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Steuerrecht
10.06.2009
Steuerrecht
: Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs beim Vermögenserwerb durch Kapitalanlagegesellschaften

Finanzgericht Münster, 8-K-5035-5036/06-GrE, 8-K-5035/06-GrE, 8-K-5036/06-GrE

Urteil vom 22.01.2009

5008077

Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs beim Vermögenserwerb durch Kapitalanlagegesellschaften

Orientierungssatz:

1.      1.      Ein Erwerbsvorgang i.S. des § 16 GrEStG ist rückgängig gemacht, wenn sich die Vertragsparteien über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt.

2.      2.      Die tatsächliche Rückgängigmachung setzt voraus, dass die Vertragsparteien sämtliche Wirkungen aus dem Erwerbsvorgang aufheben und sich so stellen, als wäre dieser nicht zustande gekommen.

3.      3.      Die Vereinbarung eines vom ursprünglichen Erwerbsvorgang abweichenden Kaufpreises gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 InvG ist für die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG schädlich.

Tatbestand:

Streitig ist, ob durch einen Rückerwerb von Grundstücken die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) erfüllt sind.

Die Klägerin (Klin.) zu 2., die E Bank AG, war in den Streitjahren zu 94 v.H. an der Klin. zu 1., der EFHI GmbH (EFHI), beteiligt.

Die EFHI verwaltete als Kapitalanlagegesellschaft verschiedene Immobilienfonds, u.a. den sog. Fonds I sowie den Fonds II.

Die EFHI war u.a. Eigentümerin eines in D, A-Str. 91, belegenen Geschäftsgrundstücks.

Das Grundstück war für fremde gewerbliche Zwecke vermietet und dem Immobilien-Sondervermögen "Fonds I" zugeordnet. Im Grundbuch war eine Verfügungsbeschränkung gem. § 31 Abs. 2 Satz 1 Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) zu Gunsten der Depotbank, der E Bank AG, eingetragen.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 09.03.2004 (UR-Nr. 1389/2004 des Notars N1 in T) erwarb die E Bank AG von der EFHI neben einer in T belegenen Immobilie das vorgenannte Geschäftsgrundstück in D zu einem Gesamtkaufpreis von EUR 137.400.000. In den Anlagen zum Kaufvertrag vereinbarten die Vertragsparteien für die Grundstücke Einzelkaufpreise. Für das Grundstück in D veranschlagten die Parteien einen auf Grundlage eines Bewertungsgutachtens vom 10.03.2003 ermittelten Kaufpreis i.H.v. EUR 8.500.000 (Anlage 2 des Vertrags). Der Übergang von Nutzen und Lasten erfolgte zum 09.03.2004. § 10 Abs. 1 des Vertrags enthielt ein einseitig zugunsten der EFHI vereinbartes Rücktrittsrecht bis zum 15.02.2006. Die Auflassung der Grundstücke sollte nach vollständiger Kaufpreiszahlung und Wegfall bzw. Verzicht des vorgenannten Rücktrittsrechts erfolgen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Kaufvertrag vom 09.03.2004 verwiesen.

Mit einem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) ergangenen Bescheid vom 23.03.2004 setzte der Beklagte (Bekl.) gegenüber der E Bank AG für den Erwerb des in D belegenen Grundstücks Grunderwerbsteuer (GrESt) i.H.v. EUR 297.500 fest. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Eine Eintragung der E Bank AG als Eigentümerin des in D belegenen Grundstücks im Grundbuch erfolgte nicht.

