner Definition der „Entscheidungserheblichkeit" ein „flexibles Instrument geschaffen" eine Vorlagefrage zu beantworten oder „sie beiseite zu schieben"; hier habe die Kammer des Bundesverfassungsgerichts Letzteres gewählt, weil ihr „nicht der Sinn danach stand, mit dem Fachgericht in eine argumentative Auseinandersetzung einzutreten. Mit kühler Geste verweist sie auf eine fast 40 Jahre zurückliegende Entscheidung zu einem ganz anderen Gesetz (Ergänzungsabgabengesetz vom 21.12.1967, BGBl. I 1967, 1254) und auf die Bindungswirkungen der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (§ 31 BVerfGG)" (FR 2010, S. 1002).


B. Beurteilung am Maßstab des einfachen Rechts mit Darlegungen zur Zulässigkeit des Aussetzungs- und Vorlagebeschlusses des vorlegenden Finanzgerichts


I. Unterschiedliche Entscheidungsmöglichkeiten


Nach § 1 Abs. 1 SolZG 1995 wird zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer ein Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe erhoben. Er bemisst sich gemäß § 3 SolZG 1995 bei einer Veranlagung zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer im Wesentlichen nach der Höhe der berechneten Einkommensteuer bzw. nach der festgesetzten Körperschaftsteuer und beträgt gemäß § 4 SolZG 1995 5,5 Prozent der Bemessungsgrundlage (der Prozentsatz wurde ab 1998 von 7,5 auf 5,5 gesenkt; vgl. BGBl. I 1997, S. 2743).


Das beklagte Finanzamt hat den Solidaritätszuschlag 2007 mit Bescheid vom 10. Juli 2008 entsprechend den Bestimmungen des SolZG 1995 festgesetzt.


Der Bescheid über die Festsetzung des Solidaritätszuschlages kann deshalb nur dann aufgehoben werden, wenn das SolZG 1995 verfassungswidrig ist und für nichtig erklärt wird. Die vorgelegte Rechtsfrage ist mithin für den Ausgang des Steuerrechtsstreits erheblich. Die endgültige Entscheidung des vorlegenden Finanzgerichts hängt davon ab, ob und inwieweit das SolZG 1995 für das Jahr 2007 gültig ist.


Sofern das Bundesverfassungsgericht das SolZG 1995 wegen ungleicher Erhebung des Solidaritätszuschlags für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt, wird das vorlegende Finanzgericht das Verfahren bis zum Inkrafttreten einer verfassungskonformen Neuregelung aussetzen. Eine Entscheidungserheblichkeit liegt bereits mit „der bei bloßer Unvereinbarkeitserklärung notwendig werdenden weiteren Aussetzung des Verfahrens durch das Finanzgericht bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber" vor (st. Rspr. BVerfG-Beschluss vom 29. September 1998, 2 BvL 64/93, BVerfGE 99, S. 69, 77, NJW 1999, S. 3112 mit weiteren Nachweisen). Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber den Gleichheitsverstoß in einer den Kläger begünstigenden Weise auflöst (vgl. BVerfG-Beschluss vom 17. April 2008, 2 BvL 4/05, BVerfGE 121, S. 108, 115 f., DStRE 2008, S. 1206). Erforderlich und zugleich ausreichend ist, „dass die Verfassungswidrigerklärung der Norm dem Kläger des Ausgangsverfahrens die Chance offen hält, eine für ihn günstige Regelung durch den Gesetzgeber zu erreichen. Die Entscheidungserheblichkeit ist damit in der Regel schon dann zu bejahen, wenn der Gesetzgeber den Gleichheitsverstoß auf verschiedenen Wegen heilen kann und eine der dem Gesetzgeber möglichen Entscheidungsvarianten den - bis dahin weiter ausgesetzten - Prozess in Richtung einer für den betroffenen Grundrechtsträger günstigen Entscheidung beeinflusst. Dabei spielt es keine Rolle, dass im Falle einer Unvereinbarerklärung das Bundesverfassungsgericht gemäß § 35 BVerfGG die weitere Anwendung des bisherigen Rechts anordnen kann" (st. Rspr. BVerfG, Beschluss vom 17. April 2008, 2 BvL 4/05, BVerfGE 121, S. 108, 116, DStRE 2008, S. 1206 mit weiteren Nachweisen). Eine Gleichbehandlung vermag der Gesetzgeber etwa in der Form zu erreichen, als er für sämtliche Einkünfte eine einheitliche Entlastung bei der Erhebung des Solidaritätszuschlags normiert. Allein die mit der Anrechnung ausländischer Steuern verbundene Reduzierung der Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag beläuft sich auf jährlich 110 Mio. Euro (vgl. Bundesrechnungshof, "Bemerkungen 2008 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes", BT-Drs. 16/11000 vom 8. Dezember 2008, S. 140). Es steht dem Gesetzgeber frei, ob er dieses Entlastungsvolumen künftig beibehalten will. Die gleichsam bestehende Option des Gesetzgebers, eine gleichmäßige Erhebung des Solidaritätszuschlags durch die Aufhebung der Einkommensteuerermäßigungen auf gewerbliche und ausländische Einkünfte zu erzielen, lässt die Entscheidungserheblichkeit der Verfassungskonformität des SolZG 1995 unberührt. Denn „eine für verfassungswidrig erachtete Rechtslage, die sich aus dem Zusammenwirken mehrerer Einzelregelungen ergibt und bei der sich deshalb der etwa bestehende verfassungsrechtliche Mangel durch eine Nachbesserung bei der einen oder der anderen Einzelregelung beheben ließe, kann grundsätzlich anhand jeder der betroffenen Normen zur Prüfung gestellt werden" (BVerfG-Beschluss vom 29. Mai 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, S. 60, 84, BStBl. II 1990, S. 653). Erforderlich ist allein, dass die zu prüfende Norm „objektiv erkennbar dem Regelungsziel dient, das in verfassungswidriger Weise verfehlt worden ist" (BVerfG-Beschluss vom 29. Mai 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, S. 60, 85, BStBl. II 1990, S. 653). Das ist mit der von § 3 SolZG 1995 erstrebten Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen (vgl. BT-Drs. 12/4401 vom 4. März 1993, S. 51) der Fall. Der Kläger verfolgt für sich mit der Klage nicht das Ziel einer - insofern unzulässigen - gleichheitswidrigen Steuerentlastung oder eine steuerrechtliche Schlechterstellung gewerblicher bzw. ausländischer Einkünfte. Vielmehr wendet er sich gegen die gleichheitswidrige Mehrbelastung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und er möchte für sich eine Besteuerung anhand des aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten allgemeinen Gebots folgerichtiger tatbestandlicher Ausgestaltung steuerlicher Belastungsentscheidungen erreichen.


Bei Nichtigkeit des SolZG 1995 wegen einer Verletzung des Klägers in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG will das vorlegende Finanzgericht der Klage stattgeben und den angefochtenen Bescheid aufheben.


Ist dagegen das SolZG 1995 mit dem Grundgesetz vereinbar, ist die Klage abzuweisen.


Eine den Verfassungsverstoß vermeidende verfassungskonforme Auslegung des SolZG 1995 kommt nicht in Betracht. Nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung des SolZG 1995 ist der Solidaritätszuschlag bei der Veranlagung zur Einkommensteuer nach der Höhe der festgesetzten Einkommensteuer einfachgesetzlich zwingend zu erheben. Auch eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) kommt nicht in Betracht. Eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen setzt voraus, dass die Steuererhebung zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führen würde. Die Erhebung des Solidaritätszuschlags ist hingegen vom Gesetzgeber gewollt. Eine analoge Anwendung der Ermäßigungstatbestände für gewerbliche und ausländische Einkünfte kommt ebenso mangels gesetzgeberischer Planwidrigkeit der Ungleichbelastung des Klägers nicht in Betracht.


II. Keine Unzulässigkeit des neuen Aussetzungs- und Vorlagebeschlusses


1. Keine entgegenstehende Rechtskraft einer Verfassungsgerichtsentscheidung


Der Zulässigkeit der neuerlichen Vorlage zum Bundesverfassungsgericht in diesem Klageverfahren mit dem Aktenzeichen 7 K 143/08 steht der Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgericht vom 8. September 2010 (2 BvL 3/10, NJW 2011, S. 441) nicht entgegen. Den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts kommt gleich denen anderer Gerichte Rechtskraftwirkung zu (BVerfG-Urteile vom 11. August 1954, 2 BvK 2/54, BVerfGE 4, S. 31, 38; vom 19. Juli 1966, 2 BvF 1/65, BVerfGE 20, S. 56, 86, NJW 1966, S. 1499). Die Reichweite der Rechtskraft bestimmt sich nach dem dem Verfahren zugrunde liegenden Streitgegenstand (BVerfG-Beschluss vom 15. Juni 1988, 1 BvL 9/83, BVerfGE 78, S. 320, 328; Urteil vom 22. November 2001, 2 BvE 6/99, BVerfGE 104, S. 151, 196, NJW 2002, S. 1559). Einem Kammerbeschluss über die Unzulässigkeit eines Normenkontrollantrags kommt mangels einer dem Senat vorbehaltenen Sachentscheidung eine materielle Rechtskraft allein im Hinblick auf die geprüften Zulässigkeitsvoraussetzungen zu.


2. Keine entgegenstehende Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 1972


Die von der Rechtskraft zu unterscheidende Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 1972, 1 BvL 16/69 (BVerfGE 32, S. 333, NJW 1972, S. 757) gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG berührt die Frage der Zulässigkeit einer weiteren Vorlage grundsätzlich nicht, da sie jedenfalls einer neuerlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgericht nicht entgegensteht (BVerfG-Urteile vom 11. August 1954, 2 BvK 2/54, BVerfGE 4, S. 31, 38; vom 19. Juli 1966, 2 BvF 1/65, BVerfGE 20, S. 56, 87, NJW 1966, S. 1499).


Das vorlegende Finanzgericht ist hier auch ansonsten an der Annahme der Verfassungswidrigkeit des SolZG 1995 durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, S. 333 (BStBl. II 1972, S. 408) gemäß § 31 Abs. 1 BVerfG nicht gehindert.


Nach immer wieder geäußerter Auffassung des Bundesverfassungsgerichts kann ein Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es zuvor sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 12. Mai 1992, 1 BvL 7/89, BVerfGE 86, S. 71 76 f., FamRZ 1992, 1036; vom 20. Februar 2002, 1 BvL 19/97, 1 BvL 20/97, 1 BvL 21/97, 1 BvL 11/98, BVerfGE 105, S. 48, 56, NVwZ 2002, S. 1101). Das vorlegende Gericht muss sich danach zur Begründung seiner Überzeugung mit allen nahe liegenden tatsächlichen Gründen und rechtlichen Gesichtspunkten befassen, gegebenenfalls die Erwägungen des Gesetzgebers berücksichtigen und sich mit in Fachliteratur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen auseinandersetzen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 23. Juni 1987, 2 BvL 5/83, BVerfGE 76, S. 100, 104, NJW 1988, S. 405; vom 7. Dezember 1988, 1 BvL 27/88, BVerfGE 79, S. 240, 243 f., NJW 1989, S. 893; vom 12. Mai 1992, 1 BvL 7/89, BVerfGE 86, S. 71, 77 f., FamRZ 1992, S. 1036; vom 15. Mai 1995, 2 BvL 19/91, 2 BvR 1206/91, 2 BvR 1584/91, 2 BvR 2601/93, BVerfGE 92, S. 277, 312, NJW 1995, S. 1811; vom 20. Februar 2002, 1 BvL 19/97, 1 BvL 20/97, 1 BvL 21/97, 1 BvL 11/98, BVerfGE 105, S. 48, 56, NVwZ 2002, S. 1101).


Zu beachten ist insbesondere die Bindungswirkung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG. Diese entfaltet sich über den entschiedenen Einzelfall hinaus insofern, als die sich aus dem Tenor und den tragenden Gründen der Entscheidung ergebenden Grundsätze für die Auslegung der Verfassung von den Gerichten in allen künftigen Fällen beachtet werden müssen (st. Rspr; vgl. BVerfG-Beschluss vom 10. Juni 1975, 2 BvR 1018/74, BVerfGE 40, S. 88, 93 f., NJW 1975, S. 1355 mit weiteren Nachweisen; vgl. auch BVerfG-Beschlüsse vom 12. November 1997, 1 BvR 479/92, 1 BvR 307/94, BVerfGE 96, S. 375, 404, NJW 1998, S. 519; vom 26. Oktober 2004, 2 BvR 955/00, 2 BvR 1038/01, BVerfGE 112, S. 1, 40; vom 16. März 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, S. 268, 277; auch Urteil vom 22. November 2001, 2 BvE 6/99, BVerfGE 104, S. 151, 197, NJW 2002, S. 1559, bei denen darauf abgestellt wird, dass im Hinblick auf die eine frühere Entscheidung tragenden Gründe kein bloßer Wiederholungs- oder Parallelfall gegeben ist; mangels Entscheidungserheblichkeit im Hinblick auf die tragenden Gründe offen lassend BVerfG-Beschluss vom 18. Januar 2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, S. 97, 109, DStR 2006, S. 555). Daraus resultieren erhöhte Begründungsanforderungen für Richtervorlagen, die vom Bundesverfassungsgericht bereits entschiedene Rechtsfragen erneut aufwerfen (vgl. Dollinger, in Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz - Mitarbeiterkommentar, 2005, 2. Aufl., § 80 Rn. 92 f. mit weiteren Nachweisen).


Die Bindungswirkung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG umfasst zunächst die Entscheidungsformel. Gegenstand der Bindungswirkung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG ist die konkrete Entscheidung (vgl. BVerfG-Urteil vom 22. November 2001, 2 BvE 6/99, BVerfGE 104, S. 151, 197 NJW 2002, S. 1559). Die tragenden Gründe sind durch Ausführungen zur Auslegung der Verfassung gekennzeichnet (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 10. Juni 1975, 2 BvR 1018/74, BVerfGE 40, S. 88, 93 f., NJW 1975, S. 1355 mit weiteren Nachweisen; vom 16. März 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, S. 268, 277, DStR 2005, S. 958) und stehen im objektiven Begründungszusammenhang der vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochenen Entscheidung, so dass sie nicht hinweggedacht werden können, ohne dass das konkrete Entscheidungsergebnis nach dem in der Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Gedankengang entfiele. Nicht tragend sind dagegen bei Gelegenheit einer Entscheidung gemachte Rechtsausführungen, die außerhalb des Begründungszusammenhangs zwischen genereller Rechtsregel und konkreter Entscheidung stehen. Bei der Beurteilung, ob ein tragender Grund vorliegt, ist von der niedergelegten Begründung in ihrem objektiven Gehalt auszugehen. Angesichts der besonderen Tragweite, die verfassungsgerichtlichen Entscheidungen nach § 31 BVerfGG zukommt, müssen ihre rechtlich bindenden Aussagen auf den auch für Außenstehende erkennbaren Gehalt beschränkt sein. Es kommt nicht darauf an, ob den Richtern bestimmte Rechtsauffassungen wichtig erscheinen, sondern ob sie erkennbar im Begründungszusammenhang für die Entscheidung des Falles erheblich geworden sind (vgl. BVerfG-Beschluss vom 12. November 1997, 1 BvR 479/92, 1 BvR 307/94, BVerfGE 96, S. 375, 404, NJW 1998, S. 519; Dollinger, in Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz - Mitarbeiterkommentar, 2005, 2. Aufl., § 31 Rn. 61 mit weiteren Nachweisen).


Die Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG bindet die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Lediglich eine Bindung des Bundesverfassungsgerichts selbst besteht nicht (vgl. BVerfG-Urteile vom 11. August 1954, 2 BvK 2/54, BVerfGE 4, S. 31, 38; BVerfGE 78, S. 320, 328; vom 22. November 2001, 2 BvE 6/99, BVerfGE 104, S. 151, 197, NJW 2002, S. 1559). Das vorlegende Gericht würde gegen diese Bindungswirkung verstoßen, wenn es seine eigene Auslegung der Verfassung der des Bundesverfassungsgerichts als maßgeblichen Interpret und Hüter der Verfassung (BVerfG-Beschluss vom 10. Juni 1975, 2 BvR 1018/74, BVerfGE 40, S. 88, 93 f, NJW 1975, S. 1355) entgegensetzt.


Der Tenor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, S. 333 (BStBl. II 1972, S. 408), kann dieser Vorlage des SolZG 1995 gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG nicht entgegengehalten werden. Gegenstand des seinerzeitigen Vorlageverfahrens bildete die Vereinbarkeit des Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Ergänzungsabgabegesetz), enthalten in Artikel 1 des Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, I. Teil - Zweites Steueränderungsgesetz 1967 - vom 21. Dezember 1967 (BGBl. I 1967, S. 1254), mit dem Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Tenor die Vereinbarkeit dieses Gesetzes mit der Verfassung ausgesprochen.


Der der Entscheidung vom 9. Februar 1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, S. 333 (BStBl. II 1972, S. 408) zugrunde liegende Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts begründete die Annahme der Verfassungswidrigkeit des Ergänzungsabgabegesetzes zum einen mit einem Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 Nr. 7 GG (in der Fassung des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955, BGBl. I 1955, S. 817) wegen der fehlenden Gesetzgebungskompetenz sowie mit einem - nach Einschätzung des damals vorlegenden Gerichts - mit dem Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht nicht zu vereinbarenden, verfassungswidrigen sozialpolitischen Freistellungs- und Milderungstatbestand gemäß § 4 Abs. 2 des Ergänzungsabgabegesetzes.


Soweit die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, S. 333 (BStBl. II 1972, S. 408), die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Freistellungs- und Milderungstatbestandes nach dem Ergänzungsabgabegesetz betraf, kann eine dem vorliegenden Aussetzungs- und Vorlagebeschluss entgegenstehende Bindungswirkung der tragenden Entscheidungsgründe schon mangels Identität der entsprechenden verfassungsrechtlichen Fragestellungen nicht angenommen werden.


Einen Verstoß gegen die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 Nr. 2, 106 Abs. 1 Nr. 7 GG (in der Fassung des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955, BGBl. I 1955, S. 817) hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 9. Februar 1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, S. 333 (BStBl. II 1972, S. 408), mit der Begründung abgelehnt, bei der Ergänzungsabgabe handele es sich um eine "Steuer vom Einkommen" im Sinne des Art. 105 Abs. 2 Nr. 2 GG (in der Fassung des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955, BGBl. I 1955, S. 817). Der Begriff "Steuer vom Einkommen" sei in einem weiteren Sinn als der der "Einkommensteuer" zu verstehen. In der Verfassung selbst finde sich der Begriff der Ergänzungsabgabe lediglich in dem die Ertragshoheit festlegenden Art. 106 Abs. 1 Nr. 7 GG in der für das damalige Verfahren maßgebenden Fassung des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955, BGBl. I 1955, S. 817. Eine Begrenzung der Bundesgesetzgebungskompetenz zur Erhebung einer Ergänzungsabgabe könne nur insoweit bestehen, als die Einführung einer so bezeichneten Steuer den Vorstellungen widerspräche, die der Verfassungsgeber erkennbar mit dem Charakter einer solchen Abgabe verbunden habe. Dies sei insbesondere anzunehmen, wenn der Gesetzgeber bei der Einführung einer dem Bund zukommenden Steuer von den Vorstellungen des Grundgesetzes über eine derartige Steuer abweichen und damit das finanzielle Ausgleichssystem zu Lasten der Länder ändern würde. So dürfte der Bund z. B. keine Ergänzungsabgabe einführen, die wegen ihrer Ausgestaltung, insbesondere wegen ihrer Höhe die Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehende Einkommen- und Körperschaftsteuer oder die den Ländern zustehende Vermögensteuer aushöhlen würde. Insoweit sei die Zuständigkeit des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 Nr. 2 GG alte Fassung zur Einführung einer Ergänzungsabgabe als einer besonderen Steuer vom Einkommen im Lichte des verfassungsrechtlichen Begriffs der Ergänzungsabgabe nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 7 GG alte Fassung zu interpretieren. Das Ergänzungsabgabegesetz genügte diesen Anforderungen, da sich die Ergänzungsabgabe in Höhe von 3 Prozentpunkten in einem angemessenen Verhältnis zur Einkommen- und Körperschaftsteuer halte, um deren Aushöhlung zu vermeiden. Sie unterschreite die während der Beratungen des Finanzverfassungsgesetzes durch den Bundesrat wiederholt vorgeschlagene ausdrückliche Begrenzung auf 5 vom Hundert der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Zudem sei es von Verfassungswegen nicht geboten, eine Ergänzungsabgabe von vornherein zu befristen. Der Begriff Ergänzungsabgabe besage lediglich, dass diese Abgabe die Einkommen- und Körperschaftsteuer, also auf Dauer angelegte Steuern, ergänzen, d. h. in einer gewissen Akzessorietät zu ihnen stehen solle. Gegen eine Befristung spreche insbesondere die Funktion, die die Ergänzungsabgabe im gesamten Steuersystem erfüllen solle. Bei der Schaffung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 7 GG alte Fassung sei davon ausgegangen worden, dass ein zusätzlicher Finanzbedarf des Bundes gedeckt, eine Erhöhung der Verbrauchsteuern aber vermieden werden sollte. Da die Einführung oder Erhöhung indirekter Steuern erfahrungsgemäß für längere Dauer erfolge, weise diese gedankliche Verknüpfung darauf hin, dass auch die Ergänzungsabgabe nicht nur für einen ganz kurzen Zeitraum erhoben werden dürfe, und insbesondere darauf, dass eine Befristung der Ergänzungsabgabe sich nicht von vornherein aus dem Begriff der Ergänzungsabgabe in Art. 106 Abs. 1 Nr. 7 GG alte Fassung ergebe. Ferner sei bei den Beratungen zum Finanzverfassungsgesetz bedacht worden, dass sich aus der Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern auch für längere Zeit ein Mehrbedarf des Bundes ergeben könne. Wenn dieser Mehrbedarf auf dem naheliegenden Weg der Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer gedeckt würde, könne - wegen der Beteiligung der Länder - eine Erhöhung der steuerlichen Gesamtbelastung eintreten, die vom Standpunkt der Länder nicht erforderlich sei, die Steuerpflichtigen unnötig belaste und auch konjunkturpolitisch in diesem Umfang unerwünscht sein könne. Zudem sei in dem Gesetzgebungsverfahren zum Finanzverfassungsgesetz eine Befristung der Ergänzungsabgabe nicht ernsthaft verfolgt worden. Etwaigen hierauf abzielenden Äußerungen fehle es an einer hinreichenden Bestimmtheit. Eine auf vorübergehende Bedarfsspitzen oder Notfälle abgestellte Befristung oder gar eine Befristung von zwei Jahren sei schließlich mit den Grundsätzen einer modernen Finanzplanung sowie Haushalts- und Konjunkturpolitik nicht vereinbar. Wie die Ausgaben, so würden auch die Einnahmen des Staates durch langfristige Zielvorstellungen bestimmt. Hierzu verwies das Bundesverfassungsgericht auf die auf Grundlage von Art. 109 Abs. 3 GG in der Fassung vom 8. Juni 1967 (BGBl. I 1967, S. 581) aufgestellten mehrjährigen - grundsätzlich fünfjährigen - Finanzpläne. Während des Laufes der Ergänzungsabgabe können sich zudem für den Bund neue Aufgaben ergeben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichen, so dass die erneute Einführung der Ergänzungsabgabe und damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden gerechtfertigt sei. Die Entscheidung darüber, welche Aufgaben, insbesondere welche Reformmaßnahmen in Angriff genommen würden, und wie sie finanziert werden sollen, gehöre zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die sich grundsätzlich der Nachprüfung des Bundesverfassungsgerichts entziehe. Ob ein verfassungsrechtlicher Zwang zur Aufhebung der Ergänzungsabgabe bestehe, wenn die Voraussetzungen für die Erhebung dieser Abgabe evident entfallen sei, ließ das Bundesverfassungsgericht dahinstehen.


Auch unter Berücksichtigung der Bindungswirkung der tragenden Gründe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, S. 333 (BStBl. II 1972, S. 408), gelangt das vorlegende Finanzgericht zur Annahme der Verfassungswidrigkeit des SolZG 1995.


Mit für das Gericht bindender Wirkung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG hat das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtlichen Grenzen der Gesetzgebungskompetenz für die Einführung einer Ergänzungsabgabe konkretisiert. Bei der Anwendung auf die verfassungsrechtliche Beurteilung des SolZG 1995 findet die Übertragbarkeit der die Entscheidung vom 9. Februar 1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, S. 333 (BStBl. II 1972, S. 408) tragenden Gründe ihre Grenzen sowohl in der Divergenz der jeweiligen Vorlagegegenstände sowie in der seither erfolgten Neufassung des verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabs.


Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass sich „aus dem Wesen der Ergänzungsabgabe [...] auch Beschränkungen in der Höhe [ergeben]" (BVerfGE 32, S. 333, 339). Eine abschließende Konkretisierung dieser Beschränkung hat das Gericht derweil nicht vorgenommen. In diesem Zusammenhang verwies es allein auf die vergeblichen, ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien unternommenen Versuche der Kodifizierung einer Höchstgrenze von 5 Prozentpunkten sowie dem jedenfalls bestehenden Erfordernis eines angemessenen Verhältnisses zwischen der Ergänzungsabgabe und der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Diese Grenze sei bei einem Prozentsatz von 3 Prozentpunkten „offensichtlich" nicht überschritten (BVerfGE 32, S. 333, 340).


Auch unter Zugrundelegung dieses Maßstabes kann nicht bereits von einer verfassungsrechtlichen Nichtangreifbarkeit des SolZG 1995 ausgegangen werden. Der Solidaritätszuschlag beläuft sich gemäß § 4 SolZG auf 5,5 Prozentpunkte der Bemessungsgrundlage und überschreitet damit im Unterschied zu dem Ergänzungsabgabegesetz den mit Verweis auf die Gesetzgebungsgeschichte des Finanzverfassungsgesetzes in Bezug genommenen Satz von 5 Prozentpunkten. Darüber hinausgehende Maßstäbe zur Beurteilung der Angemessenheit des Verhältnisses zwischen einer Ergänzungsabgabe und ihrer Bemessungsgrundlage sind den Entscheidungsgründen BVerfGE 32, S. 333 nicht zu entnehmen.


„Das BVerfG hat bisher noch nicht die Grenze festgelegt, bei der eine Ergänzungsabgabe eine verfassungswidrige Aushöhlung der Bund und Ländern nach Art. 106 Abs. 3 Satz 2 GG gemeinschaftlich zustehenden Steuern bewirken würde. In der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 32, 333, BStBl. II 1972, 408 wird lediglich ausgeführt, durch eine Ergänzungsabgabe in Höhe von 3 % werde diese Grenze offensichtlich nicht überschritten."


(BFH-Urteil vom 21. Juli 2011, II R 50/09, II R 52/10, BFH/NV 2011, S. 1685, BFHE 234, S. 250, 254)


Bei der Bewertung des Verhältnisses zwischen dem Solidaritätszuschlag und seinen Bemessungsgrundlagen ist ferner die Dauerhaftigkeit seiner Erhebung einzustellen. Dauer und Höhe führen zu einem Summierungseffekt, durch welchen ihm gegenüber dem Ergänzungsabgabegesetz ein gesteigertes Gewicht und eine erhöhte Belastung für die Steuerpflichtigen zu kommt. Die Ergänzungsabgabe nach dem Ergänzungsabgabegesetz wurde lediglich für den Zeitraum von 1968 bis 1974/76 erhoben. Der der damaligen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegende Steuerrechtstreit bezog sich auf den Veranlagungszeitraum 1968. Demgegenüber befindet sich der Solidaritätszuschlag nach dem SolZG 1995 gegenwärtig in seinem 19. Erhebungsjahr, was nahezu einem halben Beschäftigungsleben entspricht. Wie der BT-Drs. 17/8054 vom 2. Dezember 2011, S. 8, zu entnehmen ist, hat die Bundesregierung - auf Anfrage - weiterhin keine konkreten Pläne zur Abschaffung oder Absenkung des Solidaritätszuschlags. Ebenfalls gibt es hiernach keine Pläne, über die Erhebungsdauer zu entscheiden.


Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass die Erhebung einer Ergänzungsabgabe nicht von vornherein auf einen bloß kurzen Zeitraum - beispielsweise zwei Jahre - zu befristen ist. Damit hat das Gericht aber nicht ausgesprochen, dass eine Ergänzungsabgabe in verfassungsrechtlich zulässiger Weise zeitlich unbegrenzt erhoben werden darf. Das Gericht hat den Ergänzungsabgaben die indirekten Steuern gegenübergestellt, deren Einführung und Erhöhung „erfahrungsgemäß für längere Dauer erfolgt" (BVerfGE 32, S. 333, 340). Das Bundesverfassungsgericht hat hieraus lediglich den für das vorlegende Finanzgericht gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG verbindlichen Schluss gezogen, „dass auch die Ergänzungsabgabe nicht nur für einen ganz kurzen Zeitraum erhoben werden darf" (BVerfGE, S. 333, 340). Die Ergänzungsabgabe könne auch der Deckung eines für eine „längere Zeit" bestehenden Mehrbedarfs des Bundes dienen (vgl. BVerfGE 32, S. 333, 341). Die Längerfristigkeit des der Ergänzungsabgabe zugrunde liegenden Finanzbedarfs lässt sich anhand der an späterer Stelle von dem Bundesverfassungsgericht in Bezug genommenen mehrjährigen - grundsätzlich fünfjährigen - Finanzpläne konkretisieren. Das Gericht hat hinzugefügt, dass die Finanzierung umfangreicher Projekte und Reformvorhaben für mehrere Haushaltsperioden geplant werden muss. Die Entscheidung darüber, welche Reformvorhaben in Angriff genommen werden und auf welche Weise diese zu finanzieren seien, gehöre zu der der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogenen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers.


Mit dem inzwischen über viele Legislaturperioden erhobenen Solidaritätszuschlag überschreitet der Gesetzgeber allerdings diesen durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 1972 gezogenen Gestaltungsspielraum. Mit seiner Erhebung verfolgt der Gesetzgeber keinen abgeschlossenen Finanzierungszweck zur Deckung einer Mehrbelastung des Bundes. Das SolZG 1995 wurde im Zuge des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 (BGBl. I 1993, S. 944) erlassen. Mit diesem Gesetzeskonzept verfolgte der Gesetzgeber die dauerhafte Finanzierung des Aufholprozesses in Ost-Deutschland, die Bewältigung der Erblastschulden der sozialistischen Herrschaft in der ehemaligen DDR, die gerechte Verteilung der daraus resultierenden Finanzierungslasten auf die öffentlichen Haushalte sowie die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte als Grundlage einer gesunden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (BT-Drs. 12/4401 vom 4. März 1993, S. 1, 45). Diese Aufzählung verdeutlicht, dass der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms nicht die Deckung eines punktuellen, aus den Lasten der Wiedervereinigung Deutschlands erwachsenen Mehrbedarfs des Bundes verfolgt. Mit dem Gesetzeskonzept wird darüber hinaus eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte erstrebt, mithin eine Kompensation der allgemeinen Ausgabenbelastung. Das Steueraufkommen aus dem SolZG 1995 ist somit nicht an einen bestimmten Verwendungszweck gebunden (vgl. Hilgers/Holly, DB 2010, S. 1419, 1420).


Das vorlegende Finanzgericht ist ferner an der Annahme des Fortfalls der Gesetzfortführungskompetenz im Streitjahr 2007 nicht gehindert, da es das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich offen gelassen hat, ob ein verfassungsrechtlicher Zwang zur Aufhebung der Ergänzungsabgabe besteht, „wenn die Voraussetzungen für die Erhebung dieser Abgabe evident entfielen, etwa weil die dem Bund im vertikalen Finanzausgleich zufallenden Steuern [...] zur Erfüllung seiner Aufgaben für die Dauer offensichtlich ausreichen" (BVerfGE 32, S. 333, 343).


Über die Unterschiedlichkeit der Vorlagegegenstände zwischen dem des vorliegenden Vorlagebeschlusses und dem der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, S. 333 (BStBl. II 1972, S. 408) hinaus steht der Annahme einer Bindungswirkung für das vorlegende Finanzgericht gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG zudem die Divergenz zwischen den jeweiligen verfassungsrechtlichen Maßstäben entgegen. Die Verfassungsmäßigkeit des Ergänzungsabgabegesetzes hat das Bundesverfassungsgericht anhand der Art. 105, 106 GG in der Fassung des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955 (BGBl. I 1955, S. 817) beurteilt.


Art. 105 Abs. 2 GG in der Fassung des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955:


„Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über


1. [...]


2. die Steuer vom Einkommen, Vermögen, von Erbschaften und Schenkungen,


3. [...]


wenn er die Steuern ganz oder zum Teil zur Deckung der Bundesausgaben in Anspruch nimmt oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 vorliegen."


Art. 106 Abs. 1 GG in der Fassung des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955:


„Der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden Steuern stehen dem Bund zu:


1. - 6. [...]


7. die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer."


Dem SolZG 1995 vom 23. Juni 1993 (BGBl. I 1993, S. 944/975), in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (BGBl. I 2000, S. 4130), geändert durch Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4621) und Jahressteuergesetz 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2878), liegt jedoch die Neufassung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Art. 105 Abs. 2 GG durch das Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969 (BGBl. I 1969, S. 359) zugrunde.


Art. 105 Abs. 2 GG in der Fassung des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969:


„Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen."


Ohne insoweit inhaltliche Änderung stimmt Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG seit dem Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969 mit der Art. 106 Abs. 1 Nr. 7 GG in der Fassung des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955 überein.


Der Bund verfügt gemäß Art. 105 Abs. 2 1. Variante GG in der Fassung des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969, sofern die weiteren den Gesetzgebungsmaterialien und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu entnehmenden Voraussetzungen erfüllt sind, über die Gesetzgebungskompetenz zur Erhebung einer Ergänzungsabgabe, da er nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG ausschließlich über die entsprechende Ertragshoheit verfügt. Insofern haben die vorliegend unmittelbar maßgeblichen finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen keine Änderung erfahren.


Über den insoweit einschlägigen Wortlaut der Verfassung hinaus muss jedoch bei der Auslegung der Bundeskompetenztitel berücksichtigt werden, dass der Verfassungsgeber in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenz namentlich durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 (BGBl. I 1994, S. 3146) sowie durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I 2006, S. 2034) zugunsten der Bundesländer ausgeweitet hat. Über die Verweisung des Art. 105 Abs. 2 auf Art. 72 Abs. 2 GG partizipiert auch das Finanzverfassungsrecht an dieser konstitutionalisierten Zielsetzung. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber für die Einführung einer Ergänzungsabgabe Rechtfertigung abverlangt. Schutzgut des Rechtfertigungserfordernisses ist insbesondere das föderale finanzielle Ausgleichssystem (vgl. BVerfGE 32, S. 333, 338). Aufgrund der in den genannten Gesetzesnovellen vorgenommenen Verschiebungen der föderalen Kompetenzabgrenzung zugunsten der Länder muss von Verfassungswegen eine im Vergleich zu dem Entscheidungsjahr 1972 restriktivere Auslegung der Bundeskompetenz nach Art. 105 Abs. 2 1. Variante in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG erfolgen.


Soweit mit dem vorliegenden Beschluss eine Verletzung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG durch die Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 3 SolZG 1995 geltend gemacht wird, ist der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG für das vorlegende Finanzgericht nicht zu entnehmen, da eine verfassungsgerichtliche Entscheidung über die Vereinbarkeit des § 3 SolZG 1995 (einschließlich vergleichbarer Vorschriften früherer Ergänzungsabgaben) mit Art. 3 Abs. 1 GG bisher nicht getroffen worden ist.


3. Keine entgegenstehende Bindungswirkung anderer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts


Auch der Nichtannahmebeschluss der 3. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. November 1999 (2 BvR 1167/96, HFR 2000, S. 134, NJW 2000, S. 797) steht der Entscheidung des vorlegenden Finanzgerichts nicht entgegenstehen, weil er zu einer Ergänzungsabgabe ergangen ist, die als Solidaritätszuschlag 1991/1992 lediglich für einen kurzen Zeitraum erhoben wurde und damit eine im Wesentlichen andere Rechtslage betrifft. Das Kriterium "dauerhafte Erhebung" lag bezogen auf das Solidaritätsgesetz 1991 nicht vor.


Mit dem Beschluss der 3. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Februar 2008 (2 BvR 1708/06, DStZ 2008, S. 229) zum SolZG 1995 kann sich das vorlegende Finanzgericht inhaltlich nicht auseinandersetzen, weil die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum dortigen Streitjahr 2002 ohne Begründung ergangen ist (dazu kritisch Johannes R. Nebe, NWB Nr. 18 vom 28. April 2008, S. 1619, 1620 f.). Dasselbe gilt für die Beschlüsse der 2. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Juni 2013 (2 BvR 2121/11 und 2 BvR 1942/11, juris), mit denen zwei Verfassungsbeschwerden ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen worden sind.


C. Beurteilung am Maßstab des Grundgesetzes


I. Dokumentation des entscheidungserheblichen Materials


1. Zu den einschlägigen Rechtsnormen


a) Der Solidaritätszuschlag ist eine Steuer im Sinne des § 3 Abs. 1 AO (dazu BFH-Beschluss vom 28. Juni 2006 VII B 324/05, BFHE 213, S. 573, BStBl. II 2006, S. 692, 693). Das Grundgesetz verwendet den Begriff „Steuern", definiert ihn aber nicht (vgl. Art. 105 ff. GG). Allgemein wird angenommen, dass der verfassungsrechtliche Begriff der Steuern mit dem einfach-gesetzlichen Steuerbegriff des § 3 Abs. 1 AO übereinstimmt (statt vieler: BVerfG-Beschluss vom 2. Oktober 1973 1 BvR 345/73, BVerfGE 36, S. 66, 70; BVerfG-Urteil vom 6. November 1984 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83, BVerfGE 67, S. 256, 282). Steuern sind gemäß § 3 Abs. 1 AO Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein. Da der Solidaritätszuschlag nach der Einkommensteuer bemessen wird, ist er eine Zuschlagsteuer im Sinne des § 51a EStG.


Da das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag (im Streitjahr 2007 rund zwölf Milliarden Euro) in den allgemeinen Bundeshaushalt (ohne Zweckbestimmung) eingeht, ist der Solidaritätszuschlag keine Sonderabgabe (vgl. Urteil des FG Münster vom 27. September 2005, 12 K 6263/03 E, EFG 2006, S. 371).


b) Nach § 1 Abs. 1 SolZG 1995 wird der Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer erhoben. Abgabepflichtig sind gemäß § 1 EStG einkommensteuerpflichtige natürlichen Personen (§ 2 Nr. 1 SolZG 1995) und Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach §§ 1 f. KStG körperschaftsteuerpflichtig sind (§ 2 Nr. 2 SolZG 1995). Nach § 3 SolZG 1995 bemisst sich der Solidaritätszuschlag, soweit eine Veranlagung zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer vorzunehmen ist, grundsätzlich nach der nach § 3 Abs. 2 SolZG 1995 berechneten Einkommensteuer oder der festgesetzten Körperschaftsteuer für Veranlagungszeiträume ab 1998, vermindert um die anzurechnende oder vergütete Körperschaftsteuer, wenn ein positiver Betrag verbleibt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG 1995).


§ 35 EStG führt zu einer Ermäßigung der Einkommensteuer bei gewerblichen Einkünften. Die Ermäßigung beläuft sich nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bei Einkünften aus gewerblichen Unternehmen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG für das Streitjahr 2007 pauschal auf das 1,8-fache des Gewerbesteuermessbetrags, der gemäß § 14 GewStG für den dem Veranlagungszeitraum entsprechenden Erhebungszeitraum festgesetzt worden ist. Bei Einkünften aus Gewerbebetrieben als Mitunternehmer im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 EStG oder als persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 EStG gilt nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG Entsprechendes bezogen auf den jeweiligen Anteil der Mitunternehmerschaft.


Bei der Festsetzung und Erhebung von Zuschlagsteuern ist nach § 51a Abs. 2 Satz 3 EStG die Steuerermäßigung nach § 35 EStG für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage nicht anzuwenden. Im Fall des Solidaritätszuschlags richtet sich die Bestimmung seiner Bemessungsgrundlage nach der dem § 51a EStG vorgehenden Regelung des § 3 SolZG 1995. Eine dem § 51a Abs. 2 Satz 3 EStG entsprechende Bestimmung findet sich hier nicht, so dass für gewerbliche Einkünfte die nach § 35 EStG ermäßigte Einkommensteuer die Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags bildet.


Ähnlich verhält es sich in Bezug auf ausländische Einkünfte, die in dem Staat, aus dem die Einkünfte stammen, zu einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen werden. Nach § 34c EStG (entsprechend § 26 KStG für die Körperschaftsteuer) ist die festgesetzte und gezahlte und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzte ausländische Steuer auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnen. Die entsprechend reduzierte Einkommensteuer bildet nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 SolZG 1995 die Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags.


c) Der Solidaritätszuschlag nach dem SolZG 1995 ist eine Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG. Die Ergänzungsabgabe als Finanzierungsinstrument wurde durch das Finanzverfassungsgesetz vom 23. Dezember 1955 (BGBl. I S. 817) in das Grundgesetz eingeführt (damals Art. 106 Abs. 1 Nr. 7 GG). Mit Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG wird bestimmt, dass das Aufkommen der Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer dem Bund zusteht; dagegen steht nach Art. 106 Abs. 3 GG das Aufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer dem Bund und den Ländern gemeinsam zu.


Die historischen Wurzeln der Ergänzungsabgabe sind die Zuschläge zur Einkommen- und Körperschaftsteuer, die das Deutsche Reich zur Sanierung des Reichshaushalts erhoben hatte (RGBl. I 1930, S. 311, 312 f., S. 522, 527 f.; dazu Lothar Schemmel, Verfassungswidriger Solidaritätszuschlag, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 102, 2008, S. 9).


Der ursprüngliche Plan, zeitgleich mit der Änderung des Art. 106 Abs. 1 GG ein "Gesetz über die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer" einzuführen, wurde nicht umgesetzt. Die erste Ergänzungsabgabe nach dem Ergänzungsabgabengesetz vom 21. Dezember 1967 (BGBl. I S. 1254) wurde von 1968 bis 1974/76 erhoben. Die zweite Ergänzungsabgabe war der Solidaritätszuschlag 1991/92 nach dem Gesetz zur Einführung eines befristeten Solidaritätszuschlags und zur Änderung von Verbrauchsteuer- und anderen Gesetzen (Solidaritätsgesetz) vom 24. Juni 1991 (BGBl. I S. 1318); der Stabilitätszuschlag 1973/74, dessen Aufkommen Bund und Ländern gemeinsam zustand, wird nicht als Ergänzungsabgabe angesehen (dazu näher BVerfG-Beschluss vom 2. Oktober 1973 1 BvR 345/73, BVerfGE 36, S. 66, 71). Der Solidaritätszuschlag nach dem (unbefristeten) SolZG 1995 ist die dritte Ergänzungsabgabe der Bundesrepublik Deutschland.


d) Art. 2 GG (Freiheitsrechte) bestimmt in Absatz 1, dass jeder das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit hat, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Art. 3 Abs. 1 GG enthält den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Art. 20 GG (Verfassungsgrundsätze) bestimmt in Absatz 3, dass die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden sind.


Neben dem grundlegenden Freiheitsrecht des Bürgers (Art. 2 Abs. 1 GG) und dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) sind hier die Regeln über die Gesetzgebungs- bzw. Gesetzfortführungskompetenz von besonderer Bedeutung. Die Gesetzgebungs- bzw. Gesetzfortführungskompetenz bestimmt sich für Steuern nach den Spezialvorschriften des Art. 105 GG, die die allgemeinen Regeln der Art. 70 ff. GG verdrängen. Nach Art. 105 Abs. 1 GG hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole. Nach Art. 105 Abs. 2 GG hat er die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen. Nach Art. 105 Abs. 2a GG haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind; sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer. Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen nach Art. 105 Abs. 3 GG der Zustimmung des Bundesrates.


2. Vorstellungen (Motive) des Verfassungsgebers zu Art. 106 Abs. 1 GG 1955 und Motive des Gesetzgebers zum Solidaritätsgesetz 1991 und zum SolZG 1995


a) Der Begriff "Ergänzungsabgabe" wird in Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG nicht erläutert. Die Vorstellungen (Motive) des Verfassungsgebers zur Ergänzungsabgabe lassen sich den Gesetzesmaterialien zur Einführung der Ergänzungsabgabe in das Grundgesetz sowie den dort ausdrücklich in Bezug genommenen Materialien des im Ergebnis abgelehnten Entwurfs „eines Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer" in den Jahren 1954/55 entnehmen; dort wird ausgeführt:


„Die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer ist dazu bestimmt, anderweitig nicht auszugleichende Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt zu decken, den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes in begrenztem Rahmen eine elastische, der jeweiligen Konjunkturlage und dem jeweiligen Haushaltsbedarf angepaßte Finanzpolitik zu ermöglichen und das Steuerverteilungssystem im Verhältnis zwischen Bund und Ländern dadurch zu festigen, daß die Notwendigkeit einer Revision der Steuerbeteiligungsquoten ... auf solche Mehrbelastungen des Bundes beschränkt wird, die nicht aus dieser beweglichen Steuerreserve gedeckt werden können (vgl. Entwurf eines Gesetzes über die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer - BT-Drucksache Nr. 484 -). Aus dieser Funktion der Ergänzungsabgabe ergibt sich die Notwendigkeit, das Aufkommen ausschließlich dem Bund zuzuweisen"


(Bundestags-Drucksache 2/480 vom 29. April 1954, S. 72).


Und:


„Die mit einem durch Gesetz jederzeit abänderbaren und damit ‚beweglichen‘ Hebesatz ausgestattete Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer soll es dem Bundesgesetzgeber ermöglichen, ohne Anwendung der Revisionsklausel und ohne Änderung der Steuersätze Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt zu decken,


die auf anderem Wege, insbesondere durch Senkung von Ausgaben nicht ausgeglichen werden können. Auf diese Weise wird die Abgabe, deren Erhebung nur mit geringen Hebesätzen in Betracht kommt und keineswegs für die Dauer, sondern lediglich für Ausnahmelagen bestimmt ist,


wesentlich zur inneren Festigung der bundesstaatlichen Finanzstruktur beitragen


... Da diese Entscheidung stets nur im Rahmen einer wirtschaftsgerechten Steuerpolitik, unter Rücksichtnahme auf die steuerliche Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft getroffen werden kann, sind der Bemessung des Hebesatzes natürliche Grenzen gesetzt. Sie verhindern auch, daß etwa die Ertragshoheit der Länder über ihren Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer durch die Ergänzungsabgabe ausgehöhlt wird.


Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die steuerliche Belastung des Einkommens normalerweise in der Gestalt der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer erfolgen sollte. Der Entschluß, gleichwohl die Erhebung einer Ergänzungsabgabe vorzuschlagen, hat es der Bundesregierung ermöglicht, in ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern das Ausmaß der Senkung der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer soweit zu spannen, daß sich ein wirtschaftsgerechter Tarif und eine fühlbare Entlastung der Steuerpflichtigen für die Dauer ergibt. Die gleichzeitig mit der Steuerreform einzuführende Ergänzungsabgabe schränkt diese Entlastung nur unwesentlich und nur für den Zeitraum ein, in dem die Deckungslücke des Bundeshaushalts nicht anderweitig geschlossen werden kann"


(Bundestags-Drucksache 2/484 vom 29. April 1954, S. 4, 5; Hervorhebung auch im Original).


Sowie:


„Der Bundesrat lehnt zwar eine Ergänzungsabgabe des Bundes zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer im Sinne der Regierungsvorlage ab. Er erkennt aber, wie sich aus der Begründung zu seinem Änderungsvorschlag zu Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes ergibt, die Notwendigkeit eines Zuschlagsrechts des Bundes zu den oben bezeichnenden Steuern grundsätzlich an.


Von dem Zuschlagsrecht sollte jedoch nur in besonderen Notfällen Gebrauch gemacht werden. Es ist nicht vertretbar, im Zusammenhang mit der Steuerreform, die eine Tarifsenkung vorsieht, von dem Zuschlagsrecht Gebrauch zu machen und dadurch die steuerliche Entlastung zum Teil wieder aufzuheben"


(Bundestags-Drucksache 2/484 vom 29. April 1954, S. 1).


b) Auf dem Weg zum Solidaritätsgesetz 1991 (BGBl. I S. 1318) wird im „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines befristeten Solidaritätszuschlags und zur Änderung von Verbrauchsteuer- und anderen Gesetzen (Solidaritätsgesetz)" Folgendes ausgeführt:


„Die jüngsten Veränderungen in der Weltlage nehmen die Bundesrepublik Deutschland verstärkt in die Pflicht. Die hiermit verbundenen finanziellen Anforderungen gehen weit über den bisherigen Finanzrahmen hinaus. Eine Neubewertung der finanzpolitischen Handlungsalternativen ist deshalb unumgänglich. Mehrbelastungen ergeben sich nicht nur aus dem Konflikt am Golf, der auch nach seinem Ende finanzielle Anforderungen mit sich bringen wird. Finanzielle Mittel werden auch für die Unterstützung der Länder in Mittel-, Ost- und Südosteuropa auf dem Weg zur Marktwirtschaft und Demokratie benötigt. Hinzu kommen zusätzliche, früher nicht absehbare Aufgaben in den neuen Bundesländern, die sich aus externen Entwicklungen, insbesondere aus dem Zusammenbruch der früheren RGW-Absatzmärkte, ergeben.


