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Steuerrecht
19.05.2017
Steuerrecht
FG Düsseldorf: Organschaft – Frage der wirtschaftlichen Eingliederung

FG Düsseldorf, Urteil vom 19.2.20165 K 1904/14 U

Volltext: BB-ONLINE BBL2017-1174-6

unterwww.betriebs-berater.de

Sachverhalt

Der Kläger ist als freiberuflicher Rechtsanwalt unternehmerisch tätig. Er war außerdem allein an der A Immobilienverwaltungs-GmbH beteiligt – er war daneben ihr alleiniger Geschäftsführer. Der A Immobilienverwaltungs-GmbH vermietete er unter dem 28.3.2007 in seinem Haus C in B – in dem er auch mit seiner Ehefrau wohnt – die ehemalige Einliegerwohnung und die dazu gehörenden Nebenräume mit einer Geschäftsfläche von ca. 60 qm für monatlich 420 € zuzüglich Nebenkosten in Höhe von monatlich pauschal 170 €. Das Mietverhältnis war bis zum 31.3.2010 vereinbart. Im Handelsregister wurde unter dem 19.2.2009 als Geschäftsanschrift „C in B“ eingetragen.

Durch Beschluss des Amtsgerichts < AG > E vom     <Az        > wurde für die A Immobilienverwaltungs-GmbH ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet. Mit Beschluss vom    .2010 wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet.

Durch Steuerberater D vorbereitet – erklärte der Kläger für 2010 an Umsatzsteuern insgesamt einen Betrag in Höhe von    €. In einer der Umsatzsteuererklärung beigefügten Anlage – von Steuerberater D unterzeichnet – heißt es:

In der Umsatzsteuererklärung wurde die umsatzsteuerliche Organschaft hinsichtlich des Betriebsunternehmens der A Immobilienverwaltungs-GmbH, …, für die Monate Januar bis März 2010 nicht berücksichtigt, weil die entsprechenden Unterlagen der A Immobilienverwaltungs-GmbH sich beim Insolvenzverwalter  F befinden.

Steuerberater D teilte dem Finanzamt mit Schreiben vom 26.11.2010 mit,

das Mietverhältnis zwischen Herrn G und der A Immobilienverwaltungs-GmbH endete zum 31.3.2010. … Mit Beendigung des Mietverhältnisses besteht keine wirtschaftliche Eingliederung mehr und ein evtl. bestandenes Organschaftsverhältnis wäre damit beendet.

Mit Schreiben vom 12.12.2011 bat der Kläger darum,

seine Umsatzsteuererklärung 2010 zu ergänzen um die von der A Immobilienverwaltungs-GmbH als Organgesellschaft für den Zeitraum Januar bis März 2010 abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen und die geleisteten Zahlungen:

Steuerpflichtige Umsätze 19 % - Summe:    € (netto)

Vorsteuer - Summe:   €

Umsatzsteuervorauszahlungen für den Zeitraum der Organschaft - Summe:    €.

„Auf der Grundlage der mitgeteilten Zahlen bitte ich um Ausfertigung eines Umsatzsteuerbescheids.“

Das Finanzamt folgte dem und setzte gegen den Kläger mit Bescheid vom 5.1.2012 die Umsatzsteuer für 2010 auf   € fest.

Der Kläger erhob hiergegen Einspruch. Mit Schreiben vom 6.3.2012 äußerte er Zweifel daran, dass zwischen ihm und der A Immobilienverwaltungs-GmbH eine Organschaft bestünde – ohne diese allerdings dort näher zu begründen. Im Schreiben vom 17.4.2013 heißt es sodann, „zwar könne eine Organschaft hinsichtlich der Voraussetzungen finanzielle Eingliederung wegen der A-Alleingesellschafterstellung und ebenso betreffend die organisatorische Eingliederung wegen seiner A-Geschäftsführerposition angenommen werden – es fehle jedoch an der wirtschaftlichen Eingliederung. Die Vermietung sei nur von untergeordneter Bedeutung – sie sei nicht von einem gewissen wirtschaftlichen Gewicht. Die Anmietung bilde – so die Ausführungen im Schreiben vom 14.5.2013 – nicht die „räumliche und funktionale Grundlage der Unternehmenstätigkeit der Organgesellschaft“.