Mit notarieller Urkunde vom 07.03.2006 (UR-Nr. 1133/2006 des Notars N2 aus T) erwarb die EFHI für Rechnung des Immobilien-Sondervermögens "Fonds II" u.a. das in D belegene Grundstück zu einem vorläufig veranschlagten Kaufpreis i.H.v. EUR 6.723.235 zurück (vgl. auch Anlage 1 zum Kaufvertrag). Zu Gunsten der E Bank AG als Depotbank wurde die Eintragung einer Verfügungsbeschränkung gem. § 26 Abs. 1 Nr. 3 Investmentgesetz (InvG) beantragt. Der Übergang des Grundbesitzes auf die EFHI wurde rückwirkend zum 01.03.2006 vereinbart. Die E Bank AG trat gemäß § 4 Nr. 2 des Vertrages mit Wirkung zum 01.03.2006 alle Rechte und Ansprüche aus den Mietverhältnissen auf den Käufer zurück ab.

Der Ansatz eines vorläufigen Kaufpreises sollte sich daraus rechtfertigen, dass die EFHI als Kapitalanlagegesellschaft gem. § 77 i.V.m. § 67 Abs. 5 InvG verpflichtet war, die von ihr zu erwerbenden Vermögensgegenstände gutachterlich bewerten lassen zu müssen. Zur Bestimmung des vorläufigen Kaufpreises legten die Kaufvertragsparteien den Buchwert des Grundstücks per 28.02.2006 (EUR 7.020.734,62) abzüglich der gezahlten GrESt i.H.v. EUR 297.500 (= EUR 6.723.235) zugrunde. Der endgültige Gesamtkaufpreis sollte nach entsprechender Begutachtung fällig gestellt werden (§ 3 Nr. 2 des Vertrags vom 07.03.2006). Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den vorgenannten Kaufvertrag.

Mit Schreiben vom 14.02.2006 - und somit sowohl vor Abschluss des Rückkaufvertrags als auch vor Ablauf des vertraglich zugunsten der EFHI vereinbarten Rücktrittsrechts zum 15.02.2006 - beauftragte die EFHI den Sachverständigen S zur Ankaufsbewertung des streitgegenständlichen Grundstücks in D. Die sodann auf den 01.03.2006 erfolgte Wertermittlung wies nach Maßgabe des Bewertungsbeschlusses vom 24.03.2006 einen im Ertragswertverfahren errechneten Verkehrswert von EUR 7.230.000 aus. Insofern wird ergänzend verwiesen auf vorgenanntes Gutachten.

Mit Bescheid vom 03.04.2006 setzte der Bekl. gegen die EFHI für das in D belegene Grundstück nach Maßgabe des vorläufig vereinbarten Kaufpreises von EUR 6.723.235 GrESt i.H.v. EUR 235.313 fest. Die Steuerfestsetzung erfolgte endgültig.

Die bereits im Kaufvertrag vom 07.03.2006 gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG beantragte Aufhebung der GrESt-Festsetzung für den Ersterwerb aus dem Jahr 2004 lehnte der Bekl. mit ebenfalls am 03.04.2006 ergangenen Bescheid ab. Grund für diese Entscheidung war für den Bekl. insbesondere der Umstand, dass von dem ursprünglichen Kaufpreis i.H.v. EUR 8.500.000 im Zuge des Rückerwerbs lediglich EUR 6.723.235 als Gegenleistung vereinbart worden seien. Zum anderen sei keine Abrechnung der auf den Besitzzeitraum der E Bank AG entfallenden Mieten und Kosten erfolgt. Der Kaufvertrag vom 09.03.2004 sei daher wirtschaftlich nicht aufgehoben worden. Dies stehe einer steuerneutralen Rückabwicklung i.S. des § 16 GrEStG entgegen.