... Die Finanzierung der unabweisbaren Mehraufwendungen muß von allen Bevölkerungsgruppen und Schichten getragen werden. Es geht um die solidarische Bewältigung nationaler Herausforderungen, die alle Bürger betreffen.


Mit diesem Gesetzentwurf wird die Einführung eines Solidaritätszuschlags zur Lohn-/Einkommensteuer- und Körperschaftsteuer nach Artikel 106 Abs. 1 Nr. 6 Grundgesetz vorgeschlagen. Der Solidaritätszuschlag, dem alle Einkommen linear ohne Ausnahmen unterworfen werden, stellt eine gleichmäßige Belastung aller Steuerzahler entsprechend ihrer steuerlichen Leistungsfähigkeit sicher. Ein geringer, kurz befristeter Zuschlag zur Lohn-/Einkommen- und Körperschaftsteuer ist zur Lösung vorübergehender dringender Finanzprobleme besonders geeignet und nach der deutlichen Entlastung im Rahmen des Steuerreformgesetzes 1990 vertretbar"


(Bundestags-Drucksache 12/220 vom 11. März 1991, S. 6).


c) Auf dem Weg zum SolZG 1995 (BGBl. I 1993, S. 944/975) ist in der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vermerkt:


„Ab 1995 wird ein Solidaritätszuschlag eingeführt. Vorgesehen ist ein Zuschlag zur Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer für alle Steuerpflichtigen nach dem Vorbild des Solidaritätszuschlages 1991/92. Der Zuschlag belastet alle Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit. ...


Zur Finanzierung der Vollendung der Einheit Deutschlands ist ein solidarisches finanzielles Opfer aller Bevölkerungsgruppen unausweichlich. Die Bundesregierung schlägt deshalb mit Wirkung ab 1. Januar 1995 einen - mittelfristig zu überprüfenden - Zuschlag zur Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer für alle Steuerpflichtigen vor. Dies ist auch unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit der richtige Lösungsweg. Der Zuschlag ohne Einkommensgrenzen belastet alle Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit. Mehrfachbelastungen (z.B. sog. Kaskadeneffekt bei mehrstufigem Unternehmensaufbau) werden vermieden"


(Bundestags-Drucksache 12/4401 vom 4. März 1993, S. 5, 51).


3. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Steuergesetzgebung im Allgemeinen und zur Erhebung einer Ergänzungsabgabe im Besonderen


a) Nach Art. 2 Abs. 1 GG erschöpft sich die Freiheit der Entfaltung der Persönlichkeit nicht in der allgemeinen Handlungsfreiheit,


„sondern umfaßt in der grundgesetzlichen Ordnung auch den grundrechtlichen Anspruch, nicht durch staatlichen Zwang mit einem Nachteil belastet zu werden, der nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung begründet ist. Das Grundrecht verbietet Eingriffe der Staatsgewalt, die nicht rechtsstaatlich sind (BVerfGE 9, 83, 88; 17, 306, 313 f.). Insbesondere gehört zur Handlungsfreiheit auch das Grundrecht des Bürgers, nur auf Grund solcher Rechtsvorschriften zu Steuern herangezogen zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind und deshalb zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören"


(Urteil vom 14. Dezember 1965 1 BvR 413, 416/60, BVerfGE 19, S. 206, 215 f.; vgl. auch Urteil vom 14. Dezember 1965 1 BvR 571/60, BVerfGE 19, S. 253, 257; Beschluss vom 13. Dezember 1966 1 BvR 512/65, BVerfGE 21, S. 1, 3; Beschluss vom 28. Januar 1970 1 BvL 4/67, BVerfGE 27, S. 375, 384).


b) Zur Verteilung steuerlicher Lasten bei wachsendem staatlichen Finanzbedarf formuliert das Bundesverfassungsgericht einen allgemeinen Grundgedanken der Besteuerung des Bürgers (vgl. Beschluss vom 25. September 1992 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, S. 153, 172 f., auch im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 1 GG sowie der grundrechtlichen Garantie des einkommensteuerlichen Existenzminimums):


"Ein besonderer Finanzbedarf des Staates und die Dringlichkeit einer Haushaltssanierung mögen den Gesetzgeber veranlassen, die bisherigen Bedarfstatbestände in der gesamten Rechtsordnung zu überprüfen, sind aber nicht geeignet, eine verfassungswidrige Besteuerung zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 82, 60, 89)."


c) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet der allgemeine Gleichbehandlungssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG


„dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen."


(st. Rspr. BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 180, DStR 2006, S. 1316 mit weiteren Nachweisen).


„Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn der Staat eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Daraus folgt für das Gebiet des Steuerrechts, daß die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichtet werden muß. Das gilt insbesondere im Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt ist."


(st. Rspr. BVerfG-Beschluss vom 29. Mai 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, S. 60, 86, BStBl. II 1990, S. 653 mit weiteren Nachweisen).


„Aus dem Gebot der möglichst gleichmäßigen Belastung aller Steuerpflichtigen folgt: Der Gesetzgeber hat zwar bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Bei der Ausgestaltung dieses Ausgangstatbestandes hat er die einmal getroffene Belastungsentscheidung dann aber folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen."


(BVerfG-Urteil vom 27. Juni 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239, 271, BStBl. II 1991, S. 654; vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 7. Mai 1968, 1 BvR 420/64, BVerfGE 23, S. 242, 256, BStBl. II 1968, S. 549; vom 22. Juni 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121, 136, BStBl. II 1995, S. 655; vom 7. November 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1, 36, DStR 2007, S. 235; vom 13. Februar 2008, 2 BvR 1/06, BVerfGE 120, S. 125, 155, DStR 2008, 604; vom 21. Juli 2010, 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, S. 400, 416 f., DStR 2010, S. 1721).


„Im Bereich des Steuerrechts, insbesondere des Einkommensteuerrechts, wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit."


(BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 180, DStR 2006, S. 1316 mit weiteren Nachweisen; vgl. Urteil vom 6. März 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, S. 73, 125, BStBl. II 2002, S. 618; Beschlüsse vom 4. Dezember 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, S. 27, 46, BStBl. II 2003, S. 534; vom 8. Juni 2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, S. 412, 433, NJW-RR 2004, S. 1657; vom 7. November 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1, 30, DStR 2007, S. 235; vom 21. Juli 2010, 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, S. 400, 416 f., DStR 2010, S. 1721; Beschluss vom 18. Juli 2012, 1 BvL 16/11, NJW 2012, S. 2722).


d) Das Bundesverfassungsgericht stellte im Jahr 1972 bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung des (zunächst nicht befristeten) Ergänzungsabgabengesetzes vom 21. Dezember 1967 (BGBl. I S. 1254) im Anschluss an den Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichtes vom 21. Mai 1969 II 100/68, EFG 1969, S. 355, fest, dass der Begriff „Ergänzungsabgabe" nur bei der Festlegung der Ertragshoheit durch Art. 106 Abs. 1 GG eingeführt worden ist und dass sich die Zuständigkeit des Bundes zur Einführung einer Ergänzungsabgabe (Gesetzgebungskompetenz) bereits aus Art. 105 Abs. 2 GG ergibt. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts wäre der Bund


„jedoch nicht berechtigt unter der Bezeichnung ‚Ergänzungsabgabe‘ eine Steuer einzuführen, die den Vorstellungen widerspricht, die der Verfassungsgeber erkennbar mit dem Charakter einer solchen Abgabe verbunden hat.


Das Funktionieren des bundesstaatlichen Systems erfordert eine Finanzordnung, die sicherstellt, daß der Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag der nationalen Leistungen sachgerecht beteiligt werden; Bund und Länder müssen im Rahmen der verfügbaren Gesamteinnahmen so ausgestattet werden, daß sie die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Ausgaben (vgl. Art. 104 a Abs. 1 GG) leisten können. Gegen die diesem Ziel dienende Finanzordnung des Grundgesetzes könnte verstoßen werden, wenn der Gesetzgeber bei der Einführung einer dem Bund zukommenden Steuer von den Vorstellungen des Grundgesetzes über eine derartige Steuer abweichen und damit das finanzielle Ausgleichssystem zu Lasten der Länder ändern würde. So dürfte der Bund z.B. keine Ergänzungsabgabe einführen, die wegen ihrer Ausgestaltung, insbesondere wegen ihrer Höhe


die Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehende Einkommen- und Körperschaftsteuer oder die den Ländern zustehende Vermögensteuer aushöhlen würde. Insoweit ist die Zuständigkeit des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 Nr. 2 GG a.F. zur Einführung einer Ergänzungsabgabe als einer besonderen Steuer vom Einkommen im Lichte des verfassungsrechtlichen Begriffs der Ergänzungsabgabe nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 7 GG a.F. zu interpretieren"


(Beschluss vom 9. Februar 1972 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, S. 333, 338).


Zur Befristung einer Ergänzungsabgabe führt das Bundesverfassungsgericht in demselben Beschluss Folgendes aus:


„Während des Gesetzgebungsverfahrens zum Finanzverfassungsgesetz wurden keine ernsthaften Versuche angestellt, eine Befristung in das Gesetz einzuführen, obwohl der Bundesrat, um die erwähnte Begrenzung der Ergänzungsabgabe der Höhe nach zu erreichen, den Vermittlungsausschuß angerufen hatte ... Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren, die Ergänzungsabgabe müsse zur Befriedigung ‚anderweitig nicht auszugleichender Bedarfsspitzen im Haushalt‘, ‚für den Fall einer unumgänglichen und nicht anderweitig zu deckenden Steigerung seines (des Bundes) Finanzbedarfs‘ und ‚in Notfällen‘ erhoben werden, sind zu unbestimmt, als daß daraus hergeleitet werden könnte, eine Ergänzungsabgabe dürfe nur befristet eingeführt werden ... Eine auf vorübergehende Bedarfsspitzen oder Notfälle abgestellte Befristung oder gar eine Befristung von zwei Jahren, wie sie dem Finanzgericht vorschwebt, wäre auch mit den Grundsätzen einer modernen Finanzplanung sowie Haushalts- und Konjunkturpolitik nicht vereinbar. Sie entspräche einem statischen Haushaltsdenken, das von der Vorstellung eines im wesentlichen gleichbleibenden Blocks feststehender Ausgaben ausgeht, über welchen hinaus lediglich von Zeit zu Zeit gewisse ‚Bedarfsspitzen‘ auftreten könnten ... Während des Laufes der Ergänzungsabgabe können sich zudem für den Bund neue Aufgaben ergeben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichen, so daß die erneute Einführung der Ergänzungsabgabe und damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden gerechtfertigt wäre. Die Entscheidung darüber, welche Aufgaben, insbesondere welche Reformmaßnahmen in Angriff genommen werden, und wie sie finanziert werden sollen, gehört zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die sich grundsätzlich der Nachprüfung des Bundesverfassungsgerichts entzieht. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob ein verfassungsrechtlicher Zwang zur Aufhebung der Ergänzungsabgabe sich ergeben würde, wenn die Voraussetzungen für die Erhebung dieser Abgabe evident entfielen, etwa weil die dem Bund im vertikalen Finanzausgleich zufallenden Steuern, möglicherweise nach einer grundsätzlichen Steuer- und Finanzverfassungsreform, zur Erfüllung seiner Aufgaben für die Dauer offensichtlich ausreichen. Eine solche Situation ist, wie die ab 1967 aufgestellten und fortgeschriebenen Finanzpläne des Bundes zeigen, derzeit nicht gegeben ..."


(Beschluss vom 9. Februar 1972 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, S. 333, 341 ff.).


4. Rechtsprechung zur Erhebung einer Ergänzungsabgabe nach dem Solidaritätsgesetz 1991 und nach dem SolZG 1995


a) Die 3. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 19. November 1999 (2 BvR 1167/96, HFR 2000, S. 134, NJW 2000, S. 797) die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28. Februar 1996 (XI R 83, 84/94, BFH/NV 1996, S. 712) nicht zur Entscheidung angenommen und in den Gründen die Erhebung des Solidaritätszuschlags nach dem Solidaritätsgesetz 1991 nicht beanstandet:


„Soweit der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit einer Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG geltend macht, die Erhebung der Ergänzungsabgabe habe der Zustimmung des Bundesrates bedurft, kommt der Verfassungsbeschwerde deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil die Geltung des SolZG auf die Veranlagungszeiträume 1991 und 1992 beschränkt war und sich diese Fragen für das SolZG 1995 nicht mehr stellen. ...


Im Hinblick auf ihre Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der Verbrauchsteuern zu decken, darf die Ergänzungsabgabe jedoch nicht nur für einen ganz kurzen Zeitraum erhoben werden (vgl. BVerfGE 32, 333 [340]). Die Ergänzungsabgabe soll die Vorrangigkeit der Einkommen- und Körperschaftsteuer für die Finanzierung des öffentlichen Haushalts auch dann sicherstellen, wenn sich ein ausschließlicher Mehrbedarf des Bundes ergibt, für dessen Deckung die Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer keine befriedigende Lösung darstellt (vgl. BVerfGE 32, 333 [341] m.w.N.) und eine zusätzliche Anhebung der Verbrauchsteuer unerläßlich ist."


b) Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluss vom 28. Juni 2006 (VII B 324/05, BFHE 213, S. 573, BStBl. II 2006, S. 692, 693; dortiges Streitjahr 2002) das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts Münster vom 27. September 2005 (12 K 6263/03 E, EFG 2006, S. 371) bestätigt und in Bezug auf das SolZG 1995 Folgendes ausgeführt:


„Zwar wäre - wie das BVerfG mit Beschluss vom 9. Februar 1972 1 BvL 16/69 (BVerfGE 32, 333, BStBl. II 1972, 408) ausgeführt hat - der Bund nicht berechtigt, unter der Bezeichnung ‚Ergänzungsabgabe‘ eine Steuer einzuführen, die den Vorstellungen widerspricht, die der Verfassungsgeber erkennbar mit dem Charakter einer solchen Abgabe verbunden hat. Dass die vom BVerfG insoweit angestellten Erwägungen, wonach der Bund keine Ergänzungsabgabe einführen darf, die insbesondere wegen ihrer Höhe die den Bund und den Ländern gemeinsam zustehende Einkommen- und Körperschaftsteuer aushöhlen würde, bezüglich des SolZG 1995 ernsthaft in Betracht zu ziehen sind, wird von der Beschwerde allein mit der angeblichen ‚Problematik (...) der Konkurrenz der Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer‘ nicht dargelegt und ist in Anbetracht des Zuschlagsatzes gemäß § 4 SolZG 1995 auch nicht ersichtlich. Anders als die Beschwerde meint, gehört jedenfalls die zeitliche Befristung nicht zum Wesen der Ergänzungsabgabe i.S. des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG. Der Begriff der Ergänzungsabgabe besagt lediglich, dass diese Abgabe die Einkommen- und Körperschaftsteuer, also auf Dauer angelegte Steuern, ergänzt, d.h. in einer gewissen Akzessorietät zu ihnen stehen soll (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 32, 333, BStBl. II 1972, 408; und in HFR 2000, 134).


Auch ergeben sich aus dem Gesetzgebungsverfahren bezüglich des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955 (BGBl. I 1955, 817), mit dem die Norm betreffend die Ertragshoheit über eine Ergänzungsabgabe in das GG eingefügt worden ist, keine Hinweise auf eine vom Gesetzgeber gewollte zeitliche Begrenzung einer Erhebung von Ergänzungsabgaben (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl. II 1972, 408). Die der Begründung zum Finanzverfassungsgesetz entnommenen Äußerungen, auf welche die Beschwerde sich stützt, wonach die Ergänzungsabgabe dazu bestimmt ist, ‚anderweitig nicht auszugleichende Bedarfsspitzen im Haushalt zu decken" (BTDrucks II/480, S. 72), sind zu unbestimmt, als dass daraus hergeleitet werden könnte, eine Ergänzungsabgabe dürfe nur befristet eingeführt werden (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl. II 1972, 408). Zum einen ist nicht erkennbar, warum sich ‚Bedarfsspitzen‘ nicht auch über einen Zeitraum von mehreren Jahren ergeben können; bezogen auf das Streitjahr 2002 handelt es sich um einen Zeitraum von acht Jahren, so das von einem - wie die Beschwerde meint - ‚Dauerfinanzierungselement‘ offensichtlich nicht gesprochen werden kann. Zum anderen können sich während des Laufes einer eingeführten Ergänzungsabgabe für den Bund neue Aufgaben ergeben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichen, so dass die erneute Einführung der Ergänzungsabgabe und damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden gerechtfertigt wäre (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl. II 1972, 408)."


c) Die 3. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 11. Februar 2008 (2 BvR 1708/06, DStZ 2008, S. 229) zum SolZG 1995 die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 28. Juni 2006 ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen.


d) Die 1. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts hat in ihrer Begründung des Beschlusses über die Unzulässigkeit der vorausgehenden Vorlage des vorlegenden Finanzgerichts vom 8. September 2010 (2 BvL 3/10, NJW 2011, S. 441) in Bezug auf das SolZG 1995 ausgeführt:


„Zwar hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 inhaltlich noch nicht auseinandergesetzt. Es hat jedoch im Rahmen seiner grundsätzlichen Stellungnahme zu den Voraussetzungen einer verfassungsrechtlich zulässigen Ausgestaltung einer Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG mit eingehender Begründung entschieden, dass es von Verfassungs wegen nicht geboten ist, eine solche Abgabe von vornherein zu befristen oder sie nur für einen ganz kurzen Zeitraum zu erheben (BVerfGE 32, 333 [340])."


e) Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 21. Juli 2011 (II R 52/10, BFHE 234, S. 250, BStBl. II 2012, S. 43) das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts Köln vom 14. Januar 2010 (13 K 1287/09, EFG 2010, S. 1063) sowie mit weitgehend inhaltsgleichem Urteil ebenfalls vom 21. Juli 2011 (II R 50/09, BFH/NV 2011, S. 1685) das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts München vom 18. August 2009 (2 K 108/08, EFG 2010, S. 166) bestätigt und die Verfassungskonformität des SolZG 1995 mit folgenden Erwägungen begründet:


„Die Zuständigkeit des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 GG zur Einführung einer Ergänzungsabgabe als einer besonderen Steuer vom Einkommen unterliegt jedoch wegen des Charakters einer solchen Abgabe gewissen Einschränkungen. Der Bund darf unter der Bezeichnung ‚Ergänzungsabgabe‘ keine Steuer einführen, die den erkennbaren Vorstellungen des Verfassungsgebers zur Ergänzungsabgabe widerspricht (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl. II 1972, 408). Insbesondere darf durch die Ergänzungsabgabe das finanzielle Ausgleichssystem zu Lasten der Länder nicht verändert werden. Der Bund ist deshalb nicht berechtigt, eine Ergänzungsabgabe einzuführen, die wegen ihrer Ausgestaltung, vor allem wegen ihrer Höhe die Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehende Einkommen- und Körperschaftsteuer (Art. 106 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GG) aushöhlen würde (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl. II 1972, 408). ...


Durch die Erhebung des Solidaritätszuschlags wird die Finanzordnung des Grundgesetzes nicht in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt. Der Zuschlagsatz, der bei der (erneuten) Einführung des Solidaritätszuschlags zunächst 7,5 % der Bemessungsgrundlage betrug (§ 4 Satz 1 SolZG in der für die Veranlagungszeiträume 1995 bis einschließlich 1997 geltenden Fassung), wurde ab dem Veranlagungszeitraum 1998 auf 5,5 % der Bemessungsgrundlage vermindert (vgl. § 4 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 3 SolZG in der Fassung des Gesetzes zur Senkung des Solidaritätszuschlags vom 21. November 1997, BGBl I 1997, 2743, BStBl. I 1997, 967). Damit ist der --auch für das Streitjahr 2007 geltende-- Zuschlagsatz von 5,5 % nur geringfügig höher als die vom Bundesrat während der Beratungen des Finanzverfassungsgesetzes vergeblich angestrebte Begrenzung von Ergänzungsabgaben auf 5 % der Einkommen- und Körperschaftsteuer (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl. II 1972, 408, m.w.N.).


Das BVerfG hat bisher noch nicht die Grenze festgelegt, bei der eine Ergänzungsabgabe eine verfassungswidrige Aushöhlung der Bund und Ländern nach Art. 106 Abs. 3 Satz 2 GG gemeinschaftlich zustehenden Steuern bewirken würde. In der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 32, 333, BStBl. II 1972, 408 wird lediglich ausgeführt, durch eine Ergänzungsabgabe in Höhe von 3 % werde diese Grenze offensichtlich nicht überschritten. Die primär am Steuersatz messbare Aushöhlungsschwelle lässt sich nur schwer betragsmäßig bestimmen (vgl. Hidien in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 106 Rz 1433). Eine Aushöhlung der Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehenden Einkommen- und Körperschaftsteuer setzt aber schon vom Begriff her eine schwerwiegende Belastung durch die dem Bund allein zustehende Ergänzungsabgabe voraus.


Der Solidaritätszuschlag i.S. des § 4 Satz 1 SolZG in Höhe von 5,5 % ist keine solche Belastung. Er steht in einem angemessenen Verhältnis zur Einkommen- und Körperschaftsteuer und ist damit verfassungsgemäß. Zum einen liegt der Zuschlagsatz nahe der vom Bundesrat ursprünglich vorgeschlagenen, letztendlich aber nicht durchgesetzten Begrenzung für Ergänzungsabgaben. Zum anderen knüpft der Solidaritätszuschlag an die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer als Bemessungsgrundlage an (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG). Eine höhere Einkommen- oder Körperschaftsteuer führt also zu einem höheren Solidaritätszuschlag. Die unterschiedliche Beteiligung des Bundes am Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer einerseits und des Solidaritätszuschlags andererseits bewirkt keine verfassungswidrige Benachteiligung der Länder. ...


Die fehlende zeitliche Befristung des Solidaritätszuschlags beim Erlass des SolZG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn es ist von Verfassungs wegen nicht geboten, eine Ergänzungsabgabe von vornherein zu befristen oder sie nur für einen kurzen Zeitraum zu erheben (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 32, 333, BStBl. II 1972, 408; in HFR 2000, 134; vom 8. September 2010 2 BvL 3/10, BFH/NV 2010, 2217). Die Ergänzungsabgabe hat die Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der Verbrauchsteuern zu decken. Dadurch soll die Vorrangigkeit der Einkommen- und Körperschaftsteuer für die Finanzierung des öffentlichen Haushalts auch dann sichergestellt werden, wenn sich ein ausschließlicher Mehrbedarf des Bundes ergibt, für dessen Deckung die Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer keine befriedigende Lösung darstellt und eine zusätzliche Anhebung der Verbrauchsteuern unerlässlich ist (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2000, 134).


Der ab 1995 eingeführte Solidaritätszuschlag sollte zur Abdeckung der im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung entstandenen finanziellen Belastungen dienen (BTDrucks 12/4401, S. 4 f., 51). In der Gesetzesbegründung wird hierzu ausgeführt, dass ein solidarisches finanzielles Opfer aller Bevölkerungsgruppen zur Finanzierung der Vollendung der Einheit Deutschlands unausweichlich sei. ...


Die Angabe in der Gesetzesbegründung, dass der Solidaritätszuschlag wegen der Bewältigung der durch die Wiedervereinigung entstandenen Finanzierungslasten eingeführt werde, und die Auflistung der ab 1995 zu lösenden finanziellen Probleme mit einem Volumen in Höhe von insgesamt 110 Mrd. DM (BTDrucks 12/4401, S. 1 ff.) reichen aus, um darzustellen, dass auch ein ausschließlicher Mehrbedarf des Bundes zur Finanzierung der Lasten vorhanden war. Die Anforderungen an die Begründung sind insoweit nicht zu hoch zu stecken (vgl. Hidien, a.a.O., Art. 106 Rz 1431). ...


Der Entscheidung des BVerfG (in BVerfGE 32, 333, BStBl. II 1972, 408) kann nicht entnommen werden, dass die Erhebung einer Ergänzungsabgabe nur dann zulässig ist, wenn ein Finanzbedarf für eine bestimmte Aufgabe ausschließlich beim Bund und nicht zusätzlich bei den Ländern entsteht. ...


Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, das SolZG wegen der fehlenden zeitlichen Befristung mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2007 aufzuheben. Das SolZG ist nicht durch Zeitablauf verfassungswidrig geworden. ...


