FG Münster: Schuldner einer fälschlich ausgewiesenen USt
FG Münster, Urteil vom 9.9.2014 – 15 K 2469/13 U
Sachverhalt
Streitig ist, ob die Klägerin die in ihr erteilten Gutschriften offen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) schuldet.
Die Klägerin erhielt in den Streitjahren von der Firma H M , S, monatliche Gutschriften mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer für die Vermittlung von Partnerschaften. Die entsprechenden Beträge wurden ihr ausgezahlt.
Für die Streitjahre gab die Klägerin keine Umsatzsteuer-Erklärungen ab. Nachdem der Beklagte aufgrund einer Kontrollmitteilung des Finanzamtes X vom 15.12.2011 davon Kenntnis erhalten hatte, dass die Klägerin in den Streitjahren die oben genannten Gutschriften erhalten hatte, wurde am 16.10.2012 eine Außenprüfung (Ap) angeordnet.
Im Rahmen der Ap gab die Klägerin an, dass sie in dem Zeitraum von Ende 2006 bis Mitte 2011 für die Firma H M als Partnerschaftsvermittlerin tätig gewesen sei.
Die Prüferin war der Ansicht, dass die Klägerin die in den Gutschriften offen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 c UStG schulde. Wegen der weiteren Einzelheiten der Ap wird auf den Bericht vom 15.01.2013 verwiesen.
Im Rahmen der Ap wurden dann erstmals Umsatzsteuerbescheide unter dem 01.03.2013 für die Jahre 2007-2011 erstellt. Darin wurden die in den monatlichen Gutschriften abgerechneten Provisionszahlungen i.H.v. 12.740 € (2007), 9.860 € (2008), 10.228 € (2009), 7.183 € (2010) und 1.848 € (2011) angesetzt. Darüber hinaus wurden Vorsteuerbeträge berücksichtigt.
Gegen diese Steuerfestsetzungen wandte sich die Klägerin mit Einsprüchen vom 07.03.2013. Zur Begründung trug sie vor, dass sie die in den Gutschriften offen ausgewiesene Umsatzsteuer nicht schulde, da die Gutschriften nicht die Steuernummer des leistenden Unternehmers enthalten würden. Darüber hinaus habe sie, die Klägerin, die Gutschriften nicht unterschrieben. Außerdem sei die Firma H M nicht vorsteuerabzugsberechtigt gewesen. Aus diesem Grund habe sie auch keine Rechnungen zu berichtigen.
Mit Schreiben des Beklagten vom 03.06.2013 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die bisher angesetzten Vorsteuerbeträge mangels Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin abzuerkennen. Diese Änderung stelle eine Verböserung dar, weil damit der Steuerbescheid zum Nachteil der Klägerin geändert würde. Diese Verböserung könne sie nur durch die Rücknahme der Einsprüche verhindern.