Mit getrennten Schreiben legten sowohl die E Bank AG als auch die EFHI gegen den GrESt-Bescheid vom 03.04.2006 (EFHI) bzw. gegen die Ablehnung der Aufhebung der ursprünglichen GrESt-Festsetzung (E Bank AG) Einspruch ein. Sie trugen vor, dass die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gegeben seien. Der ursprüngliche Erwerbsvorgang aus dem Jahre 2004 sei innerhalb der gesetzlichen Zweijahresfrist im Wege des Rückkaufs rückabgewickelt worden. Es sei hierbei unschädlich, dass nicht der ursprünglich vereinbarte Kaufpreis zurückgezahlt worden sei. Zu berücksichtigen sei, dass die zurückgekaufte Immobilie in D zwischenzeitlich einen Wertverlust erlitten habe. Die Berücksichtigung von wertmindernden Faktoren im Rahmen eines Rückkaufs stehe der Anwendung des § 16 GrEStG nicht entgegen. Zudem sei eine Abrechnung über die während der Besitzzeit der E Bank AG vereinnahmten Mieten und verausgabten Kosten deshalb nicht erforderlich, da die Vertragsparteien nicht vom Kaufvertrag zurückgetreten seien sondern das Vertragsverhältnis im Zuge eines Rückkaufs abgewickelt hätten.

Mit getrennten Einspruchsentscheidungen (EEen) vom 27.10.2006 wies der Bekl. die Einsprüche als unbegründet zurück. Im Wesentlichen führte er hierbei an:

Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG lägen nicht vor. Hierfür sei erforderlich, dass alle aus einem Rechtsvorgang entstandenen Leistungsbeziehungen rückgängig gemacht und alle sonstigen Beziehungen tatsächlicher und rechtlicher Art zwischen den Vertragsbeteiligten beseitigt worden seien. Es seien insbesondere die gegenseitig ausgetauschten Leistungen zurückzugewähren. Sämtliche Wirkungen aus dem ursprünglichen Erwerbsvorgang seien aufzuheben. Die Vertragsparteien müssten sich so stellen, als sei der ursprüngliche Erwerbsvorgang nicht zustande gekommen. Im Streitfall sei nicht der vollständige Kaufpreis zurückgezahlt worden. Insbesondere habe die E Bank AG der EFHI nicht einen Teil des Kaufpreises belassen; vielmehr sei der neue Kaufpreis aufgrund eines Wertgutachtens neu ermittelt worden. Hinzu komme, dass die Nutzungen und Lasten, die auf die E Bank AG übergegangen seien, nicht an die EFHI zurückabgetreten worden seien (Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 10. Juli 1996 II B 139/95, BFH/NV 1996, 61).

Die EFHI und die E Bank AG erhoben am 29.11.2006 mit getrennten Klagen jeweils Klage zum Finanzgericht. Zur Begründung tragen sie in beiden Verfahren im Wesentlichen vor:

Der Rückerwerb vom 07.03.2006 habe dazu geführt, dass weder die ursprüngliche GrESt-Festsetzung vom 23.03.2004 noch die für den Rückerwerb mit Bescheid vom 03.04.2006 festgesetzte GrESt Bestand haben könne. Es sei irrelevant, dass beim Rückkauf ein niedrigerer Kaufpreis vereinbart worden sei als beim ursprünglichen Kauf.

Das GrESt-Recht knüpfe nicht an den Transfer der Gegenleistung sondern an den Transfer des Grundstücks an. Auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) fordere nicht, dass der Kaufpreis vollständig zurückgezahlt werde. Es würden Situationen berücksichtigt, in denen der Kaufpreis aufgrund besonderer Umstände gemindert worden sei. So sei unschädlich, wenn der Veräußerer dem Käufer für die Einwilligung in die Rückgängigmachung eine Entschädigung gewährt habe. Gleiches gelte nach Maßgabe der Rechtsprechung des BFH, wenn umgekehrt der Käufer dem Veräußerer im Zusammenhang mit der Rückgängigmachung einen Teil des Kaufpreises belasse. Diesen Fallkonstellationen gleichzustellen sei die Vereinbarung eines niedrigeren Kaufpreises, sofern - wie im Streitfall - die Vertragsparteien eine zwischenzeitlich festgestellte Wertminderung des Grundstücks berücksichtigen würden. Denn gerade wegen des Wertverlustes der Immobilie sei der ursprüngliche Veräußerer nicht zum Rückerwerb des Grundstücks in Höhe des ursprünglichen Kaufpreises zu bewegen. Es widerspräche der ökonomischen Vernunft, wenn objektiv wertgeminderte Grundstücke zu einem nicht mehr angemessenen Kaufpreis zurückübertragen werden müssten, um die Steuerfestsetzung des § 16 GrEStG in Anspruch nehmen zu können.