Am 4.4.2013 fand beim Finanzamt eine Besprechung statt, an der unter anderem der Kläger persönlich und Vertreter des Finanzamts beteiligt waren – im dazu erstellten Aktenvermerk heißt es im Wesentlichen:

Zur Eröffnung des Gesprächs stellte Herr  G dar, wie die Abläufe in seinem Unternehmen waren..

Sein Büro sei nur ein kleines Zimmer in seinem Privathaus, das er an die A Immobilienverwaltungs-GmbH vermietet habe. Er bestreitet aufgrund der Größe des Büros das Vorliegen einer Organschaft. …

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Im vorliegenden Fall sei – so die Ausführungen des Finanzamts in den Gründen der Einspruchsentscheidung – die finanzielle und organisatorische Eingliederung unstreitig. Aber auch eine wirtschaftliche Eingliederung liege vor. Für diese sei zwar charakteristisch, dass die Organgesellschaft im Gefüge des übergeordneten Organträgers als dessen Bestandteil erscheine; es genüge aber schon, wenn zwischen der Organgesellschaft und dem Unternehmen des Organträgers ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung – sei es auch in verschiedenen Wirtschaftszweigen – vorhanden sei. Die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft müssten aufeinander abgestimmt sein. Sie müssten sich fördern und ergänzen. Für die umsatzsteuerrechtliche Organschaft könne somit eine den Betrieb der Untergesellschaft fördernde Tätigkeit der Obergesellschaft ausreichen. Dazu genüge beispielsweise die Vermietung eines Betriebsgrundstücks, wenn dieses für die Organgesellschaft – wie in dem hier zu beurteilenden Fall – von nicht nur geringer Bedeutung sei, weil es die räumliche und funktionale Grundlage der Geschäftstätigkeit der Organgesellschaft bilde. Ausreichend sei, dass das vermietete Grundstück für die A Immobilienverwaltungs-GmbH von nicht nur geringer Bedeutung war, weil dort ihr Unternehmen betrieben wurde.

Der Kläger hält mit der Klage daran fest, es habe kein Organschaftsverhältnis zwischen ihm und der A Immobilienverwaltungs-GmbH bestanden. Die Überlassung eines Raums im eigenen Einfamilienhaus überschreite nicht die „Erheblichkeitsschwelle“ als Voraussetzung einer wirtschaftlichen Eingliederung.

Es sei Beweis zu erheben darüber,

1.              dass seine geschäftsführende Tätigkeit nie in der Einliegerwohnung des Haus-Grundstückes C in B stattgefunden habe und

2.              dass die Voraussetzungen der Unwesentlichkeit der Räume gemäß § 8 EStDV vorgelegen hätten

durch Lokaltermin und Vernehmung von H, …, D, …, I, Geschäftsführer der J - GmbH, … in E, K, L, … , M, N und von O als Zeugen.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Bescheids vom 5.1.2012 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 12.3.2013 seine Umsatzsteuer für 2010 auf    € festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die streitige Umsatzsteuerfestsetzung des Klägers für 2010 ist rechtmäßig.

Zutreffend hat das Finanzamt eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft zwischen dem Kläger und der A Immobilienverwaltungs-GmbH angenommen. Dass von einer finanziellen und organisatorischen Eingliederung ausgegangen werden kann, ist unstreitig. Die finanzielle Eingliederung folgt daraus, dass der Kläger allein an der A Immobilienverwaltungs-GmbH beteiligt war – die organisatorische Eingliederung folgt daraus, dass er alleiniger Geschäftsführer war. Dass allein der Kläger maßgebend war, spricht gar für eine deutliche Ausprägung der finanziellen und organisatorischen Eingliederung.