Selbst während des Laufes einer eingeführten Ergänzungsabgabe können sich für den Bund neue Aufgaben ergeben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichen, so dass die erneute Einführung der Ergänzungsabgabe und damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden gerechtfertigt wäre (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl. II 1972, 408; BFH-Beschluss in BFHE 213, 573, BStBl. II 2006, 692). ...


Eine zeitliche Begrenzung einer nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG unbefristet erhobenen Ergänzungsabgabe kann sich allerdings daraus ergeben, dass die Ergänzungsabgabe nach ihrem Charakter den Zweck hat, einen vorübergehenden aufgabenbezogenen Mehrbedarf des Bundes zu finanzieren, und sie damit kein dauerhaftes Instrument der Steuerumverteilung sein darf (vgl. Hidien/Tehler, StBW 2010, 458; Birk, Finanz-Rundschau 2010, 1002). Ein dauerhafter Finanzbedarf ist regelmäßig über die auf Dauer angelegten Steuern und nicht über eine Ergänzungsabgabe zu decken. Deshalb kann eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe dann verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für die Einführung maßgebend waren, grundlegend ändern, z.B. weil der mit der Erhebung verfolgte Zweck erreicht ist und die Ergänzungsabgabe nicht wegen eines anderen Zwecks fortgeführt werden soll oder weil insoweit eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist (vgl. Hidien/Tehler, StBW 2010, 458, unter II.5.c). Die Verfassungsmäßigkeit der Ergänzungsabgabe wird in diesen Fällen aber erst zweifelhaft, wenn die Änderung der Verhältnisse eindeutig und offensichtlich feststeht.


Danach war es verfassungsrechtlich nicht geboten, den Solidaritätszuschlag ab dem 1. Januar 2007 nicht mehr zu erheben. ...


Die Erhebung des Solidaritätszuschlags über einen Zeitraum von 13 Jahren (1995 bis einschließlich 2007) widerspricht --gemessen an dem mit seiner Einführung verbundenen Zweck-- nicht dem Wesen einer zur Deckung von Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt dienenden Ergänzungsabgabe."


Die Kläger beider Verfahren haben gegen die jeweiligen Urteile des Bundesfinanzhofs Verfassungsbeschwerde erhoben. Die Verfahren waren beim Bundesverfassungsgericht unter den Aktenzeichen 2 BvR 2121/11 und 2 BvR 1942/11 anhängig. Beide Verfassungsbeschwerden sind von der 2. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts durch Beschlüsse vom 10. Juni 2013 ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen worden.


f) Der Bundesfinanzhof hat am 10. August 2011 (I R 39/10, BFHE 234, S. 396, BStBl. II 2012, S. 603; Revisionsverfahren gegen das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts Köln vom 9. März 2010 - 13 K 64/09, EFG 2010, S. 1353) beschlossen, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 3 SolZG 1995 insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als Auszahlungen des Körperschaftsteuerguthabens gemäß § 37 Abs. 5 KStG 2002 die Bemessungsgrundlage zum Solidaritätszuschlag nicht mindern und § 3 SolZG 1995 oder eine andere Vorschrift auch nicht die Festsetzung eines Anspruchs auf ein Solidaritätszuschlagguthaben anordnet. Das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen 2 BvL 12/11 beim Bundesverfassungsgericht anhängig.


g) Der dargestellten Kammer-Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts und des 2. sowie des 7. Senats des Bundesfinanzhofs zum SolZG 1995 folgen auch andere Senate des Bundesfinanzhofs und viele Finanzgerichte, vgl. etwa Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 28. April 2009 I B 199/08 (juris) sowie Urteil des Finanzgerichts München vom 18. August 2009 2 K 108/08, EFG 2010, S. 166 (Revisionsentscheidung - BFH-Az. II R 50/09), Urteil des Finanzgerichts Münster vom 8. Dezember 2009, 1 K 4077/08 (EFG 2010, S. 588) und Urteil des Finanzgerichts Köln Urteil vom 14. Januar 2010, 13 K 1287/09 (EFG 2010, S. 1063, Revisionsentscheidung - BFH-Az. II R 52/10).


Das Finanzgericht Köln hat in seinem Urteil vom 14. Januar 2010, 13 K 1287/09 zudem die nachfolgende Erwägung in seine Begründung eingestellt:


„Der Solidaritätszuschlag ist eine von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen mit dem Zweck der Einnahmeerzielung auferlegte Geldleistung, zu der nach § 2 SolzG alle unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen und erweitert beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen sowie alle körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen abgabepflichtig sind. Des Weiteren stellt der Solidaritätszuschlag keine Gegenleistung für eine besondere Leistung dar. Für die Qualifizierung des Solidaritätszuschlages als Steuer ist es bedeutungslos, dass der Gesetzgeber die Erhebung des Solidaritätszuschlags mit dem politischen Ziel der Finanzierung der Kosten für die Wiedervereinigung Deutschlands verknüpft hat (vgl. die allgemeine Begründung in dem Gesetzentwurf zum Gesetz zur Umsetzung des föderalen Konsolidierungsprogramms - FKPG - Bundestags-Drucksache 12/4401, Seite 1 bis 5). Zunächst liegt eine zwingende Verknüpfung schon deshalb nicht vor, weil sich aus dem Gesetzentwurf zum FKPG deutlich die vielfältige Zielsetzung des Gesetzes ergibt. Unter anderem ist ausdrücklich die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte als Ziel formuliert (vgl. Bundestags-Drucksache 12/4401, Seite 1). Auch ergibt sich aus der Einzelbegründung zu § 1 des SolzG klar, dass der Gesetzgeber von der Einführung einer weiteren selbständigen, gesondert von der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer zu erhebenden Steuer ausgegangen ist. Es ergibt sich daher bereits aus der Begründung des Gesetzes, dass das Aufkommen des Solidaritätszuschlages der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs dienen sollte. Im Übrigen wäre selbst eine rechtliche - also nicht nur politische - Zweckbindung von Einnahmen, die stets eine Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers bedeutet, verfassungsrechtlich erst dann bedenklich, wenn die Zweckbindung ein vertretbares Ausmaß überstiege (vgl. dazu die Ausführungen des BVerfG in der Entscheidung zur Einführung der so genannten Ökosteuer vom 20. April 2004 1 BvR 1748/99, 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274 unter C. II. 1.)."


5. Äußerungen zum Thema aus der Rechtswissenschaft / Fachliteratur


Hans-Joachim Kanzler kritisiert in einer Urteils-Anmerkung zu einem Spezialproblem des SolZG 1995 die Beibehaltung des Solidaritätszuschlags trotz allgemeiner Senkung der Einkommensteuersätze bzw. die Nichteinbeziehung des Zuschlags in die Einkommensteuer (FR 2002, S. 685):


„Die Nullzone, um die es im Streitfall geht, wird als soziale Komponente des Solidaritätszuschlags bezeichnet (BT-Drs. 13/8701, 13), eine Zusatz-Einkommen-steuer, die ärgerlicherweise immer dann unerwähnt bleibt, wenn Steuerpolitiker vor und nach 1998 ihre Leistungen bei der Senkung der Einkommensteuersätze anpriesen. Warum man bei einem nunmehr realitätsgerecht bemessenem Grundfreibetrag noch einer solchen Sozial-Zone bedarf, bleibt ebenso unerfindlich, wie erwähnte Scheu vor einer Einbeziehung des Zuschlags in die Einkommensteuer".


Jürgen W. Hidien, Kommentierung zum bundesstaatlichen Finanzrecht des Art. 106 GG, in Dolzer/Vogel/Graßhoff, Kommentar zum Bonner Grundgesetz (Bonner Kommentar), Loseblatt, Art. 106 Anm. 1386, 1430, 1432, 1434, Stand November 2002:


"Festzuhalten bleibt, dass der Bundesgesetzgeber existente gliedstaatliche oder kommunale Erträge nicht mit Hilfe einer Bundessteuer aushöhlen darf, da andernfalls das finanzielle Ausgleichssystem zu Lasten der Länder verschoben wird."


"Entgegen der offenen Formulierung in Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG, die dem Steuergesetzgeber mittelbar keine Erhebungsgrenzen aufzuerlegen scheint, stehen Begriff und Ausgestaltung der Ergänzungsabgabe nicht im unbegrenzten Gestaltungsermessen. ... Diese in der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs zur Finanzreform 1955 beschriebene Funktion der Ergänzungsabgabe kennzeichnet sie als ein vornehmlich im rechtspraktischen Sinne subsidiäres Finanzierungsinstrument speziell des Bundes".


"Für die Ausgestaltung der Abgabe ist maßgeblich, dass sie nicht den 'Vorstellungen widerspricht, die der Verfassungsgeber mit dem Charakter einer solchen Abgabe verbunden hat'. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht das sog. Aushöhlungsverbot entwickelt, das besonders die Länderseite schützen soll".


"Ein Befristungsgebot läßt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Genese der Norm herleiten. ... Andererseits ist die Abgabe kein Dauerfinanzierungselement. Jedenfalls ist die Abgabe aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Erhebung 'evident' entfielen, etwa weil der Bund nunmehr über ausreichende Finanzmittel verfügt"


(Hervorhebungen auch im Original ).


Dieter Steinhauff merkt zur Entscheidung des 7. Senats des Bundesfinanzhofs vom 28. Juni 2006 VII B 324/05, BFHE 213, S. 573, BStBl. II 2006, S. 692, Nachfolgendes an (jurisPR-SteuerR 36/2006 Anm. 4, S. 2, erschienen am 4. September 2006):


„Mit der Entscheidung des BFH dürfte die in letzter Zeit geführte Diskussion über mögliche zeitliche Grenzen der Erhebung eines SolZ zur Finanzierung der Kosten für die Wiedervereinigung Deutschlands (vgl. BT-Drs. 12/4401) wieder in etwas ruhigere Bahnen gelenkt werden. Die Finanzverwaltung hatte bereits nach Ergehen des Urteils des FG Münster Einsprüche gegen die Festsetzung des SolZ, die mit einer möglichen Verfassungswidrigkeit des SolZG begründet worden waren, in größerem Umfang zurückgewiesen und hatte ein Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO abgelehnt".


Andreas Rohde und Marcus Geschwandtner besprechen in NJW 2006, S. 3332 (3335) insbesondere den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 28. Juni 2006 VII B 324/05 (BFHE 213, S. 573, BStBl. II 2006, S. 692) und kommen zu folgendem Ergebnis:


"Weder die Anfechtung einzelner Steuerbescheide oder Einspruchsentscheidungen vor den Finanzgerichten noch die vom Bund der Steuerzahler eingelegte Verfassungsbeschwerde sind erfolgversprechend."


Christian Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band V 2007, S. 901:


"Auf einer niedrigen Stufe erscheinen Ausgabenanlässe als Begründung einer Steuer etwa in den Gesetzesmaterialien oder -beratungen. Bestes Beispiel ist der im Zuge der Wiedervereinigung eingeführte Solidaritätszuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer. Im Gesetzeswortlaut ist hier allenfalls in dem Wortbestandteil 'Solidarität' ein lockerer Verwendungszweckanlaß angedeutet. Mit wem Solidarität geübt werden soll, das ergibt sich erst aus dem politischen Kontext. Dieser Steuerzuschlag fließt vollständig in den allgemeinen Staatshaushalt. Eine rechtliche Bindung seines Aufkommens existiert nicht."


Johannes R. Nebe kritisiert die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Februar 2008 (2 BvR 1708/06, DStZ 2008, S. 229) zum Solidaritätszuschlag (NWB Nr. 18 vom 28. April 2008, S. 1619, 1620 f.):


„Insbesondere Art und Weise des Beschlusses führen zu nicht unerheblicher Verwunderung. Zwar sind weitere Einzelheiten des Verfahrens bisher nicht bekannt, doch erscheint es kaum nachvollziehbar, wenn das BVerfG in einem Verfahren mit einer so großen Breitenwirkung erst nach rund zwei Jahren zu der Auffassung gelangt, die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen, und dann - trotz der langen Verfahrensdauer und Bedeutung - es nicht für nötig erachtet, den Nichtannahmebeschluss zu begründen. Eine solche Verfahrensweise erscheint nicht unbedingt geeignet, das Vertrauen in die Arbeit der Judikative zu stärken. ... Das BVerfG hat die Chance verstreichen lassen, sich grds. zum Solidaritätszuschlag und zu Gesichtspunkten von Sondersteuern, Ergänzungsabgaben o.Ä. sowie deren Zulässigkeit und zeitliche Dauer zu äußern. Der Gesetzgeber bleibt aufgerufen, die Notwendigkeit der Beibehaltung des Solidaritätszuschlags kritisch zu prüfen".


Werner Heun in Dreier, Kommentar zum GG, 2008, 2. Aufl., Art. 106 Rn. 15, betont die Subsidiarität der Ergänzungsabgabe in Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG:


„Die mit der Finanzreform 1955 eingefügte neuartige Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer gem. Nr. 6 steht im Unterschied zu diesen Steuern allein dem Bund als subsidiäres Finanzierungsmittel zur Deckung eines anderweitig nicht auszugleichenden Fehlbedarfs des Bundeshaushaltes zu."


Der Bundesrechnungshof hat in seinen "Bemerkungen 2008 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes", BT-Drs. 16/11000 vom 8. Dezember 2008, S. 139 f. erstmals auf die mit der Erhebung des Solidaritätszuschlags verbundene Ungleichbehandlung ausländischer gegenüber inländischer Einkünfte hingewiesen:


„Der Bundesrechnungshof hat die unterschiedliche Behandlung inländischer und ausländischer Einkünfte als nicht sachgerecht beanstandet. Entgegen der Gesetzesbegründung unterliegen derzeit nicht alle Einkommen ausnahmslos dem Solidaritätszuschlag.


Die Besserstellung ausländischer Einkünfte verstößt nach Auffassung des Bundesrechnungshofes außerdem gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Dieser besagt, dass Steuerpflichtige nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung staatlicher Leistungen beitragen sollen. Ob Einkünfte im Inland oder im Ausland erzielt werden, wirkt sich auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht aus. Ein Grund für die Ungleichbehandlung besteht daher nicht"


(Hervorhebungen auch im Original).


Klaus Lindberg äußert sich wie folgt in Blümich, Kommentar zum EStG/KStG/GewStG, § 1 SolZG 1995 Anm. 11, Loseblatt Stand August 2012:


"Es ist aber zweifelhaft, ob das als befristet geplante Gesetz nach 17-jähriger Laufzeit noch verfassungsgemäß oder eine verfassungswidrige SonderSt ist".


Hanno Kube in Epping/Hillgruber, Kommentar zum GG, 2009, Art. 106, Rn. 14 hebt die Subsidiarität der Ergänzungsabgabe sowie das Erfordernis eines konkreten Finanzbedarfs des Bundes hervor:


„... die Abgaben sind als subsidiäres Finanzierungsmittel zur Deckung zusätzlicher konkreter Finanzbedarfe des Bundes konzipiert".


Für Klaus Tipke ist der derzeitige Solidaritätszuschlag ein Beispiel für Besteuerungsunmoral (Besteuerungsmoral statt Fiskalismus, Beilage zum steuertip im markt intern Verlag vom 17. Juli 2009, S. 2; nachlesbar auch in FR-Aktuell 23/2009, VI; dazu auch seine Ausführungen zum Thema "Die Gerichte als Hüter der Besteuerungsmoral" in: Besteuerungsmoral und Steuermoral, herausgegeben von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, 2000, S. 70 ff.):


„Von jeher waren Finanzminister und Steuerpolitiker daran interessiert, die Gesamtsteuerlast niedrig erscheinen zu lassen - durch Partitionierung der Gesamtsteuerlast in ein Konvolut von Einzelsteuerlasten, durch unmerkliche indirekte Steuern, die in die Preise eingehen, durch kleine Bei-Steuern, wie dem Solidaritätszuschlag. Da eine progressive Steuer bereits eine Solidaritätssteuer ist und durch den Solidaritätszuschlag kein Sonderbedarf gedeckt wird, ist es besteuerungsmoralisch angezeigt, den Solidaritätszuschlag in die Einkommensteuer zu integrieren. Neben der progressiven Einkommensteuer als Solidaritätssteuer bedarf es keiner weiteren besonderen Solidaritätssteuer. Durch die Vielzahl der Steuern wird nicht nur die Gesamtsteuerlast vertuscht, sondern auch verdeckt, dass es nur eine Steuerquelle gibt, nämlich das gespeicherte Einkommen. Aus dieser Quelle muß jede Steuer entrichtet werden."


Roberto Bartone beschreibt nach einer Analyse des klageabweisenden Urteils des Finanzgerichts München vom 18. August 2009 (2 K 108/08, EFG 2010, S. 166, Revision eingelegt - BFH-Az. II R 50/09, dortiges Streitjahr 2005) zum Thema SolZG 1995 die Auswirkungen für die Praxis folgendermaßen (jurisPR-SteuerR 47/2009 Anm. 6, S. 2 f., erschienen am 23. November 2009):


„Das FG München hat die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Entscheidung des BFH (Az. II R 50/09) bleibt daher abzuwarten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch das BVerfG mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des SolZG befasst werden wird, und zwar entweder aufgrund einer Richtervorlage des BFH gem. Art. 100 Abs. 1 GG oder aufgrund einer Verfassungsbeschwerde, die sich unmittelbar gegen die Entscheidung des BFH und mittelbar gegen das SolZG richten könnte. Mit einer Richtervorlage ist allerdings aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des BFH nicht zu rechnen, so dass die Kläger des Ausgangsverfahrens voraussichtlich den Weg der Verfassungsbeschwerde einschlagen müssen, wenn sie eine Entscheidung des BVerfG zu der hier maßgeblichen Frage herbeiführen wollen".


Dieter Birk äußert sich anlässlich des Aussetzungs- und Vorlagebeschlusses des vorlegenden Finanzgerichts vom 25. November 2009 (Handelsblatt, online, Steuerboard vom 2. Juni 2010):


„Nehmen wir an, das Bundesverfassungsgericht entscheidet über die Vorlage des Finanzgerichts Niedersachsen im Jahre 2012, dann ist der Solidaritätszuschlag mehr als 17 Jahre erhoben worden; er ist zur Dauerabgabe, nämlich zu einer zusätzlichen Einkommen- und Körperschaftsteuer mutiert, was die Finanzverfassung nicht zulässt. Es läge auf der Linie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass es sich dieser Mutation entgegenstellt. Es wird dann vermutlich dem Gesetzgeber eine Frist setzen, innerhalb derer er sich entscheiden kann, ob er den Zuschlag aufheben oder ob er ihn dauerhaft in das Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz integrieren will, was ganz einfach zu einer Erhöhung der Steuersätze führen würde. Angesichts der Kassenlage braucht man nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, welche Alternative der Gesetzgeber wählen wird. Allerdings wird der Bund der Verlierer sein, denn das Aufkommen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer muss er sich mit den Ländern und Gemeinden teilen. Aber gerade das spricht ja dafür, den Zustand der Durchbrechung des von der Verfassung vorgesehenen Systems der regulären Ertragsverteilung nun endlich zu beenden"


(Hervorhebung auch im Original).


Auch Hans-Joachim Kanzler bespricht den Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 25. November 2009 (NWB Nr. 28 vom 12. Juli 2010, S. 2203, 2204):


„Allerdings hat der Erste Senat des BVerfG in seinem Beschluss vom 9.2.1972 - 1 BvL 16/69 (BStBl. 1972 II, S. 408) ausgeführt, einer Befristung der Ergänzungsabgabe ergebe sich nicht von vornherein aus dem Begriff der Ergänzungsabgabe in Art. 106 Abs. 1 Nr. 7 GG a.F. Freilich wurde seinerzeit die Befristung der Abgabe auf zwei Jahre diskutiert, während wir uns inzwischen ganze 15 Jahre des Solidaritätszuschlags erfreuen. Damals hielt das BVerfG auch das Auswechseln des Normzwecks für zulässig und geboten, wenn sich während des Laufs der Ergänzungsabgabe für den Bund neue Aufgaben ergeben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichen. Gebiete sich in diesem Fall die erneute Einführung der Ergänzungsabgabe, so sei damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden gerechtfertigt. Mit dieser Argumentation ließe sich der immerwährende Solidaritätszuschlag etablieren, der dann allenfalls Gegenstand veranlassungsbezogener Änderungen des Steuersatzes wäre. Dass eine solche Dauerergänzungsabgabe die finanzverfassungsrechtliche Ordnung verletzt, scheint mir offenkundig zu sein."


Tibor Schober (Stbg 2010, S. 389, 395) befasst sich ebenfalls mit dem Beschluss des vorlegenden Finanzgerichts vom 25. November 2009:


„Es wäre m.E. förderlich, wenn das BVerfG die alte richtige Linie fortsetzen und die Vorlage des FG Niedersachsen negativ bescheiden würde. Alles andere würde im Übrigen auch die Kompetenz des BVerfG übersteigen. Die Entscheidung für oder wider bestimmte Steuerarten ist primär eine politische Entscheidung.


Kyrill-A. Schwarz in v. Mangoldt/Klein, Kommentar zum GG, 6. Aufl. 2010, Art. 106 Rn. 49 hebt die Subsidiarität der Ergänzungsabgabe nach dem Grundgesetz hervor. Diese Voraussetzung würde von dem Solidaritätszuschlag erfüllt.


„Mit der Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 ist dem Bund eine subsidiäre Ertragskompetenz für den Fall eines anderweitig nicht behebbaren akuten Fehlbedarfs im Bundeshaushalt eingeräumt worden. Die Abgaben brauchen zeitlich nicht befristet zu sein, dürfen aber die den Ländern zustehende (Mit-)Ertragshoheit über die vorgenannten Steuern nicht aushöhlen. ... Wenn die Ergänzungsabgabe in erster Linie fiskalpolitische Zwecke verfolgt und sie der sofortigen Ausgabendeckung und der Finanzierung einer konkreten Bedarfsdeckungslücke des Bundes erhoben wird, so dürfte es von Verfassungswegen keinen Bedenken begegnen, wenn der Bund auch das Vorliegen einer entsprechenden Deckungslücke nachzuweisen hat. Problematisch ist allerdings, ob den Bund auch eine entsprechende Beobachtungspflicht trifft, ob die Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind. Hier ist zumindest zu berücksichtigen, dass die Erhebung von Steuern gerade nicht an einen bestimmten Verwendungszweck gebunden ist und vor diesem Hintergrund eine zu einem bestimmten Zweck erhobene Ergänzungsabgabe (Stichwort: ‚Aufbau Ost‛) nicht ihre Berechtigung durch einen Wechsel in der Zweckbestimmung verliert, solange nicht insgesamt die Einnahmeerzielung nicht mehr erforderlich wäre"


(Hervorhebungen auch im Original).


Dennis Hilgers und Isabelle Holly haben sich anlässlich der Vorlage vom 25. November 2009 mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags befasst (DB 2010, S. 1419) und gehen von dessen Verfassungskonformität aus:


„Da der Ertrag der Steuer gem. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG ausschließlich dem Bund zusteht, hat er die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz gem. Art. 105 Abs. 2 GG. Die Kompetenz ist auch nicht aufgrund der Annahme, dass der Charakter einer Ergänzungsabgabe nach den Vorstellungen des Verfassungsgebers einer dauerhaften Besteuerung entgegensteht, entfallen. Die Erhebungsdauer bis zum Vz. 2010 und darüber hinaus ist von dem erheblichen Gestaltungsspielraum, den der Gesetzgeber zur Erschließung der zahlreichen Steuerquellen hat, umfasst. Es obliegt seiner Einschätzung, welche staatlichen Zwecke er erfüllen möchte und wie er die Zwecke finanziert; eine gerichtliche Überprüfung ist insoweit nicht möglich. Grenzen ergeben sich lediglich dann, wenn eine Regelung evident unsachlich ist oder Grundrechte verletzt werden.


Der Gesetzgeber möchte mit dem SolZ vor allem die Abdeckung der im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung entstandenen finanziellen Belastungen erreichen. Weiter sollen die Erblastschulden der sozialistischen Herrschaft der DDR sowie die angemessene Verteilung der daraus resultierenden Kosten für die öffentlichen Haushalte erreicht werden. Zuletzt ist die allgemeine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ein vom Gesetzgeber genanntes Ziel. Die Aufzählung zeigt jedoch, dass die Ziele nicht abschließend genannt sind und damit auch weitere allgemeine finanzielle Mehrbelastungen beim Bund zur Rechtfertigung in Betracht kommen. Das Steueraufkommen aus dem SolZ ist somit nicht an einen bestimmten Verwendungszweck gebunden. Die sich aus diesem Mehrbedarf ergebende Bedarfspitze kann auch über einen Zeitraum von mehreren Jahren bestehen. Die Begründung zum Finanzverfassungsgesetz, auf die sich das FG Niedersachsen beruft, widerspricht dieser Auslegung nicht. Theoretisch wäre es sogar möglich, dass sich nach Einführung des SolZ weitere Aufgaben für den Bund stellen, die eine erneute Einführung eines SolZ rechtfertigen würden. Insoweit die Neueinführung möglich ist, kann auch die Weiterführung des bestehenden SolZ nicht beanstandet werden. Es handelt sich demnach nicht um ein unzulässiges Dauerfinanzierungsinstrument. ...