Unschädlich sei zudem, dass die Vertragsparteien die während der Besitzzeit der E Bank AG geflossenen Mieten und Kosten nicht abgerechnet und einander gegenseitig vergütet hätten. Der Bekl. missverstehe die in diesem Zusammenhang von ihm angeführte Rechtsprechung des BFH. Der Beschluss des BFH vom 10. Juli 1996 II B 139/95, BFH/NV 1996, 61 lasse keine vergangenheitsbezogene sondern eine ausschließlich zukunftsgerichtete Sichtweise zu. Anders als beim Kaufpreis werde für Nutzungen und Lasten keine Rückgewähr verlangt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die zwischenzeitlichen Nutzungen und Lasten - anders als der Kaufpreis - nicht Bestandteil der kaufvertraglichen Pflichten i.S. des § 433 Abs. 1 und 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) seien.

Die Klägerinnen beantragen,

den GrESt-Bescheid vom 03.04.2006 in Gestalt der EE vom 27.10.2006 aufzuheben;

den Bekl. unter Aufhebung der EE vom 27.10.2006 zu verpflichten, den GrESt-Bescheid vom 23.03.2004 aufzuheben;

hilfsweise - für den Fall des Unterliegens - die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klagen abzuweisen sowie

hilfsweise - für den Fall des Unterliegens - die Revision zuzulassen.

Zur Begründung führt er an:

Die Höhe des Kaufpreises für den Rückerwerb vom 07.03.2006 basiere ausschließlich auf einem Wertgutachten. Es sei deshalb anscheinend nicht beabsichtigt gewesen, die Vertragsparteien so zu stellen, als ob der Erwerbsvorgang nicht zustande gekommen sei. Dies stehe einer Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG entgegen. Ferner sei zu Lasten der Klin. zu berücksichtigen, dass die Mieten und Kosten für Besitzzeiten der E Bank AG nicht gegenüber der EFHI abgerechnet worden seien. Es müssten sämtliche Wirkungen aus dem ursprünglichen Erwerbsvorgang aufgehoben werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die EEen vom 27.10.2006 und die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst vorgelegter Unterlagen verwiesen.

Der Senat hat am 22.01.2009 mündlich verhandelt. Insofern wird ergänzend Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom selben Tag.

Gründe:

Die Klagen, die gem. § 73 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind, sind unbegründet.

Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG liegen nicht vor. Eine Aufhebung der Steuerfestsetzung vom 23.03.2004 kommt daher ebenso wenig in Betracht wie eine Steuerfreistellung des Rückerwerbs der EFHI vom 07.03.2006. Die Klägerinnen sind nicht in ihren Rechten verletzt.

Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wird bei Rückabwicklung eines Grundstückserwerbs auf Antrag die GrESt nicht festgesetzt bzw. eine bereits erfolgte Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn die Rückgängigmachung durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts oder eines Wiederkaufsrechts innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet. Voraussetzung ist in den Fällen des § 16 Abs. 1 GrEStG ferner, dass das Eigentum am Grundstück noch nicht auf den Erwerber übergegangen ist.

1. § 16 GrEStG ist eine am Besteuerungszweck orientierte Korrekturvorschrift zu § 1 GrEStG. Den Steuertatbeständen des § 1 GrEStG liegt die Annahme zu Grunde, dass durch diese im Regelfall ein Grundstücksumsatz als das von den Beteiligten beabsichtigte Ergebnis verwirklicht wird. Das weitere Schicksal eines Erwerbsvorgangs ist nach der Konzeption des § 1 GrEStG dagegen ohne Bedeutung (vgl. nur Pahlke in Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Aufl., § 16 Rdnr. 2 m.w.N.). Der Regelung des § 16 GrEStG lässt sich die gegenläufige Wertung entnehmen, dass die Rückgängigmachung einer Änderung der grunderwerbsteuerrelevanten Zuordnung eines Grundstücks innerhalb von zwei Jahren die eigentlich indizierte Besteuerungswürdigkeit wieder aufhebt (Sack in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 16 Rdnr. 11).

