FG Münster: Schenkungswille des Zuwendenden
FG Münster, Urteil vom 23.5.2024 – 3 K 2585/21 Erb
ECLI:DE:FGMS:2024:0523.3K2585.21ERB.00
Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2024-1890-1
Leitsätze (der Redaktion)
1. Der Schenkungsteuertatbestand des § 7 Abs. 8 ErbStG erfordert ein subjektives Merkmal im Sinne eines Bewusstseins hinsichtlich der Unentgeltlichkeit der Leistung.
2. Ein großes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung reicht dafür nicht aus.
ErbStG § 7 Abs. 8 S. 1 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 20 Abs. 1, § 30 Abs. 2; BGB § 398; GmbHG § 15 Abs. 3; FGO 100 Abs. 1 S. 1, § 96, § 135 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Übertragung der Gesellschaftsanteile durch E. auf eine GmbH, deren einziger Gesellschafter der Kläger ist, den Schenkungsteuertatbestand des § 7 Abs. 8 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) verwirklicht und, sollte dies der Fall sein, ob Steuerbefreiungen nach §§ 13a, 13b ErbStG Anwendung finden.
Der Vater des Klägers, Herr U., gründete die Firma Y.-T. im Jahr 1980, seit 1992 firmiert das Unternehmen als Y.-T. GmbH […]. Er war zunächst alleiniger Gesellschafter der Y.-T. GmbH. Diese entwickelt und produziert […] mit ca. 200 Mitarbeitern am Standort T..
Seine Söhne, nämlich den Kläger und dessen Bruder, den Zeugen E., bezog Herr U. frühzeitig in die Unternehmung ein. Die Söhne absolvierten ihre Ausbildungen mit Bezug zu dem Gegenstand des Unternehmens. Der Kläger ist […], der Zeuge E. ist […]. Beide Brüder sind zum 00.00.2005 zu Geschäftsführern der Y.-T. GmbH bestellt worden.
Der Vater übertrug seinen Söhnen von seinem Geschäftsanteil an der Y.-T. GmbH von 100.000,- EUR schenkweise jeweils einen Geschäftsanteil von 30.000,- EUR in der Absicht, dass diese das Unternehmen partnerschaftlich fortsetzen.
Der Gesellschaftsvertrag der Y.-T. GmbH vom 00.00.2007 (UR Nr. N01 des Notars I.) sah nach § 15 Nr. 5 vor, dass bei Einziehung eines Gesellschaftsanteils oder Ausscheiden eines Gesellschafters eine Entgeltzahlung anfalle. Die Höhe der Entgeltzahlung bemesse sich durch die zum Zeitpunkt des Ausscheidens geltenden steuerrechtlichen Vorschriften des Bewertungsgesetzes zur Ermittlung des gemeinen Wertes von Geschäftsanteilen mangels Ableitbarkeit aus Verkäufen (Stuttgarter Verfahren).
Hinsichtlich der beim Vater verbliebenen 40% der Geschäftsanteile vereinbarten der Vater und seine Söhne mit notariellem Erbvertrag ebenfalls vom 00.00.2007 (Ur Nr. N02 des Notars I.), dass die Söhne im Wege des Vermächtnisses jeweils die hälftige Beteiligung an seinen Geschäftsanteilen der Y.-T. GmbH erhalten sollten.
Die Y.-T. GmbH erzielte im Jahr 2010 einen Gewinn im Sinne des § 4 Abs. 1 EStG i. H. v. 922.260,18 EUR. In 2011 betrug der Gewinn 1.689.029,54, in 2012 1.801.895,- EUR.
Mit notarieller Erklärung vom 15.01.2013 (UR Nr. N03 des Notars R. in F.) annullierte der Vater den Erbvertrag mit dem Zeugen E.. Er sei durch Erklärung vom 00.00.2012 vom Erbvertrag mit seinem Sohn zurückgetreten. Der Zeuge E. erklärte sich in der Urkunde einverstanden, dass die ursprünglich ihm zugedachten Anteile an der Y.-T. GmbH auf den Kläger übertragen werden. Für den Verzicht auf den Erbvertrag erhielt der Zeuge E. als Ausgleich einen Betrag von 600.000,- EUR (Schenkungsvertrag vom 15.01.2013 UR Nr. N04 des Notars R.).
Ebenfalls am 15.01.2013 schloss der Zeuge E. in eigenem Namen sowie als gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Y.-T. GmbH mit seiner Mutter W., als Bevollmächtigte für ihren Ehemann U. und den Kläger, dieser als gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Y.-T. GmbH, einen notariellen Vertrag mit folgendem Inhalt:
„II. Verkauf und Abtretung von Geschäftsanteilen
1. Der Erschiene zu 1) (E.) verkauft hiermit seine in der Präambel genannten Beteiligungen an
- Firma Y. T. im Nennwert von 30.000,- EUR“
(…)
„an die Firma Y. T. GmbH oder einen von ihr zu benennenden Dritten.
2. Der Verkauf erfolgt mit Wirkung zum 01.11.2017.
Bis zu diesem Zeitpunkt verbleibt der Erschiene zu 1) zivilrechtlich und wirtschaftlich Gesellschafter der vorbezeichneten Gesellschaften. Insbesondere steht ihm das Gewinnbezugsrecht und auch das Stimmrecht an den verkauften Beteiligungen zu.“
(…)
„3. Die Kaufpreise betragen für die nachfolgend aufgeführten Beteiligungen
a) Y. T. GmbH 2.100.000,- EUR
Sofern in der Zeit zwischen Beurkundung dieses Vertrages und dem 00.00.2017 Gewinnausschüttungen erfolgen – insbesondere auch die unter Ziff. 5 geregelten Ausschüttungen -, mindert sich der unter Ziff. 3a) genannte Kaufpreis um die erfolgten Gewinnausschüttungen (Brutto-Betrag vor Abzug der Kapitalertragsteuer). Der danach verbleibende maßgebliche Kaufpreis ist am 02.11.2017 fällig.“
(…)
„5. Der Erschiene zu 1) (E.), Herr U. und H. verpflichten sich, zum 31.01.2013 aus dem Bilanzgewinn zum 00.00.2011 eine Gewinnausschüttung zugunsten des Erschienen zu 1) in Höhe von 600.000,- EUR brutto vorzunehmen, sodass dem Erschienen zu 1) ein Nettobetrag in Höhe von ca. 420.000,- EUR zufließt.“
(…)
„7. Die Firma Y. T. GmbH ist in ihrer Eigenschaft als Käuferin der Anteile berechtigt,“ (…) „, einen oder mehrere Dritte zu benennen, der bzw. die die verkauften Geschäftsanteile erwerben.