Mit Einspruchsentscheidung vom 30.07.2013 änderte der Beklagte die bisherigen Umsatzsteuerfestsetzung dahingehend, dass die Vorsteuerbeträge unberücksichtigt blieben. Es wurde darin Umsatzsteuer wie folgt festgesetzt:
2007 2.420,60 €
2008 1.873,40 €
2009 1.943,32 €
2010 1.364,77 €
2011 351,12 €
Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen Folgendes aus: Die Klägerin erbringe mit der Partnerschaftsvermittlung eine steuerbare sonstige Leistung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Aufgrund der Umsatzhöhe gelte die Klägerin in den Streitjahren als Kleinunternehmerin, so dass die auf die steuerbaren Umsätze entfallende Umsatzsteuer nicht erhoben werde. Über die erbrachten Leistungen sei aber gemäß § 14 Abs. 2 UStG im Wege von Gutschriften abgerechnet worden. Diese Gutschriften würden als Rechnungen gelten, bei denen die Abrechnung über die Leistung durch den Leistungsempfänger erfolge. Die Gutschriften seien der Klägerin übermittelt worden, d.h., die Gutschriften seien ihr so zugänglich gemacht worden, dass sie von deren Inhalt habe Kenntnis nehmen können. Die Gutschriften, denen nicht widersprochen worden sei, hätten Wirksamkeit entfaltet. Die Leistungsempfängerin habe die Gutschrift mit offenem Umsatzsteuerausweis erteilt. Gutschriften seien somit ausgestellt worden, obwohl bei der leistenden Unternehmerin, d.h. Klägerin, nach § 19 Abs. 1 UStG die Steuer nicht erhoben werde. Dies führe dazu, dass die Klägerin als Empfängerin der Gutschrift die unberechtigt ausgewiesene Steuer nach § 14 c Abs. 2 S. 1 und 2 UStG schulde. Die offen ausgewiesene Steuer werde unabhängig davon geschuldet, ob die Rechnung bzw. Gutschrift alle in § 14 Abs. 4 UStG aufgeführten Angaben enthalte. Durch die Erweiterung der Abrechnungsmöglichkeit mittels einer Gutschrift ab dem 01.01.2004 durch § 14 Abs. 2 UStG könne sich auch der vorliegende Fall ergeben, dass mit einer Gutschrift mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer abgerechnet werde, obwohl der leistende Unternehmer, also die Klägerin, nicht zum Ausweis der Umsatzsteuer berechtigt sei. Auch der Hinweis auf die fehlende Vorsteuerabzugsberechtigung bei der Leistungsempfängerin/Gutschriftausstellerin führe nicht zu einer anderen Rechtslage. Die Klägerin habe der Gutschrift nicht widersprochen, eine Berichtigung sei ebenfalls nicht erfolgt. Unabhängig davon, ob die Gutschriften entsprechend dem § 14 Abs. 4 UStG ergangen seien, bestehe die Steuerschuldnerschaft gemäß 14 c UStG aufgrund der offen ausgewiesenen Umsatzsteuer. Darüber hinaus sei im Wege der Gesamtaufrollung des Steuerfalles eine Verböserung vorzunehmen. Die von der Prüferin angesetzten Vorsteuerbeträge seien mangels Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin abzuerkennen.
Die Klägerin hat am 06.08.2013 Klage erhoben.
Zur Begründung trägt sie Folgendes vor: Nach ihrer Auffassung sei eine Ausstellung von berichtigten Rechnungen nicht erforderlich, da keine zum Vorsteuerabzug berechtigenden Gutschriften vorlägen, denn die vorliegenden Gutschriften würden nicht die Steuernummer des leistenden Unternehmers ausweisen. Zudem entfalle das Recht auf den Vorsteuerabzug, wenn der leistende Unternehmer nicht zum Ausweis der Umsatzsteuer berechtigt sei, weil er Kleinunternehmer sei. Der Vorsteuerabzug sei grundsätzlich nur in der Höhe zulässig, in der der leistende Unternehmer tatsächlich eine Steuer für den ausgeführten Umsatz schulde. Ob sie die ihr übersandten und an die Firma H M zurückgesandten Originalgutschriften unterzeichnet habe, wisse sie nicht mehr. Sie verfüge lediglich über Duplikate. Aber selbst wenn sie die Originale unterzeichnet hätte, führe dies ihrer Ansicht nicht dazu, dass sie Steuerschuldnerin sei.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide 2007 bis 2011 vom 01.03.2013 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30.07.2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt ergänzend Folgendes vor. Die Klägerin habe die Gutschriften unterzeichnet und anschließend an die Leistungsempfängerin Frau H M zurückgesandt. Damit habe sie sich die Gutschriften zu Eigen gemacht, so dass es sich nunmehr um eine eigene, selbst erstellte Rechnung der Klägerin gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG handele. Dies habe zur Folge, dass sie die Steuer nach § 14 c Abs. 1 Satz 1 i.Vm. § 13 a Abs. 1 Nr. 4 UStG schulde. Darüber hinaus sei nach der Verwaltungsauffassung stets der Empfänger einer Gutschrift als Steuerschuldner anzusehen. Der Beklagte hat hierzu die von der Klägerin an die Firma H M zurückgesandten Originalgutschiften für den Zeitraum 2007 bis Mai 2011 vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Aus den Gründen
Die Klage ist unbegründet.