Vor diesem Hintergrund ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, ein Erwerbsvorgang i.S. des § 16 GrEStG erst dann "rückgängig gemacht", wenn sich die Vertragsparteien über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt (BFH-Urteile vom 09. März 1994 II R 86/90, BFHE 173, 568, BStBl II 1994, 413; vom 19. März 2003 II R 12/01, BFHE 202, 383, BStBl II 2003, 770; vom 21. Februar 2006 II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700; vom 25. April 2007 II R 18/05, BFHE 217, 276, BStBl II 2007, 726; zuletzt vom 01. Juli 2008 II R 36/07, BFHE 220, 555, BStBl II 2008, 882).

Der Erwerber darf nach der Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrags weder die rechtliche noch die wirtschaftliche Möglichkeit der Verwertung des Grundstücks beibehalten. Der Veräußerer muss wieder uneingeschränkt über das Grundstück verfügen und es in seinem gesamten wirtschaftlichen Gehalt verwerten können (Sack in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 16 Rdnr. 61 m.w.N.).

Die tatsächliche und vollständige Rückgängigmachung setzt voraus, dass die Vertragsparteien sämtliche Wirkungen aus dem Erwerbsvorgang aufheben und sich so stellen, als wäre dieser nicht zustande gekommen (BFH in BFHE 220, 555, BStBl II 2008, 882).

Die gegenseitig ausgetauschten Leistungen müssen zurückgewährt werden. Hatte der Erwerber den Kaufpreis bereits entrichtet, war ihm der Besitz an dem Grundstück über geben und waren auch Nutzungen und Lasten schon auf den Erwerber übergegangen, so ist der Erwerbsvorgang nur dann i.S. des § 16 Abs. 1 GrEStG "rückgängig gemacht", wenn der Veräußerer das Grundstück wieder in Besitz nimmt, den ihm zugeflossenen Kaufpreis zurückgewährt, die Lasten des Grundstücks trägt und die Nutzungen hieraus zieht (BFH-Beschluss vom 10. Juli 1996 II B 139/95, BFH/NV 1997, 61).

2. Diesen Rechtsgrundsätzen folgend, lagen im Streitfall nicht sämtliche Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor.

Zwar haben die E Bank AG und die EFHI innerhalb der gesetzlichen Zwei-Jahres-Frist einen zivilrechtlich wirksamen Rückkaufvertrag u.a. über das in D belegene - streitgegenständliche - Grundstück abgeschlossen und damit den Kaufvertrag vom 09.03.2004 jedenfalls rechtlich rückgängig gemacht. Unerheblich ist zudem, dass die EFHI das Grundstück nicht unmittelbar für sich selbst sondern für Rechnung ihres Immobilien-Sondervermögens "Fonds II" erworben hat. Eine Nämlichkeit der Vertragsparteien wird hierdurch nicht in Frage gestellt. Die bei einer Kapitalanlagegesellschaft gesetzlich angeordnete Trennung des Sondervermögens vom "eigenen Vermögen" und die Verfügungsbeschränkungen zu Gunsten der Depotbank rechtfertigen nicht die Annahme, dass die im Sondervermögen gehaltenen Grundstücke grunderwerbsteuerrechtlich nicht der Kapitalanlagegesellschaft sondern den Anteilinhabern oder der Depotbank (vgl. § 26 Abs. 1 Nr. 3 InvG) gehören (BFH-Urteil vom 29. September 2004 II R 14/02, BFHE 207, 59, BStBl II 2005, 148; Fischer in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 1 Rdnr. 915). Vielmehr gehört das Immobilien-Sondervermögen insoweit zum Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft, hier der EFHI.