Sollten der oder die benannten Dritten nicht rechtzeitig“ (…) „einen schuldrechtlichen Vertrag zu den Bedingungen dieses Kaufvertrags“ (…) „abschließen“ (…) „, so bleibt es bei der Verpflichtung der Firma Y. T. GmbH aus diesem Vertrag.“
Ferner wurden in dem Vertrag Sicherungen zur Kaufpreiszahlung (Grundschuld und persönliche Garantie) hinsichtlich eines Anteils des Kaufpreises (1.000.000,- EUR) vereinbart. Der Zeuge E. sollte sein Amt als Geschäftsführer am Tage der Urkunde niederlegen, sein Geschäftsführeranstellungsvertrag endete mit Wirkung zum 00.00.2012.
Am 00.00.2013 erhielt der Vater eine Gewinnausschüttung der Y.-T. GmbH i. H. v. 576.039,12 EUR auf seinem Bankkonto gutgeschrieben. Davon überwies er 248.000,- EUR mit dem Verwendungszweck „Geldgeschenk E. ./. EUR 40.000 vorab“ an den Zeugen E.. Einen weiteren Betrag von 288.000,- EUR überwies er als Darlehen an seine Ehefrau, welche an den Zeugen E. 300.000,- EUR überwies.
Der Vater des Klägers verstarb am 00.00.2013.
Mit Erklärung vom 30.09.2017 teilte der Kläger als Geschäftsführer der Y.-T. GmbH dem Zeugen E. mit, dass diese seine Beteiligung an der Y.-T. GmbH erwerbe.
Der Kläger erklärte am 31.01.2018 vor dem Notar L. in F. (UR Nr. N05) für sich sowie als vollmachtloser Vertreter von E., dass die Y.-T. GmbH selbst die Anteile des E. an der Y.-T. GmbH aus dem notariellen Kaufvertrag vom 15.01.2013 erwerbe. Der Zeuge E. trat mit der Urkunde seine Geschäftsanteile an der Y.-T. GmbH an diese ab. Er genehmigte die Erklärungen am 29.05.2018.
Mit Schreiben vom 21.05.2019 forderte der Beklagte den Kläger zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung auf den 01.11.2017 auf. Der Ertragswert des Anteils am Unternehmen Y.-T. GmbH auf den benannten Stichtag habe 11.802.993,- EUR betragen, weshalb es sich um eine gemischte Schenkung handele.
Der Beklagte forderte neben dem Kläger auch den Zeugen E. mit Schreiben vom 00.00.2019 zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung auf. Der Bevollmächtigte des Zeugen E. ([…]), welcher aufgrund der bestehenden Differenzen der Brüder empfangsbevollmächtigt auch für sämtliche Bescheide betreffend den E. gewesen sei, antwortete der Aufforderung mit Schreiben vom 27.11.2019 und stellte dar, dass nach Auffassung des Zeugen E. keine Schenkung vorliege. Der Kaufpreis habe 2.100.000,- EUR betragen. Dies habe dem tatsächlichen Wert des veräußerten Geschäftsanteils entsprochen.
Mit Schenkungsteuerbescheid auf den 01.11.2017 vom 07.01.2020 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger Schenkungsteuer i. H. v. 3.809.015,- EUR fest. Den Wert des Erwerbs setzte er mit 10.902.993,- EUR (11.802.993,- EUR ./. 900.000,- EUR) an.
Hiergegen legte der Kläger am 14.01.2020 Einspruch mit der Begründung ein, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung zwischen zerstrittenen Geschwistern kein Schenkungswille vorliege. Dieser subjektive Bereicherungswille des Schenkers sei aber notwendig. Maßgeblich für einen etwaigen Bereicherungswillen sei das Datum des Vertragsschlusses. Zu diesem Zeitpunkt habe der Zeuge E. bereits die Verfügungsmacht über seine Geschäftsanteile verloren. Nur bis zu diesem Zeitpunkt hätte die Wertfindung für die Anteile erfolgen können. Als Kaufpreis seien zunächst 2.100.000,- EUR zu berücksichtigen. Zusätzlich sei auch die Zahlung der Eltern i. H. v. 600.000,- EUR aufgrund der Nichtigkeit des Erbvertrages als Kaufpreis für die Anteile der Y.-T. GmbH mit einzubeziehen. Das vorherige gemeinschaftliche Testament der Eheleute habe dem Erbvertrag bereits entgegengestanden. Die Modalität der Zahlung (teilweise durch Gewinnausschüttungen) sei unbeachtlich.
Er legte eine von J. (Ehefrau von E.) weitergeleitete E-Mail des Zeugen E.s vor, in welcher dieser von mehrfachen sehr heftigen Auseinandersetzungen sprach, die zum Verlassen der Firma geführt hätten.
Der Kläger erklärte ferner, im Jahr 2012 sei es zu einem nachhaltigen Zerwürfnis zwischen den Brüdern gekommen, weshalb der Zeuge E. das Unternehmen unter Mitnahme seines Meisterbriefs im April 2012 endgültig verlassen habe. Die Einziehung der Geschäftsanteile aus wichtigem Grund von E. habe im Raum gestanden. Nach emotionalen Verhandlungen sei dann der Vertrag vom 15.01.2013 zustande gekommen. Jeder der Brüder sei eigens anwaltlich beraten gewesen, weshalb der Kaufpreis unter fremdüblichen Bedingungen ausgehandelt worden und nach den damals maßgeblichen Gesichtspunkten und Erkenntnissen ausgewogen gewesen sei. In die Kaufpreisfindung seien der Fortbestand des Unternehmens und auch die finanzielle Absicherung des Zeugen E. einbezogen worden. Dabei sei die Kaufpreisfindung sei - wie im Gesellschaftsvertrag vorgesehen – an das sog. „Stuttgarter Verfahren“ angelehnt gewesen. Die Ertragsaussichten des Unternehmens hätten sich im Übrigen aufgrund des Versterbens des Gründers U. und des Abgangs von E. maßgeblich verschlechtert.