Auch die wirtschaftliche Eingliederung ist gegeben. Für die wirtschaftliche Eingliederung ist es – bei hier gegebener deutlicher Ausprägung der finanziellen und organisatorischen Eingliederung – unschädlich, wenn die wirtschaftliche Eingliederung weniger deutlich zu Tage tritt. Es genügt dann, dass zwischen der Organgesellschaft und dem Unternehmen des Organträgers ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung vorhanden ist. Die Tätigkeit von Organträger und Organgesellschaft müssen lediglich aufeinander abgestimmt sein und sich fördern und ergänzen (Urteil des Bundesfinanzhofs < BFH > vom 29.10.2008 XI R 74/07, Bundessteuerblatt < BStBl > II 2009, 256). Eine wirtschaftliche Eingliederung kann sich aus der Vermietung eines Betriebsgrundstücks ergeben. Ausreichend ist dazu nach ständiger Rechtsprechung des BFH, dass das vermietete Grundstück für die Mieterin von nicht nur geringer Bedeutung war – beispielsweise weil dort ihr Unternehmen betrieben wurde, es also die räumliche und funktionale Grundlage der Geschäftstätigkeit der Mieterin bildete (u.a.: BFH-Urteile vom 23.5.2000 VIII R 11/99, BStBl II 2000, 621, vom 23.1.2001 VIII R 71/98, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH < BFH/NV > 2001, 894 und vom 16.8.2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223; BFH-Beschluss vom 25.4.2002 V B 128/01, BFH/NV 2002, 1058). Wird ein Teil eines „normalen“ Einfamilienhauses von dem Gesellschafter einer Betriebs-GmbH an diese als einziges Büro vermietet, so stellen die Räume auch dann eine wesentliche, die sachliche Verflechtung begründende Betriebsgrundlage im Sinne der Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung dar, wenn sie nicht für Zwecke des Betriebsunternehmens besonders hergerichtet und gestaltet sind; das gilt jedenfalls dann, wenn der Gebäudeteil nicht die in § 8 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung < EStDV > genannten Grenzen unterschreitet (BFH-Urteil vom 13.7.2006 IV R 25/05, BStBl II 2006, 804).

Die vom Kläger der A Immobilienverwaltungs-GmbH vermietete, zu seinem von ihm mit seiner Ehefrau selbst bewohnten Haus gehörende Einliegerwohnung stellte für die A Immobilienverwaltungs-GmbH die räumliche und funktionale Grundlage ihrer Geschäftstätigkeit dar, weil sie von dort ihr Unternehmen betrieb. Als Indiz hierfür spricht, dass ihre Geschäftsanschrift im Handelsregister eben mit „C in B“ eingetragen ist und man sie offiziell nur unter einer Telefonnummer in B erreichen konnte – nämlich unter …. Außerdem ergibt sich nichts dafür, von wo sonst aus das Unternehmen der A Immobilienverwaltungs-GmbH betrieben worden sein soll. Zwar gab es in den einzelnen Geschäften – für die die A Immobilienverwaltungs-GmbH Personal stellte – Räume, die seitens der Zentren kostenlos zur Verfügung gestellt wurden. Dies geschah jedoch dazu, dass die Angestellten ihre Arbeitsmittel unterstellen konnten. Als Ort zum Betrieb eines Unternehmens der Personalgestellung erscheinen solche Räume wenig geeignet und sie waren dazu offensichtlich nicht bestimmt. Die A Immobilienverwaltungs-GmbH hatte keinen Anspruch darauf, dass ihr diese Räume – neben der Aufbewahrung von Arbeitsmitteln – für den Betrieb ihres Unternehmens zur Verfügung gestellt wurden; Mietverträge gab es jedenfalls nicht – siehe hierzu im Einzelnen den Vermerk über das Gespräch zwischen dem Kläger und Vertretern des Finanzamts vom 4.4.2013, der im Tatbestand wiedergegeben ist, Gegenstand der mündlichen Verhandlung war und dessen Inhalt vom Kläger nicht bestritten wurde. Die Räume sind damit nicht einmal der A Immobilienverwaltungs-GmbH zuzurechnen, sondern den jeweiligen Betreibern der Geschäfte; sie waren es, die ein Interesse daran hatten, dass die ihnen von der A Immobilienverwaltungs-GmbH zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte tatsächlich für sie arbeiten konnten – ihnen waren dazu die Räumlichkeiten zu öffnen und die Gelegenheit zu geben, Arbeitsmittel unterzubringen.