Es wird angeführt, dass eine Ergänzungsabgabe nur zur Deckung von "Bedarfspitzen in Haushalt", bei "Ausnahmelagen" und "in besonderen Notfällen" erhoben werden darf. Dies spreche für eine Notwendigkeit der Befristung. Diese Interpretation und Auslegung des Begriffs "Ergänzungsabgabe" ist nicht haltbar. Der Verfassungsgesetzgeber nannte in der Begründung zur Einführung der Ergänzungsabgabe zwar diese Formulierung, eine direkte Verknüpfung mit einem Befristungserfordernis ist jedoch nicht erfolgt und kann daraus auch nicht abgeleitet werden. ...


Der Zuschlagsatz ist mit 5,5 % so gering, dass im Vergleich zur ESt mit einem Steuersatz von 14 % bis 45 % (§ 32a Abs. 1 EStG) und einem KSt-Satz von 15 % (§ 23 Abs. 1 KStG) eine Aushöhlung nicht ersichtlich ist. Auch in Hinsicht auf das Steueraufkommen aus den gemeinschaftlichen Steuern (Schätzung für 2010 ca. 363 Mrd. €), den Bundessteuern (Schätzung für 2010 ca. 92 Mrd. €) und den Ländersteuern (Schätzung für 2010 ca. 12 Mrd. €) zeigt sich, dass die Einnahmen aus dem SolZ nicht in einem unangemessenen Verhältnis zu den Einnahmen aus den gemeinschaftlichen Steuern stehen.


Auch in der Zeit, zu der der SolZ erhoben wurde, haben in den vergangenen Jahren Steuerermäßigungen bei der EStG und KSt stattgefunden. Diese Tatsache widerspricht nicht den Vorstellungen des Verfassungsgesetzgebers. Solange beim Bund ein allgemeiner finanzieller Mehrbedarf besteht, der nicht anderweitig gedeckt werden kann, ist eine Ergänzungsabgabe gerechtfertigt. Die Steuersenkungen bei den Gemeinschaftssteuern würden zu einer Absenkung des Steueraufkommens von Bund und Ländern führen, möglicherweise ist dies aber nicht sinnvoll und konjunkturpolitisch nicht gewollt. Der erhebliche Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers hinsichtlich der Festlegung von Aufgaben und der Frage, wie diese finanziert werden, ist grds. der Nachprüfung des BVerfG entzogen. Ebenso wenig kann eine Überprüfung der Ausgabengestaltung erfolgen"


(Hervorhebungen auch im Original).


Dieter Birk befasst sich mit der Kammer-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2010 (2 BvL 3/10). Nach seiner Ansicht ist die dauerhafte Erhebung des Solidaritätszuschlags als Ergänzungsabgabe verfassungsrechtlich unzulässig (Handelsblatt, online, Steuerboard vom 29. September 2010):


„Man kann es förmlich spüren, wenn man die Entscheidung liest: Das Bundesverfassungsgericht empfand die Richtervorlage als Kampfansage. Es gehört sich nicht für ein Fachgericht, mit dem Bundesverfassungsgericht in einen argumentativen Streit zu treten. Auf ein solches Kräftemessen lässt sich das Bundesverfassungsgericht nicht ein und verweist mit kühler Schulter auf die Bindungswirkungen der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (§ 31 BVerfGG). Dennoch hätte man sich - bei allem Verständnis für die Position des höchsten Gerichts - im Interesse des Steuerbürgers ein paar inhaltliche Aussagen gewünscht. Historisch betrachtet knüpft die Ergänzungsabgabe an die Zuschläge zur Einkommen- und Körperschaftsteuer an, die das Deutsche Reich zur Sanierung des Reichshaushalts erhoben hatte. Die Zuschläge waren damals befristet auf ein Jahr, so dass sie nach Ablauf eines Jahres erneut festgesetzt werden mussten. Bei der Einführung der Ergänzungsabgabe in das Grundgesetz 1954/55 wurde eine ausdrückliche Befristung der Ergänzungsabgabe nicht vorgesehen. In der Begründung wird nur angeführt, dass sie dazu bestimmt sei, anderweitig nicht auszugleichende Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt zu decken (BT-Drs. 2/480, S. 72 Nr. 105). Aus dem eindeutig nachweisbaren Ausnahmecharakter ergibt sich aber, dass sie nach dem Willen des Verfassungsgebers jedenfalls nicht unbegrenzt erhoben werden sollte. Der Verzicht auf die Notwendigkeit einer Befristung sollte den Ausnahmecharakter nicht aufheben. Denn eine dauerhaft etablierte Ergänzungsabgabe, die zusätzlich zur Einkommensteuer erhoben wird, ist nicht nur ein Störfaktor im System des Finanzausgleichs, sondern verschleiert auch die effektive Tarifbelastung, die die Einkommensteuer auslöst. .... Das spricht dafür, dass die Zeit für die Erhebung einer Ergänzungsabgabe, und damit auch des Solidaritätszuschlags, irgendwann mal auslaufen muss".


Vgl. auch Dieter Birk in FR 2010, S. 1002:


„Dass der Solidaritätszuschlag nicht zu einer zusätzlichen dauerhaft erhobenen Einkommensteuer mutieren darf, zählte für mich immer zum gesicherten Verfassungsverständnis."


Auch Johannes R. Nebe (NWB Nr. 40/2010, S. 3161) kritisiert die Kammer-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2010 (2 BvL 3/10):


„Eine inhaltliche verfassungsrechtliche Entscheidung des BVerfG hätte gerade angesichts der sehr ausführlich und überzeugend begründeten Vorlage des FG Niedersachsen v. 25.11.2009 nicht nur die erforderliche Klärung für den Rechtsverkehr und die Rechtsfortbildung bringen (vgl. auch Kanzler, NWB 28/2010 S. 2203), sondern auch zum Rechtsfrieden beitragen können. Das Aufstellen sehr formaler Zulässigkeitsanforderungen an einen Normenkontrollantrag und das eher pauschale Verweisen auf Ergebnisse einer fast vierzig Jahre alten, unter anderen Verhältnissen zustande gekommenen Entscheidung v. 9.2.1972 - 1 BvL 16/69 wird den vielfältigen aktuellen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten im Zusammenhang mit dem SolZG 1995 und den berechtigten Erwartungen der Steuerpflichtigen auf eine verfassungsrechtliche Klärung kaum gerecht."


Jürgen W. Hidien und Thomas C. St. Tehler befassen sich grundsätzlich mit der Ergänzungsfunktion der Abgabe (StBW vom 29. Oktober 2010, S. 993, 994):


„Und weiterhin: Die Ergänzungsabgabe soll die Vorrangigkeit der ESt und KSt für die Finanzierung des öffentlichen Haushalts auch dann sicherstellen, wenn sich ein ausschließlicher Mehrbedarf des Bundes ergibt, für dessen Deckung die Erhöhung der ESt und KSt keine befriedigende Lösung darstellt (vgl. BVerfGE vom 9.2.1972 - 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333 [341]) und eine zusätzliche Anhebung der der Verbrauchsteuer unerlässlich ist.


Diesen Ansatz verfolgte auch das Niedersächsische FG, wenn es vom Ausnahmecharakter der Ergänzungsabgabe spricht. Diese Funktionsbeschreibungen haben sich allerdings bislang nicht in konkreten Rechtsvorgaben an den Steuergesetzgeber niedergeschlagen. Offenbar wollte auch das BVerfG in diese ‚fundierte Prüfung‘ nicht einsteigen und hat die Frage der finanzverfassungsrechtlichen Relevanz von Steuersenkungen offen gelassen. Steuersenkungen zu Lasten des Bundes indizieren den Wegfall des Mehrbedarfs des Bundes und stellen die Legitimation der Ergänzungsabgabe infrage. Umgekehrt stellt sich die gleiche Frage bei der Erhöhung der Steuerlast zur Sanierung aller öffentlichen Haushalte. Hiervon war das BVerfG - im Gegensatz zum FG - für die Zeit der Finanz- und Steuerpolitik ab 2000 ausgegangen. Solche Steuererhöhungen indizieren aber einen noch erhöhten Finanzbedarf aufseiten des Bundes und der Länder, der nicht mehr durch eine Ergänzungsabgabe gedeckt werden kann"


(Hervorhebungen auch im Original).


Helmut Siekmann in Sachs, Kommentar zum GG, 6. Auflage 2011, Art. 106 Anm. 7 (ähnlich die Vorauflagen):


„Ergänzungsabgaben nach Nr. 6 sind akzessorisch zu den auf Dauer angelegten Einkommen- und Körperschaftsteuern. Sie dürfen nicht zur Aushöhlung dieser Steuern führen, die Gemeinschaftssteuern (Abs. 3 S. 1) sind. Sie brauchen aber nicht zeitlich befristet zu sein. Der seit dem 1.1.1995 erhobene Solidaritätszuschlag zur Finanzierung der deutschen Einheit ... entspricht diesen Anforderungen wohl noch."


Markus Heintzen in v. Münch/Kunig, Kommentar zum GG, 2011, 6. Aufl., Art. 106 Rn. 21 versteht die Ergänzungsabgabe als ein subsidiäres Finanzierungsmittel:


„Die Ergänzungsabgabe ist als subsidiäres Finanzierungsmittel zur Deckung eines zusätzlichen konkreten Finanzbedarfs des Bundes, nicht als konjunkturpolitisches Instrument, konzipiert, auch nicht als Instrument zur Finanzierung einer Daueraufgabe, wie der Finanzierung von Bildungseinrichtungen durch eine Vermögensabgabe der ‚Besserverdienenden‘. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 enthält in dem Wortteil ‚Ergänzung-‘ Zulässigkeitsvoraussetzungen für diese Abgabe. Unzulässig ist weiter die Aushöhlung von Einkommen- und Körperschaftsteuer und die Umgehung der Länderbeteiligung an diesen Steuern; daraus folgt, dass die Ergänzungsabgabe nur einen kleinen Prozentsatz der Einkommen- und Körperschaftsteuer ausmachen darf, wobei die Grenze mit 5,5 % nicht überschritten ist; von Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 nicht geboten ist eine Befristung oder ein gesetzlicher Evaluierungsvorbehalt."


Speziell zum Solidaritätszuschlag führt er ferner aus:


„Mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Wiedervereinigung wächst aber die Rechtfertigungslast. Spätestens ab dem Auslaufen des Solidarpaktes II, dieses Datum nennt in anderem Zusammenhang auch Art. 143c, dürfte seine Beibehaltung nicht mehr möglich sein."


Bernd Gottwald verdeutlich in seiner Abhandlung "Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags" in NWB Nr. 43 vom 24. Oktober 2011, S. 3595, dass die Bemessung des Solidaritätszuschlags gemäß § 3 SolZG 1995 zum einen zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung zwischen gewerblichen und sonstigen Einkünften sowie zum zweiten zwischen ausländischen und inländischen Einkünften führt.


„Balke weist in seinem Beitrag zu Recht darauf hin, dass die Finanzverwaltung den Solidaritätszuschlag ‚verfassungswidrig‘ ungleich erhebt. Dies führt der Autor insbesondere auf die Benachteiligung von Arbeitnehmern und Freiberuflern gegenüber Gewerbetreibenden zurück. Die Benachteiligung ist darauf zurückzuführen, dass sich die Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG als Steuerermäßigung mindernd auf die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag auswirkt. Auch die Steuerermäßigung des § 34c EStG, wonach unter bestimmten Voraussetzungen ausländische Steuern auf die Steuerfestsetzung im Inland anzurechnen sind, führt dazu, dass im Inland steuerpflichtige ausländische Einkünfte gar nicht bzw. nur teilweise in die Bemessungsgrundlage für die Festsetzung des Solidaritätszuschlags einfließen. Vergleichbare inländische Einkünfte werden hingegen nicht in ähnlicher Weise begünstigt. ...


Die einseitige Begünstigung von ausländischen Einkommen mit anrechenbarer Steuer nach § 34c EStG gegenüber inländischen Einkommen widerspricht dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, dem der Gesetzgeber mit dem Solidaritätszuschlag Rechnung tragen wollte. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist ein Grundprinzip der Besteuerung und als solches Ausfluss des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 GG."


Michael Balke stellt in seiner Besprechung der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 10. August 2011, I R 39/10 die mit der Erhebung des Solidaritätszuschlags verbundene Ungleichbehandlung von gewerblichen gegenüber sonstigen sowie von ausländischen gegenüber inländischen Einkünften dar (FR 2012, S. 268; vgl. auch Balke, NWB Nr. 41 vom 10. Oktober 2011, S. 3474):


„Es ist höchste Zeit, die verfassungswidrige Erhebung des ‚ungleichen Dauer-Solis‘ zu beenden. Insbesondere Freiberufler und Arbeitnehmer ohne ausländische Einkünfte werden durch das Solidaritätszuschlaggesetz diskriminiert, und zwar durch die Privilegierung gewerblicher und ausländischer Einkünfte bei der Erhebung des Solidaritätszuschlags. Obwohl die Diskriminierung sehr vieler Steuerpflichtiger über Jahre milliardenschwer ist, hat dies bislang kaum jemand bemerkt."


Friedrich Loschelder in Schmidt, Kommentar zum EStG, 32. Auflage 2013, § 51a Anm. 4, zeigt sich von der Kammer-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2010 erstaunt:


„...erstaunlicherweise wurde die sorgfältig begründete Vorlage des FG Nds EFG 10, 1071 durch Kammerbeschluss als unzulässig behandelt".


II. Rechtsauffassung des vorlegenden Finanzgerichts: Das SolZG 1995 ist verfassungswidrig


Da das vorlegende Finanzgericht von der Verfassungswidrigkeit des SolZG 1995 überzeugt ist, ist die Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG geboten.


1. Das SolZG 1995 verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG


a) Die Bestimmung der Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags gemäß § 3 SolZG 1995 verstößt gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie in Verbindung mit § 35 EStG von den nach verfassungsrechtlichen Vorgaben insoweit gleich zu behandelnden Gruppen der gewerbliche Einkünfte und der nichtgewerblichen Einkünfte nur gewerbliche Einkünfte bzw. in Verbindung mit § 34c EStG sowie § 26 KStG von den insoweit gleich zu behandelnden ausländischen und inländischen Einkünften nur ausländische Einkünfte durch eine Reduzierung der Bemessungsgrundlage von dem Solidaritätszuschlag teilweise entlastet. Für diese Ungleichbehandlung fehlen hinreichend tragfähige Rechtfertigungsgründe.


Das allgemeine Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln und wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 180, DStR 2006, S. 1316; vom 7. November 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1, 30, DStR 2007, S. 235; vom 15. Januar 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, S. 1, 29, DStRE 2008, S. 1003; vom 21. Juli 2010, 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, S. 400, 416, DStR 2010, S. 1721; vom 7. Februar 2012, 1 BvL 14/07, BVerfGE 130, S. 240, 252 f., NJW 2012, S. 1711; vom 19. Juni 2012, 2 BvR 1397/09, FamRZ 2012, S. 1472; vom 18. Juli 2012, 1 BvL 16/11, NJW 2012, S. 2722; vom 7. Mai 2013 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, 2 BvR 909/06, Rn. 73 ff., juris). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 9. Dezember 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08 , BVerfGE 122, S. 210, 230, DStR 2008, S. 2460; vom 17. November 2009, 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, S. 1, 17, DStR 2010, S. 434; vom 7. Februar 2012, 1 BvL 14/07, BVerfGE 130, S. 240, 252 f., NJW 2012, S. 1711; vom 7. Mai 2013 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, 2 BvR 909/06, Rn. 73 ff., juris). Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 21. Juli 2010, 1 BvR 611/07, 1 BvR 2467/07, BVerfGE 126, S. 400, 416; vom 7. Juli 2009, 1 BvR 1164/07, BVerfGE 124, S. 199, 218, NJW 2010, S. 1439; vom 19. Juni 2012, 2 BvR 1397/09, FamRZ 2012, S. 1472; Beschluss vom 18. Juli 2012, 1 BvL 16/11, NJW 2012, S. 2722).


Aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 15. Januar 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, S. 1, 29, DStRE 2008, 1003; vom 14. Oktober 2008, 1 BvR 2310/06, BVerfGE 122, S. 39, 52, NJW 2009, S. 209; vom 17. November 2009, 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, S. 1, 17, DStR 2010, S. 434; vom 7. Februar 2012, 1 BvL 14/07, BVerfGE 130, S. 240, 253, NJW 2012, S. 1711; Beschluss vom 18. Juli 2012, 1 BvL 16/11, NJW 2012, S. 2722; vom 7. Mai 2013 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, 2 BvR 909/06, Rn. 75, juris). Der Grundsatz der gleichen Zuteilung steuerlicher Lasten (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, S. 1, 44, DStRE 2008, 1003; vom 17. November 2009, 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, S. 1, 17 f., DStR 2010, S. 434) verlangt eine gesetzliche Ausstattung der Steuer, die den Steuergegenstand in den Blick nimmt und mit Rücksicht darauf eine gleichheitsgerechte Besteuerung des Steuerschuldners sicherstellt. Die Besteuerung nach der (wirtschaftlichen) Leistungsfähigkeit ist ein grundsätzliches Gebot der Steuergerechtigkeit. Dies gilt insbesondere für die Einkommensteuer (BVerfG-Beschluss vom 23. November 1976, 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, S. 108, 120, DStR 1977, 51 m. w. N.; Urteil vom 3. November 1982, 1 BvR 620/78, 1 BvR 1335/78, 1 BvR 1104/79, 1 BvR 363/80, BVerfGE 61, S. 319, 343 f.; Beschlüsse vom 29. Mai 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, S. 60, 86, BStBl. II 1990, S. 653; vom 7. November 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1, 30, DStR 2007, S. 235). Denn das moderne Einkommensteuerrecht ist auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt (BVerfG-Beschlüsse vom 17. Januar 1957, 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, S. 55, 67, NJW 1957, 417; vom 14. April 1959, 1 BvL 23/57, 1 BvL 34/57, BVerfGE 9, S. 237, 243; Urteil vom 24. Januar 1962, 1 BvL 32/57, BVerfGE 13, S. 290, 297, NJW 1962, 437; Beschlüsse vom 3. April 1962, 1 BvL 35/57, BVerfGE 14, S. 34, 41; vom 2. Oktober 1969, 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, S. 58, 64; vom 9. Februar 1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, S. 333, 339, BStBl. II 1972, S. 408; vom 2. Oktober 1973, 1 BvR 345/73, BVerfGE 36, S. 66, 72, BStBl. II 1973, S. 878; vom 11. Oktober 1977, 1 BvR 343/73, 1 BvR 83/74, 1 BvR 183/75, 1 BvR 428/75, BVerfGE 47, S. 1, 29, BStBl. II 1978, S. 174). Der Gesetzgeber hat es als „das Prinzip der Steuergerechtigkeit" bezeichnet, wonach jeder Bürger „nach Maßgabe seiner finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mit Steuern zu belasten" ist (BT-Drs. 7/1470 vom 9. Januar 1974, S. 211 f.). Der Solidaritätszuschlag unterliegt als Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer dem gleichen verfassungsrechtlichen Maßstab wie die Einkommensteuer selbst. Dies ergibt sich aus der in Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG angelegten Akzessorietät der Ergänzungsabgabe (vgl. BVerfG-Beschluss vom 9. Februar 1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, S. 333, 340, BStBl. II 1972, S. 408, vgl. auch BT-Drs. 12/4401 vom 4. März 1993, S. 5).


Das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit wie das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzen die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (BVerfG-Urteil vom 6. März 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, S. 73, 125, BStBl. II 2002, S. 618; Beschlüsse vom 4. Dezember 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, S. 27, 46, DStR 2003, S. 633; vom 8. Juni 2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, S. 412, 433; vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 180, DStR 2006, S. 1316; vom 7. November 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1, 30, DStR 2007, S. 235; vom 21. Juli 2010, 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, S. 400, 416 f., DStR 2010, S. 1721; Beschluss vom 18. Juli 2012, 1 BvL 16/11, NJW 2012, S. 2722). Im Interesse der verfassungsrechtlich gebotenen steuerlichen Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Besteuerung niedrigerer Einkommen angemessen ausgestaltet werden muss (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 4. Dezember 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, S. 27, 47, DStR 2003, S. 633; vom 16. März 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, S. 268, 279, DStR 2005, S. 958 jeweils mit weiteren Nachweisen; vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 180, DStR 2006, S. 1316). Ausnahmen von dem geltenden Gebot gleicher Besteuerung bei gleicher finanzieller Leistungsfähigkeit bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 30. September 1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, S. 88, 95, DStR 1998, S. 1743; vom 11. November 1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, S. 280, 290, BStBl. II 1999, S. 502; Urteil vom 6. März 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, S. 73, 126, BStBl. II 2002, S. 618; Beschlüsse vom 4. Dezember 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, S. 27, 47, BStBl. II 2003, S. 534; vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 180 f., DStR 2006, S. 1316; vom 7. November 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1, 31, DStR 2007, S. 235; vom 15. Januar 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, S. 1, 45, DStRE 2008, S. 1003; vom 17. November 2009, 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, S. 1, 17 f., DStR 2010, S. 434; vom 21. Juli 2010, 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, S. 400, 416 f., DStR 2010, S. 1721; Beschluss vom 18. Juli 2012, 1 BvL 16/11, NJW 2012, S. 2722).


Eine sachliche Rechtfertigung kann insbesondere durch ein nichtfiskalisches Förderungs- oder Lenkungsziel aus Gründen des Allgemeinwohls (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 22. Juni 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121, 147, BStBl. II 1995, S. 655; vom 11. November 1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, S. 280, 296, BStBl. II 1999, S. 502; Urteil vom 6. März 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, S. 73, 112, BStBl. II 2002, S. 618; Beschluss vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 182, DStR 2006, S. 1316; vom 7. November 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1, 31, DStR 2007, S. 235), durch Vereinfachungs- und Typisierungszwecke (BVerfG-Beschlüsse vom 8. Oktober 1991, 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, S. 348, 359, NJW 1992, S. 423 mit weiteren Nachweisen; vom 11. November 1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, S. 280, 290, BStBl. II 1999, S. 502; Urteil vom 6. März 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, S. 73, 127, BStBl. II 2002, S. 618; Beschlüsse vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 182 f., DStR 2006, S. 1316; vom 7. November 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1, 31, DStR 2007, S. 235) oder eine beabsichtigte Kompensation von Vor- und Nachteilen (Johanna Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl. 2013, § 3 Rn. 129 mit weiteren Nachweisen) erfolgen.


b) Unter Anwendung dieses Maßstabs verstößt § 3 SolZG 1995 gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, soweit bei der Bemessung des Solidaritätszuschlags für gewerbliche Einkünfte im Unterschied zu nichtgewerblichen Einkünften die gemäß § 35 EStG um die Gewerbesteuer ermäßigte Einkommensteuer zugrunde gelegt wird.


Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags bilden nach § 3 Abs. 1 SolZG 1995 die Einkommen-, Körperschaft-, Lohn- und Kapitalertragsteuer. In § 3 Abs. 2 bis 5 SolZG 1995 sind Abweichungen der Bemessungsgrundlage von den entsprechend festgesetzten Steuern bzw. Mindestbeträge der Bemessungsgrundlagen für die Solidaritätszuschlagsteuererhebung vorgesehen. So bildet nach Absatz 2 die Bemessungsgrundlage bei der Veranlagung zur Einkommensteuer die Einkommensteuer, die abweichend von § 2 Abs. 6 EStG unter Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG in allen Fällen des § 32 EStG festzusetzen wäre. Durch Absatz 2a wird die Berücksichtigung der Kinderfreibeträge gewährleistet.


§ 3 SolZG 1995 geht als spezielle Regelung in Bezug auf den Solidaritätszuschlag der generellen Norm des § 51a EStG vor (vgl. Hartmut Pust in Littmann/Bitz/Pust, Kommentar zum EStG, Loseblatt Stand September 2013, § 51a Rn. 102). § 51a EStG enthält eine allgemeine Regelung für die Festsetzung und Erhebung von Zuschlagsteuern. Nach § 51a Abs. 1 EStG finden auf die Festsetzung und die Erhebung von Zuschlagsteuern die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes entsprechend Anwendung. Die Bemessungsgrundlage wird in Absatz 2 definiert. Im Gegensatz zu § 3 SolZG 1995 wird hierbei gemäß § 51a Abs. 2 Satz 3 EStG die Anwendbarkeit der Einkommensteuerermäßigung nach § 35 EStG ausdrücklich ausgenommen.