Mit Schreiben vom 14.01.2021 teilte das Finanzamt T. dem Beklagten im Wege eines Amtshilfeersuchens mit, dass der Wert des von E. übertragenen Anteils auf den 01.11.2017 9.688.883,- EUR betrage. Dies beruhe auf dem vereinfachten Ertragswertverfahren nach § 200 Bewertungsgesetz (BewG) auf den vom Beklagten benannten Stichtag.
Am 15.09.2021 wies der Beklagte den Einspruch als teilweise unbegründet zurück und änderte den Schenkungsteuerbescheid dahingehend, dass die Steuer i. H. v. 3.069.080,- EUR festgesetzt wurde. Er hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Die Änderung des Schenkungsteuerbescheides beruhe auf der Wertermittlung des Finanzamts T. vom 14.01.2021. Im Übrigen sei der Einspruch unbegründet, da es bei § 7 Abs. 8 ErbStG nicht auf einen Schenkungswillen des Zuwendenden ankomme (R E 7.5 Abs. 10 – 14 ErbStR 2019). Selbst wenn es eines subjektiven „Willens zur Unentgeltlichkeit“ bedürfte, läge dieser aufgrund der Wertdifferenz zwischen dem Wert der Anteile und der Gegenleistung vor. Maßgeblich sei hierfür, wie auch für die Bewertung der Anteile, der Leistungszeitpunkt, § 11 ErbStG. Dies sei nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG der Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Entscheidend sei, wann der Vertrag vom 15.01.2013 wirksam werde. Aufgrund der bis zum 01.11.2017 bei dem Zeugen E. verbliebenen Mitunternehmer-Initiative und des Mitunternehmer-Risikos als Ausfluss seiner bis dahin bestehenden Stellung als Gesellschafter sei dies der Zeitpunkt, in dem der rechtwirksame Übergang der Anteile an der Y.-T. GmbH auf die Y.-T. GmbH erfolge. Als Gegenleistung könne nur der Betrag von 900.000,- EUR angesetzt werden. Die auf den ursprünglich angesetzten Kaufpreis von 2.100.000,- EUR angerechneten Gewinnausschüttungen hätten dem Zeugen E. aufgrund der bis zum 00.00.2017 bestehenden Beteiligung ohnehin zugestanden. Auch die Zahlung von 600.000,- EUR durch die Eltern stehe in keinem direkten kausalen Zusammenhang mit dem Verkauf der Anteile und sei kein Kaufpreisbestandteil.
Mit der am 14.10.2021 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Aufhebung des Schenkungsteuerbescheides auf den 01.11.2017 weiter. Das wirtschaftliche Eigentum an der Beteiligung sei bereits am 15.01.2013 übergegangen. Der Zeuge E. sei ab diesem Zeitpunkt faktisch kein Gesellschafter der Y.-T. GmbH mehr gewesen. Der Zeuge E. habe seine Verfügungsbefugnis hinsichtlich der verkauften Geschäftsanteile verloren, das verbliebene Stimmrecht sei damit nahezu wertlos geworden. Auch sei § 29 GmbH-Gesetz (GmbHG) ausgesetzt worden. Die Gewinnausschüttungen seien hinsichtlich der Kaufpreistilgung zweckgebunden und auf dessen Höhe gedeckelt gewesen. Damit kam das Gewinnbezugsrecht einer reinen Ratenzahlung des Kaufpreises gleich. Der Kaufpreis sei endgültig bestimmt worden. Der Zeuge E. habe weder an den Chancen, noch an den Risiken von Wertveränderungen der Anteile partizipieren können. Deshalb sei das Datum des Vertragsschlusses der maßgebliche Bewertungsstichtag, jedenfalls aber der maßgebliche Stichtag für die Ermittlung des subjektiven Elements des Willens zur Unentgeltlichkeit. Wegen der Interdependenz sämtlicher am 15.01.2013 geschlossener Verträge sei auch die Zahlung von 600.000,- EUR durch die Eltern, welche diese nach einer entsprechenden Gewinnausschüttung leisteten, als Erwerbserlangungskosten anzusetzen. Die Werterhöhung der Anteile im Zeitraum von 2013 – 2017 sei einzig auf die außerordentlichen Fähigkeiten des Klägers zurückzuführen.
Der Notwendigkeit eines Willens zur Unentgeltlichkeit beim Leistenden bedürfe es auch bei § 7 Abs. 8 ErbStG. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung, wonach das der Schenkung eigene Element der Freigebigkeit bei der späteren Fassung stärker in den Mittelpunkt gerückt worden sei (BT Drs. 17/7524 S. 6).
Das subjektive Element einer Schenkung, „der Wille zur Unentgeltlichkeit“ (mit Hinweis auf das Urteil des sächsischen Finanzgerichts vom 06.05.2021, 8 K 34/21, Revision anhängig, BFH II R 23/21), fehle insbesondere deshalb, weil die Kaufpreisfestsetzung auf den damals in 2012/2013 bekannten wertbildenden Faktoren beruhe. Da die Y.-T. GmbH den Kaufpreis im Zweifel hätte zahlen müssen, sei § 33 Abs. 2 GmbHG zu beachten gewesen. Deshalb habe es einer gewissen Planungssicherheit für die übernehmende Y.-T. GmbH bedurft. Auch E. habe eine verbindliche Gewissheit über die Höhe des Kaufpreises haben wollen. Er habe sich hinsichtlich der Wertentwicklung des Unternehmens nach seinem Ausscheiden nicht alleine auf den Kläger verlassen wollen.
Zur weiteren Substantiierung, dass der Kaufpreis wie unter fremden Dritten ausgehandelt worden sei und der Zeuge E. keinen „Willen zur Unentgeltlichkeit“ gehabt habe, beruft der Kläger sich auf E-Mailverkehr zwischen den jeweils mandatierten Rechtsanwälten. Daraus ergebe sich, dass die Bevollmächtigte des Zeugen E. ([…]) einem ersten Entwurf nicht habe zustimmen können. In Abweichung zu dem später geschlossenen Vertrag sollte der Verkauf mit Wirkung zum 00.00.2015 erfolgen. Der Kaufpreis für die Gesellschaftsanteile an der Y.-T. GmbH sollte 2.500.000,- EUR betragen. Für die Übertragung sämtlicher Anteile war beabsichtigt, dass dem Zeugen E. ein netto Verkaufserlös nach Steuern von 2.000.000,- EUR verbleibe. Außerdem verweist der Kläger auf eine skizzenhafte Berechnung des Werts der Y.-T. GmbH durch seinen Bevollmächtigten vom 29.10.2012. Danach habe der durchschnittliche Gewinn vor Steuern (EBT) der drei vorangegangenen Jahre (2011, 2010, 2009) 1.544.000,- EUR betragen. Multipliziert mit einem branchenüblichen Vervielfältiger von 6,15 betrage der anteilige Wert i. H. v. 30% sämtlicher Beteiligungen (inkl. U. GmbH & Co. KG) ca. 2.848.000,- EUR. Auch aus einem Entwurf einer E-Mail der Mutter an den Sohn vom 00.00.2012 gehe hervor, dass keine einvernehmliche Trennung der Brüder erfolgt sei.