Die Umsatzsteuerbescheide 2007 bis 2011 vom 01.03.2013 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30.07.2013 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist, schuldet den ausgewiesenen Betrag (§ 14 c Abs. 2 Satz 1 UStG). § 14 c Abs. 2 UStG "beruht" auf Art. 203 MwStSystRL. Nach dieser Bestimmung schuldet „jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausweist", diese Steuer.
a) Zweck der Regelungen in § 14 c Abs. 2 UStG sowie in Art. 203 MwStSystRL ist es, Missbräuche durch Ausstellung von Rechnungen mit offenem Steuerausweis zu verhindern (vgl. zu § 14 Abs. 3 UStG a. F. bzw. Art. 21 Nr. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG: BFH-Urteile vom 30.01.2003 V R 98/01, BStBl II 2003, 498; vom 30.03.2006 V R 46/03, BFH/NV 2006, 1365; Urteil des EuGH vom 19.09.2000 C-454/98, Schmeink & Cofreth/Manfred Strobel, BFH/NV Beilage 2001, 33). Dementsprechend ist die Vorschrift als Gefährdungstatbestand ausgestaltet. Derjenige, der mit einer Rechnung das Umsatzsteueraufkommen gefährdet oder schädigt, muss hierfür einstehen. Auf ein vorwerfbares Verhalten kommt es nicht an. Der gesetzliche Tatbestand verlangt weder, dass der Aussteller der Rechnung deren missbräuchliche Verwendung durch den Rechnungsempfänger kennt, noch ist eine dahin gehende Absicht erforderlich (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteile vom 30.01.2003 V R 98/01, BStBl II 2003, 498 und vom 07.04.2011 V R 44/09, BStBl II 2011, 954).
Ausgehend hiervon ist der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Umsatzsteuer aus den streitigen Gutschriften nach § 14 c Abs. 2 UStG schuldet.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin in den Streitjahren Kleinunternehmerin i.S. d. § 19 Abs. 1 UStG war, die nicht gemäß § 19 Abs. 2 UStG auf die Anwendung des 19 Abs. 1 UStG verzichtet hat.
In den der Klägerin erteilten Gutschriften für den Streitzeitraum, die die Klägerin unterzeichnet und an die Firma H M zurückgesandt hat, war jeweils USt gesondert ausgewiesen.
Diese USt schuldet die Klägerin nach § 14 c Abs. 2 Satz 1 UStG.
Zunächst ist entgegen der Auffassung der Klägerin § 14 c Abs. 2 UStG grundsätzlich auf die ihr erteilten Gutschriften anwendbar, denn ein unberechtigter Steuerausweis i.S. des § 14 c Abs. 2 UStG setzt nicht voraus, dass die Rechnung/Gutschrift alle in § 14 Abs. 4 UStG aufgezählten Pflichtangaben aufweist (BFH-Urteil vom 17.02.2011 V R 39/09, BFHE 233, 94, BStB I 2011, 734). Für die Anwendung des 14 c Abs. 2 UStG reicht es aus, dass das Dokument den Rechnungsaussteller, den Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung, das Entgelt und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ausweist (BFH-Urteil vom 17.02.2011 V R 39/09, BFHE 233, 94, BStB I 2011, 734). Diese Angaben sind in den streitigen Gutschriften enthalten.
Vorliegend ist die Klägerin auch Steuerschuldnerin der USt.