Allerdings haben die Vertragsparteien den ursprünglichen Kaufvertrag vom 09.03.2004 nicht vollständig tatsächlich zurück abgewickelt.

a. Hierbei steht zwar entgegen der Ansicht des Bekl. der Umstand, dass die E Bank AG und die EFHI die Erträge und Aufwendungen während der knapp zweijährigen Besitzzeit der E Bank AG nicht gegenseitig erstattet bzw. verrechnet haben, einer tatsächlichen Rückgängigmachung i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht entgegen (vgl. hierzu auch Behrens/Schmitt, UVR 2008, 370, 375). Erforderlich ist lediglich eine vollständige Rückgewähr der gegenseitig ausgetauschten Leistungen, die ihren Rechtsgrund im ursprünglichen Erwerbsvorgang - d.h. im tatbestandserfüllenden Verpflichtungsgeschäft - haben. Sowohl die vereinnahmten Mieten als auch die hiermit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind nicht Bestandteil des rückabgewickelten Verpflichtungsgeschäfts.

Ein zivilrechtliches Austauschverhältnis besteht insoweit zwischen den Kaufvertragsparteien nicht. Nichts anderes ergibt sich - anders als es der Bekl. meint - aus der BFH-Rechtsprechung. Insbesondere der Entscheidung des BFH vom 10. Juli 1996 (II B 139/95, BFH/NV 1997, 61) kann nicht entnommen werden, dass - rückwirkend - Nutzungen und Lasten erstattet bzw. verrechnet werden müssen. Der BFH hält es lediglich für notwendig, dass der ursprüngliche Veräußerer das Grundstück (für die Zukunft) wieder in Besitz nimmt, die Lasten trägt und die Nutzungen zieht. Auch der Hinweis, dass "sämtliche Wirkungen" aus dem Erwerbsvorgang aufgehoben werden müssen (BFH in BFH/NV 1997, 61), kann sich nur auf den Inhalt des tatbestandserfüllenden Verpflichtungsgeschäfts beziehen. Gezogene Nutzungen und getragene Lasten werden nicht durch das Verpflichtungsgeschäft begründet und gegenseitig ausgetauscht, sondern sind vielmehr eine lediglich mittelbare Folgewirkung der Besitzzuweisung i.S. des § 854 BGB.

b. Gegen eine tatsächliche Rückgängigmachung des ursprünglichen Erwerbsvorgangs lässt sich auch nicht anführen, dass im Zuge des Rückerwerbs der EFHI eine Verfügungsbeschränkung gem. § 26 Abs. 1 Nr. 3 InvG zu Gunsten der E Bank AG, d.h. der ursprünglichen Erwerberin, ins Grundbuch eingetragen wurde (vgl. § 11 des Kaufvertrags vom 07.03.2006). Zwar wird hierdurch das - grundsätzlich notwendige - uneingeschränkte Verfügungsrecht der EFHI über das Grundstück beschnitten. Allerdings handelt es sich um eine gesetzliche Verfügungsbeschränkung. Denn nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 InvG darf eine Kapitalanlagegesellschaft zum Schutz der Anleger über zum Immobilien-Sondervermögen gehörende Immobilien nur mit Zustimmung der Depotbank - hier der E Bank AG - verfügen. Verfügungen ohne Zustimmungen der Depotbank sind gegenüber den Anlegern unwirksam (§ 26 Abs. 2 Satz 3 InvG). Zudem ist zu beachten, dass durch die vorgenannte Verfügungsbeschränkung lediglich der status quo ante wiederhergestellt wurde. Zuvor war im Grundbuch zu Gunsten der E Bank AG als Depotbank eine Verfügungsbeschränkung der EFHI gem. § 31 Abs. 2 Satz 1 KAGG, der nahezu gleichlautenden Vorgängervorschrift zu § 26 InvG, eingetragen. Der Rückerwerb vom 07.03.2006 beinhaltet somit keine weitergehenden Verfügungsbeschränkungen für die EFHI.