Nach alledem habe jedenfalls im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 15.01.2013 der vereinbarte Kaufpreis dem tatsächlichen Wert der Geschäftsanteile entsprochen. Einzig im Zeitpunkt des bindenden Vertrages müsse ein Wille zur Unentgeltlichkeit bestanden haben (mit Verweis auf FG Münster vom 12.02.2012, 3 K 2923/09 Erb), was aufgrund der Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben gewesen sei. Der Vertragsschluss sei auch bei der Fremdvergleichsprüfung im Ertragssteuerrecht der maßgebliche Zeitpunkt. Der Zeuge E. habe die Abtretung der Gesellschaftsanteile ab dem 15.01.2013 nicht mehr verhindern können. Deshalb sei eine Abtretung bereits am 15.01.2013 anzunehmen.
Jedenfalls seien die Steuerbefreiungsvorschriften §§ 13a, 13b ErbStG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass auch eine mittelbare Übertragung, wie im Falle des § 7 Abs. 8 ErbStG, grundsätzlich befreit sein kann. Es liege eine vergleichbare Interessenlage vor, sodass zu vermuten sei, dass der Gesetzgeber den Verweis auf die entsprechende Anwendung des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG schlicht „vergessen“ habe.
Der Kläger beantragt,
den Schenkungsteuerbescheid auf den 01.11.2017 vom 07.01.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.09.2021 aufzuheben;
hilfsweise, für den Fall des Unterliegens hinsichtlich des Hauptantrags, den Schenkungsteuerbescheid dahingehend abzuändern, dass die Steuerbefreiung der §§ 13a, 13b ErbStG angewendet werden;
hilfsweise, für den Fall des Unterliegens im Haupt- und Hilfsantrag, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte meint, die Schenkung der GmbH Anteile trete erst mit Wirksamkeit der Abtretung ein. Ein in dem Schenkungsvertrag ausdrücklich angegebenes späteres Datum stelle jedoch eine aufschiebende Bedingung dar (BFH Urteil vom 17.06.2020, II R 38/18). Deshalb sei der 01.11.2017 das maßgebliche Datum. Nach Berechnungen des Beklagten habe sich der Ertragswert der Firma wie folgt entwickelt:
06.10.2010 = 9.801.465,- EUR
15.01.2013 = 17.603.065,- EUR
01.11.2017 = 32.296.110,- EUR
Der ermittelte Wert auf den 01.11.2017 beruhe auf dem Gewinn im Sinne des § 4 Abs. 1 EStG für 2014 i. H. v. 2.527.865,- EUR, für 2015 i. H. v. 1.837.926,- EUR und 2016 i. H. v. 2.120.905,- EUR.
Der Beklagte ist ferner der Auffassung, die Kaufpreisfindung sei unter familiären Aspekten erfolgt. Ein fremder Dritter hätte die Vertragsgestaltung weder akzeptiert, noch wäre der Verkauf der Anteile an einen Dritten überhaupt in Frage gekommen. Aufgrund der Wertermittlung der GKBP Z. habe der Anteil von E. zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vom 15.01.2013 einen Wert von 5.301.919,- EUR gehabt. Deshalb habe der Zeuge E. wohl aus Rücksicht auf die familiäre Situation einen geringeren Wert für seine Anteile in Kauf genommen.
Die Abtretung der Anteile sei offensichtlich erst zum 01.11.2017 erfolgt. Aufgrund von § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG habe die zur Ertragssteuer ergangene Rechtsprechung keine Bedeutung für die Erbschaftsteuer. Außerdem nehme § 7 Abs. 8 ErbStG explizit im Tatbestand Bezug auf die Erhöhung des Werts der bestehenden, beim verbleibenden Gesellschafter gehaltenen Anteile der Kapitalgesellschaft, nicht auf die Erhöhung des Werts der übertragenen Anteile. Die Werterhöhung der Anteile an der Kapitalgesellschaft sei erst mit der Übertragung der Anteile, also dem Verfügungsgeschäft am 01.11.2017, erfolgt.
Hinsichtlich der Gesetzesbegründung verweist der Beklagte darauf, dass diese sich nach seiner Auffassung auf § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG beziehe. Lediglich die Sätze 2 und 3 seien nach dem Regierungsentwurf noch angepasst worden. Nur darauf hab sich die Stellungnahme in der Beratung bezogen.
Der Beklagte hat die Einspruchsentscheidung am 27.01.2022 aufgrund eines offenkundigen Schreibfehlers nach § 129 AO korrigiert.
Der Senat hat am 23.05.2024 mündlich verhandelt und als Zeugen den Bruder des Klägers, Herrn E., vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Aus den Gründen
I. Die Klage ist begründet.
Der Schenkungsteuerbescheid auf den 01.11.2017 vom 07.01.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.01.2022 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Anteilsübertragung von Herrn E. auf die Y.-T. GmbH verwirklicht weder am vom Beklagten angenommenen Stichtag 01.11.2017, noch an einem anderen Tag einen Schenkungsteuertatbestand. Insbesondere die Voraussetzungen des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG liegen nicht vor.
Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gilt auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt, als Schenkung. Die Steuer entsteht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung.
1. Danach ist der Bescheid im vorliegenden Fall bereits deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte – ausgehend von der Wirksamkeitsbestimmung im Vertrag vom 15.01.2013 auf den 01.11.2017 – die Besteuerung auf dieses letztgenannte Datum vorgenommen hat. Zu diesem Zeitpunkt ist die Zuwendung i. S. d. § 7 Abs. 8 ErbStG, nämlich die Übertragung des Anteils an der Y.-T. GmbH von Herrn E. auf die Y.-T. GmbH, jedoch noch nicht i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausgeführt.