§ 35 EStG führt zu einer Ermäßigung der Einkommensteuer bei Einkünften aus Gewerbebetrieben. Die Ermäßigung beläuft sich nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bei Einkünften aus gewerblichen Unternehmen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in der für das Streitjahr 2007 geltenden Fassung pauschal auf das 1,8-fache des Gewerbesteuermessbetrags, der gemäß § 14 GewStG für den dem Veranlagungszeitraum entsprechenden Erhebungszeitraum festgesetzt worden ist. Bei Einkünften aus Gewerbebetrieben als Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG oder als persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG gilt nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG Entsprechendes bezogen auf den jeweiligen Anteil der Mitunternehmerschaft.


Mit der durch das Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (BGBl. 2000, S. 1433) eingeführten Steuerermäßigung nach § 35 EStG sollten Einzelunternehmen und Personengesellschaften von der Gewerbesteuer entlastet und gewerbliche Einkünfte mit denen aus sonstiger selbständiger Arbeit gleichgestellt werden.


„Bei der Entscheidung über die Ausgestaltung der Reform wird auch hier das Ziel verfolgt, ...


- eine gleichwertige Entlastung von Personengesellschaften und Einzelunternehmen einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits zu erreichen (Belastungsneutralität) und ...


Unter diesen Voraussetzungen besteht die geeignete Lösung darin, das von der Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung vorgeschlagene Modell der Option zur Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft zu verbinden mit der Einführung einer Ermäßigung der Einkommensteuer um die Gewerbesteuer. Alle Unternehmen, die Einkünfte aus Gewerbebetrieben erzielen und der Gewerbesteuer unterliegen, werden durch eine Ermäßigung der Einkommensteuer um die Gewerbesteuer entlastet. ...


Bei der Ermäßigung der Einkommensteuer um die Gewerbesteuer wird die Einkommensteuer des Unternehmers durch eine pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer gemindert. Die Einkommensteuerermäßigung wird in Höhe des Zweifachen des Gewerbesteuermessbetrags gewährt. Die Gewerbesteuer bleibt weiterhin als Betriebsausgabe abzugsfähig. Dies bewirkt, dass - bei einem Hebesatz von 400 v. H. - der Unternehmer im Ergebnis durch die Anrechnung der Gewerbesteuer und den Betriebsausgabenabzug wirtschaftlich regelmäßig in vollem Umfang von der Gewerbesteuer entlastet wird."


(BT-Drs. 14/2683 vom 15. Februar 2000, S. 97).


Eine über den Abbau der Belastung der Gewerbebetriebe durch die Gewerbesteuer hinausgehende Entlastung derselben gegenüber sonstigen Einkommensteuerpflichtigen wurde mit der Gesetzesnovelle nicht verfolgt.


„Die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer im Rahmen der Einkommensteuerermittlung führt im Ergebnis dazu, dass die Unternehmen in der Regel keine Gewerbesteuerbelastung trifft. Diese Entlastung ist geboten, um eine Sonderbelastung für die gewerblichen Unternehmen im Ergebnis zu vermeiden."


(BT-Drs. 14/3762 vom 4. Juli 2000, S. 4).


Eine zusätzliche Entlastung der Gewerbetreibenden im Sinne des § 15 Abs. 1 EStG tritt allerdings gegenüber den sonstigen Einkommensteuerpflichtigen hinsichtlich des Solidaritätszuschlags ein, da insoweit dessen Bemessungsgrundlage nach § 3 SolZG 1995 die gemäß § 35 EStG ermäßigte Einkommensteuer ist. Durch diese Berücksichtigung tragen Gewerbetreibende bei gleicher finanzieller Leistungsfähigkeit im Rahmen des Solidaritätszuschlags eine geringere steuerliche Last. Ein besonderer sachlicher Grund für die Differenzierung zwischen gewerblichen und nichtgewerblichen Einkünften bei der Bemessung des Solidaritätszuschlags besteht nicht. Insbesondere werden durch die Zugrundelegung der nach § 35 EStG ermäßigten Einkommensteuer keine besonderen von den Gewerbetreibenden zu tragenden Lasten kompensiert.


Eine Begünstigung der gewerblichen Einkünfte bei der Erhebung des Solidaritätszuschlags gegenüber nichtgewerblichen Einkünften ist vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt worden. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll die Belastung aller Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit erfolgen.


„Dies ist auch unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit der richtige Lösungsweg. Der Zuschlag ohne Einkommensgrenzen belastet alle Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit."


(BT-Drs. 12/4401 vom 4. März 1993, S. 51).


Der Gesetzgeber hat auch mit der dem § 51a EStG seit dem Veranlagungszeitraum 2001 vorgehenden Regelung des § 3 SolZG 1995 keine von diesem inhaltlich abweichende Regelung schaffen wollen.


„Durch die Änderung des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 wird sichergestellt, dass die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag, der eine zusätzliche Ertragsbesteuerung darstellt, weiterhin an die Einkommensteuer anknüpft. Die Regelungen über die Festsetzung und Erhebung der Zuschlagsteuern werden zur besseren Verständlichkeit für den Rechtsanwender aus § 51a EStG in das Solidaritätszuschlaggesetz aufgenommen."


(BT-Drs. 14/3762 vom 4. Juli 2000, S. 4).


Aufgrund der für den Solidaritätszuschlag vorrangigen Regelung des § 3 SolZG 1995 gelangt § 51a EStG gemäß Abs. 6 der Vorschrift in Verbindung mit den jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen lediglich auf die Bemessung der Kirchensteuer zur Anwendung.


„Die Steuerermäßigung nach § 35 EStG mindert die Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags (§ 3 Abs. 2 SolZG), nicht aber die Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer (§ 51a Abs. 2 Satz 3 EStG i.V.m. den jeweiligen Kirchensteuergesetzen)."


(BStBl. I 2009, S. 440, 441).


Insoweit finden sich in der Fachliteratur Stimmen, welche die Bestimmung des § 51a Abs. 2 Satz 3 EStG als notwendige Voraussetzung zur Realisierung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG ansehen.


So Jens Petersen in Kirchhof/Söhne/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, Loseblatt Stand April 2010, § 51a Rn. C 55 mit weiteren Nachweisen:


„Würde die Anrechnung des Gewerbesteuer-Messbetrags - wie bei der Einkommensteuer - auch bei der Kirchensteuer berücksichtigt, wäre die Kirchensteuerbelastung bei gewerblichen Einkünften erheblich niedriger. Dies wäre mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot nicht vereinbar."


Auch Hartmut Pust in Littmann/Bitz/Pust, Kommentar zum EStG, Loseblatt Stand September 2013, § 51a Rn. 103 mit weiteren Nachweisen, geht davon aus, dass die Einbeziehung der Gewerbesteuerermäßigung nach § 35 EStG bei der Bemessung der Kirchensteuer eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG begründen würde.


„Da die Kirchensteuer alle kistpfl Personen ohne Rücksicht darauf belastet, in welcher Einkunftsart die Einkünfte angefallen sind, würde es einen Verstoß gegen Art 3 GG beinhalten, falls die Bemessungsgrundlage für die KiSt ausschließlich für die Bezieher von Einkünften aus Gewerbebetrieb vermindert würden. ... Aus diesem Grunde findet § 35 EStG für die Zuschlagsteuern zutreffend keine Anwendung."


Die Kirchen haben bereits in ihrer gemeinsamen Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Kommissariats der deutschen Bischöfe zum Entwurf des Steuersenkungsgesetz vom 16. März 2000, abgedruckt in der Zusammenstellung der Stellungnahmen zur öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss zum Entwurf eines Steuersenkungsgesetzes und damit zusammenhängender Vorlagen vom 22. bis zum 23. März 2000, Finanzausschuss - Sekretariat - vom 17. Februar 2000, S. 599 f. auf die Verfassungswidrigkeit der Berücksichtigung der um den Gewerbesteuerabzug ermäßigten Einkommensteuer hingewiesen:


„Für die Kirchensteuer ist der vorgesehene Abzug des Gewerbesteuermessbetrags von der tariflichen Einkommensteuer ebenfalls systemfremd. Damit ergibt sich eine verfassungswidrige Aushöhlung des Besteuerungsrechts der Kirchen. Sie können einen Teil ihrer Mitglieder nicht mehr nach ihrer Leistungsfähigkeit besteuern. Gleichbehandlung und Steuergerechtigkeit sind verletzt."


Dass sich das gleiche Problem auch in Bezug auf den Solidaritätszuschlag stellt, wird überwiegend nicht erkannt. So findet sich im Anschluss der Behandlung des vorliegenden Problems im Zusammenhang mit der Kirchensteuer bei Jens Petersen, in Kirchhof/Söhne/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, Loseblatt Stand April 2010, § 51a Rn. C 57 lediglich die Aussage:


„Für den Solidaritätszuschlag gilt dies jedoch nicht."


In gleicher Weise verfährt Hartmut Pust in Littmann/Bitz/Pust, Kommentar zum EStG, Loseblatt Stand September 2013, § 51a Rn. 103 am Ende.


Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 21. Juli 2011, II R 50/09, II R 52/10, BFH/NV 2011, S. 1685, BFHE 234, S. 250, 259, keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG feststellen können.


„Der Gleichheitssatz wird auch nicht dadurch verletzt, dass sich bei steuerpflichtigen Einzelunternehmern oder Mitunternehmern, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielen, nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 SolZG i.V.m. § 2 Abs. 6 Satz 1 EStG die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag im Hinblick auf die Gewerbesteuerbelastung durch die Steuerermäßigung nach § 35 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2007 geltenden Fassung (EStG 2007) mindert, während u.a. die Klägerin als Kapitalgesellschaft eine solche Steuerermäßigung nicht beanspruchen kann."


Der Bundesfinanzhof anerkennt in dieser Entscheidung zwar eine unterschiedliche Behandlung zwischen gewerblichen Einkünften gegenüber dem Einkommen einer Kapitalgesellschaft, diese Ungleichbehandlung sei aber durch das mit der Einführung der Steuerermäßigung verfolgte Ziel der Entlastung von Personengesellschaften und Einzelunternehmen gerechtfertigt (vgl. BFH, Urteil vom 21. Juli 2011, II R 50/09, II R 52/10, BFH/NV 2011, S. 1685, BFHE 234, S. 250, 259).


Hierzu verweist der Bundesfinanzhof unter Bezugnahme auf die Begründung des Entwurfs des Steuersenkungsgesetzes (BT-Drs. 14/2683 vom 15. Februar 2000, insbesondere S. 97) auf die mit diesem Gesetz verfolgten Ziele. Diese bestehen in der Entlastung von Einzelunternehmern und Personengesellschaften von der Gewerbesteuer, um damit im Ergebnis gewerbliche Einkünfte mit solchen aus sonstiger selbständiger Arbeit gleichzustellen. Zudem sollte durch die Steuerermäßigung eine im Verhältnis zu den Kapitalgesellschaften gleichwertige Entlastung für Personengesellschaften und Einzelunternehmen geschaffen werden. Daneben sollte durch die Steuerermäßigung nach § 35 EStG der Weg für eine rechtsformneutrale Besteuerung geebnet werden. Ferner führt das Gericht ohne Benennung eines Quellennachweises aus:


„Da das Einkommen einer Kapitalgesellschaft nur mit Körperschaftsteuer in Höhe von 25 % belastet wurde, war es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht erforderlich, Kapitalgesellschaften neben dem Abzug der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe auch eine mit § 35 EStG vergleichbare Steuerermäßigung einzuräumen. Bei Kapitalgesellschaften ist die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag bereits wegen des geltenden Körperschaftsteuersatzes niedrig."


(BFH, Urteil vom 21. Juli 2011, II R 50/09, II R 52/10, BFH/NV 2011, S. 1685, BFHE 234, S. 250, 260 f.).


Diese Argumentation setzte der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 21. Juli 2011, II R 50/09, II R 52/10, BFH/NV 2011, S. 1685, BFHE 234, S. 250, 260, fort.


„Die Minderung der Einkommensteuer durch eine pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer in Form einer Steuerermäßigung wurde im Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (BGBl. I 2000, 1433, BStBl. I 2000, 1428) eingeführt, um Einzelunternehmen und Personengesellschaften von der Gewerbesteuer zu entlasten und damit im Ergebnis gewerbliche Einkünfte mit solchen aus selbständiger Arbeit gleichzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 2006 X R 25/04, BFHE 215, 176, BStBl. II 2007, 694; Gosch in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 35 Rz 1). Zudem sollten durch die Steuerermäßigung, da für Kapitalgesellschaften der Körperschaftsteuersatz ab 2001 auf 25 % abgesenkt wurde, die Personengesellschaften und Einzelunternehmen gleichwertig entlastet werden (BTDrucks 14/2683, S. 97)."


Die durch die Steuerermäßigung des § 35 EStG bewirkte Ungleichbehandlung von gewerblichen Einkünften gegenüber anderen Einkunftsarten sei danach durch die Kompensation der Zusatzbelastung aufgrund der Gewerbesteuer und durch das mit dem Steuersenkungsgesetz verfolgte Ziel der Entlastung von Personengesellschaften und Einzelunternehmen gerechtfertigt. Weiter führt das Gericht aus:


„Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Minderung der Einkommensteuer, sondern auch hinsichtlich der daran anknüpfenden Minderung der Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag. Durch die Ermäßigung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags erhalten die gewerblichen Unternehmer/Mitunternehmer einen Ausgleich dafür, dass wegen ihres Gewerbebetriebs Gewerbesteuer erhoben wird und damit ihre Einkünfte bereits durch eine Steuer belastet sind. Die Entlastung war geboten, um eine Sonderbelastung für die gewerblichen Unternehmen im Ergebnis zu vermeiden (BTDrucks 14/3762, S. 4). Dagegen wurde durch die Einfügung des § 51a Abs. 2 Satz 3 EStG (vgl. Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung der Bemessungsgrundlage für Zuschlagsteuern vom 21. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1978, BStBl. I 2001, 38) insbesondere für die Kirchensteuer die Möglichkeit geschaffen, bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nicht anzuwenden, um Kirchensteuerausfälle aufgrund der Gewerbesteueranrechnung zu vermeiden (vgl. BTDrucks 14/3762, S. 1). Da die Kirchensteuer selbst nicht zu einer Sonderbelastung für gewerbliche Unternehmen führt, sollte die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nicht die Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer mindern (BTDrucks 14/3762, S. 4). Dies spricht auch dafür, dass der Gesetzgeber die Entlastung der gewerblichen Unternehmer aufgrund der Ermäßigung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags als ausreichend angesehen hat."


(BFH, Urteil vom 21. Juli 2011, II R 50/09, BFH/NV 2011, S. 1685).


Die Argumentation des Bundesfinanzhofs in den genannten Entscheidungen zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zwischen gewerblichen Einkünften und sonstigen Einkünften hinsichtlich der Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags hält einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand.


Soweit eine Einkommensteuerermäßigung um die (pauschalierte) Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG erfolgt, rechtfertigt sich diese einkommensteuerrechtliche Ungleichbehandlung gegenüber sonstigen Einkünften aus der besonderen Belastung der gewerblichen Einkünfte durch die Gewerbesteuer. Die Kompensation einer Zusatzbelastung durch die Gewerbesteuer bildet einen hinreichenden Grund für die Ungleichbehandlung, soweit die bei der Einkommensteuer begünstigten Einkünfte zugleich mit der Gewerbesteuer belastet sind und durch die Entlastung bei der Einkommensteuer keine Überkompensation entsteht (BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 184, DStR 2006, S. 1316). Eine Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung kann im Wege der Kompensation von Vor- und Nachteilen erfolgen, wenn diese in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang stehen und nicht zufällig zusammentreffen (Johanna Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl. 2013, § 3 Rz. 129 mit weiteren Nachweisen).


Soweit sich jedoch in Folge der Einkommensteuerermäßigung nach § 35 EStG zugleich die Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags für gewerbliche Einkünfte reduziert, kommt eine Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung durch eine besondere Lastentragung der Gewerbetreibenden nicht in Betracht. Es handelt sich hierbei vielmehr um eine Überkompensation der Gewerbesteuerbelastung.


Zutreffend beschreibt der Bundesfinanzhof unter Bezugnahme auf die Gesetzgebungsmaterialien die Ziele des Steuersenkungsgesetzes.


„Bei der Entscheidung über die Ausgestaltung der Reform wird auch hier das Ziel verfolgt,































 

den Weg für eine rechtsnormneutrale Besteuerung zu ebnen,

 

 

eine gleichwertige Entlastung von Personengesellschaften und Einzelunternehmen einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits zu erreichen (Belastungsneutralität) und

 

 

zu einer Vereinfachung des Besteuerungssystems

         


beizutragen und den Unternehmen keine zusätzlichen bürokratischen Lasten aufzuerlegen."


(BT-Drs. 14/2683 vom 15. Februar 2000, S. 97).


Die geeignete Lösung zur Erreichung dieser Ziele erblickt der Gesetzgeber darin, „das von der Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung vorgeschlagene Modell der Option zur Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft zu verbinden mit der Einführung einer Ermäßigung der Einkommensteuer um die Gewerbesteuer" (BT-Drs. 14/2683 vom 15. Februar 2000, S. 97). Anhaltspunkt dafür, der Gesetzgeber habe gewerbliche Einkünfte darüber hinaus auch im Rahmen der Bemessung des Solidaritätszuschlags aufgrund des im Vergleich niedrigeren Körperschaftsteuersatzes begünstigen wollen, finden sich in den Gesetzgebungsmaterialien nicht. Es fehlt - auch ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien - bereits an der insofern von dem Gericht angeführten „Sonderbelastung" gewerblicher Einkünfte, welche eines Ausgleichs bedürfe. Vielmehr wird die Belastung durch die Gewerbesteuer schon durch die Ermäßigung nach § 35 EStG vollständig ausgeglichen.


„Die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer im Rahmen der Einkommensteuerermittlung führt im Ergebnis dazu, dass die Unternehmen in der Regel keine Gewerbesteuerbelastung trifft. Diese Entlastung ist geboten, um eine Sonderbelastung für die gewerblichen Unternehmen im Ergebnis zu vermeiden."


(BT-Drs. 14/3762 vom 4. Juli 2000, S. 4).


Eine Grundlage für die Gewährung einer gegenüber anderen Einkünften bestehenden Begünstigung für gewerbliche Einkünfte lässt sich den Materialien ebenfalls nicht entnehmen.


Das zur Rechtfertigung vorgetragene Argument, der Gesetzgeber habe bewusst eine unterschiedliche Behandlung zwischen Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vornehmen wollen, da die Kirchensteuer nicht zu einer Sonderbelastungen für gewerbliche Unternehmen führe, findet sich in den aufgeführten Quellen nicht wieder.


Es heißt zwar in BT-Drs. 14/3762 vom 4 Juli 2000, S. 4:


„Die Kirchensteuer selbst führt nicht zu einer Sonderbelastung für gewerbliche Unternehmen. Dementsprechend sollte die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuerschuld die Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer nicht mindern."


Hieraus lässt sich aber nicht der Gegenschluss ziehen, der Gesetzgeber messe dem Solidaritätszuschlag eine Sonderbelastung für gewerbliche Einkünfte zu. Anhaltspunkte für eine solche Einschätzung sind zudem nicht ersichtlich.


Den Gesetzesmaterialien ist demgegenüber zu entnehmen, dass die Ermäßigung der Einkommensteuer um die (pauschalierte) Anrechnung der Gewerbesteuer bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage von Zuschlagsteuern im Allgemeinen keine Berücksichtigung finden soll.


„In diesem Gesetzentwurf wird für Zuschlagsteuern durch die Änderung von § 51a EStG die Steuerermäßigung für Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer rückgängig gemacht."


(BT-Drs. 14/3762 vom 4. Juli 2000, S. 4).


Den Gesetzesmaterialien ist nicht zu entnehmen, dass im Fall des Solidaritätszuschlages hiervon abweichend verfahren werden sollte. Der Gesetzgeber hat zwar durch die Änderung des SolZG 1995 sicherstellen wollen, dass die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag weiterhin an die Einkommensteuer anknüpft (BT-Drs. 14/3762 vom 4. Juli 2000, S. 4). Damit ergibt sich aber nicht bereits dessen Absicht, im Wege der Berücksichtigung der nach § 35 EStG ermäßigten Einkommensteuer die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag zur Entlastung gewerblicher Einkünfte zu reduzieren. Mit der Fassung der dem § 51a EStG vorgehenden Norm des § 3 SolZG 1995 verband der Gesetzgeber lediglich redaktionelle Gründe.


„Die Regelungen über die Festsetzung und Erhebung der Zuschlagsteuern werden zur besseren Verständlichkeit für den Rechtsanwender aus § 51a EStG in das Solidaritätszuschlaggesetz aufgenommen."


(BT-Drs. 14/3762 vom 4. Juli 2000, S. 4).


„Es handelt sich um eine Anpassung an den im Steuersenkungsgesetz beschlossenen Wegfall der Lohnsteuertabellen sowie redaktionelle Änderungen."


(BT-Drs. 14/4546 vom 8. August 2000, S. 4).


Die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs sind dementsprechend auch in der Fachliteratur auf Ablehnung gestoßen.


„Warum nun von Gewerbetreibenden die eine Zuschlagsteuer (Kirchensteuer) voll erhoben, die andere Zuschlagsteuer (Solidaritätszuschlag) nur vermindert erhoben wird, wird in den Gesetzesmaterialien nicht erklärt. Anstatt diese Ungleichheit in der Steuererhebung bei verschiedenen Personengruppen ohne nachvollziehbare (folgerichtige) Gesetzesbegründung herauszuarbeiten, nimmt der II. Senat des BFH dies einfach hin und tut so, als ob die Ermäßigung beim Solidaritätszuschlag erforderlich ist, um die ‚Sonderbelastung Gewerbesteuer‘ auszugleichen. Dies, obwohl der Gesetzgeber selbst in der BT-Drucks. 14/3762 (S. 4) davon ausgeht, dass schon die Steuerermäßigung des § 35 EStG (pauschale Gewerbesteueranrechnung auf die Einkommensteuerschuld) ‚im Ergebnis dazu führt, dass die Unternehmen in der Regel keine Gewerbesteuerbelastung trifft‘. Warum dann noch eine (weitere) Ermäßigung bei dem Solidaritätszuschlag? Es gibt offensichtlich keine Gesetzesbegründung - gegen den Rechtsgedanken des § 51a Abs. 2 Satz 3 EStG - für die ‚Einpreisung‘ der Gewerbesteuer in den Solidaritätszuschlag."


(Michael Balke, NWB Nr. 41 vom 10. Oktober 2011, S. 3474, 3477).


Die mit der Zugrundelegung der nach § 35 EStG ermäßigten Einkommensteuer bei gewerblichen Einkünften als Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags gemäß § 3 SolZG 1995 verbundene Entlastung genügt auch nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen zur Rechtfertigung eines nichtfiskalischen Förderungs- und Lenkungszwecks.


Dass der Gesetzgeber mit der nach § 3 SolZG 1995 eintretenden Reduzierung des Solidaritätszuschlags bei gewerblichen Einkünften gegenüber sonstigen Einkünften Gewerbebetriebe gezielt einen steuerlichen Vorteil habe verschaffen wollen, ist den Gesetzgebungsmaterialien nicht zu entnehmen. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung durch die Verfolgung eines Förderungs- und Lenkungszwecks setzt aber voraus, dass dieser von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen (vgl. BVerfG-Urteile vom 6. März 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, S. 73, 112 f., BStBl. II 2002, S. 618; vom 20. April 2004, 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, S. 274, 293, HFR 2004, S. 572; Beschlüsse vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 182, DStR 2006, S. 1316; vom 7. November 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1, 31, DStR 2007, S. 235; vom 9. Dezember 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, S. 210, 238, DStR 2008, S. 2460) und gleichheitsgerecht ausgestaltet ist (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 22. Juni 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121, 148, BStBl. II 1995, S. 655; vom 11. November 1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, S. 280, 296, BStBl. II 1999, S. 502; Urteil vom 20. April 2004, 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, S. 274, 293, HFR 2004, S. 572; Beschlüsse vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 182, DStR 2006, S. 1316; vom 7. November 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1, 31, DStR 2007, S. 235; vom 9. Dezember 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, S. 210, 238, DStR 2008, S. 2460). Der Lenkungszweck muss mit hinreichender Bestimmtheit entweder im gesetzlichen Tatbestand vorgezeichnet oder den Gesetzgebungsmaterialien zu entnehmen sein (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 22. Juni 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121, 148, BStBl. II 1995, S. 655; vom 9. Dezember 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, S. 210, 238, DStR 2008, S. 2460). Der Gesetzgeber unterliegt damit einem Begründungszwang: „Ist ein Förder- oder Lenkungszweck im Gesetzgebungsverfahren nicht zum Ausdruck gekommen, darf ein solcher zur Rechtfertigung nicht unterstellt werden" (Johanna Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl. 2013, § 3 Rn. 21 mit weiteren Nachweisen).