c. Einer Rückgängigmachung i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steht allerdings entgegen, dass der Kaufpreis für den Rückerwerb nicht demjenigen des ursprünglichen Erwerbs aus dem Jahr 2004 entsprach.

aa. Insofern fehlt es bereits an dem Erfordernis, dass der Erwerbsvorgang innerhalb der gesetzlichen Zwei-Jahresfrist tatsächlich rückabgewickelt wurde. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG setzt voraus, dass die Rückgängigmachung innerhalb vorgenannter Frist tatsächlich abschließend vollzogen wird (vgl. Pahlke in Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Aufl., § 16 Rdnr. 33 m.w.N.). Abschließend fristgemäß vollzogen wurde der Rückerwerb vorliegend bereits deshalb nicht, da sich die Vertragsparteien zunächst nur auf einen vorläufigen Kaufpreis verständigt hatten (§ 3 Nr. 1 des Kaufvertrags vom 07.03.2006). Zurückgewährt wurden somit innerhalb der Zwei-Jahres-Frist nicht sämtliche Erwerberleistungen, sondern - vorläufig - nur eine Erwerberleistung auf Grundlage des Restbuchwerts der Immobilie. Endgültig und verbindlich sollte der Kaufpreis nach Maßgabe der Wertermittlungen des gem. §§ 77, 67 Abs. 5 InvG gesetzlich erforderlichen Sachverständigengutachtens sein (§ 3 Nr. 1 und 2 des Kaufvertrags). Jenes Gutachten datiert vom 24.03.2006. Die hiernach notwendige Mehr-Kaufpreiszahlung der E Bank AG i.H.v. EUR 209.265 konnte somit erst außerhalb der Zwei-Jahres-Frist des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfolgen. Auf diesen zusätzlichen Umstand, der in den ausgetauschten Schriftsätzen nicht thematisiert worden war, hat der Vorsitzende im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 22.01.2009 hingewiesen. bb. Unabhängig hiervon ist im Streitfall die Vereinbarung eines vom ursprünglichen Erwerbsvorgang abweichenden Kaufpreises für die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG schädlich. Zwar kann ein Grundstückserwerb grunderwerbsteuerneutral auch in der Weise rückgängig gemacht werden, dass der Verkäufer dem Käufer nicht nur den Kaufpreis zurückzahlt, sondern ihm außerdem - damit er in die Rückgängigmachung einwilligt - eine Entschädigung gewährt. Gleiches gilt, wenn umgekehrt der Käufer, um von dem Grundstück freizukommen, dem Verkäufer einen Teil des Kaufpreises belässt (BFH-Urteile vom 21. Dezember 1960 II 194/57 U, BFHE 72, 444, BStBl III 1961, 163; vom 04. Dezember 1985 II R 171/84, BFHE 145, 448, BStBl II 1986, 271; vgl. auch Pahlke in Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Aufl., § 16 Rdnr. 22).

Die Rückgewähr eines geringeren Kaufpreises beruhte vorliegend allerdings nicht etwa darauf, dass die E Bank AG der EFHI einen Teil des Kaufpreises als eine Art "Entschädigung" belassen hat, um von dem Grundstück freizukommen. Vielmehr war die EFHI als Kapitalanlagegesellschaft - zum Schutze ihrer Anleger - verpflichtet, eine für ihr Immobilien-Sondervermögen zu erwerbende Immobilie vorher durch einen Sachverständigen-Ausschuss bewerten zu lassen und anschließend auch nur einen Kaufpreis zu zahlen, der den sachverständig festgestellten Wert nicht oder nur unwesentlich übersteigt (§ 67 Abs. 5 Satz 1 InvG). Rechtsgrund für den geringeren Kaufpreis war somit nicht eine privatautonome Vereinbarung der Vertragsparteien, die die EFHI zum Rückerwerb veranlassen sollte, sondern ausschließlich eine gesetzliche Vorgabe für den Vermögenserwerb durch Kapitalanlagegesellschaften.