Eine Schenkung oder freigebige Zuwendung ist ausgeführt, wenn der Bedachte das erhalten hat, was ihm nach der Schenkungsabrede, im Fall der freigebigen Zuwendung nach dem Willen des Zuwendenden, verschafft werden soll. Maßgebend ist der Eintritt des Leistungserfolgs. Hierfür ist wiederum die Zivilrechtslage entscheidend, die persönliche Zurechnung nach den Grundsätzen des wirtschaftlichen Eigentums gemäß § 39 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) genügt nicht. Diese im Blick auf § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entwickelten Grundsätze gelten auch für den Tatbestand des § 7 Abs. 8 ErbStG (vgl. BFH Urteile vom 25.06.2021, II R 40/18, Rn. 14 f., juris; u. vom 28.06.2007, II R 21/05, BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669, Rn. 16; Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk/Gottschalk, 68. EL März 2024, ErbStG § 9 Rn. 77).
Es kommt dabei im vorliegenden Fall auf die Übertragung des Anteils an der Y.-T. GmbH von Herrn E. auf die Y.-T. GmbH an, da diese die der Besteuerung unterliegende Werterhöhung i. S. d. § 7 Abs. 8 ErbStG bewirkt. Die Anteilsübertragung erfolgt durch Abtretung in notarieller Form (§§ 398 BGB, 15 Abs. 3 GmbHG). Diese ist jedoch erst durch die Abtretungsvereinbarung vom 31.01.2018, genehmigt durch Herrn E. am 29.05.2018 erfolgt, wobei nach Auffassung des Senats die zivilrechtliche Rückwirkung der Genehmigung für Zwecke der Steuerentstehung i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nicht zu berücksichtigen ist (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht Urteil vom 27.02.2007, 3 K 34/06, EFG 2007, 1258). Maßgeblicher Besteuerungsstichtag ist der 29.05.2018. Auf diesen Zeitpunkt ist auch die etwaige, der Besteuerung unterliegende Werterhöhung, für deren Vorliegen der Beklagte darlegungs- und feststellungsbelastet ist, zu ermitteln. Das ist im Streitfall unterblieben.
2. Der angefochtene Bescheid ist darüber hinaus auch deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil Herr E. als Zuwendender nicht in dem Bewusstsein gehandelt hat, die Übertragung seines Anteils an der Y.-T. GmbH ohne Verpflichtung bzw. ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer entsprechenden Gegenleistung zu erbringen.
a) Ob der Tatbestand des § 7 Abs. 8 ErbStG ein subjektives Merkmal im Sinne eines Bewusstseins bezüglich der Unentgeltlichkeit der Leistung umfasst, ist umstritten.
Der Senat schließt sich den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur an, die für die Erfüllung des Tatbestandes des § 7 Abs. 8 ErbStG ein subjektives Merkmal verlangen (Sächsisches Finanzgericht Urteil vom 06.05.2021, 8 K 31/21, Rn. 16, juris; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk/Gebel, 68. EL März 2024, ErbStG § 7 Rn. 416. m. w. N; Meincke/Hannes/Holtz, 18. Aufl. 2021, ErbStG § 7 Rn. 171; Schulte/Petschulat, BB 2013, 471, 474). Dies ergibt die Auslegung des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG. Danach erstreckt sich die Fiktionswirkung von § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ausschließlich auf die unmittelbare Leistung an den Bedachten, indem es auch die mittelbare Begünstigung als solche erfasst.
(1) Maßgebend für die Auslegung eines Gesetzes ist der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers (vgl. BVerfG Beschluss vom 09.11.1988, 1 BvR 243/86, BVerfGE 79, 106, m.w.N.; BFH Urteile vom 04.12.2014, IV R 53/11, BStBl II 2015, 483; u. vom 21.10.2010, IV R 23/08, BStBl II 2011, 277). Ausgehend von dem Wortlaut der Norm (grammatikalisch/sprachliche Auslegung) kann sich auch der Auslegung aus dem Zusammenhang (systematische Auslegung), nach dem Sinn und Zweck der Norm (teleologische Auslegung) und aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) gleichzeitig und nebeneinander bedient werden (BFH-Urteil vom 04.12.2014, IV R 53/11, BStBl II 2015, 483, m.w.N.).
(2) Schon der Wortlaut der Norm spricht für die auf die Leistung an den Bedachten beschränkte Fiktionswirkung und entsprechend für die Notwendigkeit der subjektiven Komponente. Die verwendeten Begriffe „Zuwendender“ und „Bedachte“ legen das Erfordernis einer bewusst unausgeglichenen Leistungsbeziehung zwischen den Beteiligten nahe. Sowohl im alltäglichen Sprachgebrauch, als auch in der sprachlichen Verwendung im Rahmen des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz werden die Bezeichnungen für die Beteiligten bei freigebigen Zuwendungen verwendet, vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (Kahlert/Schmidt DStR 2012, 1208, 1211). Die Verwendung der Begriffe auch für diesen Schenkungsteuertatbestand lässt sprachlich auf das Erfordernis eines bewusst hingenommenen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung schließen. Insbesondere im sprachlichen Vergleich zu § 7 Abs. 7 ErbStG, für welchen nach der Rechtsprechung des BFH ein Bewusstsein der Unentgeltlichkeit nicht zum gesetzlichen Tatbestand gehört (BFH Urteil vom 01.07.1992, II R 12/90, BFHE 168, 390, BStBl II 1992, 925, Rn. 14), wird abseits der initialen Einleitung der Absätze mit den Worten „Als Schenkung gilt“ Bezug auf die Leistung und auch auf die Beteiligten genommen, sodass nicht von einer reinen Anordnung einer Rechtsfolge gesprochen werden kann. Zwar handelt es sich aufgrund der gleichlautenden Einleitung bei beiden Absätzen um Fiktionen, deren Reichweite divergiert jedoch.
(3) Dieses Ergebnis wird auch vom Wortlaut des § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG bestätigt. Durch die Einleitung des Satzes 2 mit den Worten „Freigebig sind auch“ wird aus der Gesetzessystematik deutlich, dass auch hinsichtlich des Satzes 1 von einer Freigebigkeit von Seiten des Gesetzgebers implizit ausgegangen wurde.