Rein fiskalische Interessen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht geeignet, eine ungleiche Belastung durch konkretisierende Ausgestaltung der steuerlichen Grundentscheidungen zu rechtfertigen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 17. Januar 1957, 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, S. 55, 88, NJW 1957, 417; BVerfG, vom 1. Juni 1965, 2 BvR 616/63, BVerfGE 19, S. 76, 84 f.; vom 29. Mai 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, S. 60, 89, BStBl. II 1990, S. 653; vom 5. Februar 2002, 2 BvR 305/93, BVerfGE 105, S. 17, 45, HFR 2002, S. 831; vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 182, DStR 2006, S. 1316; vom 7. Februar 2012, 1 BvL 14/07, BVerfGE 130, S. 240, 259, NJW 2012, S. 1711).


c) Nicht anders ist die Berücksichtigung der Steuerermäßigung bei ausländischen Steuern im Rahmen der Einkommensteuer nach § 34c EStG bzw. nach § 26 KStG im Rahmen der Körperschaftsteuer zu beurteilen.


Nach § 34c EStG und § 26 KStG sind der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer entsprechende, festgesetzte und gezahlte und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzte ausländische Steuern auf die Einkommenssteuer anzurechnen. Die hierdurch ermäßigte Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer bilden gemäß § 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 SolZG 1995 zugleich die Grundlage für die Berechnung des Solidaritätszuschlags. Dies hat eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen im Ausland erzielten Einkünften gegenüber inländischen Einkünften zur Folge.


Mit den Steuerermäßigungen nach § 34c EStG und § 26 KStG soll eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung des im Ausland besteuerten Einkommens vermieden und dadurch das Leistungsfähigkeitsprinzip gewahrt werden (vgl. Dietmar Gosch in Kirchhof, Kommentar zum EStG, 2013, 12. Aufl. 2013, § 34c Rn. 3; siehe auch Felix Hierstetter in Erle/Sauter, Kommentar zum KStG, 3. Aufl. 2010, § 26 Rn. 2). Soweit von dieser Ermäßigung ausschließlich die Einkommen- und Körperschaftsteuer selbst betroffen sind, rechtfertigt sich die Ungleichbehandlung gegenüber inländischen Einkünften durch die Sonderbelastung, welcher sich ausländische Einkünfte durch eine Doppelbesteuerung ausgesetzt sehen. Erst durch die entsprechende Steuerermäßigung wird das Leistungsfähigkeitsprinzip durchgesetzt und Steuergerechtigkeit geschaffen.


Soweit allerdings dem Solidaritätszuschlag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 SolZG 1995 eine um die angerechneten ausländischen Steuern ermäßigte Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wird, liegt eine Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vor, da die damit verbundene, weitergehende Steuerermäßigung nicht mehr durch eine besondere Belastung ausländischer Einkünfte zu rechtfertigen ist.


Dieser Verstoß wurde erstmals von dem Bundesrechnungshof in seinen "Bemerkungen 2008 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes", BT-Drs. 16/11000, S. 139 f. aufgedeckt.


„Der Bundesrechnungshof hat die unterschiedliche Behandlung inländischer und ausländischer Einkünfte als nicht sachgerecht beanstandet. Entgegen der Gesetzesbegründung unterliegen derzeit nicht alle Einkommen ausnahmslos dem Solidaritätszuschlag.


Die Besserstellung ausländischer Einkünfte verstößt nach Auffassung des Bundesrechnungshofes außerdem gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Dieser besagt, dass Steuerpflichtige nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung staatlicher Leistungen beitragen sollen. Ob Einkünfte im Inland oder im Ausland erzielt werden, wirkt sich auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht aus. Ein Grund für die Ungleichbehandlung besteht daher nicht."


Auf die Feststellungen des Bundesrechnungshofs hat - nach dessen Angaben - das Bundesministerium der Finanzen eingeräumt, dass ausländische Einkünfte derzeit nur eingeschränkt in die Berechnung des Solidaritätszuschlags einbezogen werden. Eine weitergehende Prüfung sei in Aussicht gestellt worden (Bundesrechnungshof, "Bemerkungen 2008 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes", BT-Drs. 16/11000, S. 140).


2. Das SolZG 1995 verstößt auch gegen Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG


Nach den dargelegten Rechtsgrundsätzen des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtsstaatlichkeit des Besteuerungseingriffs des Staates gegenüber dem Bürger als Teil der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG und unter Beachtung der dargelegten Vorstellungen (Motive) des Verfassungsgebers kann überdies nicht begründet werden, dass der Solidaritätszuschlag nach dem SolZG 1995 noch eine zulässige Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 105 Abs. 2, 106 Abs. 1 Nr. 6 GG ist, mit der der Kläger im Streitjahr 2007 belastet werden darf. Die Gesetzgebungs- bzw. die Gesetzfortführungskompetenz für den Solidaritätszuschlag sind im Streitjahr 2007 entfallen. Das SolZG 1995 verletzt im Streitjahr 2007 die Finanzverfassung und damit die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne der Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG und verstößt mithin gegen das allgemeine Freiheitsrecht des Steuerpflichtigen und gegen das Rechtsstaatsprinzip. Der Gesetzgeber hat sich nicht an die vom Verfassungsgeber gesetzten Regeln der Finanzverfassung gehalten.


Der Solidaritätszuschlag darf als Ergänzungsabgabe allein zur Deckung (vorübergehender) Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt erhoben werden, weil sich die Ergänzungsabgabe im Vergleich zu den sonstigen Steuern, die in der Finanzverfassung aufgezählt sind, wie die seltene Ausnahme zur Regel verhält. Zwar muss eine Ergänzungsabgabe nicht von vornherein befristet erhoben, jedoch verbietet der Ausnahmecharakter der Ergänzungsabgabe eine dauerhafte, eine immerwährende Erhebung dieser Steuer. Dies ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien zur Einführung des Finanzierungsinstruments der Ergänzungsabgabe in das Grundgesetz.


Der Begriff der Ergänzungsabgabe ist im Grundgesetz nicht definiert. Sie wird als eine der Steuern, die erhoben werden können, vorausgesetzt. Wegen der fehlenden Definition und Angabe der Voraussetzungen, unter denen eine Ergänzungsabgabe erhoben werden darf, greift das vorlegende Finanzgericht auf die Motive des Verfassungsgebers, die den Materialien des Jahres 1954 zu entnehmen sind, zurück.


Das vorlegende Finanzgericht misst der Begründung zur Verfassungsänderung 1954/55 eine hohe Bedeutung bei der Auslegung der Norm zu. Nach dieser ist für das vorlegende Finanzgericht deutlich, dass eine Ergänzungsabgabe nur kurzfristig erhoben werden darf.


Das Bundesverfassungsgericht nimmt in seiner Entscheidung vom 9. Februar 1972 (1 BvL 16/69, BVerfGE 32, S. 333, 338, 341 ff.) zur ersten Ergänzungsabgabe (1968 bis 1974/76) ausdrücklich auf die Materialien zur Einführung des Finanzierungsinstruments der Ergänzungsabgabe in das Grundgesetz im Jahr 1955 (etwa Bundestags-Drucksache II/480, S. 72) Bezug; nach dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist der Bundestag nicht berechtigt, unter der Bezeichnung "Ergänzungsabgabe" eine Steuer ein- oder fortzuführen, die den Vorstellungen widerspricht, die der Verfassungsgeber erkennbar mit dem Charakter einer solchen Abgabe verbunden hat.


Die Materialien zur Einführung der Ergänzungsabgabe in das Grundgesetz, damit die erkennbaren Motive des Verfassungsgebers, zeigen, das eine Finanzbedarfs"spitze" Voraussetzung für die Erhebung einer Ergänzungsabgabe ist. Danach dient eine Ergänzungsabgabe allein zur Deckung vorübergehender „Bedarfsspitzen"; ausdrücklich ist noch von zu finanzierenden „Ausnahmelagen" und „besonderen Notfällen" die Rede. Eine solche „Ausnahmelage" kann logisch nicht auf Dauer vorliegen. Die zitierten Begriffe "Bedarfsspitze im Haushalt" und "nicht anderweitig zu decken" und "in besonderen Notfällen" verdeutlichen die Vorstellung des Verfassungsgebers über die Ergänzungsabgabe als ein nachrangiges und punktuelles, zeitlich beschränktes Finanzierungsinstrument. Eine Bedarfsspitze ist eine „Spitze", keine Hochebene der Finanzierung. Zwar können sich „Bedarfsspitzen" auch (ausnahmsweise) über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstrecken. Jedoch muss - bezogen auf das hier maßgebliche Streitjahr 2007 - bei einem Zeitraum von weit mehr als zehn Jahren eine unzulässige „Dauer"finanzierung angenommen werden. Im Haushaltsrecht befindet man sich bei Perioden von zehn und mehr Jahren längst im langfristigen Bereich. Eine „mittelfristige" Finanzplanung umfasst eine Planungsperiode von nur fünf Jahren. Dementsprechend wurden vor Einführung des SolZG 1995 die anderen Ergänzungsabgaben nur für wesentlich kürzere Zeiträume erhoben.


Ein Spitzenfinanzbedarf verflüchtigt sich nach einiger Zeit wieder oder er weitet sich zu einer Finanzlücke aus, deren Schließung allein durch (auf Dauer angelegte) Steuererhöhungen nicht aber durch Fortführung einer Ergänzungsabgabe, die nicht auf Dauer angelegt sein darf, zulässig ist. Eine Ergänzungsabgabe darf deshalb nur vorübergehend erhoben werden. Sie darf nicht zur Schließung einer über ein Jahrzehnt andauernden Finanzierungslücke, nicht zur Deckung eines Finanzbedarfs"plateaus", eingesetzt werden.


Die Bundesrepublik Deutschland hatte mit dem Beitritt der einstigen DDR im Jahre 1990 eine Finanzierungsaufgabe übernommen, deren zeitliches Ende nicht absehbar ist. Der übernommene Finanzbedarf bedeutet für den Bundeshaushalt eine sehr große, auf viele Jahre nicht absehbare Finanzierungslücke. In diesem Sinne ist auch die Aussage der Vorsteherin des beklagten Finanzamts in der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2009 einzuordnen, nach der der Bund für die deutsche Einheit bislang enorm hohe Beträge aufgewendet hat und jährlich weitere viele Milliarden Euro an Vereinigungslasten hinzukommen. Auch der sogenannte Solidarpakt zwischen den neuen und den alten Bundesländern soll mindestens bis zum Jahre 2019 bestehen bleiben (der erste Solidarpakt zum „Aufbau Ost" bestand von 1995 bis 2004, der zweite wurde im Jahr 2005 beschlossen und soll erst im Jahre 2019 beendet werden).


Die Fortführung des Solidaritätszuschlags widerspricht auch deshalb den erkennbaren Vorstellungen des Verfassungsgebers, weil es in den letzten Jahren immer wieder umfassende und auf Dauer angelegte allgemeine und punktuelle Steuerermäßigungen gab, obwohl der Solidaritätszuschlag weitgehend unverändert erhoben worden ist. Der damalige Bundesrat bezeichnete es im Jahr 1954 ausdrücklich als „nicht vertretbar", das Zuschlagsrecht (Ergänzungsabgabe) im Zusammenhang mit einer Steuertarifsenkung auszuüben und dadurch die steuerliche Entlastung zum Teil wieder aufzuheben (Bundestags-Drucksache 2/484 vom 29. April 1954, S. 1); entsprechend wurde - wegen der anstehenden Steuertarifsenkung - der damalige Plan, zeitgleich mit der Änderung des Art. 106 Abs. 1 GG ein "Gesetz über die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer" einzuführen, nicht umgesetzt. Auch diese sich aus den Materialien ergebenden Motive des Verfassungsgebers der Jahre 1954/55 verdeutlichen, dass die Ergänzungsabgabe subsidiären Charakter hat. Der Verfassungsgeber hatte nach den Materialien erkennbar die Vorstellung, dass eine einmal eingeführte Ergänzungsabgabe in Zeiten von geplanten Steuersenkungen zunächst entfallen muss, bevor Tarifsenkungen bei der Einkommensteuer greifen.


Die Ermäßigung der Einkommensteuer bei gleichzeitiger Erhebung einer Ergänzungsabgabe begründet auch unter Zugrundelegung der in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, S. 333 (BStBl. II 1972, S. 408), entwickelten Grundsätze einen die Verfassung verletzenden Widerspruch. Nach dem Bundesverfassungsgericht bedarf die Erhebung einer Ergänzungsabgabe der Rechtfertigung durch die Wahrnehmung einer Aufgabe des Bundes, „für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichen" (BVerfGE 32, 333, 342 f., bezogen auf die Wahrnehmung einer neuen, dem Bund zufallenden Aufgabe nach Einführung der Ergänzungsabgabe). Nimmt der Bundesgesetzgeber demgegenüber Senkungen der Einkommensteuer vor, so bringt er damit zugleich zum Ausdruck, die Wahrnehmung seiner Aufgaben aus den reduzierten Steuereinnahmen bestreiten zu können. Führt er dazu parallel wiederum zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung einer Ergänzungsabgabe an, die Einnahmen aus der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens würden zu seiner Aufgabenerfüllung nicht ausreichen, setzt er sich dem Vorwurf eines widersprüchlichen Verhaltens aus. „Steuersenkungen zu Lasten des Bundes indizieren den Wegfall des Mehrbedarfs des Bundes und stellen die Legitimation der Ergänzungsabgabe infrage" (Hidien/Tehler, StBW vom 29. Oktober 2010, S. 993).


Der Bundesgesetzgeber hat durch die Senkung der Einkommensteuer, insbesondere durch die mehrfache Senkung des Einkommensteuertarifs seit dem Jahr 1999, gezeigt, dass er sich einem eine Ergänzungsabgabe rechtfertigenden Mehrbedarf nicht ausgesetzt sieht. Dennoch wurde die Erhebung des Solidaritätszuschlags unverändert fortgesetzt. Eine vollumfängliche Gegenfinanzierung der Einkommensteuersenkungen, etwa durch eine Verbreiterung ihrer Bemessungsgrundlage, wurde von dem Gesetzgeber nicht vorgenommen. Die Reduzierung der Einkommensteuerbelastung erfolgte durch eine Vielzahl einzelner Gesetze.


Mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl. I 1999, S. 402) erfolgte zum 1. Januar 1999 eine Senkung des Eingangssteuersatzes um 2 Prozentpunkte auf 23,9 Prozent sowie eine Ermäßigung des Höchststeuersatzes für gewerbliche Einkünfte von 47 auf 45 Prozentpunkte. Für die Veranlagungszeiträume 2000 und 2001 wurde der Grundfreibetrag von 13.067 DM bzw. 26.135 DM auf 13.499 DM bzw. 26.999 DM angehoben und der Eingangssteuersatz um einen weiteren Prozentpunkt abgesenkt. Zugleich erfolgte eine Ermäßigung des Spitzensteuersatzes von 53 auf 51 Prozentpunkte bzw. für gewerbliche Einkünfte um 2 Prozentpunkte auf 43 Prozent. Zum 1. Januar 2002 wurde der Grundfreibetrag schließlich auf 14.093 DM bzw. 28.187 DM angehoben, der Eingangssteuersatz auf 19,9 Prozentpunkte und der Spitzensteuersatz auf 48,5 Prozentpunkte abgesenkt sowie eine pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer bei gewerblichen Einkünften vorgenommen.


Für die Senkung des Eingangssteuersatzes auf 23,9 Prozentpunkte veranschlagte der Gesetzgeber für die Jahre 1999 bis 2002 jährliche Steuermindereinnahmen von jeweils über 1,3 Mrd. DM, hiervon entfielen allein auf den Bund jährlich zwischen 591 bis 623 Mio. DM (vgl. die erste Beschlussempfehlung und der erster Bericht des Finanzausschusses zu dem Entwurf des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 2. Dezember 1998, BT-Drs. 14/125, S. 46). Wird zudem die Senkung des Höchststeuersatzes für gewerbliche Einkünfte auf 45 Prozentpunkte mit in die Rechnung eingestellt, so ergeben sich für die Jahre 1999 bis 2002 veranschlagte Steuermindereinnahmen von jährlich zwischen 2,3 bis 2,86 Mrd. DM, von denen der Bund jährlich über eine Milliarde DM zu tragen hatte (BR-Drs. 910/98 vom 20. November 1998, S. 129). Die Einkommensteuersenkungen zum 1. Januar 2000 wurden mit jährlich zwischen 13,5 und 14,31 Mrd. DM veranschlagt, was für den Bund in den Jahren 2000 bis 2002 eine Einnahmenminderung von jeweils über 6 Mrd. DM zur Folge haben sollte. Für die ergriffenen Maßnahmen zum 1. Januar 2002 wurde allein für dieses Jahr von einer Reduzierung der Gesamteinnahmen in Höhe von 28,15 Mrd. DM ausgegangen, von denen der Bund für über 12,5 Mrd. DM aufkommen musste (BR-Drs. 910/98 vom 20. November 1998, S. 133). Das gesamte Entlastungsvolumen der dreistufigen Steuerreform belief sich auf 57 Mrd. DM. Eine Gegenfinanzierung durch Verbreiterung der Bemessungsgrundlage erfolgte lediglich im Umfang von 42 Mrd. DM (vgl. BR-Drs. 910/98 vom 20. November 1998, S. 125).


Zahlreiche Änderungen des Einkommensteuerrechts erfolgten mit dem Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (BGBl. I 2000, S. 1433 ff., 1449 f.). Zu nennen sind insbesondere die Senkungen des Eingangssteuersatzes auf 17 Prozentpunkte und des allgemeinen Spitzensteuersatzes auf 47 Prozentpunkte zum 1. Januar 2003 und deren weitere Herabsenkung um jeweils 2 Prozentpunkte zum 1. Januar 2005. Bei Gesamtbetrachtung aller ergriffenen Maßnahme sowie unter Zugrundelegung der jährlich veranschlagten Höchstwerte ergeben mit dem Steuersenkungsgesetz aus der Einkommensteuer Mindereinnahmen in Höhe von jährlich bis zu 14,82 Mrd. DM (vgl. BT-Drs. 14/2683 vom 15. Februar 2000, S. 99 ff.).


Für die Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, Gesetz vom 24. März 1999 (BGBl. I 1999, S. 388), wurden für das Jahr 1999 Steuermindereinnahmen einschließlich des Solidaritätszuschlags von 1,37 Mrd. DM veranschlagt, hiervon entfielen auf den Bund 625 Mio. DM. Die Neuregelungen sollte für die gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherungen Mehreinnahmen von 1,9 bzw. 1,5 Mrd. DM im Jahr 1999 einbringen. Für die Folgejahre wurde für die gesetzlichen Krankenversicherungen von jährlichen Mehreinnahmen in Höhe von 2,25 und für die gesetzlichen Rentenversicherungen von 2,85 Mrd. DM ausgegangen (vgl. BT-Drs. 14/280 vom 19. Januar 1999, S. 2).


Mit dem ersten Gesetz zur Familienförderung vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I 1999, S. 2552) wurde insbesondere ein Betreuungsfreibetrag für jedes Kind bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres sowie für volljährige Kinder, die körperlich, geistig oder seelisch behindert sind und deren sächliches Existenzminimum eingeführt. Die Mindereinnahmen bei der Einkommensteuer wurden für die Jahre 2001 bis 2003 auf jährlich zwischen 1,52 und 1,9 Mrd. DM veranschlagt, von denen jeweils rund eine Mrd. auf den Bund entfielen. Eine Gegenfinanzierung durch die Streichung der Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten beschränkte sich auf jährlich 170 bis 220 Mio. DM insgesamt, für den Bund 78 bis 99 Mio. DM (vgl. BT-Drs. 14/1513 vom 27. August 1999, S. 12 f.)


Mit dem Steuerbereinigungsgesetz 1999 vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I 1999, S. 2601) erfolgte der Abbau von Steuerbefreiungen und Ausnahmeregelungen unter gleichzeitiger Fortentwicklung des Steuerentlastungsgesetzes. Die finanziellen Auswirkungen der ergriffenen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit führten nach ihrer Veranschlagung in der Gesetzesbegründung in den Jahren 2000 bis 2002 zu Mindereinnahmen im Umfang von über einer Milliarde DM, teilweise sogar über zwei Milliarden DM. Auf den Bund entfielen Mindereinnahmen zwischen 647 Mio. und 1,135 Mrd. DM (vgl. BT-Drs. 14/1514 vom 27. August 1999, S. 28).


Die Einführung des Euros erforderte eine Umrechnung der einzelnen in den Steuergesetzen enthaltenen DM-Beträge. Aus Praktikabilitätsgründen und zur Vermeidung von Nachteilen für die Steuerzahler wurden die Euro-Beträge abgerundet. Für die Einkommensteuer wurde in der Folge von einer Einnahmenreduzierung in Höhe von jährlich 25 Mio. DM ausgegangen. Der Bund musste infolge der Währungsumstellung einen Einnahmeverlust von jährlich 45 Mio. DM hinnehmen (vgl. BT-Drs. 14/4288 vom 12. Oktober 2000, S. 2 ff.).


Das Altersvermögensgesetz vom 26. Juni 2001 (BGBl. I 2001, S. 1310) führte zu jährlichen Mindereinnahmen bei der Einkommensteuer zwischen rund 4 bis 14 Mrd. DM. Der Einnahmenverlust für den Bund betrug zwischen 2 und 9 Mrd. DM (vgl. BR-Drs. 764/00 vom 23. November 2000, S. 199).


Das zweite Gesetz zur Familienförderung vom 16. August 2001 (BGBl. I 2001, S. 2074) bewirkte zum einen durch die Anhebung des Kinderfreibetrags, die Erweiterung des Betreuungsfreibetrags sowie die Einführung des Erziehungsfreibetrags zum anderen durch die Berücksichtigung nachgewiesener Kinderbetreuungskosten Minderungen der Einkommensteuer von jährlich rund einer bis 1,3 Mrd. DM. Die zur Gegenfinanzierung erfolgte Streichung der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für hauswirtschaftliche Beschäftigungsgehilfen, die Reduzierung des Ausbildungsfreibetrags und der Abbau des Haushaltsfreibetrags führten zu Mehreinnahmen im Umfang von einer bis knapp 3 Mrd. DM (vgl. BT-Drs. 14/6572 vom 4. Juli 2001, S. 2 ff.).


Mit dem Steueränderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, S. 3794) verfolgte der Gesetzgeber insbesondere das Ziel einer Bereinigung und Vereinfachung steuerlicher Vorschriften. Soweit eine Veranschlagung der finanziellen Folgen für die Einkommensteuer erfolgte, ergaben sich Mindereinahmen zwischen 3 und 13 Mio. Euro jährlich (vgl. BT-Drs. 14/7341 vom 8. November 2001, S. 28 ff.).


Mit dem Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, S. 3858) sind einkommensteuerliche Mindereinnahmen von im Durchschnitt rund 300 Mio. Euro jährlich verbunden (vgl. BT-Drs. 14/7344 vom 8. November 2001, S. 14 f.).


Mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 16. Mai 2003 (BGBl. I 2003, S. 660) verfolgte der Gesetzgeber ursprünglich die Zielsetzung, die Einnahmen durch die Einkommensteuer durch die Erhöhung der Pauschalierung für die private PKW-Nutzung, die Vereinheitlichung der linearen Gebäudeabschreibung, die Senkung der degressiven Abschreibung für Gebäude, die Anhebung der Entgeltgrenze bei Vermietung und Verpachtung für vollen Werbungskostenabzug auf drei Viertel der ortüblichen Miete, die Neuregelung der Besteuerung privater Veräußerungsgewinne, die Verifikation der Kapitalerträge für die Besteuerung durch Kontrollmitteilungen und die Fokussierung der Eigenheimzulage auf Familien mit Kindern zu erhöhen (vgl. Drs.-BR 866/02 vom 28. November 2002, S. 2 ff., S. 39 f.). Diese Änderungen wurden jedoch auf Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses aufgehoben (Drs.-BT 253/03 vom 11. April 2003, Anlage S. 1).


Durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, S. 2645) sollten Einkommensteuermehreinnahmen von jährlich zwischen 39 und 75 Mio. Euro erzielt werden (vgl. BT-Drs. 15/1562 vom 23. September 2003, S. 26).