Zur Steuerschuldnerschaft bei zu Unrecht in Gutschriften ausgewiesener USt werden in der (Kommentar-)Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten. Der wohl überwiegende Teil in der Literatur sieht stets den Empfänger einer Gutschrift unabhängig davon, aus welchem Grund § 14 c Abs. 2 UStG Anwendung findet, als Rechnungsaussteller nach § 13 a Abs. 1 Nr. 4 UStG und damit als Steuerschuldner nach § 14 c Abs. 2 Satz 1 UStG an (Stadie, Umsatzsteuerecht, 2. Auflage 2012, S. 807; Radeisen in Vogel/Schwarz, UStG, § 14 c Rn. 131; Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuerhandbuch, § 168 Rn. 602, Korn in Bunjes, UStG, 11. Auflage 2012, § 14 c Rn. 1 und 5). Die Erstellung der Gutschrift sei bei der notwendigen vorherigen Vereinbarung der Beteiligten über diese Abrechnungsform und der Möglichkeit, der Gutschrift zu widersprechen, dem Gutschriftsempfänger zuzurechnen (Stadie, Umsatzsteuerecht, 2. Auflage 2012, S. 807).
Demgegenüber sieht Wagner es jedenfalls als fraglich an, ob die Erteilung einer Gutschrift durch einen Unternehmer als Leistungsempfänger an einen Nichtunternehmer zu dessen Steuerschuld aus § 14 c Abs. 2 USG führt. Seiner Auffassung nach dürfe man bei - jedenfalls geschäftsunerfahrenen - Nichtunternehmern die Kenntnis von der Bedeutung eines Widerrufsrechts nicht konsequent voraussetzen (Wagner in Sölch/Ringleb, UStG, § 14 c Rn. 153).
Des Weiteren wird auch die Auffassung vertreten, dass der Leistungsempfänger, wenn er einen Steuerbetrag in einer Gutschrift gegenüber einem Kleinunternehmer, der nicht zur Regelbesteuerung optiert hat, gesondert ausweist, als Gutschriftersteller diesen Steuerbetrag nach § 14 c Abs. 2 Satz 1 UStG schuldet (Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, UStG , § 14 c Rn. 87).
Schließlich wird die Auffassung vertreten, dass der Gutschriftersteller im Fall eines unberechtigten Steuerausweises stets als Aussteller der Rechnung i.S. von § 13 a Abs. 1 Nr. 4 UStG und als Schuldner der Steuer nach § 14 c Abs. 2 Satz 1 UStG anzusehen sei (Lippross, Umsatzsteuer, 23. Aufl. 2012, 927; Pogodda/von Itter, MwStR 2013, 18).
Der Senat ist der Auffassung, dass jedenfalls dann, wenn wie im vorliegenden Verfahren der Gutschriftempfänger nicht etwa den Gutschriften nur „nicht widersprochen hat“, sondern vielmehr sämtliche Gutschriften unterzeichnet und an den Leistungsempfänger zurückgesandt hat, der Empfänger der Gutschrift - mithin die Klägerin - Steuerschuldner der zu Unrecht ausgewiesenen USt ist.
Denn durch die Unterzeichnung und Rücksendung der Gutschriften hat die Klägerin zu erkennen gegeben, dass sie der jeweiligen Gutschrift zustimmt und hat sie sich damit zu Eigen gemacht. Damit ist sie als Ausstellerin der Rechnung anzusehen und Steuerschuldnerin nach § 13 a Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 14 c Abs. 2 UStG.
Dies entspricht auch dem Normzweck, denn unabhängig von der Vorsteuerabzugsberechtigung der Leistungsempfängerin hat die Klägerin durch Unterzeichnung und Rücksendung der Gutschriften abstrakt die Möglichkeit geschaffen, dass diese zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs gebraucht werden und hat damit das Steueraufkommen gefährdet.
Schließlich war der Beklagte auch zur Vorsteuerkorrektur in der Einspruchsentscheidung berechtigt. Denn er hat die Klägerin im Einspruchsverfahren mit Schreiben vom 03.06.2013 auf die Möglichkeit der Verböserung hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung gegeben (§ 367 Abs. 2 AO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 FGO.