Es wäre im Übrigen systematisch widersprüchlich, wenn der Zuwendende i. S. d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG als Steuerschuldner i. S. d. § 20 Abs. 1 ErbStG für eine Zuwendung herangezogen werden könnte, die er nicht in dem subjektiven Bewusstsein der Unausgeglichenheit leistete. Da § 20 Abs. 1 ErbStG als Haftungsnorm ausgestaltet ist (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 18.12.2012, 1 BvR 1509/10, BVerfGK 20, 171-177, Rn. 12), könnte der Zuwendende ohne eigenes subjektives Element für die Schenkungsteuer in Anspruch genommen werden, was, bei extensiver Auslegung des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG einer Gefährdungshaftung für jede Transaktion mit einer Kapitalgesellschaft gleichkäme. Entsprechendes gilt für die Anzeigepflicht aus § 30 Abs. 2 ErbStG. Einer solchen kann nur derjenige überhaupt nachkommen, der zumindest ein Bewusstsein dafür besitzt, dass Leistung und Gegenleistung unausgeglichen sind.
(4) Sinn und Zweck der Norm ist es, den sonst einheitlichen Zuwendungsbegriff zu durchbrechen. Zuwendungen im Sinne des ErbStG sind grundsätzlich nur solche Leistungen, die beim Leistungsempfänger den Bestand seines Vermögens und nicht etwa nur den Wert bereits vorhandener Vermögenspositionen erhöhen (Gebel in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk/Gebel, 68. EL März 2024, ErbStG § 7 Rn. 416 m. w. N.).
Der Schenkungsteuer als Verkehrsteuer unterliegt die, durch freigebige Zuwendung in Form von Vermögensverschiebung, entstehende Bereicherung des Bedachten durch den Zuwendenden (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Dazu ist eine Vermögensminderung auf der Seite des Zuwendenden und eine Vermögensmehrung auf der Seite des Bedachten erforderlich. Die Werterhöhung des Geschäftsanteils eines GmbH-Gesellschafters durch eine Vermögensübertragung eines Dritten auf die GmbH, ohne eine entsprechende Gegenleistung, führt wegen der rechtlichen Eigenständigkeit des Gesellschaftsvermögens der GmbH zu keiner Vermögensverschiebung an den bereicherten Gesellschafter (BFH Urteil vom 09.12.2009, II R 28/08, BFHE 228, 169, BStBl II 2010, 566, Rn. 10 m.w.N.).
Diese Grundsätze durchbricht § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG, indem die Zuwendung an den oder die (unmittelbaren oder mittelbaren) Gesellschafter durch eine „Leistung“ in das Vermögen der Kapitalgesellschaft, die dann bei Erhöhung des Wertes etwaiger Geschäftsanteile, mittelbar eine Zuwendung an den oder die Anteilseigner darstellt. Die Leistung an die Kapitalgesellschaft ist der Zuwendungsgegenstand, die zu besteuernde Vermögensmehrung und damit der Besteuerungsgegenstand ist dagegen die mit der Leistung kausal verbundene Werterhöhung der Anteile (Sächsisches Finanzgericht Urteil vom 06.05.2021, 8 K 31/21, Rn. 14, juris; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk/Gebel, 68. EL März 2024, ErbStG § 7 Rn. 416). Der § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG fingiert ausschließlich die unmittelbare Leistung an den Bedachten, indem es auch die mittelbare Begünstigung als unmittelbare Leistung erfasst (Sächsisches Finanzgericht Urteil vom 06.05.2021, 8 K 31/21, Rn. 14 u. 16, juris). Damit tritt keine vollständige Fiktion aller Tatbestandsmerkmale des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ein, sodass die „Leistung“ auf Seiten des Zuwenders noch immer in dem Bewusstsein erbracht werden muss, dadurch den Wert des Geschäftsanteils des mittelbar Begünstigten zu erhöhen, ohne dafür von diesem einen äquivalenten Ausgleich zu erhalten (so auch Gebel in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk/Gebel, 68. EL März 2024, ErbStG § 7 Rn. 416. m. w. N; Meincke/Hannes/Holtz, 18. Aufl. 2021, ErbStG § 7 Rn. 171; Schulte/Petschulat, BB 2013, 471, 474; a. A. Loose in: von Oertzen/Loose, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 2. Auflage 2020, 3. Zuwendender, Rn. 574; Götz in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, 130. Ergänzungslieferung, April 2024, § 7 ErbStG 1974, Rn. 347).
Verstünde man die Reichweite der Fiktion extensiver, wäre der Tatbestand auf nahezu jede Transaktion, der objektiv ein zugunsten einer Kapitalgesellschaft wertmäßig unausgewogenes Geschäft zugrunde liegt, ausgeweitet (Meincke/Hannes/Holtz, 18. Aufl. 2021, ErbStG § 7 Rn. 171; Loose in: von Oertzen/Loose, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 2. Auflage 2020, 3. Zuwendender, Rn. 574).
(5) Durch dieses Normverständnis kommt der Wille des Gesetzgebers (BT Drs. 17/6263, BT Drs. 17/7524) zur Geltung. Im Rahmen des Gesetzesentwurfs beabsichtigte die Bundesregierung, dass der Satz 1 die Fälle erfasse, in denen der Zuwendende mit seiner Leistung auf die Bereicherung des Gesellschafters hinter der Kapitalgesellschaft abzielt (BT Drs. 17/6263 S. 82). Die aus dem Wort „abzielt“ zu verstehende Finalität der Leistung zur Bereicherung setzt notwendig die Kenntnis der (Teil-) Unentgeltlichkeit voraus. Der Gesetzgeber wollte durch die Schaffung des § 7 Abs. 8 ErbStG eine Missbrauchsvermeidungsnorm schaffen. Eine Umgehung der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Regelungen durch Zwischenschaltung von Kapitalgesellschaften sollte verhindert werden (BT Drs. 17/7524 S. 21), darüberhinausgehende Ziele verfolgte der Gesetzgeber nicht. Dem vom Gesetzgeber als typischen Anwendungsfall der Norm angebrachten Beispiel lag das Bewusstsein der Unausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung zugrunde (Schulte/Petschulat, BB 2013, 471, 472).