Darüber hinaus bestand im Streitfall ganz offensichtlich keine Notwendigkeit, dass der Rückerwerb der EFHI im Wege des Rückkaufs vollzogen wurde. Zwar schreiben Wortlaut und Sinn des § 16 GrEStG keine bestimmte Form des Rückerwerbs vor, so dass auch - wie vorliegend - durch einen Rückkauf der ursprüngliche Erwerbsvorgang rechtlich rückgängig gemacht werden kann (vgl. Sack in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 16 Rdnr. 33). Allerdings bestand für die EFHI bis zum 15.02.2006 das vertragliche Recht zum Rücktritt vom ursprünglichen Kaufvertrag (§ 10 des Vertrags vom 09.03.2004). Einer vorherigen Sachverständigenbewertung des Grundstücks hätte es im Falle der Ausübung des Rücktrittsrechts - selbst bei eingetretener Wertminderung - aufgrund des durch den Rücktritt gesetzlich entstehenden Rückgewährschuldverhältnisses (§§ 346 ff. BGB) nicht bedurft. Dass die Vertragsparteien bereits vor Ablauf des vertraglichen Rücktrittsrechts für die EFHI eine Rückabwicklung des Kaufvertrags vom 09.03.2004 beabsichtigt hatten, belegt die Beauftragung des Sachverständigen S zur Ankaufsbewertung des streitgegenständlichen Grundstücks vom 14.02.2006. Zwar mag der Verzicht auf das Rücktrittsrecht für die hierzu berechtigte EFHI wirtschaftlich von Vorteil gewesen sein, sofern es - wie vorgetragen - zutrifft, dass die Vertragsparteien von einem zwischenzeitlichen Wertverlust der Immobilie ausgegangen waren. Allerdings hätte die E Bank AG vermittels ihres Beherrschungsverhältnisses darauf hinwirken können, dass die EFHI ihr Rücktrittsrecht fristgemäß ausübt. Eine etwaig durch den vorliegend vollzogenen - alternativen - Weg beabsichtigte Verlustzuweisung auf Seiten der E Bank AG steht nach Auffassung des Senats einer Anwendung des § 16 GrEStG entgegen.

Unabhängig hiervon hält es der Senat für nicht erheblich, dass durch das Sachverständigengutachten vom 24.03.2006 eine Ertragswertminderung des Grundstücks wegen geringerer Vermietungsauslastungen zum Ausdruck gebracht wurde. Denn ein Ausgleich für Wertminderungen des Grundstücks steht zur Überzeugung des Senats einer grunderwerbsteuerneutralen Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG entgegen (a.A. offensichtlich Pahlke in Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Aufl., § 16 Rdnr. 49). Insbesondere würde der Abzug von Wertminderungen dem o.g. Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechen. Eine Abstandnahme von der Besteuerung ist in den Fällen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nur dann gerechtfertigt, wenn sich die Vertragsparteien innerhalb einer Frist von zwei Jahren auf eine Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrags verständigen - und zwar auf Grundlage der seinerzeitigen Erwerbsmodalitäten. Nur in diesem Fall wird die mit dem Abschluss des ursprünglichen Verpflichtungsgeschäfts ausgelöste Besteuerungswürdigkeit wieder aufgehoben; nur in diesem Fall wird der Vorgabe Genüge getan, dass sich die Vertragsparteien so zu stellen haben als wäre der ursprüngliche Erwerbsvorgang nicht zustande gekommen (BFH in BFHE 220, 555, BStBl II 2008, 882). Vereinbaren die Parteien dagegen - wenn auch nur zum Teil - gegenüber dem Ersterwerb abweichende Vertragsmodalitäten, so z.B. über die Höhe des Kaufpreises, stellen sie den Rückerwerb auf eine andere Tatsachengrundlage, so dass die Beibehaltung der ursprünglichen Besteuerung gerechtfertigt ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Normen:

InvG:67/5/1 GrEStG:16/1/1

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