Dafür, dass die geschäftsführende Tätigkeit der A Immobilienverwaltungs-GmbH hingegen nie in der Einliegerwohnung C in B stattgefunden haben soll, hat der Kläger keinen geeigneten Beweis angetreten. Eine Ortsbesichtigung bot sich nicht an, weil die A Immobilienverwaltungs-GmbH längst kein Unternehmen mehr betreibt – sie ist seit 2010 infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen aufgelöst. Auch ist nicht ersichtlich, wie die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung benannten Personen sollen bestätigen können, dass die geschäftsführende Tätigkeit der A Immobilienverwaltungs-GmbH tatsächlich nie in der Einliegerwohnung C in B stattgefunden hat. Erforderlich wäre dazu, dass diese Personen den Betrieb des Unternehmens der A Immobilienverwaltungs-GmbH zeitlich umfassend begleitet hätten – dies ist so nicht vorgetragen und auch sonst fernliegend. Immerhin ist es unstreitig, dass die Einliegerwohnung als Archiv diente, also dort Akten vorhanden waren – Akten werden aber in der Regel eher dort bearbeitet, wo man unmittelbaren Zugriff auf sie hat. Im Übrigen bliebe offen, von wo sonst die A Immobilienverwaltungs-GmbH ihr Unternehmen betrieben haben soll.

Entscheidend ist auch, dass der Kläger selbst von einer Organschaft ausgegangen ist – damit konsequenterweise von einer wirtschaftlichen Eingliederung. Mit Schreiben vom 12.12.2011 bat er das Finanzamt ausdrücklich darum, die umsatzsteuerlichen Folgerungen aus einer Organschaft zu ziehen und umzusetzen. Dieses Schreiben war – entgegen der Behauptung des Klägers im Protokollberichtigungs- bzw. – ergänzungsantrag vom 11.4.2016 – eingehend Gegenstand der Erörterung des Sach- und Streitstands in der mündlichen Verhandlung. Dem Kläger wurde deutlich gemacht, dass er sich offensichtlich widersprüchlich verhalte, wenn er sich zunächst auf eine Organschaft berufe – dann aber später hiervon abrücke. Auf seine Antwort, nicht gewusst zu haben, was er unterschreibe – vermochte er hingegen nicht zu erklären, weshalb zuvor auch sein Steuerberater – Steuerberater D – in der Anlage zur Umsatzsteuererklärung, vorbereitet mit Schreiben vom 17.11.2011, und zuvor schon in einem Schreiben vom 26.11.2010 an das Finanzamt von einer Organschaft ausging. Bei einem – auch im Umsatzsteuerrecht erfahrenen – Steuerberater ist jedenfalls davon auszugehen, dass – wenn er umsatzsteuerliche Organschaft schreibt – weiß, was damit gemeint ist und dies vorab mit seiner Mandantschaft eingehend besprochen hat – jedenfalls den Sachverhalt, aus dem man eine Organschaft herleiten kann.

Die vom Kläger der A Immobilienverwaltungs-GmbH vermietete Einliegerwohnung ist auch nicht mit Blick auf § 8 EStDV unbedeutend. Anders als in dem BFH-Urteil vom 13.7.2006 (IV R 25/05, a.a.O.) zugrundeliegenden Sachverhalt – einem Teil eines „normalen“ Einfamilienhauses mit einer Fläche von 31 qm – handelt es sich im vorliegenden Fall nicht um Teile eines Einfamilienhauses, sondern schon um eine vom Wohnbereich abgetrennte Einheit – eben um eine hiervon selbständige Einliegerwohnung. Ihre Fläche betrug – so ausdrücklich im Mietvertrag festgehalten – 60 qm. Bei einem Verkehrswert für Grundstücke mit Häusern nebst Einliegerwohnungen in B von mindestens 2.000 € / qm sind die Grenzen des § 8 EStDV weit überschritten; die Höhe dieses Wertes entspricht den Erfahrungen des erkennenden Gerichts in vergleichbaren Sachverhalten – die Stadt B liegt im unmittelbaren Bereich des Landeshauptstadt E. Für einen anderen Wert hat der Kläger keine konkreten Angaben gemacht – der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte es damit nicht; selbst bei einem abwegigen – weil zu niedrigem – Preis von 500 € / qm wäre der Wert des § 8 EStDV überschritten.

Stellte man nicht auf den Verkehrswert der Wohnung ab, bliebe als Maßstab die Größe der vermieteten Einliegerwohnung. Wenn der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen im Schriftsatz vom 11.4.2016 eine Fläche von 14 qm als Archiv nutzte – liegt es nahe, dass er im Rest von 46 qm eben das Unternehmen der A Immobilienverwaltungs-GmbH betrieb. Andere Flächen standen dazu offensichtlich nicht zur Verfügung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung < FGO >.

 

 

 

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