Mit Blick auf die historische Auslegung des Gesetzes ist ferner zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BFH mit Urteilen vom 09.12.2009 II R 28/08 und vom 07.11.2007 II R 28/06 zu § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aufgreifen wollte. Insofern stand auch hier das Bewusstsein der einseitigen Benachteiligung und gleichzeitiger Bevorteilung des hinter dem Vertragspartner stehenden Gesellschafters stets im Raum.
b) Der danach auch für Fälle des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG notwendige "Wille zur Unentgeltlichkeit" liegt vor, wenn sich der Zuwendende der Unentgeltlichkeit der Zuwendung derart bewusst ist, dass er seine Leistung ohne Verpflichtung und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung erbringt. Anders ausgedrückt ist der Wille zur Unentgeltlichkeit dann gegeben, wenn der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, zu der Vermögenshingabe weder rechtlich verpflichtet zu sein noch dafür eine mit seiner Leistung in einem synallagmatischen, konditionalen oder kausalen Zusammenhang stehende gleichwertige Gegenleistung zu erhalten (BFH Urteile vom 29.10.1997, II R 60/94, BFHE 183, 253, BStBl II 1997, 832, Rn. 26; vom 02.03.1994, II R 59/92, BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366, Rn. 13). Bei Unausgewogenheit gegenseitiger Verträge reicht regelmäßig das Bewusstsein des einseitig benachteiligten Vertragspartners über den Mehrwert seiner Leistung aus (Teilentgeltlichkeit); auf die Kenntnis des genauen Ausmaßes des Wertunterschieds kommt es hingegen nicht an (BFH Urteil vom 21.10.1981, II R 176/78, BFHE 134, 357, BStBl II 1982, 83-85, Rn. 10).
Grundsätzlich muss dieses subjektive Tatbestandsmerkmal zum Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung vorliegen, § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Maßgeblich ist insoweit der Eintritt des Leistungserfolges, hier also die wirksame Abtretung der Anteile an der Y.-T. GmbH. Ausnahmsweise genügt es für die Ausführung einer freigebigen Zuwendung, wenn die Vertragspartner die für die Rechtsänderung erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Beschenkte aufgrund dieser Erklärungen jederzeit in der Lage ist, die Rechtsänderung zu bewirken. Diese zur Frage des für Grundstückübertragungen maßgeblichen Steuerentstehungszeitpunkts entwickelte Rechtsprechung hat der erkennende Senat auch im Fall der aufschiebend durch die Kaufpreiszahlung bedingten Abtretung eines GmbH-Anteils herangezogen und für die Frage eines etwaigen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages abgestellt (vgl. FG Münster Urteil vom 16.02.2012 3 K 2923/09, EFG 2012, 1574). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sieht der Senat im vorliegenden Fall den Zeitpunkt des Abschlusses des Vertragswerks vom 15.01.2013 als für das Vorliegen des subjektiven Tatbestands maßgeblichen Zeitpunkt an. Zwar hat zu diesem Zeitpunkt keine aufschiebend bedingte Abtretung stattgefunden. Jedoch war der Vertrag – insbesondere auch mit dem Verfügungsverbot für Herrn E. – so gestaltet, dass die Anteilsübertragung aufgrund der im Vertrag vom 15.01.2013 getroffenen Abreden erfolgen musste. Dieser Vertrag war der allein maßgebliche für die Willens- und Bewusstseinsbildung der beteiligten Vertragsparteien. Zu diesem Zeitpunkt musste Herrn E. positiv bewusst sein, dass der Wert der Anteile weit über dem Wert der von ihm insgesamt erhaltenen Gegenleistung lag.
c) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Tatbestand des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG nicht erfüllt. Der Senat ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und der Beweisaufnahme nicht i. S. d. § 96 Abs. 1 FGO davon überzeugt, dass der Zeuge E. bei Abschluss des Kaufvertrags hinsichtlich seiner Anteile an der Y.-T. GmbH ein subjektives Bewusstsein zur Teilentgeltlichkeit seiner Leistung hatte.
(1) Das Gericht entscheidet gem. § 96 Abs. 1 FGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Für diese Überzeugung genügt nicht schon die bloße Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit eines Sachverhalts; erforderlich ist vielmehr Gewissheit (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, 276. Lieferung, 10/2023, § 96 Rn. 55). Dabei bedarf es keines absoluten, sondern eines für das praktische Leben brauchbaren Grades an Gewissheit (BFH Beschluss vom 11.07.2007, IV B 121/06, Rn. 10, juris). Nach ständiger Rechtsprechung liegt die Feststellungslast (objektive Beweislast) für steuerbegründende Tatsachen beim Steuergläubiger (BFH Urteil vom 23.11.2011, II R 33/10, BFHE 237, 179, BStBl II 2012, 473, Rn. 26, m. W. n.).
Zwar weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass bei einem auffallenden Missverhältnis zwischen dem Verkehrswert des Anteils und der dafür erbrachten Gegenleistung nach der Lebenserfahrung zunächst davon ausgegangen werden kann, dass der Zuwendende das Missverhältnis erkannt hat (vgl. BFH Urteil vom 27.08.2014, II R 43/12, BStBl. II 2015, 241 m. w. N.). Jedoch hat der Senat bereits Zweifel, ob dieses Missverhältnis so wie vom Beklagten angenommen tatsächlich bestanden hat. Der insoweit darlegungs- und feststellungsbelastete Beklagte rekurriert allein auf eine Wertermittlung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren, das weder branchenspezifische Parameter noch die persönlichen Besonderheiten des Betriebes (abruptes Ausscheiden des Zeugen E. als Wissensträger aus dem Betrieb) berücksichtigt.
Für die Überzeugungsbildung des Gerichts hinsichtlich des Bewusstseins einer (Teil-) Unentgeltlichkeit genügt es jedenfalls nicht, einzig den Kaufpreis mit dem Wert nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren nach §§ 199 ff Bewertungsgesetz (BewG) zu vergleichen. Der Wert nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren kann lediglich als ein Aspekt zur Feststellung der subjektiven Komponente der Normen des Schenkungsteuerrechts herangezogen werden. Denn dass das vereinfachte Ertragswertverfahren nicht stets zu zutreffenden Ergebnissen führt, ergibt sich bereits aus dem Gesetz, § 199 Abs. 1 a. E. BewG. Insbesondere durch den Ansatz eines einheitlichen Kapitalisierungsfaktors werden alle Unternehmen branchenübergreifend gleichbehandelt (Schnitter in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, 130. Ergänzungslieferung, April 2024, § 199 BewG, Rn. 13; Benjamin Ballhorn und Jan König in: Riedel, Praxishandbuch Unternehmensnachfolge, § 6 Grundlagen und Methoden der Unternehmensbewertung, Rn. 134). Dies ist zwar aus Typisierungsgründen unter anderem aufgrund der Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts für die Wertermittlung einer als Schenkung qualifizierten Zuwendung zulässig. Für die Annahme des geforderten subjektiven Tatbestandsmerkmals genügt alleine diese Feststellung mit Blick auf die Beweislast des Beklagten jedoch nicht. Es müssen weitere Umstände hinzutreten, um das subjektive Tatbestandsmerkmal festzustellen.