Das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, S. 2840) bewirkte durch die Abschaffung der Beschränkung des Verlustabzugs zwischen verschiedenen Einkunftsarten, der Begrenzung des Verlustabzugs auf die Hälfte des Gesamtbetrags der Einkünfte mit Einführung eines Sockelbetrags von 100.000 Euro Mehreinnahmen aus der Einkommensteuer von jährlich zwischen 370 und 750 Mio. Euro (vgl. BT-Drs. 15/1518 vom 8. September 2003, S. 11).


Mit dem Haushaltsbegleitgesetz vom 29. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, S. 3076) wurde die dritte Stufe der Steuerreform auf den 1. Januar 2004 vorgezogen. Es erfolgte zum Veranlagungszeitraum 2004 insbesondere eine Erhöhung des Grundfreibetrags auf 7.664 bzw. 15.328 Euro, eine Absenkung des Spitzensteuersatzes auf 45 Prozentpunkte und des Eingangssteuersatzes auf 16 Prozentpunkte sowie zum 1. Januar 2005 eine nochmalige Absenkung des Spitzensteuersatzes auf 42 Prozentpunkte. Neben weiteren Änderungen wurde insbesondere anstelle der in der Gesetzesvorlage der Bundesregierung vorgesehenen Begrenzung der Pendlerpauschale auf den 21. Entfernungskilometer aufgrund des Vermittlungsverfahrens eine Senkung der Pendlerpauschale auf 30 Cent pro Entfernungskilometer vorgenommen. Die Gesetzesbegründung der Bundesregierung ging für die Vorlagefassung bei einer Gesamtbetrachtung der vorgesehenen Maßnahmen unter Zugrundelegung der jährlich veranschlagten Höchstwerte von Mindereinnahmen bei der Einkommensteuer in Höhe von 10,165 Mrd. Euro aus, von denen 4,741 Mrd. Euro auf den Bund entfielen (vgl. BR-Drs. 652/03 vom 15. August 2003, S. 25 ff.).


Zahlreiche Änderungen im Einkommensteuerrecht waren mit dem Alterseinkünftegesetz vom 5. Juli 2004 (BGBl. I 2004, S.1427) verbunden. Durch die Ausdehnung der Steuerfreiheit der Beiträge auch für Direktversicherungen unter zusätzlicher Aufstockung der Betragsgrenze auf 1.800 Euro wurden stetig ansteigende Mindereinnahmen aus der Einkommensteuer in Höhe von bis zu 1,3 Mrd. Euro veranschlagt, von denen auf den Bund bis zu 553 Mio. Euro entfielen. Bei der Anpassung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags für Pensionäre an den allgemeinen Werbungskostenpauschbetrag unter zusätzlicher Anpassung an die Absenkung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags auf 920 Euro wurde mit jährlichen Mehreinnahmen von bis zu 210 Mio. Euro, für den Bund 89 Mio. Euro, aus der Einkommensteuer veranschlagt. Für die Neuregelung der steuerlichen Berücksichtigung von Versorgungsaufwendungen unter Absenkung des Höchstbetrags auf 2.400 Euro wurde von Verlusten von bis zu 5,775 Mrd. Euro, für den Bund knapp 2,5 Mrd. Euro, ausgegangen. Die Abschmelzung des Vorwegabzugs sollte zu Mehreinnahmen von 1,12 Mrd. Euro, von den 476 Mio. Euro auf den Bund entfielen, führen. Bei der Zuschlagseinführung zum Versorgungsfreibetrag unter Absenkung des Zuschlags auf 900 Euro wurde von Mindereinnahmen von insgesamt 190 Mio. Euro, für den Bund 81 Mio. Euro, ausgegangen. Die Besteuerung von Leibrenten sollte bis zu 1,57 Mrd. Euro einbringen, was einem Bundesanteil von 667 Mio. Euro entspricht. Die Senkung der Ertragsanteile für Leibrenten, die aus versteuertem Einkommen erworben wurden, führte demgegenüber zu Mindereinnahmen von 20 Mio. Euro insgesamt und für den Bund in Höhe von 9 Mio. Euro. Die Abschmelzung des Altersentlastungsbetrags begründete schließlich Mehreinnahmen von bis zu 15 Mio. Euro, hiervon 6 Mio. Euro für den Bund (vgl. BT-Drs. 15/3004 vom 29. April 2004, S. 27 ff.).


Mit dem Gesetz zur Beschränkung der Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen vom 22. Dezember 2005 (BGBl. I 2005, S. 3683) sollten Mehreinnahmen aus der Einkommensteuer in Höhe von bis zu 2,025 Mrd. Euro jährlich erzielt werden, von denen bis zu 971 Mio. Euro dem Bund zukommen sollten (vgl. BT-Drs. 16/107 vom 29. November 2005, S. 5).


Mit der im Rahmen des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 (BGBl. I 2006, S. 1091) getroffenen Neuregelung über die Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten wurden Mindereinnahmen der Einkommensteuer in Höhe von jährlich 435 Mio. Euro veranschlagt, dies entspricht einem Bundesanteil in Höhe von 185 Mio. Euro. Für die Anhebung der degressiven AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter auf 30 Prozentpunkte und max. das 3-fache der linearen AfA befristet für 2 Jahre wurde für die Jahre 2006 bis 2009 von Mindereinnahmen zwischen 210 und 935 Mio. ausgegangen, was für den Bund Einnahmeausfälle von bis zu 397 Mio. Euro nach sich ziehen sollte. Erst für 2010 wurde von einer Einnahmeerhöhung von 25 Mio. Euro ausgegangen. Mit der Neuregelung zur Einführung einer Steuerermäßigung für Pflege- und Betreuungsleistungen wurden Mindereinnahmen von jährlich 115 Mio. Euro verbunden, von denen 49 Mio. Euro auf den Bund fielen. Die Einführung einer Steuerermäßigung für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsaufwendungen sollte schließlich zu Mindereinnahmen aus der Einkommensteuer in Höhe von 1.045 Mrd. Euro führen, von denen der Bund 444 Mio. Euro zu tragen hatte (vgl. BT-Drs. 16/643 vom 14. Februar 2006, S. 7 f.)


Mit dem Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28. April 2006 (BGBl. I 2006, S. 1095) wurden aus der Einkommensteuer Mehreinnahmen in Höhe von insgesamt bis zu 645 Mio. Euro bzw. für den Bund 274 Mio. Euro veranschlagt (vgl. BT-Drs. 16/634 vom 13. Februar 2006, S. 8).


Mit dem Steueränderungsgesetz 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl. I 2006, S. 1652) beabsichtigte der Gesetzgeber die Erhöhung der Einnahmen aus der Einkommensteuer durch die Abschaffung des Abzugs für Aufwendungen für häusliche Arbeitszimmer, die nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit bilden, den Ausschluss der Aufwendungen für Wege Wohnung-Arbeitsstätte von den Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben und die Gewährung einer Entfernungspauschale erst ab dem 21. Entfernungskilometer, die Reduzierung des Sparerfreibetrags auf 750 bzw. 1.500 Euro, die Gewährung von Kinderfreibeträgen nur noch für Kinder unter 25 Jahren und die Anhebung des Höchststeuersatzes im Einkommensteuertarif auf 45 Prozentpunkte für zu versteuernde Einkünfte über 250.000 Euro. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum häuslichen Arbeitszimmer vom 6. Juli 2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, S. 268, wurde die entsprechende Regelung für mit der Verfassung rückwirkend auf den 1. Januar 2007 unvereinbar erklärt. Ebenso entschied das Bundesverfassungsgericht betreffend die Begrenzung der Gewährung der Entfernungspauschale ab den 21. Entfernungskilometer mit Urteil vom 9. Dezember 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, S. 210. Danach ist die Pauschale des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG weiterhin ohne die Beschränkung auf die Entfernung erst ab dem 21. Kilometer anzuwenden. Vor diesem Hintergrund beschränken sich die mit dem Steueränderungsgesetz veranschlagten Mehreinnahmen aus der Einkommensteuer auf 1,340 Mrd. Euro, von denen 570 Mio. Euro dem Bund zukommen (vgl. BT-Drs. 16/1545 vom 18. Mai 2006, S. 9 f.).


Mit dem Jahressteuergesetz 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl. I 2006, S. 2878) verband der Gesetzgeber schließlich Mehreinnahmen aus der Einkommensteuer in Höhe von jährlich 5 Mio. Euro, von denen 2 Mio. Euro dem Bund zufallen sollten (vg. BT-Drs. 16/3368 vom 9. November 2006, S. 29).


Zur Rechtfertigung der Fortführung des Solidaritätszuschlags trotz umfassender Senkungen der Einkommensteuer kann nicht ausgeführt werden, dass ein Mehrbedarf ausschließlich auf Seiten des Bundes bestehen würde, dessen Deckung durch eine Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer die Steuerpflichtigen unnötig belasten und konjunkturpolitisch unerwünscht sein könne, wenn eine Erhöhung der steuerlichen Gesamtbelastung vom Standpunkt der Länder nicht erforderlich sei. Mit der Einführung des Solidaritätszuschlags verfolgte der Gesetzgeber das Ziel der dauerhaften Finanzierung des Aufholprozesses in Ost-Deutschland, die Bewältigung der Erblastschulden der sozialistischen Herrschaft in der ehemaligen DDR, die gerechte Verteilung der daraus resultierenden Finanzierungslasten auf die öffentlichen Haushalte sowie die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte als Grundlage einer gesunden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (BT-Drs. 12/4401 vom 4. März 1993, S. 1, 45). Der Solidaritätszuschlag diente damit von vornherein nicht lediglich der Tragung der Lasten aus der Wiedervereinigung Deutschlands, sondern sollte allgemein zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte beitragen. Diese Aufgabenstellung fällt derweil nicht allein dem Bund, sondern im gleichen Maße den Ländern zu. Die fortdauernde Erhebung des Solidaritätszuschlags als Ergänzungsabgabe, deren Ertrag ausschließlich dem Bund zukommt, stellt vor dieser Zweckverfolgung zur Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuern als Gemeinschaftssteuern keine Alternative dar.


Der Verstoß gegen den Vorrang der Einnahmenerhebung durch die dauerhaften Gemeinschaftssteuern gegenüber der Beibehaltung einer Ergänzungsabgabe wird nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass sich die steuerliche Belastung der Steuerpflichtigen sowohl im Falle einer Tariferhöhung der Gemeinschaftssteuern wie auch durch die Beibehaltung der Ergänzungsabgabe als rechnerisch gleich darstellen könnte. Den Steuerpflichtigen wird gemäß Art. 2 Abs. 1 GG grundrechtlich gewährleistet, nur durch solche Steuern belastet zu werden, welche formell und materiell mit der Verfassung vereinbar sind. Änderungen des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts können im Unterschied zu der Erhebung einer Ergänzungsabgabe nicht allein durch den Bundestag beschlossen werden, sondern bedürfen gemäß Art. 105 Abs. 3 GG der Zustimmung des Bundesrates. Ob der Bundesrat, in dem zum Teil andere politische Mehrheitsverhältnisse als im Bundestag bestehen, sich der Notwendigkeit einer Einnahmenerhöhung zur Aufgabendeckung anschließt, kann nicht von vornherein angenommen werden. Wird unter Verletzung der Subsidiarität der Ergänzungsabgabe an deren Erhebung festgehalten, so stellt sich dieses Vorgehen damit zugleich als ein Verstoß gegen das der steuerlichen Belastungsentscheidung zugrunde liegende Gesetzgebungsverfahren dar.


Dass der Bundesrat dem SolZG 1995 zugestimmt hat, führt zu keiner anderen Würdigung, weil diese Zustimmung nicht den Vorgaben der Verfassung an die Form und das Quorum einer Verfassungsänderung genügt. Insbesondere kann das Grundgesetz gemäß Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt (ausführlich dazu Lothar Schemmel, Verfassungswidriger Solidaritätszuschlag, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 102, 2008, S. 22 ff.).


Das SolZG 1995 genügt zudem auch nicht dem in der Entscheidung vom 9. Februar 1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, S. 333 (BStBl. II 1972, S. 408) vom Bundesverfassungsgericht entwickelten verfassungsrechtlichen Maßstab.


Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben sich für die Erhebung einer Ergänzungsabgabe zum Schutze der föderalen Finanzordnung die Kompetenz des Bundes beschränkende Voraussetzungen. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes findet ihre Schranken, „wenn der Gesetzgeber bei der Einführung einer dem Bund zukommenden Steuer von den Vorstellungen des Grundgesetzes über eine derartige Steuer abweichen und damit das finanzielle Ausgleichssystem zu Lasten der Länder ändern würde" (BVerfGE 32, 333, 338). Das finanzverfassungsrechtliche Ausgleichssystem weist dem Bund gemäß Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG die Ertragshoheit aus den Ergänzungsabgaben zu. Allerdings bedarf die Inanspruchnahme dieser Einnahmequelle nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Rechtfertigung durch eine dem Bund zu fallende Aufgabe, „für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichen" (BVerfGE 32, 333, 342 f., bezogen auf die Wahrnehmung einer neuen, dem Bund zufallenden Aufgabe nach Einführung der Ergänzungsabgabe). Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers erstreckt sich lediglich auf die Entscheidung, welche Aufgaben in Angriff genommen werden und wie diese finanziert werden sollen (BVerfGE 32, 333, 343). Die Grenzen dieses verfassungsrechtlichen Spielraums werden aber überschritten, wenn sich die Ergänzungsabgabe zu ihrer Rechtfertigung nicht auf eine konkrete Bundesaufgabe bezieht. Fehlt es an dieser Voraussetzung, verwendet der Bund also das Ertragsaufkommen aus der Ergänzungsabgabe zur allgemeinen Deckung seines Finanzbedarfs, so tritt damit die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig qualifizierte Änderung des finanziellen Ausgleichssystems zu Lasten der Länder ein.


Diese verfassungsrechtliche Auslegung deckt sich mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs:


„Eine zeitliche Begrenzung einer nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG unbefristet erhobenen Ergänzungsabgabe kann sich allerdings daraus ergeben, dass die Ergänzungsabgabe nach ihrem Charakter den Zweck hat, einen vorübergehenden aufgabenbezogenen Mehrbedarf des Bundes zu finanzieren, und sie damit kein dauerhaftes Instrument der Steuerumverteilung sein darf (vgl. Hidien/Tehler, StBW 2010, 458; Birk, Finanz-Rundschau --FR-- 2010, 1002). Ein dauerhafter Finanzbedarf ist regelmäßig über die auf Dauer angelegten Steuern und nicht über eine Ergänzungsabgabe zu decken. Deshalb kann eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe dann verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für die Einführung maßgebend waren, grundlegend ändern, z.B. weil der mit der Erhebung verfolgte Zweck erreicht ist und die Ergänzungsabgabe nicht wegen eines anderen Zwecks fortgeführt werden soll oder weil insoweit eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist (vgl. Hidien/Tehler, StBW 2010, 458, unter II.5.c). Die Verfassungsmäßigkeit der Ergänzungsabgabe wird in diesen Fällen aber erst zweifelhaft, wenn die Änderung der Verhältnisse eindeutig und offensichtlich feststeht."


 (BFH-Urteil vom 21. Juli 2011, II R 50/09, II R 52/10, BFH/NV 2011, S. 1685, BFHE 234, S. 250, 256, der allerdings im Folgenden entgegen der Gesetzesbegründung davon ausgeht, der Solidaritätszuschlag diene der Bewältigung der durch die Wiedervereinigung entstandenen Finanzierungslasten).


Der mit dem SolZG 1995 erhobene Solidaritätszuschlag weist den finanzverfassungsrechtlich notwendigen Aufgabenbezug nicht auf. Dies ist bereits der seiner Einführung zugrunde liegenden Begründung des Entwurfs des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 (BGBl. I 1993 S. 944) zu entnehmen. Mit diesem Gesetzeskonzept verfolgte der Gesetzgeber die dauerhafte Finanzierung des Aufholprozesses in Ost-Deutschland, die Bewältigung der Erblastschulden der sozialistischen Herrschaft in der ehemaligen DDR, die gerechte Verteilung der daraus resultierenden Finanzierungslasten auf die öffentlichen Haushalte sowie die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte als Grundlage einer gesunden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (BT-Drs. 12/4401 vom 4. März 1993, S. 1, 45). Diese Aufzählung verdeutlicht, dass der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms nicht die Deckung eines punktuellen, aus den Lasten der Wiedervereinigung Deutschlands erwachsenen Mehrbedarfs des Bundes verfolgte. Mit dem Gesetzeskonzept wurde darüber hinaus eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte erstrebt, mithin eine Kompensation der allgemeinen Ausgabenbelastung. Das Steueraufkommen aus dem SolZG 1995 ist somit nicht an einen bestimmten Verwendungszweck gebunden (Hilgers/Holly, DB 2010, S. 1419, 1420).


Auf eine kleine Anfrage der Abgeordneten Bodo Ramelow, Gesine Lötzsch, Dietmar Bartsch und weiterer sowie der Fraktion DIE LINKE zur "Bestandsaufnahme der finanzpolitischen Auswirkungen der schrittweisen Rückführung der Solidarpakt-II-Mittel auf die Etats der ostdeutschen Länder", BT-Drs. 16/6126 vom 23. Juli 2007 teilte die Bundesregierung insbesondere mit:


„Die Einnahmen des Bundes aus dem Solidaritätszuschlag dienen zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs. Zwischen den Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag und den Ausgaben des Solidarpakts II besteht also kein Zusammen- hang."


(BT-Drs. 16/6223 vom 9. August 2007, S. 5).


Auch ein rechnerischer Vergleich zwischen den Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag und den Aufwendungen zugunsten der ostdeutschen Bundesländer aus dem Solidarpakt bestätigt den fehlenden Zusammenhang zwischen den finanziellen Lasten aus der Wiedervereinigung Deutschlands und der Erhebung des Solidaritätszuschlags. Gemäß § 11 Abs. 3 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, S. 3955, 3958) erhalten die ostdeutschen Länder zur Deckung von teilungsbedingten Sonderlasten aus dem bestehenden starken infrastrukturellen Nachholbedarf und zum Ausgleich unterproportionaler kommunaler Finanzkraft in den Jahren 2005 bis 2019 Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen von


10 532 613 000 Euro im Jahr 2005,


10 481 484 000 Euro im Jahr 2006,


10 379 225 000 Euro im Jahr 2007,


10 225 838 000 Euro im Jahr 2008,


9 510 029 000 Euro im Jahr 2009


8 743 091 000 Euro im Jahr 2010


8 027 283 000 Euro im Jahr 2011


7 260 345 000 Euro im Jahr 2012


6 544 536 000 Euro im Jahr 2013


5 777 598 000 Euro im Jahr 2014


5 061 790 000 Euro im Jahr 2015


4 294 852 000 Euro im Jahr 2016


3 579 043 000 Euro im Jahr 2017


2 812 105 000 Euro im Jahr 2018 und


2 096 297 000 Euro im Jahr 2019.


Den sukzessiv sinkenden Ergänzungszuweisungen des Bundes stehen auf der anderen Seite allein für den Zeitraum von 2005 bis 2010 diese Ausgaben übersteigende Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag von jährlich zwischen 10 und über 13 Mrd. Euro gegenüber (vgl. BT-Drs. 17/8054 vom 2. Dezember 2012, S. 18).


Durch die vorgesehene Verwendung der Mittel aus dem Solidaritätszuschlag zum Zweck der Haushaltskonsolidierung kann der dadurch eingenommene Ertrag einer bestimmten Aufgabe der Bundes nicht zugeordnet werden, er dient vielmehr dem allgemeinen Finanzbedarf. Zudem stellt die Haushaltskonsolidierung gerade keine allein dem Bund zukommende Aufgabe dar, sondern betrifft gleichermaßen die Länder, wodurch es im Falle des SolZG 1995 an einer Rechtfertigung für die Abweichung von der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens fehlt. Die Ergänzungsabgabe nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG steht zu der Einkommen- und Körperschaftsteuer in einem Subsidiaritätsverhältnis. „Die Ergänzungsabgabe soll die Vorrangigkeit der Einkommen- und Körperschaftsteuer für die Finanzierung des öffentlichen Haushalts auch dann sicherstellen, wenn sich ein ausschließlicher Mehrbedarf des Bundes ergibt, für dessen Deckung die Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer keine befriedigende Lösung darstellt und eine zusätzliche Anhebung der Verbrauchsteuer unerläßlich ist" (BVerfG-Beschluss vom 19.11.1999, 2 BvR 1167/96, NJW 2000, S. 797). Der durch das Erfordernis der Haushaltskonsolidierung hervorgerufene Mehrbedarf besteht sowohl auf Seiten des Bundes wie der Länder und ist daher durch eine Erhöhung der Gemeinschaftssteuern in Gestalt der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu decken.


Der Solidaritätszuschlag nach dem SolZG 1995 bewirkt zudem eine nicht zu rechtfertigende Änderung des finanziellen Ausgleichssystems zulasten der Länder. Mit einem Zuschlagsatz von 5,5 Prozentpunkt liegt er deutlich über der auch von dem Bundesverfassungsgericht in Bezug genommenen Grenze von 5 Prozentpunkten (vgl. BVerfGE 32, 333). Der Solidaritätszuschlag stellt sowohl in dem Veranlagungszeitraum 2007 wie auch in den Folgejahren die drittgrößte Bundessteuer dar. Sein Anteil an den Bundessteuern belief sich im Jahr 2007 auf über 14 %. Die Dauerhaftigkeit seiner Erhebung begründet eine Summierung der von dem Solidaritätszuschlag ausgehenden Belastung. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar die Erhebung eine Ergänzungsabgabe auch zum Zweck einer längerfristigen Finanzplanung gebilligt, insofern hat es auf die grundsätzlich fünfjährigen Finanzpläne verwiesen. Diese als Richtwert zugrunde zulegende Zeitspanne ist mit dem SolZG 1995 inzwischen nahezu auf das Vierfache überschritten.


Dem Erfordernis der Aufgabenbezogenheit steht die Qualifikation des Solidaritätszuschlags als "Steuer" nicht entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Ergänzungsabgabe nach dem Ergänzungsabgabegesetz als eine "Steuer vom Einkommen" qualifiziert (BVerfG-Beschluss vom 9. Februar 1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, S. 333, 337, BStBl. II 1972, S. 408), auch der Solidaritätszuschlags ist entsprechend einzuordnen (dazu BFH-Beschluss vom 28. Juni 2006 VII B 324/05, BFHE 213, S. 573, BStBl. II 2006, S. 692, 693). Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff stimmt mit dem des § 3 Abs. 1 AO überein (statt vieler: BVerfG-Beschluss vom 2. Oktober 1973 1 BvR 345/73, BVerfGE 36, S. 66, 70; Urteil vom 6. November 1984 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83, BVerfGE 67, S. 256, 282). Danach sind Steuern Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden. Steuereinnahmen als solchen kommen demnach keine Zweckbindungen der Mittel zu. Dennoch handelt er sich bei den in den Gesetzesmaterialien vorgebrachten Zielen der Erhebung des Solidaritätszuschlags nicht bloß um politische Zweckbindungen (so aber FG Münster, Urteil vom 27. September 2005, 12 K 6263/03 E, EFG 2006, S. 371; FG Köln, Urteil vom 14. Januar 2010, 13 K 1287/09, EFG 2010, S. 1063, Revisionsentscheidung - BFH-Az. II R 52/10), da erst ein aufgabenbezogener Mehrbedarf des Bundes zur Rechtfertigung einer Ergänzungsabgabe führen kann (vgl. BVerfG-Beschluss vom 9. Februar 1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, S. 333, 341 f., BStBl. II 1972, S. 408).


Auch der Auffassung, eine Ergänzungsabgabe dürfe dauerhaft erhoben werden, wenn sich nach ihrer Einführung für den Bund neue Aufgaben ergäben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichten, so dass eine erneute Einführung der Ergänzungsabgabe und damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden möglich sei, folgt das vorlegende Finanzgericht nicht. Die fortdauernde Erhebung einer Ergänzungsabgabe mit wechselnder Begründung widerspricht den in den Materialien niedergelegten Vorstellungen des Verfassungsgebers des in den Jahren 1954/55 geschaffenen Finanzierungsinstituts. Die Annahme immer neuer Bedarfsspitzen (nach dem "Aufbau-Ost-Soli" folgt der "Aufbau-West-Soli", der "Bildungs-Soli" und/oder der "Gesundheits-Soli"), gleichsam die Annahme eines Finanzbedarf"massivs", damit die andauernde Umwidmung einer durchgängigen Ergänzungsabgabe ohne jeweils neuen Gesetzesbeschluss entspricht nicht den Grund-sätzen der Finanzverfassung nach den Art. 105 ff. GG. Deshalb darf auch ein dauerhafter Finanzbedarf des Staates nicht zu einer dauerhaften Beibehaltung einer Ergänzungsabgabe mit wechselnder Begründung führen.


stats