(2) Der Senat ist nach dem oben genannten Maßstab nicht davon überzeugt, dass der Zeuge E. als Zuwendender ein subjektives Bewusstsein zur (Teil‑) Unentgeltlichkeit dergestalt hatte, dass ihm ein etwaiges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung bewusst gewesen wäre.
aa) Der Kläger hat für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass der Zeuge E. die Anteile nicht aus familiären Beweggründen unterhalb des für ihn erzielbaren Veräußerungspreis an die Y.-T. GmbH verkauft hat. Er hat geschildert, dass es ab 2009 immer häufiger zu Differenzen zwischen ihm und seinem Bruder gekommen sei. Der Zeuge E. habe die Wachstumsambitionen des Klägers nicht mitgehen wollen. Der Kläger hat außerdem von häufigen Auseinandersetzungen berichtet. Er habe seinem Bruder vorgeworfen, dieser mache seinen Job nicht vernünftig, weshalb alle Verantwortung auf ihm gelegen habe. Man habe sich erst 2018 wieder angenähert. Dieser Konflikt zwischen den Brüdern macht es aus der Sicht des Senats nachvollziehbar, dass jedenfalls der Kläger nicht bereit war, mehr Geld als nötig für den Erwerb der Anteile bereitzustellen und der Zeuge E. seinerseits keinen Grund hatte, aus familiärer Verbundenheit nicht auf einen drittüblichen Preis für seine Geschäftsanteile zu bestehen.
Ebenso wenig vermag der Senat der Einschätzung des Beklagten zu folgen, dass allein aus der Wertdifferenz von Kaufpreis und Wert nach vereinfachtem Ertragswertverfahren das subjektive Element abgeleitet werden könne. Denn der Kläger hat geschildert, die Wertfindung sei wie unter fremden Dritten erfolgt. Er habe mitbekommen, dass es kämpferisch zugegangen sei. Dazu hat er berichtet, dass sein ehemaliger Rechts- und Steuerberater, […], die Wertfindung anhand des Durchschnittsgewinns vor Steuern der letzten drei Jahre mit einem Multiplikator von 6,15 vorgenommen habe. Dieser Multiplikator ist laut Angabe des Klägers auch ein üblicher Wert in der Branche. Dies wisse er aus eigener Erfahrung. Über die vereinbarte Ratenzahlung sei der Kläger erleichtert gewesen. In der krisenhaften Zeit, nachdem der Zeuge E. das Unternehmen verlassen habe, wäre die Kaufpreiszahlung in einer Summe ein weiteres erhebliches Risiko für den Fortbestand des Unternehmens gewesen.
bb) Die Einlassung des Klägers wird durch die glaubhafte Aussage des Zeugen E. bestätigt. Er hat das zerrüttete Familienverhältnis sowie die Kaufpreisfindung wie unter fremden Dritten bestätigt.
Der Zeuge E. hat detailreich ausgesagt, dass er 2012 von seinem Bruder aus seinem eigenen Betrieb „rausgemobbt“ worden sei. Um der Tortur ein Ende zu bereiten, habe er seinen Meisterbrief genommen und sei gegangen. Das Unternehmen habe er nie wieder betreten. Dass dies für das Unternehmen von Nachteil gewesen sein könnte, sei ihm egal gewesen. Der Zeuge hat für den Senat nachvollziehbar bestätigt, er habe keine Vorstellung zum Wert des Unternehmens gehabt. Er sei sich der Umsatz- und Gewinnzahlen des Unternehmens nie wirklich bewusst gewesen. Darum habe sich sein Bruder gekümmert. Deshalb habe er sich bei den Verhandlungen durch die […], vertreten lassen. Den von Seiten seiner Anwältin als „gut“ befundenen Vertrag habe er akzeptiert, da er ihr vertraut habe.
An der Richtigkeit dieser Aussage hat der Senat keine Zweifel, ebenso wenig an der Glaubwürdigkeit des Zeugen.
cc) Sie wird auch durch den Akteninhalt bestätigt. Insbesondere dem vorgelegten E-Mailverkehr zwischen E. und seiner Mutter und den Verhandlungsunterlagen der Rechtsanwälte und Steuerberater kann der Senat nicht entnehmen, dass der Zeuge E. sich einer etwaigen Unausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung bewusst gewesen wäre.
Aus dem E-Mail-Verkehr geht hervor, dass der Zeuge E. das Unternehmen nach heftigen Auseinandersetzungen verlassen habe, nunmehr die Trennung der gemeinsamen Firma durch die Rechtsanwälte erfolgen solle und eine weitere Kommunikation mit den Familienmitgliedern abgelehnt werde.
Aus dem Schriftverkehr der Rechtsanwälte geht hervor, dass Frau […] die Verhandlungen im Interesse des Zeugen E. führte, insbesondere einer ersten Wertfindung nicht zustimmte und auch versuchte einen höheren Kaufpreis zu erzielen. Einer vorzeitigen Beurkundung des Vertrages stimmte sie nicht zu.
Daneben beruhte die Wertfindung auf Seiten des Klägers auf vertretbaren Risikoannahmen und Berechnungsgrößen durch […]. Dieser ermittelte, in durch den Senat nachvollziehbarer Weise, einen Wert der Anteile an der Y.-T. GmbH sowie der U. GmbH & Co. KG von ca. 2.848.000,- EUR und bediente sich dabei eines branchenüblichen Multiplikators von 6,15, welchen der Senat ebenfalls nachvollziehen konnte.
dd) Dem steht nicht entgegen, dass über vier Jahre nach Vertragsschluss der Wert der Geschäftsanteile nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren weit über dem vereinbarten Kaufpreis von 2.100.000,- EUR lag. Dieser Ertragswert bildet die gute Geschäftsentwicklung nach dem faktischen Ausscheiden des Zeugen E. ab und ist im Wesentlichen auf die Arbeitsleistung des Klägers zurückzuführen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
III. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf das bereits anhängige Revisionsverfahren II R 22/21 zuzulassen.
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.